Interview: Helloween

By Tinu
 
Ein Leben für die Liveshows.



Helloween haben nach «Straight Out Of Hell» und dem famosen neusten Werk «My God-Given Right» wieder den Spass in den Backen, den man sich von den fröhlichen Kürbisköpfen wünscht. Ähnlich wie damals mit «Rabbit Don’t Come Easy» schleicht sich der Fun-Faktor (un-) heimlich von hinten an, packt zu und lässt dich nicht mehr los. Songs wie «My God-Given Right», der Oberhit «Lost In America», «If God Loves Rock'n'Roll» oder «Stay Crazy» haben eine ansteckende Lockerheit und versprühen pure Freude. Die lockere Stimmung war auch beim Interview, zusammen mit Bassist Markus Grosskopf und Schlagzeuger Dani Loeble, zu spüren. Ein Interview mit Helloween, das einmal mehr einen anderen Weg einschlägt, als vielleicht gedacht.

Markus: Du hast genau drei Fragen und wir dürfen nur mit JA, NEIN oder VIELLEICHT antworten!

MF: Also genau so, wie beim letzten Mal?

Markus (ganz überrascht): War das so?

MF: Ne!

Markus (mit einem langgezogenen): Nein. Schau mal, das war schon die erste Frage (schallendes Gelächter von allen).

Dani: Du bist gemein!

MF: Ne, das war eine reine Feststellung von mir.

Markus: Ach so, dann hast du drei Fragen und eine Feststellung.

MF: Okay! Wie kam es zum neuen Titel von «My God-Given Right»?

Markus (lachend): Ja

Dani (grinsend): Vielleicht. Nö, die Idee kam von Andi (Deris, Sänger von Helloween). Als es um seine Zukunft und Berufswahl ging, damals als Kind, hatte er ein Gespräch mit seinem Vater. Sein Papa hatte ihm geraten: «Was immer du machen willst, tu es, solange du dabei glücklich bist. Das ist das von Gott gegebene Recht!» So kam es zum Titel der neuen Scheibe. Das ist ein tolles Thema.

Markus: So kann man das sagen, vielleicht.

MF: Wie war die Unterstützung von euren Eltern?

Dani: Meine Eltern sind auch Mucker. Ihnen war aber wichtig, dass ich zuerst eine Ausbildung abschliesse. Diesen Wunsch habe ich erfüllt und nun bin ich hier (lacht).

Markus: Meine Mutter war ganz witzig und das fand ich klasse. Eigentlich wollen deine Eltern ja immer, dass du einen anständigen Beruf lernst. Mein Lernberuf war Fleischer, der Chef da war ein ziemlicher Choleriker. War er am meckern, floss ihm immer der Schaum aus dem Mundwinkel. Das war echt heftig, aber ich wollte diese Ausbildung unbedingt durchziehen, weil ich keinen Bock hatte nach eineinhalb Jahren alles hin zu schmeissen und nochmal mit was Neuem zu starten. Da hat meine Mutter gesagt, obschon man dies von den Eltern gar nicht erwartet: «Mensch, lass das doch sein und mach deine Musik!» Da ich mit der Mucke noch nichts verdiente, musste ich ihr sagen, wieso es wohl doch besser ist, zuerst diese Lehre abzuschliessen. Normalerweise ist dies aber immer umgekehrt (lachend). Das fand ich von meiner Mutter ganz abgefahren (lacht).

Dani: Als ich meiner Mutter sagte, dass ich Metal-Trommler werden will, sagte sie: «Da brauchst du aber lange Haare» (schallendes Gelächter von Markus).

Markus: Die wusste das besser als du!

Dani: Bis vor fünf oder sechs Jahren war das noch so. Sie hat mir immer die Haarkuren gekauft (Markus lacht noch immer). Als ich ihr sagte, dass ich ein Tattoo wollte... Das ging dann aber gar nicht. Als ich mir dann einfach eins stechen liess, kaufte sie mir die ganzen Crèmes und kümmerte sich liebevoll um meine Motive...

Markus: ...dazu habe ich auch noch eine Geschichte. Mein Bruder hatte schon Tattoos, was meine Mam nicht so toll fand. Als meine Schwester dann mit dem typischen Arschgeweih ankam (lautes Lachen), fragte ich meine Mutter, was sie an den Tattoos denn scheisse findet. Ihre Antwort fand ich sehr interessant. Sie hätte uns zur Welt gebracht und fand dass alles fertig sei. Was soll man da noch verändern (lautes Lachen)?

