Interview: 23rd Grade Of Evil
By Roger W.

Die Luzerner Thrash-Metaller 23rd Grade Of Evil erleben gerade eine intensive Zeit. Das zweite Album «Bad Men Do What Good Men Dream» heimst überall tolle CD-Kritiken ein und der herbstliche Konzertkalender ist ent-sprechend prall gefüllt. Bloss schade, dass gerade jetzt Sänger Zeno Pfister seinen Rücktritt bekannt gegeben hat und damit das Personalkarussell in Schwung kommt. Als Erstes wurde der Hellvetica und Shadows Far-Shouter Roman Wettstein für die kommenden Livetaten verpflichtet. Als Zweites ist der langjährige Konzertgitarrist Markus Flury als vollwertiges Mitglied in die Band aufgenommen worden. Von den personellen Ereignissen abgesehen, wussten Gitarrist Alex Lorenz und Bassist Tom Höpfner bei unserem Interview noch nichts zu berichten. Lest deshalb, was sie zum neuen Album und zu Psychomördern zu sagen haben.

MF: Euer Bandname ist ziemlich speziell. Was sagt er eigentlich aus?


Alex: Der Name geht auf Michael G. Stone zurück. Das ist ein amerikanischer Psychiatrie-Professor von der Colombia University. Er hat im Auftrag der amerikanischen Gerichte eine Skala des Bösen kreiert. Er hat sich angeschaut, was Serienkiller, Massenmörder und Psychomörder in den letzten Jahrzehnten so alles angestellt haben. Er hat das in eine Skala im Sinne des Bösen eingeteilt, wie nach dem Grad wie schlimm diese Taten waren. Seine Skala geht von eins mit quasi Totschlag aus Notwehr bis auf 22 rauf. Die 22 beschreibt einen Psychomörder, welcher die Folterung, also die Verlängerung des Leidens des Opfers in den Vordergrund stellt und erst ganz zum Schluss zum Tötungsakt übergeht. Wir haben den Namen 23. Grad des Bösen nicht gewählt, weil wir sagen, dass wir jetzt solch böse Menschen sind, sondern aus einem anderen Grund: Wenn wir in der Welt umherschauen und Dinge anschauen, welche auch jüngst passiert sind, wie zum Beispiel in Norwegen, dann haben wir das Gefühl, dass diese Skala gegen oben offen ist. Das ist das Statement unserer Band.

MF: Das klingt sehr spannend und tiefgründig. Ihr habt als Band bereits in den 90er-Jahren angefangen.

Tom: Alex hat die Band gegründet, welche in den 90er Jahren aktiv gewesen ist. Und ich bin dann erst 1993 oder 1994 dazu gestossen und habe Toby ersetzt.

Alex: Die Band war damals der Anfang der heutigen Besetzung, mit einer kleinen Auswechslung am Bass. Die Band hiess Morbus Wilson (angelehnt an eine seltene Erbkrankheit und war anfangs der 90er Jahren unterwegs. Es war damals eine klassische Thrash-Metalband. Und wie wir alle wissen, hat kurz danach der Grunge den Heavy Metal "getötet". Und deshalb ging auch diese Geschichte bald vorübergehend zu Ende. Ein paar Jahre später haben wir uns wieder zusammen gerauft und gedacht, dass jetzt ein anderer Zeitpunkt ist. Wir sind zwar dieselben Leute, möchten aber andere Musik machen, ein anderes Konzept, einen anderen Bandnamen. Wir sind dann frisch gestartet.

MF: Wie lange seid ihr denn in dieser Formation bereits zusammen?

Alex: Seit 2005. Wir haben uns 2004 einander wieder angenähert und darauf erste Versuche gestartet. Aber richtig ernsthaft angefangen zu proben und Lieder zu schreiben haben wir ab 2005.

MF: Judas Priest haben für euch einen grossen Status?!!

Tom: Ja! Denn Priest sind die Metalgötter, auch für uns.

MF: Ihr seid eine Band, die gerne längere Album-Titel hat.

Tom: Ganz offensichtlich, ja. Ich glaube das passiert einfach, wenn du an der Gitarre einen Psychologen hast, der viel liest, vor allem auch viel Fachliteratur. Da hat es dann so Begriffe drin, an denen man hängen bleibt. Und wieso nicht längere Album-Titel? Das hat haben Belphegor auch bereits vorgemacht, welche ein ganzes Buch für einen Albumtitel brauchen.

MF: Es ist gut, dass du gerade Psychologe und nicht Psychopate gesagt hast.

Tom: Das steckt vielleicht auch drin, je nach Tagesform.

