Unglaublich! Metal scheint in der Schweiz langsam
endlich den Status zu erhalten, welchen er schon lange
verdient hat. Indiz dafür: Sage und schreibe vier
einheimische Truppen haben es nach gerade mal fünf
Monate des Jahres 2009 geschafft, mit ihren
Neuveröffentlichungen in die Top 50 der Schweizer
Albumcharts vorzustossen, wobei Samael auf Platz 37,
Lunatica auf Rang 20 und die Hardrocker von Shakra gar
auf Platz 4 landeten. Konnte man in den vergangenen
Monaten von jeder dieser Bands ein Interview auf
Metal Factory finden, so kommt nun der vierte metallische
Platzhirsch in Sachen Schweizer Metal zu Wort:
Eluveitie. Galt der wilde Haufen vor einigen Jahren noch
als Insider-Tipp im gerade entstehenden Pagan Metal
Underground, so konnten sich Eluveitie durch den Deal
mit Nuclear Blast, mit ihrem umwerfenden Zweitling
«Slania» und immer wieder höllischen Live-Shows auf dem
internationalen Metalparkett etablieren. Nicht umsonst
heimsten die Jungs (und die beiden Mädels) 2008 zum
zweiten Mal in Folge den Titel «Beste CH-Band» bei
unsrem Jahrespoll ab. Mit ihrem neusten Werk, dem
mystischen Akustik-Schmankerl «Evocation I: The Arcane
Dominion» gabs einen 20. Platz in den Albumcharts und
wiederum euphorische Kritiken in der nationalen wie
internationalen Presse. Grund genug für Metalfactory,
bei Frontheide Chrigel Glanzmann (CG) anzurufen und mit
dem Multi-Instrumentalisten bzw. Hobby-Historiker über
Erfolg, Nicht-Kotzen im Tourbus und das Gelingen bzw.
Nichtgelingen von US-Tourneen zu quatschen. Die kluge
Bilanz des ausgedehnten Gesprächs: Als Musiker muss man
machen, worauf man Lust hat und nicht, was andre von
einem wollen... sonst wird das nichts!
MF: Hey Chrigel! Wie gehts?
CG: Ehrlich gesagt: überhaupt nicht! Also ich bin schon
guter Laune, aber diese Hitze macht mich fertig. Der
Sommer ist echt zu heiss für mich.
MF: Ihr habt vor kurzem gerade auf zwei Festivals
gespielt, dem «Legacy Festival» in Deutschland und dem
«Summer Nights Openair» in Österreich. Wie lief's so?
CG: Wunderbar! Zuerst waren wir am Legacy Festival und
gegen Abend, gerade als wir den letzten Song zu spielen
begannen, zog ein heftiger Sturm auf. Die Bühne schien
beinahe zusammenzubrechen, es begann wie aus Kübeln zu
regnen. Das passte irgendwie noch zur Stimmung und wir
spielten natürlich zu Ende und auch die Zuschauer
trotzten dem Regen. War also ein cooles Erlebnis!
MF: Kommen wir gleich zum Thema der Stunde: eurer
Akustikscheibe «Evocation I: The Arcane Dominion».
Zufrieden mit den Reaktionen bis anhin? Mit den
Rückmeldungen?
CG: Sehr, wirklich sehr! Es war für uns ja doch auch ein
Wagnis dabei, so ein Projekt zu realisieren. Wir hüteten
diese Idee aber schon seit einiger Zeit, eine
Akustikscheibe zu machen. Es reizte uns schon lange und
wir wollten das einfach mal machen. In der zweiten
Hälfte von 2008 hat sich das dann immer mehr
konkretisiert und dann entschieden wir uns ohne wenn und
aber dazu, das Ding durchzuziehen. Dabei hatten wir
überhaupt keine Vorstellungen und Erwartungen, wie
unsere Fans oder auch die Presse reagieren könnten.
