Interview: Herman Frank

By Tinu
 
Der simple Rockstar.



Das Musikbusiness kann manchmal ungerecht sein. Da hat Herman Frank früh bei Sinner und Accept mitgespielt, bis er seine goldene Zeit mit Victory erlebte. Danach waren Moon'Doc ein weiteres Highlight, bis er dann Solo und nochmals mit Accept in Erscheinung trat. Der grosse Wurf, sprich das Mitspielen im Olymp, ist aber momentan schwierig, auch wenn der Hannoveraner mit dem neuen Album «Fight The Fear» nichts von seinem charismatischen Spiel verlernt hat und uns ein weiteres Solo-Album der Sonderklasse präsentiert. Unterstützt wird er dabei von Sänger Rick Altzi, Bassist Michael Müller (Jaded Heart), Schlagzeuger André Hilgers (Bonfire) und Gitarrist Heiko Schröder. Was nun folgen sollte, ist eine Tour. Aber das scheint sich nicht so einfach zu ergeben, wie man sich dies heute vorstellt.

Herman: Wieso willst du denn ein Interview machen, du weisst doch eh schon alles und kennst mich besser, als ich mich (lacht).

MF: Ich weiss überhaupt nichts. Zum Beispiel, wie schwer ist es für dich, die Jungs für eine Produktion oder eine Tour zusammen zu trommeln, da alle noch in anderen Bands aktiv sind?

Herman: Eigentlich relativ… Schwer (lacht). Will man mit einer Truppe nach vorne kommen und hat Musiker dabei, die noch anderes am Laufen haben, wird es schwer. Ich bemühe mich immer um mein Bestes, aber man muss jetzt einfach mal schauen. Im April spielen wir ein paar Shows und schauen nun, wie sie zusammen mit dem neuen Album anlaufen. Ehrlich gesagt, weiss ich aber nicht, was dann passieren wird. Es ist ziemlich schwer an Shows ranzukommen, ausser du bringst Geld mit. Aber das will ich nicht. Mal schauen… Es trudeln immer wieder Angebote rein. Da jetzt André bei Bonfire spielt, wird es nicht einfacher, und vielleicht muss ich dann auch eine Zweitlösung in der Hinterhand haben. Die existiert aber noch nicht. Wichtig ist, dass Rick dabei ist. Heute musst du schon fast vor dem Release eines Albums eine Tour am Start haben, sonst ist es gelaufen. Aber die Leute freuen sich immer wenn wir spielen und ich denke, wir bieten auch immer eine gute Show und tolle Songs. Klar, alle Bands oder Musiker müssen schauen, wie und wo sie ihre Brötchen verdienen.

MF: Welche Angst bekämpfst du mit dem neuen Album?

Herman: Die persönlichen Ängste, von denen man sich nicht einengen lassen sollte. Man darf ruhig mal über den Graben springen und dort versuchen Dinge zu ändern. Weisst du, für das erste Album hast du Zeit ohne Ende. Ab dem zweiten schon viel weniger. Es wird mit jedem Werk nicht einfacher, da man eine gewisse Qualität abliefern will. Eine eigene Steigerung von Herman Frank rüber zu bringen, ohne sich dabei zu kopieren, ist nicht einfach. Ich bin aber überzeugt, dass mir dies beim neuen Album ziemlich gut gelungen ist. Jede neue Scheibe ist eine Herausforderung. Das ist dann die persönliche Angst (lacht).

MF: Verspürst du noch Druck, wenn du neue Lieder komponierst oder geht dir das völlig locker von der Hand?

Herman (lachend): Der Druck wird immer grösser! Das ist ja das Blöde! Die ersten Tracks sind relativ einfach zu schreiben, da du deinen eigenen Weg suchst. Je älter du wirst, desto mehr wollen die Leute das Beste von dir hören. Somit erhöht sich der Druck ungemein. Hast du tolle Alben veröffentlicht, die sogar Hits hervor brachten, willst du nicht absacken mit dem Neuen. Vor einer neuen Produktion weisst du nie, was dabei heraus kommt. Klar, du versuchst immer das Beste zu geben, aber du hast keine Ahnung, wird das neue Material bei den Fans ankommen oder nicht?!

MF: Mit «Fight The Fear» hast du erneut ein sehr hohes Qualitätslevel abgeliefert…

Herman: …DANKE!

MF: Ärgert es dich da manchmal, dass die Aufmerksamkeit bei Truppen liegt, die weitaus weniger Potenzial und Qualität abliefern?

