Interview: Pristine

By Rockslave
 
Whiskey und Vinyl.



Wie schon an anderer Stelle erwähnt gehören Pristine, die Retro Blues Rockband aus Norwegen, zu meinen musikalischen Faves der jüngeren Vergangenheit. Im Zuge der Tour mit den Blues Pills im letzten Jahr, wollte es der Zufall, dass ich vor dem Konzert über ein Youtube-Video von Heidi Solheim und ihren Jungs stolperte und das damals aktuelle Album „Reboot“ zu dem Zeitpunkt eine Zeit lang in ganzer Länge zur Verfügung stand. Danach wars eine Weile weg, und inzwischen wurde es von der Band selber wieder verfügbar gemacht. Das Teil hinterliess von Anfang an einen derart guten Eindruck bei mir, vor allem der spacige Übersong «The Middlemen», dass ich diese Truppe nie mehr aus meinen persönlichen Playlists verbannen werde können. Dafür ist die Band mit ihrer tollen Musik zu gut und sympathisch obendrein. Etwas mehr als ein Jahr später folgt mit «Ninja» bereits das vierte Album und der Deal mit Nuclear Blast. Das liess aufhorchen und hoffen zugleich, dass nun trotz dem Labelriesen kein kommerziell geprägter Schlendrian Einzug hält und die kompositorische Essenz erhalten bleibt. Über dies und andere Themen sprach ich mit Heidi im nachfolgenden Skype-Interview.

Heidi: Hallo Daniel! Entschuldige die 20-minütige Verspätung…

MF: …kein Problem Heidi, und lass uns im Voraus gleich mit einer Businessfrage beginnen. Wie sind Pristine zum Plattendeal mit Nuclear Blast gelangt?

Heidi: Das war eigentlich ein Abenteuer… (lacht) – Unsere beiden ersten Alben («Detoxing, 2011 und «No Regret», 2013 – MF) waren ja nur in Norwegen veröffentlicht worden. Eines Tages erhielt ich von einem Typen ein Mail, der mir schrieb, dass er online auf unsere Musik gestossen sei und er es liebe, was wir gemacht haben. Es war ein Verleger und dieser wollte mit uns einen Vertrag abschliessen, respektive vorschlagen wie es mit uns weiter gehen soll und so weiter. Zudem wollte er mich wirklich auch darin unterstützen, unsere Musik ins Ausland zu bringen. Sein Name ist Oliver Alexander, und wir arbeiten nun seit diesem Kontakt zusammen. Er half mir, die ersten Alben (und dazu gehörte auch «Reboot», 2016 – MF) weltweit heraus zu bringen, und als Reaktion darauf gingen wir mit den Blues Pills auf Tour. Und da wir durchs Band gutes Feedback und positive Reviews erhielten, wurde Nuclear Blast so auf uns aufmerksam. Nach einem Konzert wurde ich darauf angesprochen, ob ich mit ein Teil ihrer Familie werden möchte…

MF: …cool…

Heidi: …yeah! Es war halt so, dass nachdem mir der erste Typ geschrieben hatte und sagte, dass er unsere Musik anhört und mag, ich vorher immer alles selber gemacht und meinen eigenen Weg verteidigt habe. Ich beanspruchte mein Umfeld, setzte meine ganze Energie und Geld für die Band ein…, alles wurde in die Musik gesteckt. Als dann Leute auch mich zukamen und mir anboten, mit ihnen zusammen zu arbeiten, hatte ich zuerst Mühe, das wirklich zu glauben.

MF: Wie sieht es nun bezüglich einzugehenden Verpflichtungen bei einem grossen Plattenlabel wie Nuclear Blast aus? Gibt es da nur Vor- oder auch Nachteile zu vergegenwärtigen?

Heidi: Für mich war es wichtig, die Leute von Nuclear Blast vorher zu treffen, bevor ich zustimmte. Es war mir ausserdem wichtig zu spüren wie sie ticken und wie authentisch sie sich geben, denn ich kann nicht mit jemandem zusammen arbeiten, der nicht an die Musik glaubt. Und sie waren einfach wunderbar! Es war so lustig, und wir verbrachten eine sehr gute Zeit mit ihnen. Zudem waren alle sehr nett. Zu diesem Zeitpunkt war für Pristine also alles in bester Ordnung, und für mich stimmte es ebenso, wie das Ganze anlief.