Natürlich hofften wir, dass total gut ankommt, doch
hätte es auch genauso gut sein können, dass sich alle
unsere Fans angepisst fragen würden, was für einen
Scheiss wir jetzt veröffentlichen. Letztendlich muss man
als Band und als Musiker einfach das machen, worauf man
Lust hat und an dieses Motto hielten wir uns. Über die
Reaktionen freuten und freuen wir uns jetzt natürlich
riesig. Natürlich gab es auch viele Statements von Fans,
welche äusserst überrascht waren und nicht alle im
positiven Sinne. Dennoch: Die absolute Mehrheit der
Rückmeldungen ist positiv und wir sind zufrieden mit den
Reaktionen.
MF: Gleich zu vorderst auf eurer Homepage findet man
einige Presse-Schnipsel oder auch ein wohlwollendes
Statement von Jonne Järvela von Korpiklaani. Und auch
Platz 20 in den Charts spricht ja für euch.
CG: Absolut! Natürlich freut es uns immer, wenn auch
andere Bands, die Presse oder eben auch die
Verkaufszahlen positiv ausfallen.
MF: An sich ist es ja nicht sonderlich abwegig, dass
eine Metal-Band mit Folk- und Pagan-Einschlag ein solches
Projekt verwirklicht. Was zumindest mich aber erstaunte,
ist der Umstand, dass ein solch spezielles Werk schon
nach der zweiten Scheibe «Slania», mit welcher ja
eigentlich die grosse Öffentlichkeit erst auf euch
aufmerksam wurde, veröffentlicht wird.
CG: Die Idee spukte halt schon seit Ewigkeiten in unseren
Köpfen herum. Und schon das Konzept dazu über zwei volle
Alben hatte ich eigentlich schon vor der
Veröffentlichung von «Slania» fertig geschrieben. Wir
teilten unsere Ideen auch schon während den Gesprächen
mit Nuclear Blast dem Label mit, einfach damit sie es
wussten, und sie standen damals eigentlich schon hinter
dieser Idee. So begannen wir halt damals schon damit,
die ganze Sache zu planen. Es stimmt schon, vielleicht
würde man normalerweise einen späteren Zeitpunkt für ein
solches Projekt wählen doch letztlich bist du der
Musiker und eine Band muss machen, worauf sie Lust hat.
Wenn man als Band beginnt, die Erwartungen irgendwelcher
Leute erfüllen zu wollen, dann kann man eigentlich
gleich damit aufhören. Und deswegen haben wir das
einfach durchgezogen!
MF: Wie seid ihr an dieses Projekt herangegangen? Welche
Unterschiede ergaben sich verglichen mit den Arbeiten an
einem regulären, metallischen Album?
CG: Also wie wir an die Songs herangegangen sind
unterschied sich nicht sonderlich, da ja das Gros der
Instrumente etc. auch sonst bei uns oft zum Zug kommt,
wenn auch nicht so dominierend. Beim Songwriting gab es
insofern einen Unterschied, als dass dieses Album noch
mehr innerhalb der Band entstanden ist. Normalerweise
ist es ja so, dass ich praktisch das ganze Material
schreibe. Bei «Evocation» war das jetzt etwas anders.
Zwar habe ich das grundsätzliche Konzept und auch einen
grossen Anteil an den Liedern zu verantworten, doch
sicherlich die Hälfte der Songs stammt aus der Feder
anderer Leute. Es gibt auch Songs auf «Evocation», wozu
ich gar nichts beisteuerte. Daneben machte es für dieses
Album zum Beispiel keinen Sinn, wieder auf Schweden zu
reisen, um aufzunehmen. Was sonst das Aufnehmen angeht,
so haben wir das komplette Engineering und Produzieren
während dem Spielen selbst gemacht, was eine Premiere
für uns darstellt.
MF: Auf eurer Homepage ist noch zu lesen, dass ihr euch
noch mit Problemen bei der Pressung der Scheibe
rumschlagen musstet...
