Wieder einmal haben In Extremo ein erstklassiges
Album veröffentlicht, das es nun natürlich zu promoten
gilt. Zu diesem Zweck gab es am 6.Mai einen Promo-Tag in
Zürich, wo ich den halb verhungerten Sänger Micha, auch
"Das Letzte Einhorn" genannt, zu einem Interview traf.
Bevor wir loslegten, verleibte er sich erst einmal ein
anständiges chinesisches Mittagessen ein, um sich dann
guter Laune den Fragen von Metal Factory zu stellen.
MF: Meine erste Interviewfrage lautet immer "Wie geht
es dir?"

DLA: Mir gehts gut, gerade gegessen...
MF: Chinesisch...
DLA: Ja!
MF: Ich hab in das neue Album reingehört und es ist
wirklich hervorragend!
DLA: Mmh, danke!
MF: Mein Lieblingssong bisher ist der Dritte.
DLA: Der Dritte? Neue Städtchen!
MF: Ja, so richtig schön positiv, perfekt für
Morgens.
DLA: Es klingt irgendwie fast so wie ein
Autofahrer-Song, so "Lalala" und Arm raus.
MF: Hahah, genau! Kannst du den Metal Factory-Lesern
vorab verraten, was sie auf dem neuen Album erwartet?
DLA: Hmm, was heisst erwartet... Ich bin die falsche
Person, um das zu sagen. Es war ein halbes Jahr
knallharter Arbeit mit allem drum und dran, und da
kannst du eigentlich nur hoffen, dass es gut angenommen
wird. So Erwartungen zu stellen, Prognosen und Plätze,
das ist eigentlich nicht meine Art. Weil wenns dann
nicht so ist, dann ärgert man sich, und deshalb schieb
ich das auch immer vor mich hin so.
MF: Ich hab mich mal mit dem Thema Sängerkrieg
auseinandergesetzt und es ist schon sehr interessant.
Wie kam es dazu, dass ihr euch für dieses Thema
entschieden habt?
DLA: Wir können über uns selber lachen, und
"Sängerkrieg" als Albumtitel ist einfach mal ein
schlagkräftiges Wort, bleibt hängen. Also ich bin kein
Kriegstyp, im Gegenteil, ich bin Wehrdienstverweigerer.
Du kannst sehn, ich hab die Behauptungen satt, dass wir
anderen Bands einen rein drücken wollen. Das halten uns
viele vor, und dem gehn wir auch aus dem Weg mit dem
Sängerkrieg auf der Wartburg im Mittelalter.
MF: Achthundert Jahre nach dem Sängerkrieg auf der
Wartburg soll es nun ein Sängerkrieg-Festival geben, und
zwar in Eisenach, allerdings ohne Wettstreit. Was hältst
du davon?
DLA: Gibts jetzt wieder einen??
MF: Ja, ich hab davon gelesen.

DLA: Ach, da müssen wir uns aber anmelden, hahah! Gut
find ich sowas!
MF: Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit José
beim Song "En esta noche"? (José Andrëa von Mägo de Oz,
Anm. d. Interviewerin)
DLA: Mägo de Oz sind Fans von uns. Ihr Manager ruft jede
Woche bei uns an, das ist unfassbar schon! Es hat
einfach gepasst. Der spanische Song, also, das ist unser
eigener Song, also der Text. Ich hab einen Sohn, der
lebt in Spanien und er hat ihn mir übersetzt. Wir haben
die anderen gefragt und die haben zugesagt.
MF: Eurer Discographie ist zu entnehmen, dass ihr
mehrere Label-Wechsel hinter euch habt. Was hat es denn
mit "In Extremo Records" auf sich?
DLA: Wir haben ne eigene Firma gegründet, weil wir nur
verarscht worden sind. Unser erstes Management hat uns
um 450'000 betrogen, und das kann auch die ganze
Musikwelt wissen, das macht man einfach nicht! Wir haben
dann die Firma gegründet, Stereo-Propaganda heisst die,
und darum kümmert sich der Dirk. Er ist seit neun Jahren
unsere Vertrauensperson und macht auch unser Booking.