MF: Was für ein Kompliment. Das bedeutet ja eigentlich, dass ihr schon perfekt seid.

Markus: Genau, was soll man da noch hinzufügen (lautes Lachen)?

Dani: Wow, tolle Ansicht. Ja, haben sie ja auch toll hingekriegt, unseren Markus!

MF: Inwieweit ist es gefährlich, mit einem solchen Albumtitel falsch verstanden und in eine religiöse Schublade gesteckt zu werden?

Markus: Puuuuhh...

Dani: ...sowas kann dir immer passieren. Die Leute, die was suchen, werden immer etwas finden. Helloween haben jetzt mit Religion nicht so viel am Hut...

Markus: ...wir haben immer positive Aussagen in den Texten...

Dani: ...genau!

Markus: Das könnte sicherlich christlich ausgelegt werden. Mit dem Titel «My God-Given Right» zielen wir aber nicht direkt auf diese Schiene. Tja, es gibt viele Götter, die dir das Recht geben, etwas zu tun.

Dani: Wie gesagt, man findet immer etwas. Wie damals bei Judas Priest, als man ihnen einen Vorwurf anhängen wollte und man Platten rückwärts abspielte (Judas Priest wurden in Nevada angeklagt, weil sich angeblich zwei Jugendliche unter dem Einfluss des Songs «Better By You, Better Than Me» selbst hinrichten wollten. Raymond Belkap erschoss sich, während James Vance mit einem grausam entstellten Gesicht überlebte. Angeblich, da beim Rückwärtsspielen des Songs die Aufforderung «do it» zu hören sei). Will dir jemand etwas anhängen, findet man zu 100% etwas. Grundsätzlich sind wir aber immer eine positive Band.

MF: Wie steht ihr selber zur Religion? Ist das etwas, was für euch wichtig ist?

Markus: Ich renne jetzt nicht in die Kirchen. Aber es hat schon eine gewisse positive Energie. Es ist eine Kraft die da ist und dir helfen kann... Eine höhere Kraft, die positive Auswirkungen hat. Das ist schwer zu erklären. Etwas, dass dir hilft, dass nicht immer alles kaputt, oder es dir besser geht. An manchen Tagen hast du eine gute Energie und dann kommen Momente an denen alles scheisse ist. Ich denke schon, dass es eine höhere Kraft in irgendeiner Form gibt, bei der wir aufhören zu wissen, was es genau ist. Es kann ja nicht enden, nur weil wir was nicht wissen (grinst). Irgendwas ist da, was wir vielleicht nicht wissen sollen, oder können. Da fängt man dann an zu glauben (lacht).

Dani: Definitiv. Religion ist ein dehnbarer Begriff. Worüber in dieser Welt leider sehr viel gestritten wird. Was mich betrifft, hat Gottes Bodenpersonal völlig versagt. Das ist meine Meinung. Wie kann sich ein Mensch anmassen... Aber lass uns über die Musik reden, das ist viel geiler!

MF: Lasst uns über Helloween sprechen. Ihr steht für Spass, wie schwierig ist es aber im Metalbereich, dass diese Spässe auch verstanden werden?

Dani: Hmmm... (allgemeines Gelächter). Eigentlich..., und da spreche ich jetzt für meinen Teil. Da habe ich mir noch nie darüber Gedanken gemacht. Wir sind ein lustiger Haufen, sind wie wir sind und verarschen uns selber auch immer wieder auf eine kollegiale Art. Das überträgt sich auch auf die Bühne und wenn das jemand nicht versteht, oder nicht verstehen will... You can’t be everyones darling!

Markus: Wir versuchen nicht etwas darzustellen, was wir nicht sind. Das würden die Leute, so glaube ich, merken. Wenn du unecht wirkst, ist das scheisse. Wir sind, wie wir sind.

Dani: Gerade auf der Bühne!

Markus: Wir müssen jetzt aufhören..., der Piesel (Crewmitglied und Gitarrist bei Iron Savior) schläft.

Piesel (aus dem Hintergrund): Ne, der hört zu!

MF: Und nimmt sich die Lebensweisheiten von euch Beiden mit!

Markus: Genau und bekommt deshalb heute Nacht ganz fürchterliche Träume.