MF: Die neuen Songs für den vierten Longplayer «Ninja» wurden bereits letztes Jahr geschrieben. Zu den Aufnahmen habe ich eine besondere Story erfahren, denn ihr habt diese in bloss einem einzigen Tag (!) eingespielt und danach noch drei Tage für die Overdubs aufgewendet. War das von Anfang an so angedacht oder letztlich purer Zufall?!

Heidi: Nein, das war auf keinen Fall so geplant (lacht) – aber es war crazy, denn ich war noch in meinem Leben so müde danach (lacht weiter) – und es war echt nicht so vorgesehen. Wir probten, bevor wir ins Studio gegangen sind und hatten die Songs voll drauf. Eigentlich nahmen wir dort einfach ein paar Anläufe und wählten jeweils das Material aus, was uns gut dünkte. Im Verlauf des Abends hatten wir dann alles durch und dachten, was zum Teufel haben wir da gemacht?! Es war sehr eine intensive und zugleich schöne Erfahrung für uns. Wir hatten anschliessend noch ein paar Tage offen und kehrten für den Gesang zurück ins Studio und nahmen noch zusätzliche Sachen wie Trompeten, Perkussion und zusätzliche Gitarrenspuren auf. Der Hauptteil wurde jedoch in einem Tag erledigt!

MF: Die aktuellen Texte verströmen einen persönlichen Touch von dir und tragen auch autobiographische Züge. Was kommt zuerst, die Texte oder die Musik?

Heidi: Immer zuerst die Musik! Wenn ich mich hinsetze und anfange zu komponieren, trage ich einen Groove oder ein Gefühl in mir, wohin der Song gehen soll, also zum Beispiel uptempo oder dass mir ein gewisser Drum-Groove vorschwebt. Dann beginne ich mit der Ausarbeitung rund um diese Idee, kreiere eine Melodie, und die Texte kommen immer zuletzt, bevor wir ins Studio gehen.

MF: Charakterisiere bitte alle vier Pristine-Alben mit zwei Wörtern und einem „und“ dazwischen…

Heidi: …alle vier Alben?!

MF: Ja… (eigentlich wollte ich für jedes einzelne Album so ein Statement, fragte aber dummerweise nicht nach…, doch Heidi lieferte die Antworten per nachträglichem Skype-Chat nach!)

Heidi: Ahh…, das ist eine sehr gute Frage! (lacht) – Hmm…, da muss ich überlegen…, zwei Wörter, um sie zu beschreiben…

MF: …ja…

Heidi: …ich würde sagen…, «Detoxing» (2011): Blues und Intuition, «No Regret» (2013): Rock und Therapie, «Reboot» (2016): Psychedelisch und Aufgeschlossenheit und «Ninja» (2017): Funky und furchtlos.

MF: Wo liegt der Hauptunterschied zwischen dem Debüt und dem neuen Album?

Heidi: Das erste Album, 2011 veröffentlicht, trug noch mehr einen Blues-Touch…, aber ich finde es als Komponistin und Musikerin generell schwierig, meine eigene Musik zu beschreiben. Es macht trotzdem Spass, mit dir im Interview als Sachverständigen darüber zu sprechen. Man kann immer etwas dazu lernen. Es ist mehr ein Bluesrock Album als das aktuelle, und wir haben uns in den vergangenen Jahren etwas mehr zur psychedelischen Szene hin entwickelt.

MF: Du und ich haben bezüglich des Einflusses der Plattensammlungen unserer Väter eine Lebensgeschichte gemein…

Heidi: …wirklich?!

MF: Welche Scheiben haben für dich den Status eines heiligen Grals erlangt und warum?

Heidi: Ich fing an mit den Rolling Stones…, dem Album mit den Jeans vorne drauf («Sticky Fingers» - MF) – Das ist sicher das bekannteste und auch die Beatles…, ich denke das war «Revolver». Hierzu fühle ich mich eigentlich am nächsten und die Rolling Stones wie die Beatles sind als Bands meine heiligen Grale und weniger einzelne Alben. Ich wuchs mehr mit Songs auf, die mich besonders berührten.

MF: Meine zwei wichtigsten Alben waren Deep Purple mit «In Rock»…

Heidi: …echt?!