Aber unsere Plattenfirma ist nach wie vor Universal.
MF: Ich würde gerne erfahren, wie ihr den Auftritt im
Whisky A Go Go in L.A. erlebt habt.
DLA: Hmm, also wir sind da angekommen aus Chicago mit
dem Flugzeug... In Amerika hast du da immer die
angekündigten Bands, die da sind. Da waren noch drei
andere Bands angekündigt, und wir haben gedacht "Okay,
wir haben die Arschlochkarte gezogen, uns kennt eh keine
Sau!", dabei waren wir Headliner und wussten das gar
nicht! Die Leute haben unsere Songs mitgesungen und das
ganze Management von Ozzy Osbourne war da. Alles was
Rang und Namen hatte stand da, und das war schon klasse!
MF: Als grosser Fan von interessanten Songtexten
interessiert es mich, was für Feedback ihr dazu kriegt
von den Fans. Haben sie euch schon mal mitgeteilt, dass
ihr ein Einfluss für sie seid?
DLA: "Küss mich" ist ein Text, der ziemlich einfach
gestrickt ist. Und eigentlich ist es ein Pseudonymname,
weil in Grunde "Fick mich" gemeint ist, hahahah! Bei dem
Song haben, glaube ich, schon über hundert Leute
geheiratet. Oder als "Liam" raus kam... Alle Fans die
damals Kinder gekriegt haben, haben ihr Kind Liam
genannt. Wir haben unzählige Mails bekommen, dass die
ihre Kinder Liam getauft haben. Oder Mails, dass wir
ihnen aus einer Krankheit raus geholfen haben, und
darüber freut man sich einfach, ist klar!
MF: Und es ist natürlich ein Kompliment an euch, wenn
jetzt so viele Kinder Liam heissen, hahah!
DLA: Hahahah, jaaa! Liam ist ja Irisch und bedeutet auf
Deutsch eigentlich Willi.
MF: Eine Menge Willis also!
DLA: Jaaa, hahah!
MF: Um nochmal von Songtexten zu sprechen: Die von
euch verwendeten Sprachen sind ja wirklich unglaublich!
Mein erster Song von euch war "Pavane" und ich war so
fasziniert von der Sprache!
DLA: Das ist Alt-Französisch.
MF: Es klingt herrlich! Gibt es überhaupt noch irgend
eine Sprache, die ihr aus Herausforderung betrachtet?
DLA: Ach, das gibts immer wieder. Wir haben ja jetzt zum
Beispiel den "Zauberspruch", der ist esländisch. Das ist
ne Sprache zwischen finnisch, russisch, litauisch...
Also so ein Dialekt. Das ist ein Volk, welches eine
spezielle Sprache hat. Und der Zauberspruch ist, simpel
übersetzt, gegen alle Krankheiten. Den hab ich gelesen,
auch wieder per Zufall gefunden. Die Musik dazu war
schon fertig, und es passte wie der Arsch auf den Eimer.

MF: Und die spezielle Aussprache ist wirklich
umwerfend!
DLA: Also ich hab da meine eigene Aussprache. Wie das
damals wirklich geklungen hat, das weiss keine Sau.
MF: Eine tote Sprache also?
DLA: Ja, aber ich mach das so auf meine eigene Art
irgendwie, hahah!
MF: Aber es klingt gut, und vor allem magisch.
DLA: Ja, auf jeden Fall! Der song ist auch so ein
bisschen... Ich bin nicht spirituell oder sowas, aber
der hat für mich auch eine Magie. Darauf kann ich
chillen, war bei den Merseburger Zaubersprüchen genauso,
aber ich kann mir nicht erklären, warum.
MF: Im Songtext zu "Macht Und Dummheit" wurde das
Thema Politik geschickt verpackt. Warum habt ihr es
überhaupt verpackt, warum sprecht ihr das Thema nicht
offen in einem Songtext an?