CG: Ja, das war wirklich eine mühsame Sache. Deswegen
mussten wir ja auch den CD-Release um eine Woche
verschieben. Die Firma, die das ganze eben presste, hat
dankenswerterweise die Scheibe nochmal kontrolliert und
einen Pressfehler entdeckt. So mussten die ganzen schon
gemachten Scheiben geschrottet werden und die ganze
Produktion von neuem beginnen. Das war schon ärgerlich,
aber solche Sachen gibt es eben, da sollte man sich
nicht zu sehr aufregen, obwohl wir im Moment natürlich
schon etwas aufgebracht waren.
MF: Eine Frage, die sich aufzwingt: Wann kommt
«Evocation II»?
CG: Keine Ahnung! Genau wissen wir das wirklich noch
nicht. Die nächste Scheibe wird nämlich definitiv wieder
eine Metalscheibe werden. Wie gesagt, dieses
Akustik-Ding ist für uns eher ein abwechslungsreiches
Projekt, in erster Linie sind und bleiben wir eine
Metal-Band, das ist unser Ding. Deswegen kann man sich
bei der nächsten Veröffentlichung auf ein typisches
Eluveitie-Metalalbum freuen, woran übrigens schon
fleissig arbeiten. Geplant ist, dass wir schon im Herbst
wieder ins Studio gehen, um das Ding aufzunehmen. Erst
danach werden wir unsere kreativen Kräfte dann auf die
Fortsetzung von «Evocation» richten. Wann «Evocation II»
aber dann letztlich im Laden stehen wird wissen wir noch
nicht genau, vielleicht Anfang 2011 oder so.
MF: Kommen wir zur anderen Pflicht und Freude, die das
Musikerleben so mit sich bringt: das Touren. Seit
Frühling 2008 habt ihr, wenn ich richtig gezählt habe,
ganze 5 grosse Tourneen absolviert und daneben noch
unzählige Festivalauftritte etc. bestritten. Kriegt man
nach so langer Zeit on the road nicht mal den
Tourkoller?
CG: Haben wir echt so viel gespielt in so kurzer Zeit?
Das fällt einem selbst eben manchmal gar nicht so auf.
Deswegen lautet meine Antwort: nein! Den Tourkoller hab
ich bis jetzt noch nicht gekriegt. Unsere Musik spielen
zu können, überall auf der Welt, dass ist das Grösste
für uns überhaupt, das bedeutet für uns Leben und somit
werden wir dessen auch nicht müde. Natürlich ist auf
Tour sein eine ziemlich extreme Situation und gerade und
es ist auch kein Zuckerschlecken. Gerade längere
Tourneen, wie etwa diejenige mit Kreator dieses Jahr,
die ja gute zweieinhalb Monate ging, können schon
anstrengend sein. Dein „Zuhause“ sozusagen ist halt
deine Kajüte im Tourbus und mehr Privatsphäre gibts
eben nicht. Daneben muss man auch auf Luxus verzichten,
der ansonsten gar nicht wahrgenommen wird, wie etwa
fliessendes Wasser oder so. Auf Tour sein ist, da hast
du schon recht, eine etwas extreme Lebenssituation und
kann auch an die Substanz gehen, aber wir sind klar eine
Band, die dafür lebt, live zu spielen und deswegen nein,
wir haben noch nicht genug! Diesen Sommer werden wir
aber ein wenig zurückschrauben und nur einige Festivals
spielen und dann eben im Herbst an neuem Material
arbeiten.
MF: Schon wieder, ist man beinahe verleitet zu sagen.
Normalerweise halten sich Bands doch an den bekannten
Zweijahrestakt: Album aufnehmen, veröffentlichen, zwei
Tourneen und Festivals dazu spielen und dann wieder ins
Studio. So veröffentlichen Bands ihre Scheiben doch
immer etwa im Abstand von zwei Jahren. Ihr hingegen legt
ein verdammt schnelles Tempo an den Start, sowohl beim
Veröffentlichen als auch beim Touren. Ist das einfach
eure effiziente Arbeitsgeschwindigkeit oder denkst du,
dass es heute fast nötig ist, so schnell so oft präsent
zu sein?