MF: Mir ist aufgefallen, dass ich den Albumtitel des neuen Albums «Good Man Dream What Bad Man Do» zuerst einfach so hingenommen habe, dieser mit der Zeit aber eine ganz eigene Wirkung entfaltet hat.

Alex: Das ist auch der Sinn solcher Titel. Sie sollten zum Nachdenken anregen. Wir hätten auch einen Titel à la «Die!» oder «Hate» nehmen können, welche zwar ziemlich typisch gewesen wären, aber… Bei «Die!» ist es relativ klar, was man sagen möchte. Aber «Good Man Dream What Badman Dream» soll einem zum Nachdenken anregen und Interpretationsspielraum offen halten. Es muss also nicht eindeutig für alle das Gleiche bedeuten.

MF: Ihr habt mit dieser Band eine Art Konzept. Wie schwer ist es, immer passende Texte dazu zu schreiben?

Tom: Völlig simpel. Um es mal mit den Worten der «Ersten Allgemeinen Verunsicherung» zu sagen: «Das Böse ist immer und überall!» Ob das jetzt tatsächlich der Psychomörder ist, der in seinem Keller Menschen zerstückelt oder ob es einfach die Ex-Frau ist, welche dir das Leben schwer macht, es ist alles böse.

MF: Was macht ihr mit fröhlichen Texten, welche euch einfallen? Fliessen diese in ein Sideprojekt, welches rosarot angemalt ist?

Tom: Das ist eine gute Idee. Wir werden darauf zurück kommen.

MF: Ihr habt jetzt zum zweiten Mal bei V.O. Pulver (Sänger und Gitarrist bei GurD) aufgenommen. Und Alex trägt sogar ein GurD-T-Shirt.

Alex: Wir verstehen uns sehr gut mit ihm. Von allem Anfang an. Wir hatten, bevor wir uns bei der ersten Platte für V.O. und sein Little Creek-Studio entschieden hatten, noch andere Sachen angeschaut. Wir hatten dann das Gefühl, dass bei ihm die Chemie stimmt, seine Arbeitsweise, seine Tipps, er liebt den Rock'n'Roll und den Dreck dazu. Er arbeitet zwar digital, legt aber grossen Wert auf einen authentischen Röhren-Gitarrensound, auf ein echtes Schlagzeug und mag kein elendes Getriggere bis an den Bach runter. Diese Einstellung hat uns gepasst und auch als Mensch hat er uns gefallen. Also seine Arbeitsweise und wie er mit den Menschen im Studio umgeht. Das alles hat uns bei der ersten CD dermassen überzeugt, dass es für uns völlig klar war, auch ohne Überprüfung von Alter-nativen, die zweite CD wiederum bei ihm aufzunehmen. Das hat sich sehr gut eingespielt.

MF: Das Resultat entspricht also auch euren Erwartungen?

Alex: Wir haben natürlich gemerkt, dass V.O. selber in den zwei Jahren dazwischen riesige Fortschritte gemacht hat. Das bezieht sich sowohl rein technisch auf seine Anlagen als auch auf sein Können. Inzwischen hatte er auch die neue GurD-Platte aufgenommen («Never Fail») welche kürzlich veröffentlicht wurde. Diese hat uns ebenfalls extrem überzeugt. Man hat gemerkt, dass er wieder einen Schritt vorwärts gemacht hat. Das alles hat die Entscheidung erleichtert, nochmals bei ihm aufzunehmen. Und er ist auch weiterhin ein valabler Kandidat für weitere Schandtaten.
Tom: Zum Beispiel auch für diese fröhliche CD.

MF: Für diejenigen mit den farbigen Ballonen drauf?

Tom: Ja, wobei es die CD mit den Ballonen bereits seit den 80er-Jahren gibt.

MF: Zum "Little Creek Studio" gehört neben V.O. Pulver auch Franky Winkelmann. War er ebenfalls bei den Aufnahmen dabei?

Tom: Bei der zweiten war er leider verhindert. Bei der ersten CD «What Will Remain» hat er dagegen tatkräftig mitgeholfen und ist auch hinter den Reglern gesessen.

MF: Das CD Art-Work habt ihr bei Rainer Kalwitz machen lassen. War er eure erste Wahl?

Alex: Das ist eigentlich eine ähnliche Story wie mit V.O.. Rainer Kalwitz war ebenfalls für das Cover der ersten CD verantwortlich. Dasselbe gilt auch für die Fotografin Shelley Jambresic. Wir haben da quasi die alte Familie wieder zusammen getrommelt. Wir haben geschaut, was Rainer Kalwitz für uns da machen kann. Also dass er den doch eher komplizierten Titel umsetzen konnte. Und er hatte was Passendes in der Schublade, was für uns ein Zeichen war, mit ihm weiter zu machen. Es galt also die Devise "never change a winning team".

