Interview: Jean Beauvoir (Crown Of Thorns, Voodoo X, Plasmatics)

17.06.2020
By Tinu
 
Einzigartig als Dunkelhäutiger mit aufgestellten blonden Haaren.



Jean Beauvoir ist nicht nur als Musiker, sondern auch als Produzent und Songschreiber für namhafte Bands und Künstler bekannt geworden. Dabei spielte er bei den Plasmatics (Wendy O' Williams) mit, hob Voodoo X aus der Taufe, zusammen mit dem ehemaligen Nena-Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen und widmete sich seinem Baby Crown Of Thorns. Der Multiinstrumentalist schrieb, zusammen mit Paul Stanley, für KISS-Alben und griff Doro Pesch musikalisch unter die Arme. Nach den beiden «Best Of»-Scheiben «Rock Masterpieces» aus dem Jahr 2017 ist es ruhig geworden um Jean, aber ist das wirklich so? Licht ins Dunkel bringt der vielbeschäftigte Musiker im folgenden Interview.

MF: Gibt es Pläne für ein neues Album?

Jean: Ja! Okay, also geplant ist das falsche Wort (lacht). Ich schreibe immer neue Lieder. Wann irgendwas veröffentlicht wird, ist nicht fixiert. Im Moment schreibe ich an meiner Biografie, die hat Vorrang. Aber es wird ein neues Werk von mir geben, und das wird rocken (lacht). Ich versuche alles unter einen Hut zu bringen und bin am Organisieren. Darum hoffe ich, dass die neue Scheibe 2021 veröffentlicht wird, damit ich auf den Festivals auftreten kann. Nun ja, das Buch sollte auch nächstes Jahr veröffentlicht werden (lacht).

MF: Du hast mit den Plasmatics gespielt, hast melodische Nummern, aber auch harte Stücke komponiert. Wie wichtig ist diese Vielfältigkeit in der Musik für dich?

Jean: Alles hat seinen Platz in meinem Herzen. Ich mag die unterschiedlichen Facetten in der Musik. Dabei liebe ich den energiegeladenen Rock. Dieses Gefühl, das von den Gitarren und den Boxen ausgeht (lacht), zieht mich immer in seinen Bann. Speziell, wenn man dies zusammen mit dem Publikum geniessen kann. Damals war das Punk-Ding sehr aufregend für mich. Die Konzerte mit den ganzen Pyros (lacht), haben viel Adrenalin ausgelöst. Ich liebe aber auch schöne Melodien. Ich realisierte, wie viel mir die Musik gibt (lacht). Höre ich einen Song, merke ich wie aufregend dies sein kann und ganz spezielle Gefühle in mir auslöst. Ich war immer ein Artist, der sich in den unterschiedlichsten Genres wohl fühlt. War dies mit Hardrock oder wenn ich zusammen mit Debbie Harry (Sängerin von Blondie) komponierte. Selbst bei den Ramones liess ich eine Melodie einfliessen. Der Anspruch an mich war immer, dass ich versuchte gute Songs zu schreiben. Das Schöne dabei ist, dass dies in den unterschiedlichsten Stilrichtungen funktioniert. Es ist ein Geschenk, Musik kreieren zu können. In meinem Kopf ist dies dann schon ein Hit (lautes Lachen). Nehmen wir die Ramones als Beispiel. Ich schrieb für die Jungs «My Brain Is Hanging Upside Down». Als die Plattenfirma den Song zum ersten Mal hörte meinte sie: "So was können wir nicht veröffentlichen, das ist zu politisch!" Das war aber nicht die Meinung der Jungs, denn sie waren sich sicher, dass es ein grossartiges Lied ist. Am Ende des Tages war die Firma noch immer der Meinung, das Stück in die Tonne zu werfen. Aber dann gewann der Song einen «Music Award» (lacht) und die Plattenbosse sagten: "Wir glaubten immer an den Erfolg!" Das erinnert etwas an den Film «School Of Rock» (lacht). Jahre später war dieses Lied ein guter Track. Hatte ich es nicht immer gesagt (lacht)?

MF: Du hast auch Songs für KISS geschrieben, wie kam es dazu?