CG: Keine Ahnung ob das wirklich nötig ist, aber bei uns
ergibt sich das einfach so. Wie schon gesagt: Letztlich
muss man als Band das tun, worauf man Lust hat und wenn
sich dann genug Ideen und Tourmöglichkeiten ergeben,
dann nutzt man diese eben. Schon während der Tour mit
Kreator begann ich an der nächsten Metalscheibe zu
schreiben, im Bus hat man ja auch genug Zeit, wenn man
täglich 8 bis 15 Stunden fährt und nichts zu tun hat.
Dann schreib ich halt an neuen Songs. Ziemlich bald nach
dieser Tour stand dann das neue Konzept schon und dann
stellt sich eben die Frage, ob man wie andere Bands
warten soll oder eben nicht. Und auch wenn vielleicht
andere Bands normalerweise ca. alle zwei Jahre eine
Scheibe veröffentlichen... warum sollte man damit
warten, wenn man Energie und Lust dazu hat?
MF: Tagelang mit dem Bus unterwegs... gibt es bestimmte
Regeln im Eluveitie-Bus?
CG: Gute Frage... die müsste ich kennen, was? Nein,
eigentlich gibt es bei uns nur eine Regel, welche wohl
auch die meisten anderen Bands kennen: Wer in den
Tourbus kotzt, der muss es selber aufwischen und zwar
sofort! Egal wie gross der Kater oder der Suff auch sein
mag, das Zeug muss sofort weggeputzt werden. Und weil
darauf wirklich keiner und keine Lust hat ist das bis
anhin auch noch nie passiert.
MF: Ich kann mir vorstellen, dass man hin und wieder
auch etwas Ruhe braucht auf Tour, dass einem die
Mitmusiker und alle anderen Mitreisenden mal auf die
Nerven gehen können. Wie schaltest du dann ab? Was
machst du dann?
CG: Ich darf mich glücklich schätzen, äusserst wenig in
eine solche Krise zu geraten. Wir alle sind eigentlich
praktisch immer umgänglich und kommen gut aus
miteinander. So eine Art Krise erreicht uns meist erst
ein paar Tage vor Tourende, wenn wir begreifen, dass es
schon bald wieder zu Ende sein wird, aber das ist ja
dann nicht mehr sonderlich schlimm. Und was das
Zurückziehen betrifft, das geht ja schon auch auf Tour.
Wenn du zur nächsten Location fährst, dann gehst du dann
halt vielleicht in deine Kajüte, Ohrenstöpsel rein und
fertig. Meist fährt ja der Zug sowieso erst so um 04.00
Uhr ab und bis dann sind die meisten von uns eh schon
blau, trinken dann noch ein paar Stunden weiter und
gehen dann pennen. Wenn du dann wieder aufwächst bist du
schon im nächsten Land und hast vom ewigen Fahren nicht
sonderlich was mitgekriegt. Man kann sich natürlich auch
selber richten, wenn man irgendwelche Landschaften sehen
will, aber meist macht man das so. Und wenn man dann vor
dem Konzert oder so noch etwas Ruhe will, dann trottest
du eben vor oder nach dem Soundcheck noch ein halbes
Stündchen oder so in der Stadt herum.
MF: Was uns in der kleinen Schweiz natürlich besonders
interessiert ist das grosse Rockstar-Ziel: die
Vereinigten Staaten von Amerika. Wie ist es, in den USA
zu spielen? Hattet ihr Erwartungen, die nicht erfüllt
oder vielleicht übertroffen wurden?
