Interview: Poltergeist

16.11.2020
By Roolf
 
«Ich schreib’s an jede Wand, diese Poltergeister braucht das Land!»



Was waren das noch für Zeiten, als man, um ein Demo zu bestellen, den langwierigen Postweg beschreiten musste! So ist es mir auch 1988 ergangen, als ich das sensationelle Demo «Writing On The Wall» von POLTERGEIST direkt bei der Band bestellt habe. Genialen Thrash Metal gab es schon zu diesen Zeiten auf die Ohren und an diesem Umstand hat sich bis heute nichts geändert! So ist das aktuelle Album «Feather Of Truth» ein wahres Thrash-Highlight! Nerven wir also, aus gegebenem Anlass, das Goldkehlchen André Grieder mit einigen aufschlussreichen Fragen und hoffen inständigst, auch solche Antworten zu bekommen…!

MF: Ihr habt für euer neues Album «Feather Of Truth» verdientermassen sehr viel Lob erhalten. Macht sich das bei der Nachfrage nach Poltergeist (Gigs und Merchandise) schon bemerkbar?

André: Wie Du auch weisst ist es zurzeit schwierig zu planen. Wir haben zwei Termine für 2021 schon fest, ohne wirklich zu wissen, ob es dann auch wirklich stattfinden wird. Merchandise läuft grad vor allem online, da würden wir an Konzerten wahrscheinlich auch mehr verkaufen als zurzeit.

MF: Mit dem Release von «Feather Of Truth» seid ihr geradewegs in die Covid-Zeit gerasselt. Wie schwierig gestaltet es sich, im Hier und Jetzt, Promo für ein neues Album zu machen?

André: Sehr schwierig, wie Du Dir bestimmt vorstellen kannst. Unser Label Massacre Records, hat trotzdem einen Spitzenjob gemacht, aber die Pandemie macht es allen grad nicht leicht.

MF: Waren eure Gigs vom 3. und 4. Juli 2020, zusammen mit Destruction, so was wie die vorgezogenen Release-Shows fürs neue Album?

André: Die waren ja nicht vorgezogen, das Album erschien ja just an diesem Tag, also wars die Release-Show und beide Shows waren einfach fantastisch für alle Beteiligten. Vielleicht das letzte Mal, dass ich mich so richtig lebendig gefühlt habe im 2020.

MF: Mit «Back To Haunt» ist euch 2016 ein beachtliches Comeback gelungen und ihr habt von allen Seiten beste Reviews erhalten. Was waren die Gründe für die lange Wartezeit von vier Jahren bis zum neuen Album?

André: Wir hatten alle Zeit der Welt, da wir keinen Druck gespürt hatten, gleich im nächsten Jahr ein neues Album zu veröffentlichen. Unsere damalige Plattenfirma Pure Steel machte auch kaum Werbung für das Album, oder verweigerte sich die Alben ihrer Bands auf irgendeiner Streamingplattform zu veröffentlichen. Man kann ja von Spotify halten was man will und als Band verdient man auch kaum was, aber trotzdem wird deine Musik für Millionen Hörer verfügbar, die dann vielleicht auch deine Alben kaufen. Da V.O. ja sein eigenes Studio besitzt, konnten wir das neue Album in aller Ruhe einspielen. Die ersten Songs schrieb V.O. und Chasper schon 2018.

MF: Das neue Album «Feather Of Truth» erscheint bei einem anderen Label als sein Vorgänger. Macht ihr bewusst immer nur Deals über ein Album bei den jeweiligen Labels?

André: Eigentlich nicht. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass unser nächstes Album auch auf Massacre erscheinen wird, mit denen wir sehr zufrieden sind. Bei Pure Steel war das leider aus diversen Gründen nicht mehr der Fall.

MF: Wie fest profitiert ihr, in Sachen Nachfrage, von der Tatsache, dass die altbekannten Thrashgiganten wie Kreator, Sodom und Destruction immer noch hammerstarke Alben releasen und der Thrashszene immer wieder neues Leben einhauchen?

André: Das ist schwierig einzuschätzen. Sicherlich profitieren wir, dass es Thrash Metal überhaupt noch gibt und auch durchaus Nachwuchs vorhanden ist. Durch die Zusammenarbeit von Schmier mit VO haben wir natürlich auch ein enges Verhältnis zu Destruction.

MF: Du hast ja 1990 für Destruction das Album «Cracked Brain» eingesungen. Hast du zu jener Zeit mit einer internationalen Karriere geliebäugelt, was mit deiner Stimme mehr als logisch gewesen wäre?

