Interview: Eluveitie
By Roxx
Es hatten sehr wenige Schweizer Bands aus dem Bereich Hard Rock und Metal den grossen Erfolg. Meistens sind diese Bands im Ausland erfolgreicher als im eigenen Land. Wenn dann mal eine Schweizer Band etwas erreicht, dann hat sie dann schon fast Kultstatus, weil die Spielart etwas Neues oder revolutionäres ist, wie z.B. Celtic Frost damals. Eine solche Perle haben wir nun mit der Band Eluveitie. Ihre Mischung aus Todesblei ala Götheborg und Keltischem Folk steckt wie eine Epidemie die ganze Welt an. Die Fanlager in schon fast jedem Land auf diesem Planeten werden immer grösser. Die Konsequenzen daraus sind grosse Nachfrage nach Konzerten und Vorwürfe wegen Ausverkauf durch den neuen Deal mit Nuclear Blast. Sänger Chrigel Glanzmann bezieht zu all dem mehr als deutlich Stellung.

MF: Die neue CD "Slania" ist nun fertig. Unterscheidet sich eher weniger vom Vorgänger "Spirit". Eure sämtlichen Trademarks für die man Euch kennt, bleiben also Erhalten, was natürlich Positiv gemeint ist. Hattet Ihr das genau so geplant oder hat sich das so automatisch ergeben?

Chrigel: Ehrlich gesagt freut es mich zu hören, dass Du das so empfindest! Während der Songwriting-Phase machte ich mir bei manchen Stücken fast etwas Sorgen, dass sich gewisse Ideen zu sehr vom typischen Eluveitie-Stil abheben könnten. Von dem her kann ich Deine Frage also mit ja beantworten: Genau das hatten wir im Sinn. Aber dennoch entwickeln wir uns natürlich weiter. Und ebenso sind wir offen für Neues und mögen auch mal Experimente. Beispielsweise ist in einem auf „Slania“ ein Kinder-Chor vertreten, was für eine Metalband ja nicht gerade alltäglich ist, denk ich. Doch dieser Entwicklungsprozess ist sehr natürlich und nie irgendwie aufgesetzt. Wenn sich an unserer Musik was verändert, dann tut es das, weil wir Bock drauf haben.

MF: Worüber erzählt das Album "Slania"?

Chrigel: „Slania“ ein Konzept-Album zu nennen, wäre wohl zu dick aufgetragen. Aber nichts desto trotz gibt es lyrisch und konzeptionell einen „roten Faden“. Der lyrische Fokus liegt auf einem zentralen Aspekt der keltischen Kultur: Dem „grossen Rad“, was nichts anderes ist, als der Jahreskreis mit den vier Jahreszeiten. Das mag für manche Leute von heute vielleicht etwas profan erscheinen. Doch in der keltischen Kultur war das etwas sehr zentrales und wichtiges - für die ganze Mythologie und ebenso auch für das ganz alltägliche Leben. Die keltische Kultur kennt, entsprechend dem „grossen Rad“, vier Haupt-Feste, welche jeweils für eine Jahreszeit stehen, bzw. diese einläuten, wobei im keltischen Kalender das Jahr mit dem Winter, der „dunklen Zeit“, beginnt. Also mit dem Fest „Samonios“ (ziemlich gesichert gleichzusetzen mit dem heute eher bekannten Fest Samhain). Wir haben jedem dieser Haupt-Feste je einen instrumentalen Track gewidmet. Das Album durchläuft also sozusagen das keltische Jahr. Neben dem dreht sich die Mehrheit der Songs auf die eine oder andere Weise um irgendeinen Aspekt dieses Teils der keltischen Mythologie und Kultur.

MF: Interessant finde ich den "Slanias Song". Eher etwas ruhiger und von Eurer Anna Murphy gesungen. Wird dieser Songs auch live gespielt?

Chrigel: Ja, auf jeden Fall spielen wir den Song live, taten wir übrigens auch schon. Stimmt, das Stück ist eher „soft“. Das hat sich irgendwie zu so einer Art Tradition bei uns entwickelt: Auf jedem Album gibt’s ein Track, der etwas ruhiger und teilweise akustisch gehalten ist und mit hauptsächlich weiblichem Gesang daher kommt. Auf „Spirit“ war dies „Siraxta“.

MF: Slania gibt es als "normale" CD und auch noch zusätzlich mit einer DVD. Was ist auf der DVD drauf?