Herman: Weiss ich nicht… Ich denke, wenn Bands Aufmerksamkeit erhalten, dann haben sie doch auch Potenzial? Irgendwie müssen sie ja die Aufmerksamkeit erregen. Auch wenn sie sich nur eine Maske aufsetzen, aber auch das kann Aufmerksamkeit erregen (grinst). Ist ja jedem sein Ding. Meines wäre es nicht, mit einer Maske aufzutreten. Ich versuche mit meiner Musik die Menschen zu begeistern, da ich einfach nur Musiker bin. Ich denke, dass bei den Leuten, welche sich «Fight The Fear» anhörten, eine sehr grosse Akzeptanz und Aufmerksamkeit da ist. Es ist aber nicht einfacher geworden, den Zuhörern ein neues Album vor die Nase zu halten und sie dies auch wahr nehmen.

MF: Was treibt dich denn heute noch an, neue Songs zu schreiben? Mit der Musik, sprich CDs, kann man kaum mehr Geld verdienen.

Herman: Weil ich Spass daran habe (grinst)! Das ist die einfachste Erklärung. Rein aus finanziellen Gründen, wissen wir alle, was los ist. Leider! Ja, Spotify kills!

MF: Ist deine Soloband dein Hauptbetätigungsfeld…

Herman: …ja…

MF: …oder läuft auch noch was mit Victory?

Herman: Jioty, der neun Jahre bei Victory gesungen hat… Er hat seinen Hals, seine Stimmbänder kaputt gesungen, und da lässt sich auch nichts mehr reparieren. Da ist von den Stimmbändern leider nicht mehr viel übrig geblieben (lacht). Würde ich einen neuen Sänger finden, würde ich gerne was machen. Nach Charlie Huhn, Fernando Garcia und Jioty Parcharidis… Da muss schon eine Granate kommen. Ich hätte echt Bock drauf zum 30-Jährigen von «Culture Killed The Native» (1989) und «Temples Of Gold» (1990) ein paar Shows zu spielen und die beiden Alben am Stück durch zu zocken. Sollte dies nicht klappen, bleibe ich einfach bei meinem Steckenpferd Herman Frank (grinst). Das gefällt mir sehr gut, weil es neu und frisch ist. Ich bin mir sicher, dass sich da betreffend Auftritten noch was ergeben wird. Man muss nur dran bleiben, wie jede andere Truppe auch (grinst). Mit einem neuen Album kannst du nicht erwarten, dass dann jeder schreit: "Hey, spiel bei uns!".

MF: Du hast einen sehr unverkennbaren und eigenen Gitarrenstil. Wie hast du dir den angeeignet?

Herman: Das weiss ich nicht (lacht). Ich spiele nun doch schon ein paar Jahre, und irgendwie hat sich dies herauskristallisiert. Liegt vielleicht auch daran, dass ich nie versuchte andere Gitarristen zu kopieren. Auch wenn ich mich sicher zu Beginn inspirieren liess, habe ich immer versucht, etwas Eigenes daraus zu machen. Es muss in dir sein. Weisst du, Persönlichkeit kannst du dir nicht aneignen oder kaufen (lacht). Personality hast du oder eben nicht. Davon lernte ich schon einige Exemplare kennen (lacht), ob nun gute oder schlechte (lacht). Ich hatte früher einmal bei einem Jazz-Lehrer Gitarrenunterricht. Die Rock-Geschichten habe ich mir selber beigebracht. "Learning by doing" oder "try and error" (lacht).

MF: Was ist dir beim Spielen wichtiger? Gefühl oder Technik?

Herman: Beides! Die Gitarre basiert auf der Technik. Was ich bei vielen vermisse, ist, dass sie das Gefühl weglassen und sich nur auf die Technik verlassen. Schaust du dir auf YouTube ein Video eines 16-Jährigen an, ist die Technik vorhanden, aber überhaupt kein Gefühl beim Spielen zu hören. Klar, manchmal möchte ich auch so gut sein, aber dann müsste ich zu viel üben (lacht). Mit dem Gefühl bringst du deinen eigenen Ausdruck mit ins Spielen. Das ist dann schon wesentlich wichtiger, wenn du dich abheben willst. Das legt sich dann auch beim Songschreiben nieder. Nur Instrumental-Tracks, da hängen die Zuhörer ab. Da überfordert man das normale Publikum.

MF: Konntest du immer auf die Unterstützung deiner Eltern zählen?