MF: Wer hatte damals auf der «Keeper-Legacy»-Tour, die Idee mit dem Drumbattle zwischen euch beiden (zu sehen auch auf der «Live In Sao Paulo»-DVD)?

Dani: Ach Kacke, wie hat das damals angefangen?

Markus: War da nicht Sascha (Gerstner, Gitarre) beteiligt?

Dani: Ne, ich glaube nicht. Das war doch Seider (Ernst, Soundmann)... Die Sache damals ist echt gewachsen. Bis zur ersten Show war dieses Battle gar nicht sicher.

Markus: Nene...

Dani: ...ah! Wir kauften ein Minischlagzeug. Das stand noch rum und so wuchs die Idee. Markus wurde von Show zu Show besser. Die Jungs haben mich echt verarscht...

Markus (lachend): ...durch das Spielen lernt man immer wieder dazu...

Dani: ...dank Randy Black (ehemals Primal Fear, heute W.A.S.P.), der im Vorprogramm spielte und Markus Unterricht gegeben hat...

Markus (lachend): ...ja, ich bin zu Randy gegangen und hab ihn gebeten, mir ein paar Dinge zu zeigen. Halt so Sachen, die man von mir nicht unbedingt erwartet (grinst). So wurde ich immer besser (lacht).

Dani: Auf einmal, das war für mich so ein uhhhh. Markus wurde immer besser und eines Abends haben sie dir sogar eine Doppelfussmaschine hingestellt und plötzlich kam aus diesem kleinen Ding eine Urgewalt. Da fragte ich mich nur: «Alter, was geht jetzt ab» (lacht).

Markus: Das hat schon Spass gemacht.

Dani: Ja, das war witzig.

Markus: Sowas machst du aber einmal, und dann hat es seine Wirkung schon verloren.

MF: Auf der gleichen Tour hattest du Dani noch deinen Auftritt als Sologitarrist und hast dich zusammen mit Sascha duelliert.

Dani: Stimmt, aber frag mich nicht, wie das passiert ist! Keine Ahnung! Moment! Du (zeigt auf Markus) warst unterwegs und hast mir diese Gitarre gekauft.

Markus: Stimmt und dann haben die Techniker noch was `ran gebaut.

Dani: Genau, die haben ein Kabel angebaut.

Markus: Kann sein, dass wir uns sowas wieder mal ausdenken. Wir setzen uns aber nicht hin und planen dies. Wenn eine Idee vorhanden ist und wir finden die gut, werden wir sicher wieder so etwas in die Show einbauen.

Dani: Das ist aber immer so, egal ob es sich dabei um neue Songs handelt, oder sonst was. Irgendwie passierts..., sei es mit einem Plattencover oder was auch immer.

Markus: Dass wir nochmals sowas auf die Bühne bringen... - Wir haben so viele Songs, die wir darbieten wollen. Dann haben die Leute noch ihre Favoriten, die wir eigentlich spielen müssten. Selbst wenn wir zwei Stunden auf der Bühne stehen, kommen wir in die Schwierigkeit, welche Tracks wir nun in das Set einbauen. Da machen wir lieber die volle Packung Musik und zocken zwei Stücke mehr, anstatt ein Affentheater auf der Bühne zu veranstalten (lacht).

Dani: Ja, aber wenn es ein geiles Affentheater ist...

Markus: ...kommt wiedermal eine coole Idee, kann man sicher wieder darüber nachdenken.

MF: Markus, du bist von Beginn weg bei Helloween. Was hat sich für dich in den letzten Jahrzehnten alles verändert?

Markus: Eigentlich wenig. Man macht das und liebt das! Die ganze Mediengeschichte hat sich verändert. Früher haben wir von den Liedern, die teils auch über sechs, sieben, oder acht Minuten gingen, eine LP mit sechs Songs gemacht. Dann war das Ding gegessen. Jede Plattform will nun noch einen Bonustrack. Sind es die Japaner, dann kommen die Europäer und sagen (mit weinerlicher, bockiger Stimme): «Jetzt wollen wir aber auch noch einen Bonus!» So kommst du heute unter sechzehn Titeln gar nicht mehr aus dem Studio heraus. Die Medienwelt mit dem Internet ist völlig anders geworden.

Dani: Musik wurde zur Massenware!

