Interview: Paul Di'Anno
By Kissi
Er kam, sang zwei Metal-Klassiker ein und versank schliesslich beinahe endgültig in der Versenkung. Paul Di'Anno (PDA), ehemaliger und erster bekannter Sänger der Metal-Legende Iron Maiden, der sowohl das selbstbetitelte Debut wie den Zweitling „Killers“ mit seiner punkigen und charismatischen Stimme veredelte, kämpfte nach seinem mehr oder weniger freiwilligen Abgang bei der NWoBHM-Speerspitze mit seiner Drogenabhängigkeit, seinem etwas impulsiven Charakter, welcher zu verschiedenen Gewaltdelikten führte und mittelmässigen musikalischen Outputs. Wie schon im Livebericht zu lesen war, fing sich der nun als glatzköpfiger Brocken durch die Weltgeschichte tingelnde Shouter wieder und tourt nun, begleitet von verschiedenen Bands, über die fünf Kontinente, um alte Maiden-Classics, gespickt mit seinen eigenen Songs, live zu präsentieren. Fast zwangsweise beehrte der Kult-Frontmann auch die Schweiz, genauer gesagt den kleinen, aber äusserst feinen Klub St.Urs in Biberist, wo mir der leicht alkoholisierte und somit ungemein redselige Paul, flankiert von zwei hübschen Damen, die das Glück hatten, für den erkrankten Meet & Greet-Gewinner einzuspringen, Rede und Antwort über Tattoos, Ex-Frauen und natürlich Iron Maiden (sei es aus seiner oder der heutigen Zeit) stand. Was bei dem spontanen und etwas wirren Gespräch so alles herauskam - lest selbst:

MF: Hey Paul! Es ist eine Ehre für mich, mit dir zu reden. Wie geht es dir so?

PDA: Ich bin einfach super drauf! Ich hab heute Abend zwei wunderschöne Bodyguards (aka die beiden schon erwähnten Girls - Anm. des Verf.) bei mir und freue mich riesig aufs Konzert.

MF: Gestern Abend hast du in einem neuen Club in Chur, im Palazzo, gespielt. Wie war’s?

PDA: Der Club war ja eigentlich noch gar nicht eröffnet, da herrschte noch eine richtige Baustellen-Stimmung. Der Besitzer ist aber ein Freund von mir, und so spielten wir halt vor einer ziemlich leeren Hütte, aber es hat Spass gemacht. Seine Frau ist Brasilianerin, und ich liebe ja Südamerika, besonders Brasilien, und sie stellt so was wie meine Brasil-Connection in der Schweiz dar. Nun bin ich aber eigentlich langsam geschafft und sollte etwas ausruhen, aber mein Terminkalender ist einfach gefüllt, restlos voll mit Konzertdaten.

MF: Letztes Silvester hast du in Pratteln an den End Of Dayz gespielt. Ausser diesem Konzert müsste es ja schon eine Weile her sein, seitdem du das letzte Mal in der Schweiz warst, nicht?

PDA: Ja, das im Z7 war etwas komisch. Da spielte ich mit meiner deutschen Band, hier trete ich ja mit meinen italienischen Jungs auf. Ich hab auf der ganzen Welt meine Begleittruppen, das erleichtert das Touren ungemein und die Leute interessiert es sowieso nicht, wer Gitarre und wer Schlagzeug bei mir spielt, die wollen einfach mich sehen. Eigentlich schade, denn warum die Leute zahlen, um mich anzuschauen und hören zu können, wird für mich wohl immer ein Geheimnis bleiben.

MF: Die beiden ersten Male in der Schweiz wirst du wohl im Zuge einer Iron Maiden-Tour gewesen sein, wenn meine Recherchen stimmen war das 1980 und 81.

PDA: Oh Mann! Schon möglich, aber ich habe absolut keinen Schimmer mehr! Ich spiele 300 Shows pro Jahr, ich kann mich nicht einmal mehr erinnern, wo ich letzten Sommer gespielt habe, dude. Ich kann mich eigentlich an so gut wie gar nichts mehr erinnern, hahaha... Alkohol!

MF: Ok, vielleicht fällt dir dazu etwas ein: Was verbindest du mit der Schweiz?