Herman: Ne! Mein Vater wollte immer, dass ich Steuerberater werde (lautes Lachen). Das ist ja auch klar, dass die Eltern wollen, dass man einen normalen Job macht. Mittlerweile ist die Akzeptanz da, aber zu Beginn rannte ich gegen eine Mauer. Es gibt sicher ein paar Beispiele, die von Beginn weg unterstützt wurden und sehr früh mit dem Gitarrenspiel starteten. Supertalente, die dann auch gleich mit Supermusikern spielen können.

MF: Die goldenen achtziger Jahre, war es damals bei Accept oder dann mit Victory schwer, nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren?

Herman: Für manche ja… (lacht). Bei mir fiel der Boden auch öfters mal weg, aber Gott sei Dank, bin ich wieder gelandet (lacht). Wie dein Charakter gelagert ist… Irgendwann besinnst du dich (lachend) auch wieder auf normale Sachen. Es ist schwer, immer zu schweben (grinst). Willst du weiter kommen, brauchst du einen klaren Kopf dazu. Aber ich denke, du hast bei der Frage auch so ein bisschen das Rockstar sein im Kopf? Dass man dabei einige Sachen ausprobiert und sich mal gehen lässt, das ist klar. Sonst bist du irgendwie auch kein Rock'n'Roller. Aus einem Grund macht man dies ja auch (grinst). Heute bin ich ab und zu noch immer Rockstar (lacht). Ab und zu erwischt es mich und ich verliere den Boden unter den Füssen (lacht). Leider ist heute die Landung etwas härter als früher (lautes Lachen).

MF: Vermisst du denn ab und zu auch die langen Tourneen, wie du sie mit Victory oder Accept erlebt hast?

Herman: Klar, lass mich heute Abend los fahren (lacht). Aber man kann nicht immer alles haben, und mir ist heute wichtiger, dass ich meine eigene Sache machen kann. Ich spiele lieber nicht so oft, dafür bin ich auch ein wichtiger Teil der Show, als nur eine austauschbare Nummer (lacht).

MF: Was waren für dich die schönsten Momente als Musiker?

Herman: Zum Beispiel jetzt, als das neue Album in die deutschen Charts eingestiegen ist. Daneben gibt es so viele Dinge, die kann ich gar nicht alle aufzählen. Ein geiler Moment war, als wir damals mit Victory in der Olympia Halle im Vorprogramm von Gary Moore auftreten konnten. Vor 8'000 Leuten! Du spielst ein Solo, den Leuten gefällts und es ist einfach nur ein toller Moment (lacht). Der schwierigste Moment war, als wir mit Victory in Hannover spielten und mir beim Set vier oder fünf Saiten gerissen sind (lacht). Mein Techniker hatte alle Hände voll zu tun und kam gar nicht mehr nach mit dem Aufziehen der neuen Saiten, weil ich bloss zwei Gitarren am Start hatte (lautes Lachen). Das sind dann schon schwierige Momente.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Herman: Ich habe wieder geübt für die kommenden Shows. Ab und zu ist es nicht so einfach das nachzuspielen, was du im Studio vollbracht hast (lacht). Spielst du dies im Studio in verschiedenen Parts ein und sollst dies dann in einem Stück nachspielen, merkst du, wie dir der Arm abfällt (lacht). Das sind so meine Zukunftspläne (lacht). Leider ist es so, dass heute das Business sehr weit voraus plant. Darum ist es echt schwierig in Moment an Shows zu kommen. Buchst du heute für Festivals, dann ist dies für 2020. Es sind einfach auch unendlich viele Bands auf Tour. Das ist ziemlich blöde und enttäuschend. Aber es geht allen so. Ist ein Album fertig im Juni, wird es im kommenden Februar erst veröffentlicht. Das war früher anders (lacht). Gehst du dann auf Tour, ist das Album in deinem Kopf schon vorbei und du bist gedanklich schon längst wieder woanders. Irgendwann wird sich die Spreu vom Weizen trennen…

MF: …haben wir dies nicht schon vor zehn Jahren gesagt?

Herman: Ja, aber es ist noch schlimmer geworden (lacht). Und es wird auch noch schlimmer, wenn man sieht wie viele Alben veröffentlicht werden und wer alles auf Tour geht.

MF: Trotzdem wünsche ich dir von Herzen alles Gute und dass man dich und deine Band bald wieder auf Tour sehen kann!

Herman: Ich danke dir für deinen unermüdlichen Support und ja, wir sehen uns. Machs gut, und pass auf dich auf.