…ja…, und die zweite Scheibe ist Iron Butterfly mit «I-A-Gadda-Da-Vida».

Heidi: Ah ja…, ich liebe Deep Purple, und Jon Lord war einer meiner grossen Inspiratoren bezüglich der Hammond Orgel. Und wenn ich gefragt werde, mit welcher Band ich gerne auf Tour gehen würde, dann sind das ganz klar Deep Purple!

MF: Dann musst du dich aber bald darum bemühen, denn sie sind jetzt ja auf der „The Long Goodbye Tour“!

Heidi: Ich weiss…, ich muss mich also beeilen.. (lacht)

MF: Kennst du übrigens schon ihr neues Album «inFinite»?

Heidi: Nein…, noch nicht…

MF: …du solltest es dir anhören, es ist sehr gut geworden!

Heidi: Danke für den Tipp.

MF: Nicht nur für den Killer-Song «The Middlemen» ist die Hammond Orgel ein wichtiger Part des Pristine-Sounds. Wie sieht es nun aus mit der Teilnahme von Benjamin Mørk oder Anders Oskal als Livemusiker?

Heidi: Gerade jetzt wo wir zusammen sprechen, bereite ich deswegen Mails vor, weil Anders und Benjamin aktuell mit anderen Bands auf Tour sind. Deshalb bin ich jetzt dran, einen Ersatz für die Hammond aufzutreiben, weil ich auch denke, dass dies ein signifikanter Part des Sounds ist. Bei kleineren Tourneen fehlte der Platz, weil wir jeweils in einem Van unterwegs waren. Nun braucht es etwas Grösseres wie einen Nightliner und der Plan ist, einen neuen Tastenmann zu finden.

MF: Das mit dem Musiker scheint somit klar zu sein. Heisst das nun auch, dass «The Middlemen» auf der Setliste zu finden sein wird?

Heidi: Zur Zeit steht die Setliste noch nicht, aber wer weiss…, vielleicht sollten wir den Song in Erwägung ziehen…

MF: …unbedingt, denn das ist einer meiner absoluten Lieblingssongs von euch!

Heidi: Oh wirklich? Danke dir vielmals…, dann sollten wir den wohl berücksichtigen.

MF: Der Sound von Pristine ist perfekt dafür geeignet, um auf Vinyl gepresst zu werden. Welches Tonträger-Medium bevorzugst du persönlich?

Heidi: Ich bevorzuge Vinyl…, natürlich! Im Moment zeige ich meiner jüngsten Tochter, wie sie das Vinyl behandeln, auf den Plattenspielen legen und alle anderen Dinge rund um das Abspielen angehen muss. Das ist der „big deal“ in unserem Haus…, in der heiligen Ecke. Sie ist jetzt sieben Jahre alt und sehr stolz darauf, dass es ihr erlaubt ist. Zurück zum Thema…, wenn ich arbeite und Pristine ist eine Sache davon, kommt es sehr oft vor, dass ich mir Songs selber beibringen muss. Das ist dann der Fall, wenn ich für Anlässe wie Konferenzen, Gesellschaften oder Event-Jobs gebucht werde. Dazu muss ich mir viele verschiedene Titel drauf packen, und dann nutze ich dafür überwiegend Streaming oder auch Youtube. Das muss, für eine hohe Effizienz, schnell und konzentriert angegangen werden. Sonst bevorzuge ich aber, mich mit einem Glas Wein oder einem Whiskey hinzusetzen und dem Vinyl zu frönen.

MF: Somit haben wir wieder etwas gemeinsam…

Heidi: …ahh…, Whiskey und Vinyl! (lacht)

MF: Zur Promo des «Reboot»-Albums seid ihr letztes Jahr ja zusammen mit den Blues Pills aufgetreten, die stilistisch und von den Basics her ähnlich klingen. Nun seid ihr ja Bandkollegen bei Nuclear Blast! Wie cool ist das denn?!

Heidi: Ja! Das war eine absolut unglaubliche Tour und die Blues Pills sind eine fabelhafte Band. Nuclear Blast waren dabei ebenso toll und ich muss sagen, dass wir sind glücklich sind, all die Leute 2016 getroffen zu haben.

MF: Ihr werdet ja am 26. Mai wieder zusammen mit ihnen auftreten…

Heidi: …, ja…, am kommenden Freitag, und wir haben sie jetzt über ein Jahr nicht mehr gesehen. Da wird so wunderbar, sie wieder zu treffen.

