Interview: Blind Guardian

By Tinu
 
Wall Of Death beim Bards Song.



Es ging nicht nur mir so, dass die grossen Hoffnungsträger Blind Guardian in den letzten Jahren sich zu stark in ihren Songstrukturen verstrickten. Was schon immer eine gewisse Affinität zu Queen hatte, wurde ab dem Album «A Night At The Opera» völlig ausgelotet und überforderte nicht nur den Schreiber dieser Zeilen. Was für die einen zu viel, war für die anderen die Offenbarung. Nun gut, selbst die Guardians bemerkten dies und setzten nicht erst wieder mit dem letzten Album «Beyond The Red Mirror» auf leichter verdauliche Momente. Als durchsickerte, dass die Deutschen auf den letzten Konzerten dieser Tour das komplette «Imaginations From The Other Side»-Album spielen werden, war es auch für mich klar, dass ich mir die «blinden Gardinen» nach langer Zeit wieder ansehen werde. Wie es dazu kam, diesen Klassiker in voller Länge zu spielen und was bald bei der Truppe anstehen wird, erzählte ein relaxter Marcus Siepen (Gitarre) vor dem letzten Konzert im Z7 (Pratteln).

MF: Wie kam es dazu, dass ihr da komplette «Imaginations From The Other Side»-Werk spielt?

Marcus: Die Grundidee stammte daher, dass wir mit dem Album «Beyond The Red Mirror» zum ersten Mal, zweimal in den USA tourten. Normalerweise absolvieren wir pro Land eine Konzertreise. Letzten Herbst waren wir schon für acht Wochen in den Staaten. Nun flogen wir im September nochmals für fünf Wochen rüber. Aus diesem Grund wollten wir nicht das gleiche Set nochmals spielen, da wir teilweise wieder in den gleichen Städten auftraten. So sassen wir in einem Backstageraum in Polen und überlegten uns, was wir Spezielles machen könnten. André (Olbrich, Gitarre) und ich hatten fast zeitgleich die identische Idee. «Lass uns doch die komplette «Imaginations» spielen!» Dies aus zwei Gründen. Einerseits passt es konzeptionell sehr gut, da drei Tracks von «Imaginations» die Vorgeschichte zum letzten Studioalbum sind und andererseits konnten wir dies relativ kurzfristig umsetzen, weil wir jede Nummer der «Imaginations From The Other Side» schon mal gespielt hatten. Klar mussten wir uns gewisse Parts wieder neu anhören und üben, weil man die Nummern über Jahre nicht mehr spielte. Trotzdem waren diese Teile relativ leicht abrufbar. Uns gefiel die Idee, kündigten dies so an, und bevor wir überhaupt die erste Show gespielt haben, war die Resonanz schon extrem überwältigend. Nachrichten aus aller Welt erreichten mich mit der Bitte: «Ihr müsst diese Idee auch bei uns umsetzen und eine Welt-Tournee spielen!» Füge das beliebige Land ein (grinst). Schon im Vorfeld sind die Leute total steil auf diese Idee gegangen. Auf der US-Tour haben wir diese Shows zum ersten Mal gespielt und ich muss sagen, es fühlte sich überraschend gut an. Die Platte hat von der Dynamik her einen extrem guten Flow. Du kannst die am Stück runter spielen und denkst nicht: «Eigentlich wäre es besser gewesen, wenn die Reihenfolge anders gewesen wäre». Wie gut dies funktionierte, das überraschte selbst mich! Es macht Spass, auch wenn ich nun nicht auf jedem Konzert ein komplettes Album spielen möchte (grinst). Es kommt hervorragend an, die Leute freuen sich und darum freuen wir uns auch!

MF: Welche Erinnerung hast du an die Studiozeit, damals bei der «Imaginations»?

Marcus: Ohhhhhh, hervorragende Erinnerungen. Es war das erste Mal, dass wir mit Flemming Rasmussen (Produzent) zusammengearbeitet haben. Es war in Dänemark, wo wir im "Sweet Silence Studio" aufgenommen haben. Das war ein Riesenschritt für uns. Davor wurden alle Alben zusammen mit Kalle Trap in Deutschland produziert. Auch wenn wir dank Kalle sehr viel gelernt haben, kamen wir an einen Punkt, bei dem wir sagten, dass uns Kalle nicht mehr auf die nächste Stufe oder das nächste Level hieven kann. Flemming hat uns auf einen ganz anderen Level geprügelt. Bezüglich Präzision beim Aufnehmen haben wir dank Flemming extrem viel gelernt. Inklusive Mix waren wir sechs Monate in Kopenhagen. Das hat Höllenspass gemacht und war eine Riesenerfahrung! «Nightfall» haben wir wieder zusammen mit Flemming gemacht, obschon ein Grossteil davon bei uns in unserem Studio aufgenommen wurde. Meiner Meinung nach war der Schritt von der «Somewhere Far Beyond» hin zur «Imaginations From The Other Side» der grössten Step, den wir in unserer Entwicklung qualitativ machten.