MF: Er hatte also bereits ein passendes Bild, welche er reaktivieren konnte?

Alex: Ja, denn er produziert gewisse Bilder selbst. Er hat aber auch seine Vertragskünstler, welche für ihn "à-fonds-perdu" Entwürfe gestalten. Man kann bei ihm entweder etwas in Auftrag geben, wenn man unter seinen Sachen nichts findet. Oder, wenn man etwas findet, kann man mit einem Grundmotiv arbeiten. Und der Rest des Artworks wird dann darauf aufgebaut. Bei uns war Letzteres der Fall.

MF: Der hat also eine richtige Firma in der Hinterhand.

Alex: Er ist, soviel ich weiss, Dozent an einer Universität für Grafik oder Grafikdesign. Und so nebenbei malt er noch. Er hat auch schon für Metal Church gearbeitet.

MF: Seine Studenten entwerfen dann also Heavy Metal-Covers?

Tom: Erstaunlicherweise hat er europaweit Vertragskünstler, denn die Basisidee für unser neues Cover kommt von einem französischen Künstler und diejenige vom ersten von einem finnischen Künstler. Er besitzt ein Netzwerk von Künstlern europaweit und bringt diese dann mit den Bands zusammen. Im Hintergrund hat der dann noch seine Layouter. Eine wirklich coole Geschichte.

MF: Ihr durftet bereits mit Sepultura und Pro Pain die Bühne teilen. Wie war es?

Tom: Total unterschiedlich. Pro Pain kannten wir bereits, weil Gary auf unserer ersten CD ein paar Backings spontan gesungen hat. Insofern war das ein Wiedersehen und ist entsprechend begossen worden. Während es bei Sepultura schlicht eine andere Welt war. Da sieht man, was wirklich viel Publikum vor der Bühne ist. Es war dann für uns auch entsprechend spassig für Sepultura eröffnen zu dürfen. Auch wenn die Zeit extrem kurz war, in der wir auf die Bühne durften.

MF: Wie lange haben sie euch zugestanden?

Tom: Das waren genau 20 Minuten, aber immerhin!

MF: Und?

Tom: Na wie immer: Vollgas! Wir hatten nichts zu verlieren und auch keine Zeit für Ansagen. Wir haben einfach gespielt (lacht).

MF: Hattet ihr Gelegenheit die Jungs von Sepultura zu treffen oder wurden diese abgeschirmt?

Tom: Die wurden von ihrem Tourmanagement ziemlich abgeschirmt. Die waren im Backstage-Raum und auf der Bühne, wenn sie auf der Bühne sein mussten und danach relativ schnell auch wieder verschwunden. Darum sage ich, war es interessant, das mal zu sehen. Das ist wirklich eine ganz andere Welt. Während es mit Gary Meskil, Adam Philipps und Co. so war, dass wir die ganze Nacht durchfeiern konnten. Das war herrlich.

MF: Wie sieht es bei euch an der Livefront aus?

Alex: Im Moment haben wir Sommerpause. Wir hatten Anfang Jahr ein paar Sachen gespielt. Das waren ein paar Aufwärmkonzerte und unsere Plattentaufe. Wir haben auf dem kleinen feinen Festival namens "Nothing but Metal" in Malters gespielt. Das wurde von ganz Jungen quasi als Abschlussarbeit gegründet. Sie planen bereits wieder das nächste Festival und wir haben jetzt Sommerpause. Zwei Konzerte im Dezember sind bereits fix, und was unser Management momentan organisatorisch tut, ist, ob wir eine kleine Europa-Tournee machen könnten. Also jetzt im Zuge der Veröffentlichung der neuen Platte. Die schauen nun, ob wir auf irgendeine Tournee rauf könnten. Also so für 14 Tage mit vielleicht Deutschland und Benelux.

MF: Ihr seid beim gleichen Promoter wie Vendetta. Kennt ihr diese Band auch?

Tom: Wir haben uns noch nie persönlich getroffen, aber wir wissen, dass unsere Wurzeln irgendwie beide beim Michi (www.allegrotalent.net) sind, welcher wie ein Vater für uns ist. Vendetta sind ein echtes Kaliber, welches bereits sehr lange im Geschäft ist. Es ist schon cool, dass wir als Jungspunde beim gleichen Manager wie Vendetta sind.