Chrigel: Auf der DVD wird mal der Video-Clip zum Song „Inis Mona“ zu sehen sein und des weitern ein Livemitschnitt (Video) von unserm Konzert am letztjährigen Ragnarök-Festival im Deutschen Lichtenfels. Und dann sind noch drei Foto-Gallerien drauf. Beispielsweise eine mit Livebildern unserer Headliner-Show am Cernunnos-Festival in Paris vom vergangenen Dezember. Wir nahmen vom Opener-Track des Albums auch eine rein akustische Version auf! Die wäre auch auf die DVD gekommen, doch letztendlich entschlossen wir uns, diese grundsätzlich als Bonus-Track auf die CD zu pappen, so dass auch Leute, die nicht die Digipack-Ausgabe mit DVD kaufen möchten, den Song kriegen.

MF: Wenn man sich den Song "Inis Mona" anhört, der mir sehr gut gefällt, hört man schon die Stimmen, dass Ihr jetzt einen auf Kommerz macht und einen zu gesuchten Song gemacht habt. Das ganze verbunden mit dem neuen Deal mit Nuclear Blast, kamen da und dort schon Stimmen, die jetzt von Ausverkauf reden. Ich bin der Meinung dass es ohne Geld nun mal nicht geht. Alles kostet ja schliesslich Geld. Wie denkst Du Über dieses Vorwürfe?

Chrigel: Haha, ja ich könnte mir vorstellen, dass es auch solche Stimmen geben wird, ja. Aber auch wenn unsere Fans sehr am Herzen liegen, muss man auf sowas letztlich sagen: „who the hell cares?“. Aber auch wenn die Chorus-Melodie von „Inis Mona“ schon sehr „catchy“ ist (sie basiert übrigens auf einem alten traditionellen Tanz-Lied aus der Bretagne), finde ich den Song eigentlich nicht irgendwie „poppig“ oder so. Nicht poppiger oder kommerzieller als beispielsweise „Uis Elveti“. De Fakto sind die beiden Songs eigentlich sogar recht ähnlich, finde ich. Aber, was die ganze Thematik von wegen Nuclear Blast, Kommerz und Ausverkauf angeht: Ich weiss auch nicht, aber irgendwie stellen mich all diese selbsternannten „Szenewächter“, deren Mission es ist, den Metal von „Kommerz“ rein zu halten, immer wieder vor ein Rätsel. Ich verstehe ihre Überlegungen einfach nicht. Ich meine, natürlich ist „Ausverkauf“ scheisse und auch ich finde es tragisch, wenn Musiker/Labels „Fliessbandarbeit“ betreiben, um den Rubel springen zu lassen (und nicht mehr die Musik im Zentrum steht) oder wenn Musik durch eine über-perfekte Produktion ihr Charisma verliert. Natürlich.

Aber unter einem Musiker, der sich „true“ (oder welche ehrenhaften Prädikate die Anti-Kommerz-Apostel auch immer noch so tragen) nennt, stelle ich mir einen Menschen vor, für den Musik das Leben und das Ein und Alles ist. Ein Freak, der alles aufopfert, um sich uneingeschränkt der Musik hingeben zu können. Oder sehe ich das falsch?

Und bitte sehr: Genau da haben wir doch den angeblichen „Kommerz“. Es stimmt, wir sind tatsächlich Workaholics und arbeiten uns seit vier Jahren die Ärsche ab, um „vorwärts zu kommen“, wie man so hübsch sagt. Und inzwischen haben wir uns auch tatsächlich auch einen Status erarbeitet, der vielleicht nicht mehr gerade „Underground“ ist und sind bei einem der grössten Metal-Labels überhaupt unter Vertrag, richtig. Aber - und ich bin mir sicher, dass es da 99% aller erfolgreichen oder grossen Metalbands genau so geht - wir wollen nicht einfach „vorwärts kommen“, um „reich und berühmt“ zu werden oder uns an Erfolg aufzugeilen. Sondern einzig und alleine darum, weil wir alle hoffnungslose Musik-Süchtige sind. Zu musizieren, das bedeutet für uns das Leben. Und wir möchten irgendwann unsere scheiss Jobs ganz aufgeben können, damit wir uns ausschliesslich der Musik hingeben können. Und um dahin zu kommen, machen wir sehr viel. Wir haben beispielsweise unseren privaten Lebensstandard teilweise enorm runtergeschraubt, leben zum Teil in den schäbigsten Dreckslöchern, verzichten auf eine Menge Luxus und so weiter - um momentan noch so wenig wie möglich arbeiten und Geld verdienen zu müssen und stattdessen so viel Zeit wie nur irgend möglich in die Musik investieren zu können.

