Interview: Epica
By Roger W.
Der Stern von Epica erstrahlte in diesem Monat mit deren siebten Album nochmals heller, als er das bereits zuvor getan hat. Denn nochmals beweisen die Holländer um Hauptsongwriter Mark Jansen und Sängerin Simone Simons, dass neben Nightwish und Within Temptation noch Platz für eine weitere Symophonic-Metal-Band mit Frauengesang ist. Dass Epica dabei wohl zu den härtesten Vertretern ihres Genres gehören, verdanken sie nicht nur der Tatsache, dass mittlerweile bereits zwei Mitglieder bei den Death-Metallischen Landsleuten von God Dethroned gezockt haben. Denn wer auch mal ruhige Töne anschlägt, klingt automatisch härter, wenn er mal Gas gibt. Metal Factory wagte den Schritt, auch mal ein Interview per E-Mail zu führen. Der Nachteil bei bedarf nicht nachhacken zu können machten Mark Jansen und Simone Simons mit wohlüberlegten Antworten mehr als wett.

MF: Ihr habt dieses Jahr sowohl am Wacken Open Air wie auch am Summer Breeze gespielt. Was waren die grössten Unterschiede zwischen diesen beiden deutschen Open Airs?


Mark Jansen: Das Wacken Open Air und das Summer Breeze sind beides Festivals mit einer grossen Geschichte und einem ausgezeichneten Ruf. Dass wir je an beiden Open Airs im gleichen Jahr spielen dürfe ist ein Traum von uns, der nun in Erfüllung gegangen ist. Die Unterschiede zwischen den beiden Festivals beziehen sich vor allem auf die Bühnengrösse und solche ähnliche Sachen. Insgesamt gibt es aber mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

MF: Ihr seid ja momentan am Touren. Wie läuft es bisher?

MJ: Die Tour läuft bis jetzt super. Die Shows werden überall sehr gut besucht und die Reaktionen sind überschwänglich.

MF: Für die Aufnahmen des neuen Albums „Design Your Univers“ habt ihr wieder Sascha Paeth und Amanda Somerville gewählt. Wieso habt ihr gerade sie ausgesucht? Wie gross war ihr Einfluss auf die Songs auf diesem Album?

MJ: Wir haben ihn wieder gewählt, weil er Epica perfekt kennt. Er weiss sowohl, wo unsere Stärken, aber auch wo unsere Schwächen liegen. Wir machen zwar auch die Vorproduktion mit ihm, aber er ändert in diesem Prozess an der Musik nicht viel. Er hat aber einen grossen Einfluss auf die Gesangslinien. Er hört sofort, ob eine Gesangslinie gut ist, oder ob man daran nochmals arbeiten muss. Wir haben mit ihm also viel am Gesang gearbeitet.

MF: Mit eurem neuen Gitarrist Isaac Delahaye habt ihr nun zwei Mitglieder bei Epica, die bereits vorher bei God Dethroned gespielt haben. Wie ist das passiert?

MJ: Das ist nur Zufall. Wir haben mit Isaac bereits zusammen gearbeitet bevor er 2003 bei God Dethroned eingestiegen ist. Er hat damals Ad Sluijter für eine Show ersetzt. Und wir sind danach immer in Kontakt geblieben. Der zweite ehemalige Musiker von God Dethroned Arien ist einer der besten holländischen Schlagzeuger überhaupt. Er war einer der zwei Session-Schlagzeuger mit denen wir nach den Aufnahmen zum „The Divine Conspiracy“-Album (2007) zusammen gearbeitet haben. Er war dann zu unserem Wunschkandidaten und glücklicherweise ist er auch tatsächlich bei uns eingestiegen. Um aber nochmals auf Isaac zurück zukommen. Der war bereits bei God Dethroned draussen, als wir ihn gefragt haben, ob er bei Epica einsteigen möchte. Aber insgesamt war das wirklich nur Zufall.

MF: Das letzte Album „The Divine Conspiracy“ handelte über Religion, das neue über Freiheit und Frieden. Was hat dich dazu inspiriert?

MJ: Mich inspirierte wie schnell und einfach Menschen Regeln folgen, auch wenn diese Regeln mangelhaft sind oder den Frieden zerstören. Die meisten Leute nehmen das einfach so hin, speziell wenn die Botschaft gut verpackt ist oder mit einer zweiten Agenda unterfangen ist. Eine andere wirklich traurige Sache ist, wie einfach Menschen Angst kriegen. Die Schweinegrippe ist ein gutes Beispiel dafür und hat mir die Augen geöffnet. Die Leute hatten und haben Angst vor der Nachricht, dass diese Grippe gefährlich ist und beginnen damit alle Arten von Medizin zu kaufen, von welcher sie denken, dass diese ihnen helfen könnte. Du kannst dir vorstellen, wer dadurch sehr viel Geld verdient.