DLA: Ja wir passen da schon auf, dass es nicht so mit
dem Auge drauf ist. Wir haben jetzt zum Beispiel einen
Song gemacht, "Mein Sehnen", das ist ein Umweltsong
eigentlich. Wir mögen Texte, die man auch hinterfragt.
Zum Beispiel haben wir jetzt "Frei zu sein", wo jeder
denkt "Jaja, Frei zu sein bedarf es wenig -
Kindergeburtstag" und so. Aber wenn man sich mal die
Strophe anhört "Ich brauche keine Krone, keinen Palast,
keinen Edelstein. Wo immer ich auch wohne ist mir jeder
Ort ein Heim". Das hat auch was von Freiheit, weisst du.
Manche Leute sind ziemlich dumm, hören sich das an und
denken "Jaja...". Darum ist es uns wichtig, das zu
verpacken. Darum machen wir es nicht ganz einfach, so
dass nicht jeder es sofort versteht, und es hinterfragt
wird. "Mein Sehnen" ist ein Beispiel dafür, das ist
ziemlich umschrieben so.
MF: Freiheit ist ein grosses Thema bei euch. Wie ist
deine persönliche Definition von Freiheit?
DLA: Also ich bin vor kurzem mal gefragt worden "Wann
warst du das letzte Mal richtig frei?". Ich konnte es
nicht sagen. An der Adria, wenn ich mit dem Boot auf dem
Meer bin und nichts mehr sehe, zum Beispiel, das ist für
mich grenzenlose Freiheit. Da schalt ich Kopf und Handy
ab und alles ist mir scheissegal, und so möchte ichs
auch für mich definieren. Wir sind freie Vögel, kommen
in der Weltgeschichte rum und sind dafür dankbar. Können
uns jederzeit noch im Spiegel angucken, spielen auch
nicht wie viele Bands an jeder Milchkanne, nur um mit
der Brechstange auch mal gesehn zu werden. Das ist auch
sehr wichtig, sowas mal zu machen und dann drüber zu
stehen. Ich sag mal, wir sitzen manchmal in ner Art
Jury-Position, so wie die beiden Alten von Kermit dem
Frosch. Muppet Show, die beiden Alten auf dem Balkon.
Wir können auch über uns selber lachen, und das ist sehr
wichtig. Wir haben den Humor nicht verloren. Brechstange
ist eigentlich ein gutes Thema, weisst du, so wie andere
Bands hinter unserem Rücken reden. Es gab auch eine
Zeit, wo wir uns darüber geärgert haben, aber die
Plattenverkäufe sprechen eine ganz andere Spache.
Mittlerweile lach ich drüber, wirklich!
MF: Es gibt verschiedene Ansichten darüber, warum das
Heidentum plötzlich vor allem bei jungen Leuten so
populär ist. Wie denkst du darüber?
DLA: Also ich bin weder Heide, noch irgendwas anderes.
Ich glaube schon daran, dass es irgendwas höheres gibt,
aber ich kann das selber nicht definieren. Ich bin sogar
katholisch erzogen worden, aber das ist mir scheissegal.
Mein Glaube ist eigentlich "Leben und leben lassen", und
jeder sollte seinen Glauben praktizieren wie auch immer
er möchte. Aber alles was in Gewalt oder Fanatismus
übergeht, ist einfach widerlich.
MF: Dann gehst du nach dem Motto "Tu was du willst,
aber schade niemandem"?
DLA: So ungefähr! Ich meine, man schadet doch oft genug
Menschen, manchmal unbewusst irgendwie. Aber es geht
jetzt grade um Religion, also sag ich mal... Hm, der
Buddhismus sagt "Leben und leben lassen". Wenn es für
mich überhaupt eine Religion geben würde, wäre es die
einzige. Ich hab den Dalai Lama ein paar Mal gesehn,
auch live und so. Ich find das alles ja auch gut und
schön, aber da hab ich auch die Leute gesehn, und die
knien sich da so vor ihm hin - das würd ich niemals
machen! Ich würd das auch nicht beim Papst wollen, das
ist mir scheissegal, da würd ich mich auch nicht hin
knien. Aber das muss jeder für sich wissen. Es gibt
Menschen, die damit ihren Frieden finden - wunderbar!
