Interview: Japanische Kampfhörspiele

By Roolf
 
Kommerziell uninteressant.


Anlässlich der Fleischmarsch-Tour 2018 zusammen mit Excementory Grindfuckers, die auch in Zürich Halt machte, konnte ich die seltene Gelegenheit beim Schopfe packen und mit Christof, dem letzten Mitglied des Original Line-Ups und zugleich auch Gründer von Japanischen Kampfhörspiele, ein ausführliches Gespräch führen. Viele interessante Fakten sind so ans Tageslicht gekommen…

MF: Du bist das letzte verbliebene Gründungsmitglied. Wieviel JAKA steckt noch in der heutigen Formation?

Christof: 210%. JAKA ist ja viel mehr als die Summe seiner Bandmitglieder.

MF: Euer Abschiedskonzert habt ihr lauthals 2011 verkündet und euch nachher wieder zusammengerauft! War das ein genialer Marketing-Trick?

Christof: Wenn überhaupt, ein halbgenialer. Geniales gibt es doch heute gar nicht mehr im Reich der Menschen, seit klar ist, dass der menschliche Intellekt im Vergleich zum tierischen Instinkt voll doof ist. Da reicht ja ein Blick auf den Zustand des Planeten, um das zu erkennen.

MF: Könntest du dir eine Reunion mit alten JAKA-Helden wie Klaus Nicodem und Markus Bony Hoff vorstellen?

Christof: Natürlich nicht! Und die beiden sicher noch viel weniger. Klaus und vor allem Bony sind garantiert froh, endlich Musik von der Stange machen zu dürfen und sich nicht mehr den vermeintlich unkonventionellen Ideen des nervigen Kathers unterwerfen zu müssen.

MF: Deine Texte werden vielerorts über den grünen Klee gelobt. Glaubst du, dass alle Fans deinen Sarkasmus deuten können?

Christof: Das schon. Daraus aber Konsequenzen abzuleiten und das eigene Verhalten zu ändern, gelingt diesen Leuten genauso wenig, wie mir oder irgendeinem anderen. Menschen sind halt total behindert und die Gene und sonstigen Voreinstellungen sowie die Realität viel viel stärker als jede Vernunft. Ich texte nach wie vor ohne Zeigefinger und in dem vollen Bewusstsein, dass ich selbst genauso schwach und lächerlich bin wie ihr alle.

MF: Nach vier Alben bei deinem Label "unundeux" seid ihr wieder zurück bei Bastardized Recordings. Was sind die Gründe für den Label-Wechsel?

Christof: Wir, also ich und Martin, die das Label "unundeux" betrieben haben, sind einfach absolut keine Kaufmänner. Inzwischen betreibe ich "unundeux" mit meinem Schwager als reinen Shop weiter. Die mickrigen Einnahmen fliessen regelmässig in die Kassen der Abmahnindustrie ab, deren Geschäftsmodell das sogenannte überwachungskapitalistische ist. Meistens bedienen wir die moralisch ungerechten und vollkommen überzogenen Forderungen einfach, weil wir Mitleid haben mit Menschen, die, weil sie nichts Anständigeres gelernt haben, unter einer für uns unvorstellbar grausamen Freudlosigkeit leiden müssen. Manchmal aber wehren wir uns auch und zahlen das, was uns die von uns beauftragten Medienanwälte ersparen, dann diesen. Es leben also einige Leute ganz gut von "unundeux". Wir selbst machen den Scheiss eher so zum Spass und zum Zeitvertreib. Dasselbe gilt für JAKA, wobei ich die Hoffnung habe, dass Bastardized so gute Verkäufer sind, dass auch für uns mal was downtricklet.

MF: Mit eurem aktuellen Album «Back To Ze Roots» habt ihr alte Klassiker nochmals neu eingespielt. Sind das die Anzeichen für Ausverkauf oder gehen euch die Ideen für neues Material aus?

Christof: Das kommende Album ist fast fertig. Das heisst, Schlagzeug und Gitarren sind bereits im Kasten. Bass und Gesang sowie eventuelle Gastbeiträge sollen bis Januar aufgenommen werden. Da Bastardized ein professionelles Label ist, rechnet mal mit einer Veröffentlichung im Sommer 2019. Was ich schon jetzt verraten kann, ist, dass die neue Scheibe inhaltlich so niederschmetternd werden wird, dass selbst hartgesottene Sarkasmus-Versteher daran zerbrechen könnten.

MF: Zusammen mit Excementory Grindfuckers seid ihr auf dem Fleischmarsch 2018. Die Konzerte finden allesamt am Wochenende statt. Ist es für euch aus beruflichen und privaten Gründen nicht mehr möglich, eine zusammenhängende Tour zu machen?

Christof: Eine zusammenhängende Tour haben wir in all den Jahren bloss einmal gemacht. Das war 2009. Leute sind schon damals nicht mehr ausreichend gekommen, und zwar nicht allein aus beruflichen und privaten Gründen, was ja leider schon seit Längerem gar nicht mehr zu trennen ist, sondern vor allem aus solchen des falsch verstandenen Hedonismus, der den Menschen auch noch das Minimum an Kraft raubt, welches nötig wäre, um eine JAKA-Show zu besuchen.

MF: Du hattest vor langer Zeit noch ein Projekt namens Elektrokill am Start. Was ist aus Elektrokill geworden?

Christof: Keine Ahnung. Müsste ich selbst mal nachgucken unter www.elektrokill.de

MF: Ihr drückt euch ja in der Sprache der Dichter und Denker aus. Ist es eher von Vorteil oder Nachteil, Texte in Deutsch zu haben?