MF: Im Frühling habt ihr ein Live-Album veröffentlicht, auf welchem ihr mit einem Klassik-Orchester zusammen gespielt habt. Hat das eure Kompositionen fürs neue Album geändert?

MJ: Nein, es hatte keinen Einfluss auf das Songschreiben. Zumindest nicht bewusst. Es ist grossartig mit einem Orchester zusammenarbeiten und es macht die Musik von Epica noch lebendiger. Aber wir wollten jetzt fürs neue Album kein richtiges Orchester verwenden. Damit wären wir mehr gebunden gewesen und hätten nach den Aufnahmen des Orchesters weniger Freiheiten gehabt um Details zu ändern.

MF: Beim Song „Resign To Surrender“ hast du mit Jack Driessen von After Forever zusammen gearbeitet. Wie war es, nach all den Jahren wieder einmal einen Song mit ihm zu schreiben?

MJ: Es war grossartig. Jack ist ein grosses Talent. Nach all den Jahren haben wir aus reiner Neugier einen Song zusammen komponiert. Und das hat ganz gut geklappt. Vielleicht werden wir deshalb auch künftig Sachen zusammen schreiben. Ich schätze die Zusammenarbeit mit ihm sehr.

MF: Lieder wie „Kingdom Of Heaven“ und der Titeltrack könnte man auch als Progressiv-Metal bezeichnen. Was hältst du davon?

MJ: Ich bin damit einverstanden. Progmetal ist ein Musikstil den ich schon immer sehr gemocht habe. Und je besser wir lernen unsere Instrumente zu spielen, desto grösser werden unsere Möglichkeiten. Wir versuchen die Ansprüche an uns selbst bei jedem Album höher zu setzen und uns gegenseitig bis ans Limit zu bringen.

MF: Wie schwer ist es denn, einen solch komplexen und gleichzeitig eingängigen Song zu schreiben?

MJ: Es ist nicht schwierig, weil es einfach passiert. Das einzige worauf du achten musst, ist dass du dich genügend darauf konzentrierst und du mit Leib und Seele bei der Sache bist. Manchmal vergisst du dabei alles, was um dich herum passiert. Und das ist nicht immer toll, weil es im Leben noch andere Dinge als nur Musik gibt.

MF: Auf dem neuen Album führt ihr das „The New Age Dawn“-Thema mit drei Songs weiter, welches zum ersten Mal 2005 auf „Consign The Oblivion“ aufgetaucht ist. Was ist die Geschichte hinter dem Song?

MJ: „A New Age Dawns“ bezieht sich auf eine 2012-Propheizung der Maya-Zivilisation. Ich denke, dass die Menschheit sich selbst vorbereitet um ein höheres Level des Bewusstseins zu erreichen. Wir werden aber wohl in totalem Chaos enden, noch bevor wir dieses Level erreichen.

MF: Parallel zu dieser Serie habt ihr noch eine andere Namens „The Embraces That Smothers“. Auf dem letzten Album war davon der neunte Teil. Ist dieses Thema nun abgeschlossen oder wird es auf dem nächsten Album weiter geführt?

MJ: Ich denke, dass das Thema abgeschlossen ist. Diese Serie kritisierte die Extremisten, die man in sämtlichen grossen Religionen findet. Ich möchte mich künftig mehr auf die positiven Aspekte der Religionen konzentrieren und hoffen, dass die Leute diese wieder erkennen. Ich meine damit die guten Absichten der Religionen und nicht deren Macht-Missbrauche oder deren Märchen erzählenden Priester.

MF: Gibt es Pläne, „The Embraces That Smothers“ und „The New Age Dawn“ mal in der richtigen Reihenfolge an einander gereiht auf einer CD zu veröffentlichen?

MJ: Im Moment nicht. Aber wer weiss, was die Zukunft bringen wird.

MF: Wie habt ihr euch entschieden, „Unleashed“ als Video-Clip zu verfilmen? Steht er für euch stellvertretend für das gesamte Album?

MJ: Ich denke nicht, dass ein einziger Song alleine das gesamte neue Album representieren kann. Das Album sollte deshalb als Ganzes angehört werden. Aber „Unleashed“ ist einer der Lieblingssongs für die meisten Bandmitglieder von Epica. Wir haben uns entschieden, den Song für den Video-Clip nicht zu kürzen, sondern ihn in der vollen Länge zu spielen. Die Zeit der geschnittenen Songs auf Sendern wie MTV ist vorbei. Scheiss auf MTV, lang lebe youtube, wo du die Video-Clips in voller Länge geniessen kannst.