CG: Wir sind bewusst ohne Erwartungen an diese Tourneen
herangegangen. Das erste Mal für uns, letzten Frühling
auf der US-Paganfest-Tour, wollten wir einfach locker
daran heran gehen, da wir ebene einfach keine Ahnung
hatten, wie es werden würde. Auf jeden Fall ist es
anders, als in Europa.
MF: Inwiefern anders?
CG: Man könnte fast sagen, in den Staaten herrscht in
musikalischer Hinsicht eine Zweiklassengesellschaft.
Wenn du einen Status erreichst wie vielleicht In Flames
oder so, dann wirst du wie ein Gott dort drüben
behandelt und bekommst einfach alles, was du dir
vorstellen kannst. Hast du in den USA aber einen weniger
grossen Status, wie ihn Bands wie Behemoth oder eben auch
wir haben, einen Status, wie ihn die meisten extremen
Metalbands aus Europa besitzen, dann ist das Niveau
schlagartig tief, verdammt tief. Also Cathering,
angenehm grosse Backstageräume etc, all das, was man
sich von Europa halt gewohnt ist, das kannst du dir in
den Staaten abschminken. Was dann definitiv anders ist
und sowohl uns als auch den meisten europäischen Bands,
mit welchen wir befreundet sind, zu Schaffen macht, das
ist das Essen. Wir sind vielleicht ein wenig verwöhnt in
Europa, aber wenn du ein, zwei Monate in den Staaten
unterwegs bist, dann kriegst du einfach wochenlang
nichts anderes als Burger, Pommes Frites oder Pizza. Das
schlägt dann jedem noch so hartgesottenen Fast-Food-Fan
spätestens nach ein, zwei Wochen auf den Magen.
MF: Ihr wart letztes Jahr gleich zweimal in den Staaten,
zuerst eben im Zuge des Paganfests und danach im August
noch einmal zusammen mit Kataklysm, Dying Fetus und Keep
Of Kalessin. Welche Unterschiede gab es zwischen diesen
beiden Reisen?
CG: In erster Linie unterschieden hat sich sicherlich
das Publikum. Während zum Paganfest halt eben vor allem
Pagan-Fans kamen, spielten wir im August halt vor einem
viel durchmischteren Publikum. Das war eine unglaublich
positive Erfahrung für uns, da wir uns wieder einmal so
richtig beweisen mussten. Keine der vier Bands wusste so
richtig, was von einer solchen Tour erwartet werden
konnte, ähnlich vielleicht auch wie die Tour Anfang 2009
zusammen mit Kreator. Ein abwechslungsreiches Line-up
führt halt eben auch zu einem durchmischten Publikum
aber letzten Endes kam die Tour sehr gut an. Jeder Gast
konnte praktisch etwas Neues entdecken. Wenn zum
Beispiel eingefleischte Kataklysm-Fans kamen, die noch
nie etwas von Keep Of Kalessin oder uns gehört hatten,
dann konnten wir diese vielleicht begeistern und sie
kauften unsre Scheibe. Dasselbe geschah aber auch
umgekehrt. Ich glaube, es war in Baltimore, als mehr als
die Hälfte der Besucher eigentlich wegen uns gekommen
waren und die kamen dann zum ersten Mal wirklich mit
Kataklysm in Kontakt.
MF: Auch dieses Jahr hätte es eigentlich wieder auf die
andere Seite des Teichs gehen sollen und zwar wieder
unter dem Paganfest-Banner. Nun habt ihr aber verlauten
lassen, das die ganze Sache nicht klappt. Kannst du das
etwas genauer erklären?
CG: Ja, das hat uns wirklich wütend gemacht, denn das
Ganze schien eigentlich schon definitiv zu sein und wir
haben uns auch entsprechend eigerichtet, die Zeit so
verplant etc. Die Konzertagentur, welche das Paganfest
in den USA macht, hat sich dann aber anders entschieden
und uns relativ spät mitgeteilt, dass das nichts wird.
MF: Warum klappte das nicht?