MF: War dies dann auch das erfolgreichste Album?

Marcus: Es war erfolgstechnisch ein Riesensprung. Bezüglich der Verkaufszahlen ist es nicht unser erfolgreichstes Album, aber definitiv einer der wichtigsten Scheiben.

MF: Du hast es angesprochen, zweimal in den Staaten auf Tour, zweimal zusammen mit den Jungs von Grave Digger, wie war diese Konstellation?

Marcus: Das war sehr gut. Wir kennen die Leute schon sehr lange. Menschlich funktioniert dies hervorragend und das Paket kam bei den Fans bestens an. Jetzt wieder mit den Jungs von Grave Digger in den Staaten unterwegs zu sein, war für uns wie "Part II" dieser Tour. Es ist sehr angenehm mit Leuten zu touren, mit denen du dich sehr gut verstehst. Die Resonanz auf diese Zusammenstellung war hervorragend, und ich denke auch Grave Digger haben von dieser Konstellation profitiert.

MF: Was ist in den Staaten anders, wenn ihr dort auf Tour geht, als wenn ihr zum Beispiel in Europa unterwegs seid?

Marcus: Viel (grinst). Unser Status ist in Amerika kleiner als hier, darum spielen wir in kleineren Hallen. Das liegt auch daran, dass wir dort drüben relativ spät in den Markt eingestiegen sind. «Nightfall» war das erste Album, das von uns veröffentlicht wurde und das auch erst zwei oder drei Jahre später. Aus irgendwelchen Gründen hatte die damalige US-Plattenfirma nicht wirklich Bock auf uns (grinst). 2002 sind wir zum ersten Mal im Land der unbegrenzten Möglichkeiten getourt, das war mit der «A Night At The Opera». Mit jeder Tour werden wir grösser in den USA. Das läuft alles wunderbar. Die Entfernungen zwischen den Städten sind abartig! Ich erinnere mich, wie wir uns bei der ersten Tour gefreut haben, dass wir zuerst in Florida spielten und dann zwei Tage frei haben. Dann war Texas auf dem Plan. Cool zwei Tage «Day Off»! Diese 48 Stunden haben wir komplett im Bus verbracht und hatten abends und morgens jeweils eine halbe Stunde zu essen… Das war sehr ernüchternd (lacht). Ich toure gerne in Amerika, es macht Spass und die Mentalität des Publikums ist völlig anders. Allerdings… Das japanische Publikum ist anders, als das europäische. Dann haben wir in Europa die Unterschiede zwischen Spanien, Italien und Schweden oder Norwegen. Die Amerikaner sind… Im positiven Sinn aggressiver. Du hast wesentlich mehr Circle-Pits. Als wir den «Bard»-Song (die ultimative Akkustiknummer von Blind Guardian) spielten, hatten wir eine «Wall Of Death» (grinst). Das siehst du sonst nirgendwo (lacht). Zumindest ich habe dies sonst nirgendwo gesehen (lacht noch immer). So lange die sich zelebrieren und Spass haben, ist mir das scheissegal!

MF: Ihr habt zum Game «Die Zwerge» einen Song beigesteuert…

Marcus: Jein (grinst). Das Lied haben nicht wir komponiert, sondern das Team dieser Firma. Hansi (Kürsch, Sänger) hat gesungen und ich habe die Gitarren gespielt. Wir sind relativ früh angesprochen worden und speziell André, Frederik (Ehmke, Drums) und ich sind Computerspielfreaks. Uns fehlte aber die Zeit, einen Track zu komponieren, weil wir auf Tour waren. Trotzdem wollten wir uns beteiligen, aber der Song musste von ihnen kommen. Es hat viel Spass gemacht, die Resonanzen sind sehr, sehr positiv und ich freue mich darauf, das Spiel nun selber zu spielen. Ab morgen, wenn ich nach dieser Tour wieder zu Hause bin (lacht).

MF: Wie wichtig sind solche Soundtracks für die Entwicklung von euch als Band und der Popularität?

