Interview: Great White
By Tinu
Great White haben viele Höhen und auch Tiefen überwunden. Da gehören einige Hits als Höhen dazu, aber auch der 20. Februar 2003, an welchem im The Station Club (West Warwick) bei einem Konzert ein Feuer ausbrach. Die eingesetzten Pyros entflammten die styroporverkleidete Decke. Der Brand breitete sich rasend schnell aus und 100 Menschen bezahlten damals den Auftritt von Great White mit ihrem Leben. Die dadurch ins Leben gerufene Gerichtsverhandlung sprach die Truppe zum Glück von allen Anklagepunkten frei. Mit dem von der Combo ins Leben gerufenen «The Station Family Fund» wurden Gelder für die Hinterbliebenen gesammelt. Doch auch mit der eigenen Gesundheit gingen einige der Bandmitglieder nicht immer verantwortungsvoll um. Aus diesem Grund trennte sich Interviewpartner Mark Kendall (MK) von seinem langjährigen Sänger Jack Russell. Mit neuem Sänger, Terry Ilous von XYZ, einem neuen Album im Gepäck («Elation») und zittrigen Händen sass mir der Gitarrist gegenüber.

MF: Mark, wie kam es zur Trennung mit Jack?


Mark: Ich habe versucht, ihm in den letzten drei oder vier Jahren zu helfen. Speziell während den letzten eineinhalb oder zwei Jahren arbeitete ich mit ihm an seiner Alkoholsucht. In dieser Zeit musste ich erfahren, dass sich der Erfolg bei solchen Leuten nur dann einstellt, wenn sie sich selber helfen können. Mein Herz hätte Jack bekommen, aber wenn ich zurück schaue weiss ich, dass all die Versprechungen kaum was wert waren. Sobald diese Menschen den Boden unter ihren Füssen verlieren, ist es fast unmöglich sie zu unterstützen. Jack lag im Spital, ich sass an seinem Bett und redete auf ihn ein, dass er die Kraft bekommt, um viele Dinge in seinem Leben neu zu ordnen. Wenig später telefonierte er mit meiner Frau und sie war der Meinung, dass seine Stimme klar tönte. Das müsste letzten Juni 2011 gewesen sein. Meine Gattin war glücklich, so mit Jack gesprochen zu haben. Als ich mit ihm telefonierte sagte ich: «Hey mein Freund, ist das der neue Jack? Du klingst grossartig!» Ich wollte, dass er jeden Morgen um halb Zehn zu uns nach Hause kommt, damit wir wieder zusammenarbeiten können. Doch schon bald hörte ich nichts mehr von ihm. Er begann wieder mit dem Trinken, nur ein kleines bisschen, aber der Teufel holte ihn wieder ein. Es wurde so viel darüber geschrieben, auch dass ich ihn verlassen hätte, aber wir alle in der Band wollten nur, dass Jack wieder den Weg auf die Bühne findet und wieder singen kann. Das ist eine so verrückte Geschichte... - Ich hasse sie und hoffe nur, dass es ihm heute besser geht. Wir haben nie mit ihm gebrochen.

MF: Bist du über das Verhalten von Jack enttäuscht?

Mark: Die ganze Geschichte ist sehr frustrierend. Da sind keine persönlichen Dinge zwischen Jack und mir, im Gegenteil. Wir haben alle Energie dafür eingesetzt, dass er wieder zu uns zurück kommen kann. Einige Leute verlieren aus irgendwelchen Gründen den Boden unter den Füssen und sterben daran. Da zusehen zu müssen... - Ich hasse das und es frustriert! Das gleiche Problem hatte Jani Lane von Warrant. Unglaublich! Jeden Tag hingen wir am Telefon und haben mit Jack gesprochen und ich war der Meinung, dass er begriffen hatte, was wichtig im Leben ist. Ich liebe die Stimme von Jack und er ist für mich nach wie vor der grösste Sänger auf dieser Welt. Tagtäglich habe ich versucht, gegen seine Süchte und Feinde anzukämpfen. Wenn Jack aber bei sich zu Hause war, hatte ich keine Kontrolle mehr über ihn. Du bekommst in jedem beschissenen Geschäft Alkohol, und verdammt, er hat seiner Stimme damit keinen Gefallen getan. Wenn du erst in diesen Strudel rein geraten bist, musst du jeden Tag aufs Neue kämpfen. Stehst du am Morgen auf, bete zu Gott, dass er dich von diesem Teufel fern hält und bevor du ins Bett gehst, danke ihm, dass du es einen Tag ohne diese Dämonen ausgehalten hast. Das ist der einzige Weg, diesen Kampf zu gewinnen. Einer, der von einer Stunde zur anderen schon wieder verloren gehen kann. Das ist eine fatale Zeit.