MF: Der Video-Clip wurde in Berlin aufgenommen. Darin spielt ihr als Band den Song. Daneben wird eine Geschichte erzählt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Geschichte und den Texten des Songs?

MJ: Der Text handelt von einer Person die auf ihre Leben zurück blickt und bedauert, dass sie gewisse Dinge nicht getan hat, dies sie gerne getan hätte. Der Video-Clip dagegen handelt von einer Person die nicht merkt, dass sie tot ist. Wir als Band helfen ihr dabei, gewisse Dinge in Ordnung zu bringen und senden sie danach ins Licht.

MF: Auf „White Waters“ singt Simone ein Duett mit Tony Kakko von Sonata Arctica. Wieso ist er gerade in diesem Lied zu hören?

MJ: Wir haben diesen Song als Duett geschrieben. Und Tony ist der einzige Gast auf diesem Album, weshalb er automatisch in diesem Lied zu hören ist.

MF: Simone, du singst oft als Gast z.B. bei Kamelot, Ayreon, Aina, Primal Fear und Sons Of Seasons. Was reizt dich an diesen Gastspielen?

Simone Simons: Ich mag es, verschiedene Dinge auszuprobieren und mit verschiedenen Bands zu arbeiten. Ich kann da viel lernen und daneben macht es natürlich auch sehr viel Spass.

MF: Ihr seid momentan mit Sons Of Seasons auf Europa-Tour. Singst du da auch ein Lied während ihrer Show?

Simone Simons: Während der ersten Konzerte von Sons Of Seasons habe ich je ein Lied mit ihnen gesungen. Auf dieser Tour kann ich das aber aus verschiedenen Gründen nicht tun. Erstens spielen sie nur 35 Minuten und weil sie der Opener der Abende sind müssen sie richtig Ärsche treten und spielen deshalb vor allem die aggressiven Stücke. Wenn du aber eine Ballade einbauen willst, muss der Auftritt länger sein, weil diese sonst die Atmosphäre völlig ändert. Der zweite Grund für meinen Verzicht auf eine Gastrolle bei Sons Of Seasons auf dieser Tour ist, dass ich mich auf die Epica-Show konzentrieren muss. Wir haben sehr viele Shows ohne einen einzigen freien Tag auf dieser Tour und spielen ein ziemlich langes Set jeden Abend. Und darum muss ich die Stimme dazwischen gut schonen.

MF: Eure zweite Vorband hat euch bereits vor einem Jahr auf eurer Tour begleitet. Wieso sind sie dieses mal wieder dabei?

Simone Simons: Wir haben letztes Jahr gemerkt, dass dieses Paket mit Epica und Amberian Dawn sehr gut funktioniert. Ausserdem sind sie nette Leute, die wir gerne um uns herum haben. Wir reisen alle zusammen im gleichen Bus. Darum ist es wichtig, dass wir gut miteinander auskommen.

MF: Zu Beginn eurer Karriere, wart ihr grosse Fans von Kamelot. Wie gross ist deren Einfluss auf eure Musik heute?

MJ: Ich schätze deren Musik und Arbeit sehr. Zudem inspiriert mich die Art und Weise, wie sie es schaffen, sich mit jedem Album auf ein neues Level zu hieven.

MF: In Holland seid ihr Superstars. Wie macht sich das bemerkbar? Müsst ihr Autogramme schreiben, wenn ihr durch die Strassen läuft?

MJ: Ich habe mir ein Papstmobil gekauft um sicher fahren zu können. Aber ernsthaft. In meinem Dorf weis eigentlich niemand, wie ich mein Geld verdiene. Und ich möchte auch, dass es so bleibt.

MF: Mark, du hast bereits Musik für einen holländischen Film komponiert. Gibt es Pläne, dies wieder einmal zu tun?

MJ: Ja, da gibt es tatsächlich ein spannendes Projekt, bei dem ich dabei sein werde. Aber es sollte professioneller als beim ersten Film werden.

MF: Welche Träume wollt ihr euch nächstes Jahr mit Epica erfüllen?

MJ: Im nächsten Jahr würde ich gerne in Ländern spielen, in denen wir bisher noch nie war. Wie zum Beispiel Japan, Russland oder Australien.

MF: Danke fürs Interview.

MJ: Ich bedanke mich ebenfalls.