Marcus: Ich muss gestehen, dass ich dies nicht einschätzen kann. Du kannst Leute erreichen, die dich nicht kennen, wenn du nicht auf einer solchen Plattform Präsenz zeigst. Auf der anderen Seite kommen so Blind Guardian-Fans zu einem Spiel wie «Die Zwerge». Klar spielt dies alles eine Rolle, wobei dies nicht unser Hauptaugenmerk ist. Wir machen das, weil wir Spass daran haben.

MF: Hattet ihr jemals das Gefühl, dass ihr euch beim Songwriting in Tüfteleien verloren habt?

Marcus (überlegt): Ich glaube das extremste Beispiel ist die «A Night At The Opera». Wobei ich glaube, dass die Platte für uns sehr wichtig war. Da haben wir Grenzen ausgelotet und ich denke, dass dieses Album der Peak vom dem ist, was man machen kann. Ich kann vollkommen nachvollziehen, dass es Leute gibt, denen dies zu viel ist. Das Album ist genau das, was wir zu dem Moment machen wollten. Ich mag die Platte nach wie vor sehr gerne. Die Scheiben danach waren bedeutend weniger zugepackt. Ob wir erkannt haben, dass die «Opera» zu viel war? Ich glaube nicht! Wären wir wieder in der Stimmung ein solches Album zu schreiben, würden wir es sicher wieder tun! Sind wir der Meinung, dass der Song mehr Details benötigt, dann packen wir das mit ein. Bis wir sagen: «Jetzt ist er genau richtig!» Ist das extrem viel, dann ist das so! Wir werden immer genau das machen, was wir im Moment für richtig halten. Ohne Rücksicht auf Verluste (lacht).

MF: Verfolgt ihr im Studio eine klare Vision oder einen Masterplan, der schon steht?

Marcus: Wir schreiben nicht im Studio, sprich während wir aufnehmen. Alles steht schon vorher. Jeder arbeitet dazu in seinem eigenen Studio. Diese aufwendig gestaltete Musik kannst du nicht mit drei Mann im Studio jammen! Jeder arbeitet im Vorfeld bei sich zu Hause, testet die Ideen aus und nimmt sie auf. Jeder fängt aber beim Songwriting leer an und verfolgt da keinen Masterplan. Was kommt aus uns heraus und wo führt es hin? Das Einzige was feststeht, ist, dass wir etwas anderes machen wollen als beim letzten Mal, da wir keinen Bock haben uns zu wiederholen. Oftmals ist es so, dass die ersten Ideen beim Songwriting noch vermehrt nach älteren Stücken klingen. Du kommst aus einer Tour heraus, bei der du die älteren Sachen gespielt hast. Das hast du im Hinterkopf und diesen Teil deines Gehirns musst du löschen (lacht), bis du frei arbeitest. Wo sich dies hinentwickelt, weiss keiner. Denn ob es nun drei schnelle Nummern, eine Ballade und etwas Episches wird, kristallisiert sich erst später heraus. Demnächst werden wir beginnen an neuen Stücken zu arbeiten. Wo der Weg hingeht? Ich habe keine Ahnung!

MF: Mit dem letzten Werk hatten viele ältere Fans das Gefühl, dass ihr wieder dahin zurück geht, was euch einmal stark und erfolgreich gemacht hat. Wie siehst du das?

Marcus: Es ist keine bewusste Entscheidung. Wir setzen uns nicht hin und sagen: "Wir müssen in eine bestimmte Richtung gehen, damit wir einem Teil unserer Fans einen Gefallen tun!" In dem Moment, bei dem du versuchst es einem gewissen Part deiner Fans recht zu machen, verlierst du! Wem wollen wir es denn bitteschön recht machen? Den Old-School-Fans, welche Sachen wie «Somewhere Far Beyond» hören wollen? Oder den Leuten, die mit der «Opera» eingestiegen sind? Oder denjenigen, die auf «Nightfall» stehen? Wem machst du es recht? Egal wen du aussuchst, du stösst den anderen vor den Kopf. Darum ist dies nie ein Teil unseres Gedankengangs, sondern wir versuchen es uns recht zu machen. Wenn du nun der Meinung bist, dass die «Beyond The Mirror Red» viele alte Elemente besitzt, dann stimme ich dir zu. Das war beim Vorgänger aber auch schon so! Dieser Teil war immer in uns drin. Nach wie vor sind wir Blind Guardian und haben unsere Wurzeln nie gelöscht oder verleugnet, sondern immer neue Sachen einfliessen lassen und ausprobiert. Hast du viele Reaktionen wie zu der «A Night At The Opera», kann es sein, dass man versucht Dinge zu entschlacken. Es war aber nie so, dass wir uns auf die Fahne schrieben, dass wir nun oldschoolmässig einen Zacken zulegen müssen. Das könnten wir auch nicht. Klar kann ich mich hinsetzen und versuchen einen Song zu schreiben, der nach der «Tales From The Twilight World» klingt. Aber ich bin nicht mehr anfangs der Zwanziger. Wir sind seit dieser Zeit unzählige Male um die Welt gereist und sind andere Menschen geworden. Selbst wenn ich versuchen würde stilistisch so zu komponieren, kann es sein, dass es grob in die Richtung geht, aber nicht so klingen würde. Alles um uns herum ist anders. Die Welt hat sich verändert, die Erwartungshaltung der Leute ist anders. Selbst wenn du heute das gleiche Album nochmals raus bringst, würden die Leute es komplett anders aufnehmen.