So! Das kann man selbstverständlich als „Kommerz“ abtun. Und letztlich geht’s uns auch zwei, drei Meilen am Arsch vorbei, wenn uns manche Leute „kommerzig“ finden. Aber ich persönlich finde so eine Haltung eigentlich wesentlich „truer“ (wenn wir schon mit so einer „Terminologie“ sprechen ;)), als eine „Ach-wir-sind-ja-sooo-Underground“-Attitüde, welche letztlich finanzielle Sicherheit und einen schön schweizerischen Lebensstandard höher wertet, als die Musik. Aber ja, da gehen die Meinungen auseinander, was ja auch okay ist. Drum... who the hell cares? ;)

MF: Zurzeit seid Ihr ja ziemlich gefragt. Die Leute würden Euch am liebsten gleichzeitig auf einer Bühne irgendwo auf der ganzen Welt sehen. Wie lebt es sich damit, wenn man soviel positives Echo für seine Arbeit bekommt und wie geht Ihr damit um?

Chrigel: Wie man mit viel positivem Echo umgeht? Ganz einfach: Man schaut sich jeden morgen ein Foto von sich selbst an und holt sich dazu einen runter, haha! Nein scheisse, was heisst hier schon „umgehen“? Ich meine, was ändert sich schon, wenn man viel positives Feedback kriegt? Nicht, dass es nicht schön wäre. Es tut schon gut, zu merken, dass viele Menschen mögen, was man so fabriziert. Aber es geht letztlich um die Musik. Ihr gilt unsere ganze Liebe und Leidenschaft... ganz egal, wie viel positives Feedback wir nun kriegen oder nicht. Von dem her: Abgesehen von der Tatsache, dass wir immer mehr Zeit und Aufwand in die Band und die Musik investieren können, ändert sich für uns eigentlich nichts.

MF: Wie gehen Eure Familien und Freunde damit um?

Chrigel: Das hingegen ist schon eine Sache, die wir immer mal wieder überdenken mussten. Ich meine, grundsätzlich freuen sich Angehörige natürlich für uns, wenn es mit unserer Band gut läuft. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Münze. Einige von uns sind liiert oder verheiratet. Nachwuchs gibt es noch keinen, aber der kommt auf alle Fälle noch. Und da kann ein vernünftiges Zeitmanagement manchmal schon zu einem Kunststück werden. Ich meine, nehmen wir beispielsweise dieses Jahr: Wir sind im Frühling zwei ganze Monate auf Tour, den Sommer durch spielen wir auf einer Menge Festivals und geben daneben natürlich auch noch diverse Einzelkonzerte hier und dort, für den Herbst ist eine zweite Tournee in Planung und daneben werden wir im Sommer mit den Vorbereitungen der Produktion unseres nächsten Albums „Evocation“ beginnen, welches wir möglicherweise noch in diesem Jahr aufnehmen werden (womit wir auch nochmals mindestens einen Monat weg sein werden). Sprich - wir sind ziemlich oft nicht zu Hause. Sowas erfordert Kompromisse und die Bereitschaft, eine Sache mit zu tragen. Wir sind enorm dankbar und auch glücklich, dass wir Partner haben, die voll und ganz hinter Eluveitie stehen und uns in dem unterstützen, was wir machen. Anders ginge es nicht. Von dem her: Unsere Freunde und Familien gehen grossartig damit um. Aber das ganze ist auf jeden Fall ein Thema, welches man in einer Beziehung oder mit einer Familie besprechen und eine Entscheidung treffen muss.

MF: Schon dieses Jahr steht ja zuerst die Europa und danach die grosse Kanada/USA-Tour im Rahmen des Paganfest an. Wie fühlt man sich vor sowas und wie bereitet man sich auf solch eine Monstertour vor?

Chrigel: Irgendwie macht es momentan den Anschein, dass sich Pagan-Metal in den Staaten derweil immer grösserer Beliebtheit erfreut. Und auch wir selbst erhielten in den letzten 1,5 Jahren enorm viele Reaktionen aus den Staaten (angesichts des Faktums, dass wir noch nie drüben spielten) und dürfen mittlerweile auch auf eine beachtliche US-Fangemeinde zählen. Von dem her freuen wir uns natürlich riesig, nun endlich mal unsern Fans in den Staaten unsre Songs auch mal live um die Ohren zu hauen!
Von wegen Monstertour... nun, also ich hörte schon von „monströseren“ Tourneen, haha! Aber ja, nichts desto trotz: Zwei Monate Tour, bzw. etwa 50 aufeinander folgende Konzerte zu spielen, ist schon nicht ganz ohne. Gerade auch wenn man den Tour-Tagesrhythmus (bis Mittag pennen - Ankommen/Soundcheck - Konzert spielen - sich danach bis morgens um 5.00 ins Delirium saufen - wieder bis Mittag pennen - usw.) betrachtet. Wie wir uns vorbereiten? Wir üben noch gezielter. Und die einen oder andern tun n’Bissl was für ihre Fitness. Haha, letzteres mag schräg klingen, aber um eine halbwegs vernünftige körperliche Verfassung ist man auf Tour durchaus froh. Diese Erfahrung machten wir jedenfalls auf der letzten Tour, und die dauerte nur drei Wochen.

