Interview: Ayreon
By Crazy-Beat & Michi P.
Wenn Arjen Anthony Lucassen ein neues Album veröffentlicht, dann "sabbert" wohl jeder real Prog Fan schon Wochen vor der Veröffentlichung und kann es kaum erwarten, das neue Teil in seinem CD-Schacht versenken zu können. Der neben Neal Morse wohl begnadetste Prog-Rock Konzept-Album Schreiber hat nun sein neues Werk "01011001" auf den 25. Januar angekündigt und war zu Promo-Zwecken in Zürich. Ein zwingender Grund also, Herrn Lucassen auf den Zahn zu fühlen und so Einiges über das neue Meisterwerk zu erfahren und noch vieles mehr. In einer Hotellobby bei gemütlicher Atmosphäre, gab ein (wie immer) bestens gelaunter Arjen ausführliche Antworten, aber lest selbst. (AL= Arjen Lucassen/LL= Lori Lindstruth - MF= Crazy Beat & Michi P.)

MF: Hallo Arjen! Erstmal herzlich willkommen in der Schweiz, warst du schon mal hier?

AL: Oh ja, mehrere Male! Meine ehemalige Freundin war Schweizerin und hat für den Metal Hammer gearbeitet. Zudem habe ich mit Vengenace (Arjen's Ex-Band) in der Schweiz live gespielt. So habe ich Steve Lee (Gotthard) vor circa 20 Jahren in Lugano kennen gelernt.

MF: Ok, lass uns über das neue Album "01011001" sprechen!

AL: Hey! Du hast es auf Anhieb richtig gesagt, ha ha ha. Viele Leute haben Mühe, sich die Zahlenreihenfolge zu merken und sagen, dass sie die nie lernen werden. Sogar meine Plattenfirma sagte ich sei verrückt, einen solchen Titel zu wählen. Auch auf meinen Message-Board ist deswegen eine Diskussion losgegangen.

MF: Was ist denn die Bedeutung des Titels?

AL: Dies ist ein Binärcode und stellt den Buchstaben Y dar. Dieser Buchstaben steht für den Planeten Y, den ich bei meinem dritten Album "Into The Electric Castle" vorgestellt habe.

MF: Kannst du uns etwas über das Konzept erzählen?

AL: Ja klar. Durch den technischen Fortschritt haben "Forever", eine Rasse von Wassergeschöpfen, die auf dem Planten Y leben, das Geheimnis der Langlebigkeit entdeckt. Ihre Entwicklung ist soweit fortgeschritten, dass sie total von den Maschinen abhängig sind und dadurch alle Gefühle verloren haben. Ein Komet, der auf Kollisionskurs mit der Erde ist, bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Rasse wieder zu beleben. Die "Forever" nutzen den Kometen, um ihre DNA auf eine neue Heimat auf der Erde zu tragen. Der Komet rottet die Dinosaurier (The Fifth Extinction) aus. Aus der Asche der Zerstörung entstehen jedoch Menschen. Das Experiment mit der DNA scheint auf den ersten Blick erfolgreich zu sein und die menschlichen "Forever" beleben indirekt die Gefühle wieder, die sie vor dem Zeitalter der Maschinen kannten. Sie beschleunigen die menschliche Evolution, jedoch ist das Resultat tragisch. Die Menschen entwickeln eine ähnliche Abhängigkeit von den Maschinen wie die "Forever". Nun liegt es an den "Forever", eine Lösung zu finden, um die Menschheit vor ihrer Selbstzerstörung zu bewahren... - oder sollten sie das überhaupt tun? Da gibt es eine Vielzahl von Verbindungen zu all meinen Alben.

MF: Ich denke, man kann durchaus Parallelen finden zu unserer Gegenwart, was die Technologie und die menschlichen Gefühle betrifft.

AL: Ja, vieles was ich auf dem Planeten Y sehe, sehe ich auch auf der Erde. Eigentlich machen wir Menschen den gleichen Fehler wie die "Forever". Durch die vielen technischen Möglichkeiten bleiben die Gefühle auf der Strecke. Verstehe mich nicht falsch, ich mache heute praktisch alles nur noch mit meinem Computer und es ist eine wunderbare, hilfreiche Sache. Aber ich habe meine Zweifel, ob es die Sache besser macht.

MF: Wie gehst du vor beim Komponieren?

AL: Zuerst mache ich die ganzen Basics und danach entscheide ich mich, mit welchen MusikerN und Sängern ich gerne zusammen arbeiten würde. Nachdem ich die Sänger verpflichtet habe (auf dem neuen Album nicht weniger als deren 17!), schreibe ich die Lyrics..., passend zu jedem Sänger.