MF: Kommen wir nochmal aufs Thema Geschichte zu
sprechen. Ich hab in der Schule etwas über den Ritter
Tannhuser gelernt, dessen Story im Schweizer Seetal
spielt. In Wagner's Oper "Tannhäuser und der Sängerkrieg
auf Wartburg" spielt die Szenerie aber in Eisenach.
Kennst du beide Geschichten und auf welcher dieser
beiden Storys basiert denn nun euer Song?
DLA: Hmm nee... Tannhuser war ein populärer Minnesänger,
aber auch ein Intellektueller. Er war ziemlich
hochgestellt in der Hierarchie und hat auch die
Obrigkeit recht gut verarscht. Das ist das, was ich über
ihn weiss. Er war auf dem Tannhuser-Song vertont, also
auf dem einen Akustischen. Er war keiner so von der
Strasse, der war schon wirklich ne Etepetete. Aber das
andere, das ist mir neu jetzt. Man kann aber auch nicht
alles wissen, haaa!
MF: Mir ist da noch was aufgefallen beim Song "Sieben
Köche", und zwar die Zeile "Wer heimlich nascht, den
verhau' ich!"
DLA: Ich dachte schon, du meinst was anderes! Da ist
nämlich eine ganz versteckte Message drin in diesem
Song. Im Mittelteil, kannst es mal für dich privat
hören. Ich hab echt gedacht, dass du das meinst! Es ist
sehr versteckt, aber auch sehr gut! Ich erzähl dir das
nachher mal, wenn das Ding hier aus ist (Zeigt auf das
Diktiergerät). Dieser Song, also "Sieben Köche"
beschreibt eigentlich wirklich nur, wie eine Platte
entsteht. Die Arbeitsweise, nicht mehr und nicht
weniger.
MF: Dann kommen wir schon zur letzten Frage, die bei
Metal Factory immer lautet: Hast du eine Message an
unsere Leser und an eure Fans in der Schweiz?
DLA: Lieber n' Peace-Zeichen mit der Hand zu machen, als
'ne Pommes-Gabel. Es gibt Zeichen in der Welt, die
sollte man nicht bestärken. Ist meine persönliche
Meinung.
MF: Vor allem deshalb, weil manche Politiker oft die
Pommes-Gabel machen...
DLA: Politiker machen das?
MF: Ja, der ganze Bush-Clan zum Beispiel.
DLA: Also letztendlich ist es ein Satanszeichen, auf
Deutsch gesagt, und ich will mit so 'ner Scheisse nichts
zu tun haben. Es gibt auch Metal-Hefte, ohne jetzt Namen
zu nennen, die sagen "Hey macht doch mal, steht so hin!"
und ich sag "Du kannst mich am Arsch lecken, mach ich
nicht!". Da bin ich eiskalt, ich hab damit nichts zu
tun. Wir sind wirklich 'ne Band, mmh, wir sind positiv
denkende Menschen und haben Spass dabei. Wir würden uns
niemals Totenköpfe umhängen oder uns Blut in die Fresse
schmieren. Ich finde das, für mich persönlich, einfach
widerlich.
MF: Hmm... Letztens haben Kreator in der Schweiz
gespielt, und irgendwann zwischen zwei Songs rief der
Sänger ins Publikum "People, are you ready to kill each
other?", und die Leute haben nur noch begeistert "Yeeeah!"
geschrien. Krank, wenn du mich fragst!
DLA: Hahah... (höhnisches Lachen und verständnisloses
Kopfschütteln). Nee, das mein ich ernst, ich würde sowas
niemals machen. Das ist für mich einfach... Es gibt
genug kranke Scheisse auf der Welt.
MF: Ist so! Vielen Dank für das interessante
Interview!
DLA: Klar doch, gerne!

Unsere Maiya mit Micha, das letzte Einhorn >>>
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