CG: Ich weiss das leider auch nicht genau und kann
deswegen nur wiedergeben, was wir vermuten. Es scheint
so, als wäre es wieder einmal ums liebe Geld gegangen.
Eluveitie ist eben nicht gerade die billigste Band weit
und breit. Nicht, dass wir überrissene Gagen verlangen
würden, im Gegenteil, wir sind sogar vergleichsweise
günstig, aber wir sind eben eine Band, die aus 8
Mitgliedern besteht. Das Problem ist, dass man für uns
als Veranstalter praktisch einen Bus alleine mieten
muss, während man zwei normale Bands mit vier oder fünf
Mitgliedern gut zu zweit einquartieren kann. Wir
glauben, dass der Veranstalter dann einen weiteren Bus
hätte mieten müssen und ihm das zu teuer schien,
weswegen er sich für eine andere Band entschied. Als wir
es dann selber mitkriegten haben wir natürlich sofort
ein öffentliches Statement herausgebracht, dass es
überhaupt nicht unsere Entscheidung war, nicht am
Paganfest teilzunehmen und wir nun mit Hochdruck an
einer Ersatztour arbeiten.
MF: Wie sieht es damit so aus?
CG: Das nimmt immer konkretere Formen an und sollte bald
in offiziell sein. Im November werden wir dann nach
Amerika reisen und zwar mit einem ähnlichen Line-up wie
man sie vom Pagan- oder Heidenfest kennt.
MF: Gibt es da schon konkrete Namen?
CG: Die Namen wir haben wir mehr oder weniger schon,
aber das ist meines Wissens noch nicht offiziell und
deswegen will ich hier auch nichts rauslassen, was dann
letzen Endes doch nicht funktionieren könnte. Es wird
aber sicherlich ein würdiger Ersatz für die
Paganfest-Tour werden. Aus dieser Sache haben wir
übrigens die Konsequenz gezogen, nicht mehr mit unserer
bisherigen Konzertagentur in den Staaten zu arbeiten und
haben nun einen neuen, sehr guten Partner gefunden.
MF: Gibt es schon sonstige Tourpläne für den Herbst?
Europa oder so?
CG: Ja... jaja. Touraktivitäten auf jeden Fall, doch
sind auch diese noch nicht hundertprozentig bestätigt.
Der Plan ist, vor der US-Tour noch ein wenig in Europa
zu spielen. Vorzugsweise werden wir dann Länder
besuchen, in welchen wir bis anhin weniger präsent waren
wie etwa Grossbritannien oder Frankreich. In Deutschland
oder so haben wir ja schon so viel gespielt, während wir
vielleicht erst zwei, drei Konzerte in England spielen
konnten.
MF: Was uns als Schweizer natürlich interessiert, die
wir so stolz auf euch sind, ist, ob eure Herkunft im
Ausland eine Rolle spielt. Werdet ihr oft darauf
angesprochen?
CG: Hin und wieder schon. Es wird auf jeden Fall
wahrgenommen, doch eine grosse Rolle spielt es nicht. Es
wird zum Beispiel in der Presse einfach erwähnt, wie
auch erwähnt wird, dass Kreator aus Deutschland kommen
oder Korpiklaani aus Finnland. Damit hat es sich dann
meistens auch. Was hin und wieder schon gefragt wird,
ist die Verbindung unserer Pagan- und Folkeinflüsse zur
Schweiz. Inwiefern unser Konzept und unsere Musik mit
der Schweiz verwoben ist. Das ist ja auch keine blöde
Frage, da wir ja sozusagen Schweizer Urgeschichte
verarbeiten und thematisieren. Insgesamt hab ich aber
das Gefühl, dass es keine wichtige Rolle spielt, dass
wir aus der Schweiz und nicht von irgendwo sonst her
kommen.
MF: Vor etwas mehr als einem Jahr hast du mit Scheffe
Roxx gesprochen und angetönt, dass du einige Tendenzen
in der Paganszene nicht wirklich angenehm findest, seien
es politische oder allzu religiöse bzw. esotherische.