MF: Wo hast du Terry Ilous gefunden?

Mark: Als vor ein paar Jahren Jack einige Konzerte absagen musste... Wir trafen Terry im Flugzeug und ohne grosse Probe musste er Jacks Job übernehmen (lacht). Terry lernte die Texte während des Fluges auswendig und wir spielten danach an diesem Tag auf einem Festival. Nachdem wir uns nach einem Ersatz für Jack umsehen mussten, dachten wir logischerweise an Terry. Er sang aber noch bei XYZ, und so halfen uns zuerst Jani Lane und Paul Shortino (ehemals Rough Cutt) aus. Terrys Stimme und der Sound meiner Gitarre passten perfekt zusammen. Es setzt eine Menge Energie frei und fühlt sich einfach grossartig an. Mit ihm neue Lieder zu schreiben war toll.

MF: Kennst du XYZ?

Mark: Ja, nicht den ganzen Backkatalog, aber Lieder wie «Inside Out» und solche Tracks sind mir bekannt. Wir waren im gleichen Studio als sie ihr Debütalbum aufnahmen, welches von Don Dokken produziert wurde. Bevor Terry bei Great White eingestiegen ist, sah ich mir auf YouTube einige alte Videos und Shows von XYZ an (lachend). Es fiel mir auf, dass seine Art zu singen bestens zu meiner Art Gitarre zu spielen passte. Diese Blues-Vibes... - Spielte ich ein neues Riff, hörte Terry sich dies an, und seine Gesangsmelodie passte perfekt dazu. Er kann Balladen sehr gefühlvoll singen, gleichzeitig aber auch die Metal-Tracks von XYZ perfekt inszenieren. Auch vor dem Blues kneift er nicht. Den Klang seiner Stimme mag ich sehr. Sind wir zusammen in einem Raum (lacht)... Das ist unglaublich... - Er nimmt den Spirit der Gitarrenmelodie auf und verfeinert dies mit seiner Art zu singen. Ausserdem macht es unheimlich Spass mit ihm zusammen auf der Bühne zu stehen, und es erleichtert das Leben on the road unheimlich. Wir sind weit von irgendwelchen Dramas oder Spitälern entfernt. Oder Apotheken... - Heute können wir auf die Bühne steigen und spielen (lacht). So einfach ist das!

MF: Bist du mit dem neuen Album zufrieden?

Mark: Ja, «Elation» ist wirklich gut geworden. Michael Lardie hat einen tollen Job als Produzent gemacht. Dabei haben wir ihn Vieles ausprobieren lassen, so dass wir einen lebendigen Sound erhalten haben. Für die Ballade «Hard To Say Goodbye» gibt es einen Videoclip. Es war sehr aufregend, diesen Remix des Produzenten von Rod Stewart und John Cougar Mellencamp zu hören. Im Studio haben wir versucht, den Moment einzufangen und dabei dieses oder jenes coole Riff aufgenommen. An solchen Ideen arbeiteten wir weiter… «Hey man! That's Terry» (Mister Ilous betritt den Raum). Wir wollen weiter machen, planen Shows für 2013, neues Material schreiben und ein weiteres Album veröffentlichen. «I was born to rock!» (lachend) - Wir wollen die Band vorantreiben und den Leuten zeigen, dass wir noch keine alten Säcke sind! Auch wenn wir jeden Abend «Once Bitten, Twice Shy» spielen müssen, möchten wir mit neuem Material überzeugen und die Menschen verzaubern. Dabei können wir nur besser werden (lacht).