André: Soweit hatte ich damals ehrlich gesagt nicht gedacht. Für mich war es zuerst vor allem ein Gefallen für meine Kumpels Mike, Harry und Olly, um Ihnen zu helfen, das Album fertigzustellen. Da ich auch mit Schmier gut befreundet bin, kam für mich aber ein Einstieg nicht in Frage. Ich wollte auch meine Poltergeist Jungs nicht im Stich lassen, da ich ein sehr loyaler Typ bin. Ausserdem wollte ich mein Gesangsstil beibehalten, der auf der Cracked Brain doch ein bisschen thrashiger war.

MF: Für mich, hebt deine grossartige Stimme Poltergeist von vielen Thrash Metal-Bands ab, denn du kannst wirklich geil singen. Ist das auch einer der Gründe, warum ihr eher filigranen Thrash anstelle von stumpfem Thrash spielt?

André: Das hat sich einfach so ergeben. Unsere damaligen Heroes waren halt Bands wie Exodus, Metallica, Heathen, Forbidden usw. Die auch eher technischen Thrash spielen. Ursprünglich komme ich ja auch vom Heavy Metal. Meine frühen Einflüsse waren Iron Maiden, Judas Priest, Saxon und vor allem KISS. VO und ich schminkten uns unabhängig voneinander als Kids, wie KISS. VO als Ace Frehley, ich als Gene Simmons und bastelten Gitarren aus Pappe.

MF: Seit eurer Gründung habt ihr, anstelle über den Rhein zu blicken, eher über den grossen Teich geschaut und euch dort inspirieren lassen. Woher kommt eure Vorliebe für Ami-Thrash?

André: Wir haben natürlich die Thrash Bewegung aus erster Hand mitbekommen. Ich war damals Stammkunde bei Atlantis Records, einem Plattenladen in Basel. Vielmehr habe ich meine Freizeit dort verbracht. Dort hat sich die ganze Basler Hard Rock Szene getroffen und sich die ganzen neuen Perlen reingezogen, die damals auf den Markt kamen. Anfangs vorallem eben die Klassiker und irgendwann kamen da halt Bands wie Venom oder Slayer auf den Markt und ich liebte die pure Gewalt, die da aus den Boxen kam. Da war es um mich geschehen. Irgendwann kam dann auch dieses «Bonded by Blood» von Exodus auf den Markt und deren Riffs waren einfach Mindblowing. Eben viel technischer als von Venom oder auch Slayer. Seitdem bin ich Fan der Bay Area Bands.

MF: Bei Poltergeist sind alles geniale Musiker am Werk. Wieviel fliesst von diesen Musikern in Poltergeist ein oder ist Poltergeist alleinige Sache von V.O. Pulver und dir?

André: Sehr viel, wie man am neuen Album sieht. Chasper hat vier Songs (Megalomaniac, Thin Blue Line, Unholy Presence und Notion) geschrieben und Ralph einen (The Culling) und auch der Text stammt von ihm. Ausserdem hatten sie freie Hand bei der Gestaltung Ihrer Basslines, bzw. Drumparts, was auch sehr viel zum Sound von Poltergeist beigetragen hat. Wir sind eine Band, die natürlich von VO und mir getragen wird, aber die Jungs geben uns den Kick, unsere alten Ärsche noch über die Bühne zu tragen, haha!!

MF: Viele neue Thrash Metal-Bands geben ihrer Musik noch Zutaten von anderen Stilarten wie Death- oder Black Metal dazu. Habt ihr auch schon an solche Experimente gedacht oder wird es Poltergeist weiterhin nur nach dem Reinheitsgebot geben?

André: Wir haben eigentlich noch nie darüber nachgedacht und wir stehen halt schon für dieses Old School Ding. Grundsätzlich ergibt sich das einfach beim Songwriting, dass es am Ende halt nach Poltergeist klingt. Liegt sicher auch an meinem eigenen Gesangsstil, der es nach Poltergeist klingen lässt. Wir hatten aber in der Vergangenheit durchaus auch Einflüsse von anderen Musikstilen versteckt, wie beispielsweise den Rap-Part auf Act Of Violence von unserem Behind My Mask Album. Ausserdem können sich die Jungs ja in ihren anderen Bands in anderen Stilen genug austoben.

MF: Mit V.O. Pulver habt ihr einen genialen Produzenten mit eigenem Studio in euren Reihen. Wie schwierig ist es für ihn, Poltergeist und seine eigene Musik zu produzieren?

