Interview: Amon Amarth

By Oliver H.
 
Spazieren am Greenfield


Die grosse Eroberung Europas gehört für Amon Amarth seit Ende letzten Jahres der Vergangenheit an, erste CH-Termine 2020 stehen aber bereits wieder auf dem Programm. Aus diesem Grund lassen wir mit Tieftöner Ted Lundström das alte Jahr ein wenig Revue passieren und hören, was die Truppe sonst noch beschäftigt und umtreibt. Trotz stressigem „meet & greet“ und nach hinten verschobenem Interviewtermin (mordsmässiger Stau) stand mir ein tiefenentspannter Bassist Rede und Antwort.

MF: Mit euren letzten beiden Alben habt ihr es in die CH-Charts geschafft. Das ist doch ziemlich beeindruckend wenn man bedenkt, dass ihr melodischen Death Metal spielt. Was ist das Geheimnis von Amon Amarth?

Ted: Ich denke, dass es mit den starken Melodien zu tun hat. Die Leute können gepflegt Metal hören und auch Johan's Vocals tragen zur Qualität bei. Unsere Songs sind auch von den Texten und Melodien her für die Fans mitsingbar. Ich denke, dass dies alles Dinge sind die helfen, einer breiteren Masse zu gefallen. Ich glaube, dass es ganz viele kleine Details sind, die ein Ganzes ergeben.

MF: Ihr habt letzten Sommer auf vielen Festivals gespielt – eines davon war das Greenfield Festival in der Schweiz. Hast du daran noch irgendwelche Erinnerungen?

Ted: Oh ja..., das ist das Festival in der wunderschönen Umgebung. Während der Wartezeit habe ich einen langen Spaziergang am Fluss entlang gemacht. Als Band ist es extrem cool, dort spielen zu dürfen, mit dieser tollen Aussicht. Normalerweise hat man einfach ein grosses Feld und das ist es dann auch, aber eingerahmt von all diesen Bergen..., das ist schon was anderes. Es hat auch Spass gemacht vor Slipknot zu spielen. Es war eine tolle Show.

MF: Fühlte es sich ein wenig an wie zu Hause?

Ted: Ja genau..., die Umgebung und die Fans. Wie eine grosse Familie. Sogar das Wandern war dabei (lacht).

MF: Was macht für dich der Unterschied zwischen Festival- und Clubshow aus?

Ted: Ich mag beides. Natürlich ist es komplett verschieden. Bei den Clubshows ist es dunkel und du bist viel näher an den Fans dran, was extrem cool ist. An einem Festival sind natürlich die Menschenmassen beeindruckend, die einem zuschauen und zuhören. Während des Sommers, zumindest wenn das Wetter gut ist, macht es enorm viel Spass draussen zu stehen und zu performen. Es ist wirklich beides toll und ich möchte auch nicht zwischen den beiden wählen müssen. Ich glaube, dass die Abwechslung aus beiden das Salz in der Suppe ist.

MF: Wie ist es denn jetzt für euch mit Bands zu spielen, die einen ähnlichen Status innehaben wie ihr?

Ted: Oh, das macht uns immer sehr glücklich, denn wenn ich an die Anfänge unserer Karriere zurück denke, war es nicht immer einfach ein gutes Tourpackage zusammen zu stellen. Da es mittlerweile viele Bands wie uns gibt und wir uns ebenfalls auf ein Level hochgearbeitet haben, dass uns auch für diese Bands interessant macht, ist das eine tolle Sache. Für uns ist es aber eigentlich egal, ob wir mit „grösseren“ oder „kleineren“ Acts touren. Wenn die Chemie auf Tour stimmt, dann ist dies schon die halbe Miete. Ein Vorteil für uns ist es natürlich schon, dass wir mittlerweile ein bisschen „aussuchen“ können, mit wem wir touren. Oftmals können unsere Support-Bandwünsche berücksichtigt werden. Das ist für uns natürlich traumhaft.

MF: Die letzte Tour mit Arch Enemy und Hypocrisy war für jeden Fan ein echter Leckerbissen.

Ted: Absolut! Auch für uns! Gerade Hypocrisy sind Death Metal-Legenden und wir kennen Peter (Tägtgren) schon lange, seit über zwanzig Jahren. Wir haben bei unserem ersten Album mit ihm zusammengearbeitet. Wir wurden von Fans zu Freunden (lacht).

MF: Ted, einmal angenommen du könntest dein eigenes Festival zusammenstellen. Welche Bands würdest du verpflichten?

Ted: (Gelächter)..., oh das ist knifflig. Wie viele grosse Bands kann ich haben (lacht)? Rammstein müssten da schon auftreten mit ihrer riesigen Live-Show und natürlich Iron Maiden. Iron Maiden gehören bis heute zu meinen absoluten Favoriten. Ich denke, dass das Festival aus vielen Bands bestehen würde, die ich selber auch gerne höre. Ein guter Mix sollte aber immer noch gegeben sein, denn genau das mag ich an Festivals, dass nicht nur ein Typ Musik gespielt wird.

MF: Seit euren musikalischen Anfängen hat sich aus technologischer Sicht vieles verändert. Wird das Touren dadurch teilweise einfacher?