MF: Wird man mit dem Älterwerden ruhiger?

Marcus: Bin ich ruhiger geworden? Das müsstest du andere Leute fragen, die über mich urteilen können. Alter ist kein Thema meines Gedankenganges. Das Älterwerden interessiert mich überhaupt nicht. Mir ist bewusst, dass ich 48 bin und ich dies seit 30 Jahren…

MF: …sehr guter Jahrgang…

Marcus (grinsend): …das finde ich auch, der Beste (lacht)! Sensationell! Mir ist bewusst, wie alt ich bin, wenn ich darüber nachdenke. Aber es kommt auch vor, dass mich Leute nach meinem Alter fragen und ich zuerst überlegen muss. Du bist so alt, wie du dich fühlst, und ich fühle mich nicht alt! Ich weiss, dass mein Körper jedes Jahr ein Jahr älter wird (lautes Lachen), aber meine Birne ist, glaube ich zumindest, noch relativ jung. Natürlich, die Dinge, die du in all den Jahren erlebst, formen dich. Ich denke, dass ich immer ein eher ruhigerer Typ war und bin, als jemand der den ganzen Tag komplett steil geht (grinst). Das Schöne ist, dass wir unseren Traum zum Job machen konnten und dabei Vieles erlebten, wovon andere träumen und vielleicht nie erreichen. Dafür arbeiten wir sehr hart. Wir hatten immer diese Vision, und dabei gab es keinen Plan B. Im Endeffekt zählt sich harte Arbeit und Qualität einfach aus. Dabei versuchen wir immer das qualitativ Beste zu machen, was möglich ist. Ob das immer gleich gut ankommt oder das Beste ist, ist eine andere Geschichte (grinst). Immer das Beste zu geben ist aber leider keine Garantie, dass du erfolgreich sein wirst, aber eine wichtige Grundvoraussetzung. Wir nehmen es nicht als gegeben hin, dass wir eine grosse Band sind. Ist das deine Einstellung, bist du morgen weg vom Fenster.

MF: Was war früher für dich wichtig, und was ist es heute?

Marcus: Meine Familie ist extrem wichtig für mich. Meine Frau und mein Sohn. Das kommt auf Tour grundsätzlich zu kurz. Wir leben dabei in Extremen. Entweder sind wir komplett weg, wenn wir auf Tour sind oder komplett zu Hause. Mein eigenes Studio habe ich zu Hause. Will ich arbeiten, stehe ich vom Sofa auf und gehe nach nebenan, stöpsle die Gitarre ein und lege los (grinst). Im Job ist mir das Zusammenspiel der Leute extrem wichtig. Wir haben jetzt eine Crew am Start, mit denen waren wir 21 Monate unterwegs. Sagt mir morgen einer, dass es nochmals 21 Monate weitergeht, hätte ich überhaupt keinen Stress damit, weil ich mit jedem der Leute den ganzen Tag zusammen sein kann. Das sind alles Freunde von mir. Sind es die Bandmitglieder oder die Leute der Crew. Das ist eine grosse Familie und etwas das mir sehr, sehr wichtig ist. Die Privatsphäre, die du auf Tour hast, ist der Vorhang deiner Koje (lacht) und der "Day Off", an dem du hinter dir die Türe deines Hotelzimmers abschliesst. Ansonsten bist du den ganzen Tag mit den gleichen Leuten zusammen. Funktioniert dies menschlich nicht, wird das sehr, sehr anstrengend. Ich freue mich jetzt mit meiner Familie die Weihnachtstage zu verbringen, hätte aber auch keinen Stress weiter zu touren, weil die Zusammenstellung perfekt funktioniert. Bin ich auf Tour, vermisse ich meine Frau und meinen Sohn. Auch wenn mein Sohn nicht mehr zu Hause lebt und seit ein paar Jahren studiert. Aber, die Trennung belastet. Ich glaube, dass diese Trennung für unsere Familien schwieriger ist, als für uns. Wir sehen die Welt, haben Spass und spielen die Shows. Das macht es für uns einfacher, als für unsere Frauen. Zum Glück hilft die Technologie. Als wir Anfangs der 90er auf Tour waren, hattest du jeden Tag vor dem Produktionsbüro eine Schlange an Leuten, die telefonieren wollten (lacht). Da musstest du deine Einheiten aufschreiben und hast du länger als fünf Einheiten telefoniert, hat der Hintermann schon reklamiert (lacht). Dann kam irgendwann der Traum des Handys und du hast dich dumm und dämlich bezahlt, wenn du im Ausland telefoniert hast. Zumindest konntest du anrufen. Heute bist du auf der ganzen Welt online, kannst über Skype oder wie auch immer mit deinen Lieben in Kontakt sein. Das macht es wesentlich einfacher, auch wenn es kein Ersatz ist, wenn meine Frau neben mir auf dem Sofa sitzt.