Jean: Nach meiner Zeit bei den Plasmatics, das muss so um 1982 oder 1983 gewesen sein... Ich war als Teenager ein grosser KISS-Fan, und mein Zimmer war überklebt mit Postern der Jungs (lacht). Nie liess ich mir träumen, dass ich einmal mit meinen Jugendidolen Songs schreiben würde (lacht). Ich traf Paul zum ersten Mal in einem Club. Er kam zu mir und sagte: «Hey, du bist doch einer der Plasmatics-Musiker» (lacht). Ich schaute ihn an, das war noch zu der Zeit als sie maskiert auftraten, niemand die Jungs kannte und sagte: "Du musst Paul Stanley von KISS sein" (lacht). Wir begannen zu reden, hingen zusammen ab und tanzten in diesem Club (lacht). Während über zwei Jahren oder mehr, trafen wir uns immer wieder, gingen ins Kino oder Clubs und schauten uns Konzerte an. Paul besuchte mich in meinem Haus, und ich ging zu ihm. Wir feierten Halloween oder "Thanksgiving" zusammen (lacht). Eines Tages, wir waren in Pauls Haus, schnappte ich mir eine Gitarre und begann zu spielen. In wenigen Sekunden hatten wir den Beginn von «Thrills In The Night» (ein Track vom «Animalized»-Album) komponiert. Das war die Basis, wie unsere Zusammenarbeit startete und mein Einstieg, neben den Plasmatics, ins Musikbusiness. Weitere Kooperationen folgten. Es war wichtig für mich, mit und für KISS Lieder zu schreiben. Ich wollte immer alle Barrieren abbrechen. Es war mir egal, ob ich weiss, schwarz, oder gelb war. Willst du diese Art von Musik spielen oder was auch immer machen, dann tue es! Das war auch der Auslöser für meinen Spitznamen «The blond Mohawak» (lacht). Zu dieser Zeit war es sehr ungewöhnlich, dass ein Dunkelhäutiger mit blonden aufgestellten Haaren herum lief (lacht). Ich wollte einzigartig sein, tat was ich tun wollte, um damit erfolgreich sein. Als Songwriter, Produzent oder Musiker (lacht). Dies in unterschiedlichen Genres. Das war mein Antrieb (lacht), auch wenn ich keine Ahnung hatte, ob dies funktionieren würde. Aber mit den Songs auf den KISS- oder den Ramones-Alben wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war.

MF: Voodoo X war eine Allstar-Band. Wieso trat der grosse Erfolg nicht ein?

Jean: Martin, du weisst nie wohin die Reise geht (lautes Lachen). Du kannst ab und zu sehr überrascht sein, wie etwas funktioniert oder eben nicht (lacht). Der Vertrag war zu gross. Sie dachten aber nicht an uns und schon gar nicht langfristig. Die Plattenfirma steckte sehr viel Geld in die Produktion und die Videos. Hätten wir eine Million Alben verkauft, hätte dies für das Label einen Sinn gemacht. Dinge sind oft nicht planbar und wären nur 200'000 Stück über die Laden-theke gegangen, wäre das Label vielleicht noch glücklich gewesen (lacht). Als es an die Arbeit für das zweite Album ging, welches uns der Vertrag zusagte, schien das Interesse nicht mehr vorhanden zu sein und der Glaube an uns war weg. So wurde ein weiteres Voodoo X-Album nie veröffentlicht, und es kam zum Bruch. Mein Onkel war ein Voodoo-Priester (Max Beauvoir) und starb vor einigen Jahren. Er brachte das ganze "Zombie-Crazy-Chaos" nach Amerika. «The Serpent And The Rainbow» war ein Buch und ein Film über ihn. Er hat uns geholfen die Schönheit (grinst) dieser Faszination oder dieses Kults bei Voodoo X einfliessen zu lassen. Zu sehen ist dies in unserem Video (lacht). "Wenn du und dein Team zu mir kommt, werden wir eine Zeremonie feiern, die ich dir erlaube zu filmen", sagte mein Onkel. So kam es zum Song «Voodoo Queen» (grinst). Es gibt viel zu sehen in diesem Video über die Voodoo-Kultur. Trotzdem sollte es kein zweites Voodoo X-Album geben. Wir trennten uns, und meine Reise ging weiter.