Was bedeutet all dies für euch eigentlich?
CG: Für uns ist es grundsätzlich so, dass wir das
Private vom Musikalischen trennen. Was wir lyrisch
betreiben ist Geschichtsvermittlung. Wir beschäftigen
uns mit dieser uralten Kultur, aber ohne irgendwelche
Inhalte oder Ideologien vermitteln zu wollen, denn wir
finden, dass so etwas einfach nicht in die Musik gehört.
Wenn sich jemand anpredigen lassen will, dann soll er
von mir aus in eine neuheidnische Sekte und nicht an ein
Metal-Konzert. Da gehört sowas einfach nicht hin. Diese
Meinung vertreten wir als Band, welcher es in erster
Linie um die Musik geht. Was jedes einzelne Mitglied
davon hält, das ist dessen Sache. Mir persönlich
bedeutet das alles ziemlich viel, aber warum sollte ich
wollen, dass es allen anderen auch so geht?
MF: Auf eurer Homepage steht ja deswegen wohl auch
ziemlich zentral das Statement «Eluveitie ist neutral,
was Themen wie Religion oder Politik angeht». Ist das
als Pagan-Band mit „heidnischen“ Inhalten beinahe nötig?
Ihr hattet letztes Jahr mit dem Paganfest doch auch ein
paar Probleme mit einem Konzert in Berlin wegen
Nazi-Vorwürfen etc...
CG: Das war nicht wirklich ein Problem, sondern eher
eine komische Episode, die uns Bands eher amüsierte als
zu schaffen machte. Ich weiss nicht, ob das alles
wirklich noch ein Problem ist. Ich habe vor kurzem auch
mal gedacht, dass wir dieses Sätzchen bald mal wegnehmen
könnten. Ich glaube, diese Problematik bestand eher zu
Beginn dieser Pagan-Trends und hat sich mit der Zeit
etwas gelegt, nachdem Pagan Metal nun einfach zum Metal
dazugehört und sozusagen im Metal-Mainstream mitmischt.
Vor vier, fünf Jahren vielleicht, als sich einige Bands,
gerade aus Deutschland mit den alten Germanen, Runen
etc. Beschäftigten und dann schnell mal der
Nazi-Verdacht aufkam. Damals wollten wir einfach gleich
klarstellen, dass wir mit solchen möglichen Tendenzen
nichts zu tun haben und deswegen schrieben wir dieses
Sätzchen. Nun scheint mir das aber nicht mehr wirklich
nötig.
MF: Wart ihr eigentlich überrascht über den Erfolg
dieser Stilrichtung in Amerika? Inhaltlich besteht ja da
nicht eine solche Verbindung wie etwa in Europa,
insbesondere in der Schweiz, Deutschland oder
Skandinavien, gerade in historischer oder kultureller
Hinsicht.
CG: Alle Beteiligten, auch wir, hatten bis vor einem
Jahr wirklich keine Ahnung, wie der ganze Stil in
Amerika aufgenommen wird oder werden würde. Wie gesagt
stiessen wir in den USA aber auf offene Türen und die
Szene wird immer grösser. Ich denke, dass es in ein,
zwei Jahren so sein wird, wie es in der Schweiz oder
Deutschland jetzt ist. Meine Erfahrung ist, dass unsre
Musik und Pagan überhaupt gerade durch den
konzeptionellen Inahlt begeistert aufgenommen wird. Ich
denke, das hat einerseits damit zu tun, dass viele
Amerikaner europäische Wurzeln haben und andererseits
die Vereinigten Staaten einfach keine alte Geschichte
besitzen. Diesen Staat gibt es halt erst seit 300
Jahren. Und wenn du dann nach Amerika kommst und ihnen
von einer Kultur zu erzählen beginnst, welche gut 3000
Jahre alt ist, dann fasziniert das die Amerikaner
ziemlich stark. Und wie gesagt: Folk Metal oder wie man
es auch immer nennen will erlebt dort drüben gerade
einen wahnsinnigen Boom, was für uns natürlich wunderbar
ist.