MF: Wann kann man mit dem neuen Album rechnen?

Marcus: Das Live-Album kommt nächstes Jahr. Wir haben fast jede Show letztes Jahr aufgenommen und ganz viel im diesem Jahr. Momentan werden 25 bis 28 Lieder ausgewählt, die Charlie (Bauerfeind, Produzent) gerade mixt. Die werden nicht alle auf dem Album sein, sonst sind wir bei einer 3er oder 4er-Box-CD (grinst). Sind alle Songs gemixt, werden wir auswählen, was wir davon benutzen. Dazu wird ENDGÜLTIG im Jahr 2018 das Orchester-Album erscheinen (grinst). Wir starten im 2017 auch mit dem Songwriting fürs nächste Studioalbum, und wenn alles klappt, sollt dies dann 2019 auf den Markt kommen. Ob dieser Plan aufgeht oder nicht, werden wir dann sehen (grinst).

MF: Hast du dich jemals als Rockstar gefühlt?

Marcus: Nein! Wobei… Wir hatten unsere Rockstar-Momente. Als wir Anfang 1992 das erste Mal in Japan aus dem Flieger stiegen, standen da kreischende Menschenmassen und den ganzen Tag rannten sechs Bodyguards um dich herum… Klar ist es nett im Hilton zu nächtigen, Aber das brauche ich nicht, ebenso wenig wie einen Bodyguard. Auch keine kreischende Meute, die den ganzen Tag hinter mir herrennt. Das hat für mich nichts mit Musik machen zu tun. Da freue ich mich, wenn die Fans im Konzert durchdrehen. Ich will aber nicht auf der Strasse von tausend Leuten erkannt werden. Rockstar hat für mich was Negatives. Keiner von uns sieht sich als Rockstar, auch wenn einige aussenstehende Leute dies so sehen. Mein Sohn hat mich irgendwann gefragt, da kam er gerade aufs Gymnasium und sah die Leute in den Blind Guardian-Shirts. "Papa, bist du berühmt?" Die Frage hat mich erstmals komplett aus dem Konzept geschmissen. "Wie kommst denn darauf?" "Weisst du, da kamen Leute und fragten mich, ob ich der Sohn vom Gitarristen von Blind Guardian bin". Ich versuchte ihm zu erklären, dass es durchaus sein kann, dass mich Leute als den Gitarristen von Blind Guardian kennen, aber sicherlich noch viel mehr Leute noch nie was von dieser Band gehört haben und auch nie etwas hören werden. Das ist alles relativ. Japan war damals aber ein absoluter Kulturschock. Da ticken die Uhren echt anders. Du kommst in diesen Rockstar-Modus, saugst alles wie ein Schwamm in dich auf und versucht alles zu verarbeiten. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie sich die Länder in all den Jahren verändert haben. Das Gute ist, dass wir in der Band alle sehr bodenständig sind. Wäre dies nicht so, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man schnell durchdreht (grinst). Bei uns passierte dies nicht, weil wir uns auch immer wieder selber auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben (grinst). Oder dann bist du drei Wochen später in einem anderen Land, das dich nicht dermassen abfeiert und das holt dich dann relativ schnell wieder auf den Boden zurück (lautes Lachen). Darum stand auch nie zur Debatte abzuheben oder durch zu drehen!

MF: Besten Dank fürs Interview…

Marcus: …gerne.

MF: Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft.

Marcus: Werde ich hoffentlich haben (grinst), danke gleichfalls.