Ted: Definitiv! Es ist alles einfacher geworden. Ich kann mich noch gut an die erste Tour in Amerika erinnern. Da gab es noch kein Internet und keine Handys. Wenn ich einmal die Woche zu Hause anrufen wollte, hat mich dies beinahe ruiniert. Wir haben Geld gesammelt für die Münztelefone und manchmal war die Verbindung so schlecht, dass man kaum ein Wort verstanden hat. Falls man doch einmal viel zu sagen hatte, vergass man bestimmt die Münzen nachzuschieben und die Verbindung brach ab. Auch mit dem Musikhören war das so eine Sache. Jeder brachte seinen tragbaren CD-Player und etwa zehn Alben mit. Wir haben uns teilweise noch abgesprochen, damit wir nicht alles doppelt oder dreifach dabei hatten. Man musste weise wählen. Jetzt haben wir Spotify oder eine monströse Festplatte, auf der alle unsere Musik abgespeichert ist. Auch mit den Büchern ist es nicht mehr so eine Sache. Von jedem Ort auf der Welt kann ich mir Bücher auf meinen e-Reader laden. Das ist schon praktisch.

MF: Das macht es wirklich komfortabler...

Ted: Ja, richtig. Das ist wirklich ein Teil der Technologie, der auch etwas bringt und einem den Alltag auf Tour erheblich erleichtert.

MF: Du hast soeben das Lesen angesprochen. Ich habe vernommen, dass du immer mal gerne ein Buch mit dir rumschleppst. Ist da was dran?

Ted: (lacht) ja, das stimmt schon. Es kommt aber ganz auf die Tour drauf an. Bei manchen Touren lese ich mehr, bei anderen weniger. Ich habe mir schon eine kleine Bibliothek angelegt, denn wir verbringen so viel Zeit mit warten bei den Locations, an Flughäfen oder einfach im Bus. Das hilft da schon.

MF: Wenn du dir die Zeit fürs Lesen nimmst, welche Art von Büchern liest du gerne?

Ted: Ich lese eigentlich viel Verschiedenes. Jedoch mag ich Biografien und Fantasy-Zeugs sehr gerne. Ich habe mich allerdings nicht auf ein spezielles Genre festgelegt. Es ist auch kein Problem für mich, Langweiliges auf die Seite zu legen. Ich kann kein Buch fertig lesen, das mich nicht fesselt.

MF: Zurück zu euren Auftritten. Habt ihr bei Amon Amarth gewisse Rituale, die ihr vor einem Gig durchführt?

Ted: Nicht wirklich! Jeder wärmt sich vor der Show eigentlich selber auf und..., (Pause) ..., doch, warte. Oft trinken wir einen „Underberg“ zusammen (lacht). Ich weiss, dass viele Bands so ein Ritual haben, bevor sie die Bühne betreten, aber ich merke gerade, dass wir so etwas nicht wirklich haben. Wenn nicht der Band, dann hilft es wenigstens dem eigenen Bauch (Gelächter).

MF: Ihr wart ja auf grosser «Berserker»-Tour durch Europa. Wo liegt für dich der grösste Unterschied zwischen dem neuen Album und dem Vorgänger «Jomsviking»?

Ted: «Jomsviking» war ein reines Konzeptalbum, das eine Geschichte über die gesamte Plattenlänge erzählt hat. Bei «Berserker» ist jeder Song unabhängig vom anderen entstanden. Jeder Titel hat eine andere Geschichte zu erzählen. Das ist sicher der grösste Unterschied, zumindest inhaltlich. Andererseits haben wir bei der Produktion grossen Wert darauf gelegt, noch härter zu klingen als bisher. Wir haben dafür ein neues Studio ausgesucht und den Weg nach Los Angeles in Kauf genommen. Der neue Produzent (Jay Ruston) hat sicher auch seinen Beitrag zum Sound geleistet. Er hat uns aufgefordert, Neues zu probieren, an das wir vielleicht gar nicht gedacht hätten. Bei den Gitarren zum Beispiel haben wir darauf geachtet, dass sie wirklich mehr nach Heavy Metal klingen und dennoch der Death Metal Sound als Ganzes nicht verloren geht. Auch beim Schlagzeug haben wir einen riesigen Raum zur Verfügung gehabt, der die Beats härter und satter hat erklingen lassen. Das sind vermutlich schon die markantesten Unterschiede. Ansonsten klingen wir meiner Meinung nach, wie Amon Amarth klingen soll.

MF: Wie war das Feedback der Fans auf eure «Berserker»-Bühnenshow?

Ted: Toll! Besonders die neuen „Guardians of Asgaard“ kamen gut an. Auch die Pyro-Elemente machten wohl die Mehrheit glücklich. Allerdings konnten wir diese brandschutztechnisch nicht überall einsetzen, was zwar schade war, aber anderweitig kompensiert werden konnte..., mit Licht und Rauch. Da lässt sich viel heraus holen. Wir haben grundsätzlich immer die gleiche Basis der Show, wechseln aber darin gerne die verschiedenen Elemente aus. Für uns ist aber zentral, dass immer etwas passiert auf der Bühne und es auch fürs Auge nie langweilig wird, wenn man unsere hässlichen Gesichter betrachten muss (grosses Gelächter).

MF: Das waren jetzt klar deine Worte! Gibt es noch etwas, das du der Metal-Community auf den Weg geben möchtest?

Ted: Unterstützt weiterhin die Metal-Szene! Wir sind wie eine grosse Familie, und ich hoffe Euch auch in Zukunft wieder sehen zu können.

Jemand brüllt im Gang: „Ted, time to eat!“

MF: Das war dein Stichwort! (Gelächter) - Danke für deine Zeit und guten Appetit!

Ted: Ich danke dir.