Christof: Für uns Muttersprachler ist es ein Vorteil, da wir dann dichten und denken und zu Letzterem auch anstiften können. Was den kommerziellen Erfolg angeht, ist es natürlich das Dümmste, was man machen kann, da Denken und profitorientiertes Handeln ja einander ausschliessen. Dass es trotzdem kommerziell erfolgreiche deutschsprachige Künstler gibt, liegt daran, dass diese auf einem Niveau dichten, welches Denken weitestgehend ausschliesst.

MF: Entsteht die Musik von JAKA noch wie in alten Zeiten im Proberaum, oder schickt ihr Soundfiles hin und her?

Christof: Weder noch. Noch nie ist JAKA-Musik im Proberaum entstanden. Die fünf bis sechs Riffs, die in zwanzig Jahren ehrlich erjammt worden sind, bestätigen diese Regel nur. Nach wie vor entsteht das meiste Material, indem Schlagzeug improvisiert wird, dazu dann Gitarren aufgenommen werden, und so irgendwie am Ende mehr zufällig als bewusst ein neues Album heraus kommt. Bei dem Album, an dem wir gerade basteln, ist es besonders extrem. Die zugrunde liegenden Schlagzeugspuren sind nämlich schon 2013 aufgenommen worden und zwischenzeitlich auf einer abgeraucht geglaubten Wechselfestplatte verloren gewesen, welche dann Anfang dieses Jahres doch noch wieder zum Laufen gebracht werden konnte.

MF: Hast du mit JAKA noch unerreichte Träume, die du noch gerne realisieren möchtest?

Christof: Träume sind was für Träumer. Ich bin kein Träumer. Ich bin fröhlicher Realist.

MF: Du hast die Technik, wie man mit einem Backofen die Wohnung heizt, verfeinert. Deshalb möchte ich gerne wissen, ob es für die effektive Wärme eine Rolle spielt, ob der Backofen auf Unter- oder Oberhitze eingestellt ist? Und wie sieht es mit der Umluft aus?

Christof: Keine Ahnung. Was ich aber mal von einem deiner Landsleute gelernt habe, ist, wie man auf kalten Dielenböden ganz ohne Hilfsmittel übernachten kann, ohne am nächsten Morgen den Gastgeber umzubringen. Von dieser Nachsicht mit seinen Mitmenschen kann sich selbst der Dalai Lama noch eine Scheibe abschneiden.

MF: Was hältst du von der politischen Grosswetterlage in Deutschland?

Christof: Ich interessiere mich nicht so für Politik, habe nun wirklich Wichtigeres zu tun.

MF: Als musikalische Metzger seid ihr schon auf dem zweiten Fleischmarsch durch die Republik und durch noch ein zu annektierendes Land. Habt ihr jetzt, nach dem Deal mit BlutwurschtT Produkti-Onen, zur deutschen Fleischindustrie gewechselt?

Christof: Es ist sogar schon der dritte Fleischmarsch. Der erste war 2005, der zweite 2008. Mit Fleisch haben wir nichts mehr zu tun. Wir sind inzwischen durch die Bank Vegetarier. Die Grindfuckers verzichten zudem auch noch komplett auf Alkohol und Drogen. Wahrscheinlich wegen Gicht und Gewicht und sowas.

MF: Entgegen deiner Warnung, dem Mainstream kein Wort zu glauben, ist die Gesellschaft zu einer konsumgeilen und seelenlosen Meute mutiert. Ist kritischer Grindcore ein Auslaufmodell?

Christof: Der Mensch ist ein Auslaufmodell und mit ihm natürlich auch der pseudokritische Grindcore.

MF: Wie hat es dir und JAKA in Zürich in Sachen Publikum, Organisation und Location gefallen?

Christof: Sehr sehr gut. Überraschend gut! Wir hatten eigentlich erwartet, dass bloss ein paar Eidgenossen mit verschränkten Armen vor der Bühne stehen - aber dann ging da voll die Party ab! Die Organistation und die Location standen in krassem Gegensatz zu denen des Vorabends in Greifenstein, wo man bis heute im tiefsten Mittelalter lebt. Dass es in der Schweiz high end wird, was das Drumherum angeht, war uns schon klar. Schliesslich hat die Schweiz ja sehr viel Geld. Von uns hat sie allerdings, bis auf in einem typisch deutschen Anfall von vorauseilendem Gehorsam, unnötigerweise überwiesene Zollgebühren auf unsere Merch, keinen einzigen Cent bekommen. Auf den Kauf einer Autobahnvignette haben wir verzichtet und uns die schöne Landschaft von Bundesstrassen aus betrachtet. Dank eines bedauerlichen Fauxpas, der dem Hotel unterlief, in dem wir übernachteten, durften wir zur Entschädigung in der dazugehörigen Tiefgarage dann auch noch gratis parkieren. Als Gäste des Hotels wohlgemerkt! So etwas wäre in Deutschland undenkbar - also, dass man von Hotelgästen auch noch Parkgebühren verlangt. Der Besuch in Zürich war also ein Erfolg auf der ganzen Linie. Einzig beim Catering könnte man Abstriche machen. Das war einigermassen fade. Wir werden aber nach dem geilen Spektakel im Werk 21 ganz sicher noch einmal einreisen und dann paar Gewürze einschmuggeln. Versprochen!

Genau wegen solchen eloquenten Gesprächspartnern macht ein Interview wie dieses unheimlich viel Spass, und dass Christof nicht nur viel zu sagen hat, sondern auch weiss, wie man das Drumkit gekonnt in seine Einzelteile zerlegen kann, demonstriert er zusammen mit den anderen Recken von JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE eindrücklich! Es bleibt nur zu hoffen, dass es jetzt nicht wieder über elf Jahre geht, bis die Herren erneut zum Tanze aufspielen!!!