MF: Wenn vor zwei Jahren mit mir jemand Über gute Schweizer Bands geredet hat, kam ich immer relativ schnell auf Eluveitie. Damals habe ich die Leute regelrecht genötigt, Euch im Auge zu behalten und wenn es von Euch Aktien zu kaufen gebe, dann würde ich es tun. Ihr werdet die nächste grosse Band aus der Schweiz, prophezeite ich damals. Ganz unrecht hatte ich ja nicht. Hättest Du das vor zwei oder drei Jahren auch gedacht?

Chrigel: Hahahaha! Na, das freut mich, dass Du Leute dermassen genötigt hast! ;) Um ehrlich zu sein - ja, das habe ich gedacht. Es ist natürlich keineswegs so, dass wir auch nur irgendetwas, was uns beschert ist, als selbstverständlich hinnehmen oder so. Ganz im Gegenteil. Und ebenso wussten wir natürlich nie, WANN genau nun was mit Eluveitie passieren würde (Labeldeals, Tour, ect.). Niemand kennt die Zukunft und man kann auch nichts einfach als gegeben erwarten.
Aber wie gesagt arbeiteten wir dennoch von Anfang mit Vollgas an daran, „vorwärts zu kommen“, wie man so schön sagt. Wir investieren unheimlich viel in die Band und steckten uns stets ehrgeizige Ziele, auf welche wir dann zielstrebig hinarbeiten. Von dem her: Ja, ich dachte schon vor drei Jahren, dass wir mal bei einem grossen Label sein, viel touren, ect. werden. Aber es war natürlich mehr so was wie eine Hoffnung oder ein Ziel, denn man weiss, wie gesagt, ja nicht, ob so ein Vorhaben dann auch wirklich gelingt. Aber wir hatten uns einfach schon damals derartige Ziele gesteckt und arbeiteten darauf hin.

MF: Ob Ihr es nun beabsichtigt habt oder nicht, aber auch Eluveitie ist ein Teil der neuen "Bewegung" unter den Jungen Leuten. Auf ihre Keltischen, Helvetischen oder generell auf heidnischen Wurzeln besinnen sich in letzter Zeit eine Menge junger Leute. Auch Ihr bietet die "Hymnen" dazu. Wie denkst Du Über die aktuelle Situation?

Chrigel: Schwierig zu sagen. Es stimmt auf jeden Fall: Durch diverse Bevölkerungsschichten hindurch und gerade auch bei vielen jungen Menschen, ist eine solche Tendenz deutlich festzustellen. Einerseits freue ich mich natürlich sehr über diese Entwicklung. Sich seiner kulturellen „Wurzeln“ bewusst zu werden, bzw. sich damit zu beschäftigen, halte ich für eine wichtige und lohnenswerte Sache. Ebenso glaube ich auch, dass es uns „West-Europären“ durchaus gut tut, die (alten, wie auch die aktuellern) Kulturen unserer Länder wieder etwas mehr zu beachten und schätzen zu lernen. Und ich glaube auch, dass die von Dir genannten alten Kulturen vieles zu bieten haben, von dem wir in unserer heutigen Zeit durchaus einiges lernen können. Daher freue ich mich darüber.

Auf der andern Seite denke ich aber auch, dass mit diesem „Trend“ eine Menge Unfug (historisch gesehen) oder „neo-heidnische“, esoterische Schwärmereien Einzug erhalten. Genauso wie vielleicht manchmal auch politisch fragwürdige Ideen. Das ist dann wohl die negative Kehrseite des Ganzen. Aber ja, so was dürfte schlicht unumgänglich sein. Es wird immer gesellschaftliche Trends geben - Ideen, Ideologien, kulturelle oder spirituelle Aspekte, ect. die populär werden und dann auch irgendwann wieder verschwinden. Und darin wird es auch immer diverse Ausprägungen geben - positive und negative. Das ist etwas Normales.

MF: Hast Du den Metal Factory-Leser noch etwas mitzuteilen?

Chrigel: Nun, es bleibt nur noch zu sagen: Herzlichen Dank - Dir für das Interview und allen Lesern für Euer Interesse an Eluveitie! Unsere Hörner seien auf Euch erhoben und ich hoffe, man sieht sich mal an einem Konzert!