MF: Machen da jeweils alle Sänger mit, die du anfragst?

AL: Ha ha..., schön wär's! Ich würde sehr gerne noch mit Robert Plant (Led Zeppelin) oder Ian Gillan (Deep Purple) zusammenarbeiten, aber das ist sehr schwierig. Doch ich bleibe auf alle Fälle am Ball.

MF: Du wolltest doch mal ein ganzes Album mit Bruce Dickinson (Iron Maiden) machen?!

AL: Oh, das war seine Idee und ich fing an Songs zu schreiben, und Bruce begann Texte zu schreiben. Dies sickerte im Internet leider durch und Bruce' Manager war darüber nicht erfreut. Darum versank das Projekt im Sande. Ich habe dann die Ideen in "Star One" eingebracht mit Russel Alan, Damian Wilson u.s.w.

MF: Star One Live mit den fünf Sängern war Magie pur...

AL: Nein, nein..., das waren sechs Sänger! Ha ha...

MF: Ha ha..., ja natürlich, du hast ja auch gesungen..., zudem hattet ihr diesen crazy Bassiten dabei!

AL: Ja..., Peter Fink! Er war einer der bekanntesten Musiker in den 60ern in Holland. A real Dutchman... - (kollektives Gelächter).(Schaut euch auf der Star One DVD sein Bass-Solo an und ihr wisst, wovon wir hier sprechen - MF)

MF: Du hast dich beim neuen Album wieder für Ed Warby an den Drums entschieden. Was ist so besonders an Ed?

AL: Er liebt die gleiche Musik wie ich und zudem muss ich ihm nicht sagen, was er zu spielen hat. Er spielt genau so, wie ich es mir vorstelle..., er ist quasi mein Drumcomputer - ha ha.

MF: Und wie war es eigentlich mit Steve Lee zusammen zu arbeiten?

AL: Wie erwähnt kam Steve zu einer Vengeance Show in der Schweiz. Wir lernten uns so kennen und ich hörte ihn singen mit seiner damaligen Band und dachte wow, was für eine tolle Stimme. Als unser Sänger Vengeance verliess, wollte ich eigentlich Steve in die Band holen, dies klappte leider nicht. Ich wollte Steve aber auch schon früher in einem meiner Projekte haben, aber leider kam das bis zum neuen Album nie zustande. Seine Stimme ist so vielseitig, dass er selber überrascht war, als er die Tracks hörte. Zudem war es ein Riesen-Spass mit ihm zusammen zu arbeiten.

MF: Zurück zum Album: Meiner Meinung nach finden sich viele Parallelen zu deinen älteren Alben, wie zum Beispiel "River Of Time" zu "Electric Castle" und "Beneath The Waves" zu "Dreamsequenzer".

AL: Ja, vor allem meine Soli (smile), ja aber das stimmt sowohl textlich wie auch musikalisch. Es gibt zu fast allen Ayreon Alben immer wieder Parallelen. Somit ist alles irgendwie miteinander verknüpft.

MF: Obwohl..., bei manchen Soli ist es sehr schwer, einen Unterschied zu Lori (Stream Of Passion) auszumachen.

AL: Ja, das ist wahr, wir haben sehr ähnliche Stile. Aus diesem Grunde mag ich sie vielleicht auch so - (Gelächter). Ich finde, sie ist die beste weibliche Gitarristin!

MF: Denkst du, mit dem neuen Album auf Tour gehen zu können?

AL: Nein, das ist leider aus personellen und logistischen Gründen nicht realisierbar. Du kannst mit 17 Sängern nicht auf Tour gehen, das ist einfach unmöglich.

MF: Mal was ganz anderes. Kannst du dich noch an deinen allerersten, eigenen Gig erinnern?

AL: Ohh..., nun mein erster Gig war in einer Playback-Band (schallendes Gelächter). Ich war natürlich der Sänger und trug die Perücke meiner Mutter und bewegte meinen Mund zu Sweet-, Slade- und Alice Cooper Songs, ha ha. Mein erster professioneller Auftritt war mit 20 auf einem Festival als Vorgruppe von Accept. Meine Beine waren wie Blei, ich konnte mich vor lauter Nervosität kaum bewegen.

MF: Als du damals Vengeance verlassen hast, war Dir klar in welche musikalische Richtung du gehen wolltest?