PDA: Oh, ich liebe es hierher zu kommen. Ich habe sehr viele Schweizer Freunde, die Hells Angels in Zürich und Genf, die besuche ich immer gerne. Und dieser Hip Hop-Typ, Gimma, ist auch ein guter Freund von mir. Ich werde noch einmal zurückkommen in nächster Zeit und mit ihm zusammen aufnehmen.

MF: Woher kennst du Gimma?

PDA: Er ist auch von Chur oder der Gegend, wie der Palazzo-Typ, wir haben ein wenig gejammt und jetzt werde ich einen Track mit ihm zusammen machen, vielleicht auch ein paar, dann werde ich nach Sion gehen, um noch einige Tattoos zu machen oder nachstechen zu lassen. Ich hab schon einige gute Bekanntschaften in der Schweiz, wenn ich’s mir so überlege... Ich will auch noch zu meinem Freund H.R. Giger gehen. Du musst wissen, Giger ist mein Held, ich liebe seine Arbeiten seit ich acht Jahre alt bin und hab mir in der Vergangenheit immer wieder Werke von ihm angeschafft. Ich werde nie vergessen, etwas, das ich wirklich nicht vergessen werde, wie er mich in seinem Museum herumgeführt hat. Mann, das war der echte Wahnsinn. Wir schicken uns ab und zu E-Mails, diskutieren ein wenig... Ich würde gern mehr von ihm kaufen, aber er ist so verdammt teuer... Kannst du mir Geld borgen? Hahaha...

MF: Vor wie vielen Leute spielst du gewöhnlich?

PDA: Oh, das variiert ziemlich, aber in Europa sind es meistens so um die 1000 Nasen. Das hier ist schon etwas Spezielles. Ich meine, warst du schon unten im Club? Der ist winzig! Es ist, als würde ich bei mir zu Hause im Wohnzimmer ein Scheiss-Konzert spielen, haha... Aber ich sage immer: „Wir spielen überall!“ Es interessiert mich nicht, wie viele Leute kommen oder wie angesehen die Location ist, in Südamerika spielten wir an einem Festival vor 20'000 Metalheads, in Spanien vor 5000, dann wieder vor 500 und halt auch mal vor weniger Leuten wie hier.

MF: Während meiner Vorbereitung für dieses Interview bin ich auf einen Artikel gestossen, der erwähnt, wie du zusammen mit Blaze Bailey (für alle Banausen unter euch: Blaze ersetzte während den 90ern Bruce Dickinson als Maiden-Fronter, bevor der 99 wieder zurückkam) gespielt hast. Wie war das denn genau?

PDA: Genau... Wir spielten an einem Metal-Open Air in der Türkei, und Blaze war mit seiner Band auch da, spielte dort oder irgendsowas, und sein Manager kam zu mir und sagte, dass Blaze einen Song mit mir performen wolle, und ich sagte zu. „Warum auch nicht?“ dachte ich. Dann kam er also irgendwann um 22.00 Uhr auf die Bühne getorkelt, wohl ziemlich betrunken, und behandelte mich wie einen Idioten, sang dazu noch schlecht... Naja - ich mag den Typen nicht so wirklich.

MF: Vor einiger Zeit hast du eine neue Scheibe veröffentlicht, eine Compilation mit neu eingespielten Maiden-Classics deiner Zeit...

PDA: (fällt mir ins Wort) Oh Mann, damit hatte ich nicht wirklich etwas zu tun! Das war die Idee meines Managers, so vor Weihnachten irgendetwas zu veröffentlichen. Ich war nicht wirklich glücklich damit, aber die Idee war, lediglich eine Kopie für jedes Fanclub-Mitglied zu machen... Ich war nicht wirklich glücklich damit, aber schlecht klingt das Ganze ja nicht, es war eine Art Geschenk an die Fans. Es klingt ein wenig mehr nach Hardcore, so wie ich die Songs heute bringe, das sollte die Scheibe etwas reflektieren.

(Wie die Scheibe danach trotzdem in den öffentlichen Handel kam, das bleibt ungeklärt und ob Di'Anno wirklich so unter der Fuchtel seines Managers steht mag ich an dieser Stelle auch zu bezweifeln... Anm. d. Verf.)

MF: Aber du schreibst noch neues Material, oder? Die letzte reguläre Scheibe von dir, „Nomad“, ist ja auch schon sechs Jahre alt.