André: Ich glaube nicht, dass es für Ihn schwierig ist, weil er einfach ein Naturtalent ist. Klar kommt da sicher auch mal eine Band ins Studio, deren Stil nicht seine erste Wahl ist, aber am Schluss klingt es halt einfach geil, weil er sich einfach sehr gut in die Musiker reinversetzen kann. Ich habe schon mit anderen Tontechnikern und Produzenten zusammengearbeitet, aber bei Ihm fühl ich mich mit Abstand am wohlsten.

MF: Werdet ihr den Turnus von vier Jahren bis zum nächsten Album beibehalten oder habt ihr bereits schon Ideen für das nächste Album?

André: Wir haben uns da noch gar keine Gedanken drüber gemacht. Wir werden uns sicherlich wieder genügend Zeit nehmen, aber das heisst keinesfalls, dass es wieder vier Jahre dauern muss. Das lag ja dieses Mal auch an unserer unklaren Vertragssituation. Also dauert es vielleicht nur drei Jahre. Da unsere zwei Axtmänner dauernd am Songs schreiben sind, kanns schon sein, dass da schon in einer Schublade neue Songs rumliegen, da bin ich aber der falsche Ansprechpartner, da wir doch räumlich nicht grad nahe beieinander wohnen, ausser VO und ich.

MF: Wie schwierig gestaltet sich die Planung von Gigs für euch, da mit Reto Crola (Drums) und Ralph Winzer Garcia (Bass) noch zwei Musiker dabei sind, die auch noch bei Requiem aktiv sind?

André: Wenn wir eine Anfrage für eine Show bekommen, klären wir das immer sofort ab, ob es keine Überschneidungen gibt. Da gibt’s ja nicht nur Requiem, sondern auch noch Wolf Counsel und bei Chasper Klaw und Eddie’s Beast und bei VO Gurd und Pulver plus Studiotermine, also eine ganze Menge Planung ist da nötig.

MF: Habt ihr für das neue Album eine Tour geplant oder werdet ihr vorwiegend Wochenend-Gigs machen?

André: Eine kleine Tour mit Freakings und Gomorra war eigentlich schon geplant, platzte aber aus bekannten Gründen. Zurzeit weiss ich da auch nicht mehr, wie das weitergehen soll. Da geht es uns nicht anders, als allen Künstlern auf dieser Welt.

MF: Wieviel Wehmut spielt bei euch mit, wenn ihr eure Auszeit von 1993 bis 2016 betrachtet und seht wo Bands, die mit euch angefangen haben, hingekommen sind?

André: Als wir uns damals trennten, war Thrash Metal eigentlich tot. Die Bands, die übrig blieben, machten auch eher untypische Alben wie zum Beispiel «Renewal» von Kreator oder die eher gemässigten Testament Alben, wie «Practice What You Preach» oder «Souls Of Black». Wir waren einfach zu wenig gross, um sich wirklich über Wasser zu halten. Persönlich mache ich mir ehrlich gesagt auch keine grossen Gedanken darüber. Damals war ich auch ziemlich müde von dem ganzen Business und brauchte die Auszeit. Dass sie dann so lang dauert war natürlich nicht geplant, aber ich habe einfach nie die Band gefunden, in der ich mich wirklich entfalten konnte, habe aber nie mit dem Gedanken gespielt für immer mit dem Singen aufzuhören.

MF: Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern gerne noch mitteilen möchtest?

André: Bleibt Gesund und unterstützt soweit wie möglich die lokale Szene. Wir haben hier in der kleinen Schweiz wirklich eine tolle Szene mit tollen Bands, die ich gar nicht alle aufzählen kann, die reissen sich alle ihren Arsch auf, um irgendwie über die Runden zu kommen. Dazu zähl ich auch die Magazine, die einen tollen Job machen um uns zu unterstützen. Polter ‘til Death und vielen Dank an all unsere Fans für die Unterstützung, denn ohne Euch gäbe es uns auch nicht mehr!!

Mit dem Schlusswort trifft André den Nagel voll auf den Kopf! Wenn man sich nur ein wenig umsieht, dann stellt man unschwer fest, wie viele geniale Bands aus der Schweiz kommen und zu den Schwergewichten (natürlich nur sinngemäss gemeint, André!) gehören ganz sicher auch POLTERGEIST, von denen wir hoffentlich auch livemässig im 2021 wieder etwas sehen werden. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, empfiehlt sich das geniale neue Album «Feather Of Truth» von POLTERGEIST als Appetizer!!


POLTERGEIST in den 80ern