MF: Ja, nämlich mit Crown Of Thorns. Hier hast du unglaubliche Tracks komponiert, wie «Lost Cathedral», «The Healer» oder «Dying For Love»…

Jean: …danke mein Freund!

MF: Aber auch hier blieb der grosse Erfolg aus, den sonst Aerosmith oder Bon Jovi für sich beanspruchten. Wieso?

Jean: Nochmals, du kennst den Grund nie (lacht). Glaub mir, ich frage mich dies jeden Tag. Es waren viele Leute beim damaligen Label involviert. Zu viele (lacht). Aber dann veränderte sich über Nacht das ganze Musikbusiness. Alle wollten nur noch Grunge! Meine Plattenfirma nahm mich zur Seite und sagte: "Hör mal zu! Melodien sind nicht mehr gefragt. Alles klingt neben der Spur, aber die verkaufen damit Millionen von Platten" (lacht). Ich wusste, es war nicht die beste Zeit für meine Musik (lautes Lachen) und dachte nur: "Jetzt geht das schon wieder los" (lacht). Ich verlor einige Jahre, da ich meine Musik nicht anpassen wollte, sondern an sie glaubte. Einige Bands haben sich dem Trend angenähert, aber mit mässigem Erfolg. Speziell in Amerika, da waren die Europäer viel bodenständiger. Das ist der Grund, wieso ich Europa dermassen liebe. Wenn ich bei euch spiele, sehe ich all die schönen Menschen, welche die Musik geniessen und es ihnen völlig egal ist, ob da ein Gelber oder ein Schwarzer auf der Bühne steht. Hier in Amerika… Gut man kennt die News… Es war immer eine Herausforderung für mich. Schwarze können keinen Rock'n'Roll spielen oder nur die Wenigsten. Du verstehst, was ich meine? Okay, es gibt Lenny Kravitz, Kings X oder Living Color. Sie alle spielen aber keinen reinrassigen Rock oder Metal. Darum war es für mich nie ein einfacher Weg, und trotzdem bekam ich einige gute Angebote. War dies als Bandmitglied bei den Plasmatics oder als Songwriter wie teils auch Produzent für KISS, Blondie, den Ramones oder anderen Künstlern. Sie alle liessen mich meinen Weg gehen.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Jean: Es gibt viele Dinge, für die ich momentan schreibe, in ganz unterschiedlichen Bereichen. Wie zum Beispiel mit Lordi. Sie hatten Erfolg mit einem Lied, das ich vor dreissig Jahren schrieb (lacht). Das ist lustig. «Like A Bee To The Honey» haben Paul und ich zusammen komponiert. Das muss um 1988 oder 1989 herum gewesen sein. Das ist doch völlig verrückt, dass sie mit einem dermassen alten Song und dem dazugehörenden neuen Album («Killection») in die Deutschen (Platz 13), Finnischen (Platz 8) und Schweizer (Platz 24) Charts einstiegen. Weitere Lieder sind geplant, nicht nur für Lordi. Ich arbeite hart an meinem Buch und am Zeitplan für die kommende Tour, die hoffentlich 2021 über die Bühne gehen wird. Es sind viele kreative Dinge am Laufen. Gehe ich mal an die frische Luft, habe ich alle dreissig Minuten einen neuen Song in meinem Kopf (lacht). Diese Ideen müssen umgehend alle auf dem Rekorder festgehalten werden.

MF: Dann hoffe ich, dich irgendwann in der Schweiz auf einer Bühne zu sehen!

Jean: Oh ja, das ist überfällig (lacht). Das hoffe ich auch und wäre grossartig. Das letzte Mal war… 1987 (lautes Lachen).

MF: Dann wünsche ich dir bis dahin alles Gute, bleib gesund und hoffentlich auf sehr bald…

Jean: …danke dir für das Gespräch, es war mir ein Vergnügen. Bleib gesund, und wir sehen uns! Das mit der Schweiz muss klappen, ich arbeite daran (lacht).