PDA: Ja schon, aber zur Zeit spiele ich mehrere hundert Shows pro Jahr, das nimmt schon Zeit in Anspruch. Ich spiele diese nicht des Geldes wegen, sondern nur zum Spass, sonst wäre ich heute nicht hier. Aber ich werkle schon an neuem Material, wenn es die Zeit erlaubt, sechs Tracks sind schon beinahe fertig. Wenn diese Shows fertig sind, das wird in ein paar Monaten sein, werde ich zuerst noch nach Norwegen touren, dann werde ich zurück nach Hause, nach Brasilien fahren und mich wieder einmal richtig hinsetzen. Ich brauch unbedingt wieder Sonne und Wärme, dazu brasilianischen Schnaps und brasilianische Frauen, Samba usw. Das vermisse ich, wenn du verstehst hahahaha...

MF: Verfolgst du die heutige Metal-Szene?

PDA: Metal? Nicht wirklich... Ich konnte mich nie so wirklich mit dem ganzen Metal-Zeugs anfreunden. Ich bewegte mich immer mehr in der Punk-Ecke. Aber System Of A Down schätze ich sehr, für mich die beste moderne Band überhaupt und auch wahnsinnig nette und engagierte Menschen, gute Freunde von mir. Aber Punk regiert immer noch meine Musik-Welt, seit ich Teenager bin liebe ich die Attitüde, die Power dieser Musik.

MF: Deine Lieblingsband aller Zeiten?

PDA: Das ist einfach. The Ramones waren, sind und bleiben die beste Truppe, die es je gegeben hat und geben wird.

MF: Wir kommen langsam zum Schluss: Welche Pläne hast du für das Jahr 2007?

PDA: Zuerst werden mal die kommenden Shows gespielt, dann werde ich in Norwegen einen Gig auf einem Schiff geben, was sicherlich abgefahren sein wird, dann folgen, nachdem ich kurz mal zu Hause die Sonne genossen haben werde, einige Festival-Auftritte, u.a. in Deutschland... ähm... Tattoos brauche ich auch noch einige, dann wieder Konzerte. Daneben mache ich Charity-Events in Südamerika für die Unesco, was sicherlich auch cool werden wird. Ah, eine neue Frau muss ich mir auch noch suchen, hahaha... Und hoffentlich komme ich auch noch einmal zurück.

MF: Ein vielbeschäftigter Mann also... Wo wird Paul Di'Anno in 10 Jahren sein?

PDA: In 10 Jahren? Hihi, dann werde ich wahrscheinlich tot sein! Tot und verwest, ja, so wird’s wohl aussehen, hahaha... Nein, ich plane nicht gerne weit in die Zukunft, das hat noch nie funktioniert. Das letzte Mal, als ich das versucht habe, da hab ich geheiratet, doch der Bund fürs Leben war es mit dieser Schnalle so wie es aussieht wohl auch nicht, hahaha... Oh, diese Schlampe, hahaha... Nein, wenn ich ehrlich bin, will ich nicht wirklich etwas anderes tun als im Moment. Ich will noch in vielen coolen Bars spielen, viele unglaubliche Leute treffen, mit solchen Leuten wie mit der Unesco oder Hugo Chavez zusammenarbeiten, sich für etwas einsetzen. Ich liebe es, live zu spielen und Leuten wie euch eine gute Zeit zu schenken, aber man muss, wenn man kann, auch etwas für jene Menschen tun, denen es nicht so rosig wie uns geht. Dann will ich auch meine Kinder mehr sehen und mich egoistischerweise auch ein wenig an meinem Ersparten erfreuen. Ich hab mir letztes Jahr einen Hummer gekauft, bin aber noch nicht einmal in dem Scheiss-Teil gesessen, weil ich verdammt noch mal nie zu Hause bin. Dasselbe mit einer einmaligen Harley, die ein Freund von mir angefertigt hat... Ich hoffe, ich kenne die Namen meiner Kinder noch, hahaha.

MF: Ein wunderbares Schlusswort. Ich danke dir für das interessante Gespräch, Paul.

PDA: Ich danke dir Mann, viel Spass beim Konzert und trink nicht zu viel. Ich werde für uns beide trinken…



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