AL: Eigentlich nicht. Ich habe das Album "Anthony" veröffentlich, welches aber ziemlich floppte. Ich war ziemlich ziellos und zudem verliess mich noch meine Schweizer Freundin. Da dachte ich, "Scheisse", jetzt mache ich einfach, was ich will. Ich wollte schon immer ein eigenes Konzept erarbeiten wie "The Wall" oder "Operation Mindcrime" und so entstand schlussendlich "The Final Experiment". Zum Glück war es nicht das letzte Experiment, grins.

MF: Wieso hast du eigentlich Stream Of Passion (SOP) verlassen?

AL: Es war von Anfang klar, dass es für mich nur ein zeitlich begrenztes Projekt war.

MF: Wird es ein weiteres "Star One" Album geben?

AL: Eventuell, es wird jedoch schwierig, die selbe Magie wie auf dem ersten Album einzufangen. Wobei..., Russel Alan (Symphony X) fragt mich andauernd, wann wir eine neues "Star One" Album in Angriff nehmen.

MF: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

AL: Eigentlich fing es mit den Beatles an und als ich dann zum ersten Mal "Elected" von Alice Cooper hörte, hat es mich schlichtweg umgehauen. So hat alles angefangen.

MF: Was planst du als Nächstes?

AL: Zuerst gibt es eine Release-Party in Holland mit einer Akustik-Show und danach gibt es noch eine Promo-Tour und dann starte ich bald mit einem neuen Album.

MF: Mit Ritchie Blackmore und Ian Gillan!!!

AL: Ja genau! - Ha ha ha ha...

MF: Ja..., und Brian May!!!

AL: Oh, Brian habe ich wirklich gefragt und er hat sogar geantwortet mit einem handschriftlichen Brief, dass es ihm im Augenblick nicht geht wegen den Queen Aktivitäten, aber ich bleibe hier sicher am Ball. Er ist ein echter Gentleman.

MF: Was spielst du für Gitarren?

AL: Live benutze ich eine Gibson Explorer und im Studio eine siebensaitige Ibanez und zudem spiele ich mit einer Münze als Plekturm wie Brian May.

MF: Und was für Amps benutzt du?

AL: Ich benutzte Marshall und Mesa Boogie und jetzt spiele ich mit Line 6. Die sind viel kleiner und haben haben erstaunlicherweise den gleichen Sound wie die grossen Marshall Amps.

MF: Spielst du die Soli mit dem Wah Wah Pedal oder mit dem Tremolo?

AL: Mehrheitlich mit dem Tremolo, weniger mit dem Wah Wah, das überlasse ich lieber Lori, sie ist verdammt schnell.

MF: Was für ein Equipment benutzt denn Lori?

AL: Ja..., am besten fragt ihr sie gleich selber.

Na das lassen wir uns doch nicht zweimal sagen und schon sitzt uns die sympathische schwedische Gitarristin gegenüber.

MF: Hallo Lori! Schön, dich hier in Zürich zu sehen.

LL: Danke ha ha, das hätte ich nicht erwartet, dass ich noch ein Interview gebe heute.

MF: Ja, das glaub' ich dir, wir haben eben mit Arjen über Wah Wah und Tremolo geredet. Welches von beiden benutzt du?

LL: Beides miteinander, das gibt diesen ganz speziellen "screamy" Sound.

MF: Konntest du auf der neuen Platte deine eigenen Ideen einbringen?

LL: Ich konnte meine Licks und Soli nach meinen Vorstellungen spielen. Aber ich hatte Angst, dass er es nicht mag und fürchterlich findet, ha ha ha.

MF: Wann hast du mit dem Gitarrespielen angefangen?

LL: Oh..., als ich ein Teenager war. Soviel ich weiss mit etwa 17 Jahren, als ich "Michael Schenker" gehört habe. Er war mein absoluter Held. Ich hörte damals "Into The Arena" und dachte nur, wow..., so will ich auch spielen können. Ein paar Monate später "kratzte" ich all mein Geld zusammen und kaufte mir eine Flying V.

MF: Wie bist du eigentlich auf SOP gestossen?

LL: Nun, ich hatte ein kleines Video im Internet, wo mir beim Solo eine Saite riss. Und Arjen ist auf dieses Video gestossen und fand es so toll, dass er mit mir in Kontakt trat.

MF: Ok, wir bedanken uns herzlich bei euch beiden für das ausführliche Interview. Es hat echt Spass gemacht.

AL + LL: Besten Dank an euch!



Michi und Beat durften mit Arjen kuscheln... >>>