Markus: Was sich nicht verändert hat, eine Live-Show ist noch immer eine Live-Show! Da passierts im Moment und der Funke muss springen. Einen neuen Take machen kannst du vergessen (grinst). Das ist aber auch schön, dass die Dinge einfach so bleiben, wie sie sind.

MF: Dani, was hat sich für dich verändert seit dem Einstieg bei Helloween?

Dani: Vieles! Spielst du bei Helloween, ist das eine ganz andere Nummer. Du bist weltweit unterwegs... - Was sich für mich verändert hat? Ich bin ein bedeutend besserer Mucker geworden, weil man mit sehr guten Musikern zusammen in einer Band spielt...

Markus (sichtlich gerührt): ...Dankeschön!

Dani: Ja, das muss man einfach so sagen. Leute, die dich fordern, auch im Studio... - Das ist eine völlig andere Vorgehensweise. Da hast du nicht nur drei Tage Zeit...

Markus: ...ihn muss man auch immer fordern: «Kommst du jetzt mal zum Proben?» (beide lachen)

Dani: Auch das Leben verändert sich, man ist nonstop auf Tour. Weg von zu Hause und dein Privatleben hat sich komplett verändert, weil sich alles um diese Band dreht. Als Musiker und als Persönlichkeit musst du zuerst mal mit diesen starken Charakteren klar kommen. Da musst du dir zuerst deinen Platz finden. Plötzlich spielt man in Japan oder in Sao Paulo vor 7'000 oder 8'000 Leuten. Ich bin auf einer Reise, der Helloween-Reise. Auf einer Schule mit meinen Professoren, die mich sehr fordern, aber es macht tierischen Spass. Wie man als Mensch und Musiker wächst, ist das klasse. In diesen elf Jahren sind wir eine tolle Familie geworden.

Markus: Man spielt ja auch gerne den Macho-Macker, das gehört ja auch zum Metal. Schlussendlich ist es eine Show.

Dani: Aber nach wie vor nicht aufgesetzt.

Markus: Waren das nicht schon drei Fragen?

MF: Jetzt kommt die dritte!

Dani (während Markus laut lacht): Das war die zweieinhalbste!

MF: Auf dieser Tour finden nicht unbedingt viele Konzerte in Deutschland statt. Gilt der Prophet im eigenen Land nichts?

Markus: Doch schon, aber wir werden noch viele, viele Tourneen spielen. Jetzt touren wir für einmal nicht sieben Wochen, sondern straffen das Ganze. Amerika kommt noch, wie das Schiff und Kanada.

Dani: Es stehen schon noch ein paar Deutschland-Shows in Form von Festivals an.

Markus: Wir waren in Deutschland stetig unterwegs.

Dani: Ich muss aber schon kurz einhaken. Mit dem Prophet im eigenen Land, da hast du schon recht. Bei uns in Deutschland ist dies so und ist eine typische Mentalität. Kommst du aus Deutschland, ja ganz okay. Kommst du aber woanders her... - WOW!!!

Markus: Ja, so ein cooler Ami ist schon eine ganz andere Nummer...

Dani: ...als ein cooler Markus (lacht). Das scheint aber irgendwie in unseren Genen zu stecken. Keine Ahnung...

Markus: ...das kommen und «gen»!

MF: Jetzt kommen wir zur dritten Frage. Was sind die Pläne für die Zukunft?

Markus: Öhm... - Kommen und «gen»! Jetzt mal die Tour spielen und dann neue Lieder schreiben. Auf dieser Konzertreise werden wir uns schon mal hinsetzen...

Dani: ...und schauen was passiert. Ganz entspannt, wie immer. Die letzten elf Jahre waren heftig genug.

Markus: Ja, immer der Zyklus «Platte-Tour-Platte-Tour». Irgendwann merkst du das auch.

Dani: Selbst als wir uns eine Off-Zeit gönnten, arbeiteten wir an dieser «Unarmed»-Scheibe und waren plötzlich wieder im Proberaum. Eine schöne Sache, keine Frage, aber auch da hatten wir keinen Break. Darum wird jetzt alles ein bisschen straffer gehalten. Gerade die «Straight Out Of Hell»-Tour war sehr intensiv. Alleine in Europa waren wir zwölf Wochen unterwegs mit Proben und allem Drum und Dran...

Markus: ...alleine in Europa und an einem Stück!

Dani: Sonst spielst du dich tot.

MF: Dann wünsche ich euch weiterhin viel Spass und bedanke mich fürs Interview!