MF: Kommen wir langsam zum Schluss. Woran liegt es
deiner Meinung, dass es gerade Eluveitie geschafft
haben, in die erste Reihe dieser Szene vorzustossen?
CG: Schwer zu sagen... Ich glaube, damit eine Band
Erfolge feiern kann müssen unzählige Faktoren
zusammenspielen. Letzten Endes sind es aber immer die
Menschen, die Fans, die entscheiden, ob eine Band etwas
taugt oder nicht. Das ist cool so, das ist gut so und
soll auch immer so bleiben. Ich denke auch, dass es
immer so bleiben wird. Insofern haben wir unsren Erfolg
unsren Fans zu verdanken und sind deswegen auch
unglaublich dankbar. Das ist der Hauptfaktor, aber ein
Teil ist aber sicher auch Glück, man muss den richtigen
Zeitpunkt treffen usw. Auf der anderen Seite sind es
sicherlich auch wir als Band. Die letzten paar Jahre
waren verdammt harte Arbeit und auch heute reissen wir
uns noch tagtäglich den Arsch auf für die Band. Wir
machen unterdessen auch nichts anderes mehr als
Eluveitie.
MF: Ihr könnt jetzt also als Musiker leben?

CG: Naja, Leben heisst sehr sehr bescheiden über die
Runden kommen. Ich muss jeden Monat schauen, dass ich
meine Miete zusammenkriege, aber es liegt zeitlich
einfach nicht mehr drin, nebenher noch etwas anderes zu
arbeiten. Beklagen will ich mich hier aber keineswegs,
denn das war ja immer unser Ziel, mit der Band soweit zu
kommen. Und auch jetzt wollen wir immer noch weiter
kommen, weswegen wir halt auch hart arbeiten müssen.
Klar, die Konkurrenz ist gross. Das treibt uns aber auch
an, immer originell zu sein und unser eigenes Ding
durchzuziehen, denn sobald du beginnst, dich an anderen
Musikgruppen zu orientieren, dann bis du immer einen
Schritt weiter hinten. Bis heute ist mir aber noch keine
Death Metal Band über den Weg gelaufen, welche ihren
Sound so stark wie wir mit Folkelementen anreichert und
dann zu acht auf die Bühne steigt und das Ganze mit
Pfeiffen, Drehleier etc. auch voll und ganz rüberbringt.
Deswegen schau ich optimistisch der Zukunft entgegen.
MF: Dann gilt es für dich jetzt nur noch die
obligatorische letzte Frage zu beantworten, welcher sich
alle von mir interviewten Musiker stellen müssen: Wo
werden Eluveitie, wo wirst du in 10 Jahren stehen?
CG: Keine Ahnung... absolut keine Ahnung! Natürlich
träume ich von einer glorreichen Musikkarriere, aber ob
es Eluveitie in 10 Jahren noch geben wird, das kann ich
einfach nicht sagen. Ich hoffe es natürlich! Nein...
hoffen tu ich eigentlich gar nichts, ich weiss es
schlicht und einfach nicht. Was ich aber sicherlich tun
möchte, wenn ich etwas mehr Zeit haben werde, ist meine
Studioaktivitäten auszubauen und vielleicht sogar einmal
ein eigenes Studio aufzubauen. Grundsätzlich wünsche ich
mir aber natürlich, dass Eluveitie in 10 Jahren noch im
Metalgeschäft mitmischen werden...
MF: Das hoffen wir natürlich alle auch! Danke für das
ausführliche Gespräch und viel Glück bei den kommenden
Festivalshows und hoffentlich wird der Sommer nicht
allzu heiss...
CG: Hahaha, das hoffe ich auch. Danke dir!
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