MF: Ein paar Bands wie die Rolling Stones, die Scorpions oder Omega feiern 50 Jahre und mehr auf der Bühne. Kannst du dir vorstellen, mit Pristine in 20 bis 25 Jahren auch noch auf der Bühne zu stehen?

Heidi: Ehrlich gesagt ja, denn ich kann mir gar nichts anderes vorstellen. Ich habe kein anderes Lebensrezept, respektive –ziel, als weiterhin Songs zu schreiben und aufzutreten. Ich sehe mich für die kommenden zwanzig, dreissig Jahre absolut in dieser Rolle, und dann sollten wir wohl mit dem eigenen Nightliner unterwegs sein, dem angenehmen Begleitumstand von grossen Bands, damit die Familie und die Community beisammen sein können.

MF: Was magst du sonst noch, wenn du als Sängerin mal nicht auf der Bühne stehst. Hast du noch andere Interessen?

Heidi: Nein! Es ist schwierig, als Musikerin noch für etwas anderes Zeit zu finden, da ich ja noch mein eigenes Plattenlabel führe und eine Booking-Agentur betreibe. Ich habe aber noch zwei Stiefkinder, die ich sehr liebe, und wenn ich mich nicht mit der Musik befasse, verbringe ich die Zeit gerne mit ihnen.

MF: «Forget», der Schlusssong des neuen Albums, erzählt vom Traum einer besseren Welt und Zukunft für unsere Kinder, für die Menschheit. Eine unrealistische Vorstellung?

Heidi: Ich bin eine sehr positive Person, die liebt „ja“ zu sagen und es hasst „nein“ zu sagen. Meine Lebensphilosohie besteht einerseits darin zu reflektieren, was um mich herum geschieht und darüber Songs zu schreiben und andererseits unseren Kindern beizubringen, wie man lieb, respektvoll wird und sich selbstlos zeigt. Letztes Jahr las ich einmal ein Online-Magazin und war sowas von entsetzt über die Kommentare am Ende der Seite, wo es um ein Immigrations-Thema und Menschlichkeit ging. Die Leute waren sowas von böse und umhüllt von schwarzen Gedanken, was mir Angst einflösste. Das war der Grund, warum ich mich hinsetzte und «Forget» schrieb. Damit drücke ich meine Hoffnung auf einen besseren Neuanfang aus. Ich wählte das aus daran zu glauben, dass es passieren kann. In dem Moment, wo ich aufhöre daran zu glauben, werden wir verloren sein.

MF: Ich nehme an, du hast auch was zum tragischen Tod von Chris Cornell erfahren. Hast du dir seine Musik mit Soundgarden oder Audioslave angehört?

Heidi: Ja…, eigentlich spielte ich in jungen Jahren in einer Audioslave Band und es ist ein Schock zu jedermann, der in den letzten eineinhalb Jahren gestorben ist und sich von der Welt verabschiedet hat. Chris besass eine unglaubliche Stimme und war ein fantastischer Songwriter. Ein Riesenverlust für die (Musik-) Welt. Ich liebte seine Rockstimme und den unverwechselbaren Sound, war schon toll.

Danach kam die im Frühherbst startende Tour zur Sprache und dass Pristine am 19. September 2017 im Aarauer KiFF auftreten werden. Ich erzählte ihr von dieser kultigen Location, und Heidi zeigte sich hoch erfreut darüber, dass man dort in unmittelbarem Kontakt zum Publikum performen kann. Sie liebe die Interaktion mit den Fans und freue sich besonders auf intensive schweisstreibende Konzerte.

MF: Was möchtest du unseren Lesern und euren Fans als abschliessenden Kommentar hinterlassen?

Heidi: Ich freue mich darauf, euch bald zu sehen und hoffe, dass alle kommen werden, wenn wir das nächste Mal in die Schweiz fahren. Ich fühle mich dort wie zu Hause, und jedes Mal erleben wir hier eine tolle Zeit. Zudem hoffe ich, dass ihr das neue Album mögt, wenn es veröffentlicht wird.

MF: Heidi…, vielen Dank…, alles Gute und bis in ein paar Monaten.

Heidi: …ich danke Dir und wünsche noch einen schönen Abend…, bye.