Interview: Rage
By Roger W.
Für meine monatliche Metal-Sendung auf Radio Kanal K (siehe Beitrag auf dieser Homepage) hatte ich am 29. November in Pratteln die Möglichkeit, ein Interview mit Peter "Peavy" Wagner von Rage zu führen. Falls jemand dies Sendung am 25. Dezember nicht gehört hat, kommt Ihr jetzt in den Genuss des gesamten Gesprächs in schriftlicher Form. Bedanken dürft Ihr Euch beim Scheffe Roxx, der mich freundlich zur Transkription bat. Nur noch kurz: Rage sind eine Wucht, sowohl spieltechnisch wie auch von Bühnen-Einsatz. Wer sie damals nicht gesehen hat im Z7, hat definitiv was verpasst und sollte schleunigst mal in die Live-DVD "From the cradle to the stage" rein schauen. (R = Roger, P = Peavy)

R: Ihr habt jetzt neu die "From the cradle to the stage" Doppel CD/DVD raus gebracht, was für eine Bedeutung hat diese für dich?

P: Die markiert sozusagen das 20 Jahr-Jubiläum der Band. Es ist unsere erste offizielle DVD, unsere erste offizielle Live-CD und im Grunde eigentlich auch die erste "Best-Of" der Band. Da kommt also einiges zusammen bei dem Release.

R: Beim einen "Best-Of" habt Ihr nicht auch noch etwas dazu gearbeitet?

P: Es gibt schon ein paar "Best-Of" Releases, die sind aber alle ohne unser Zukommen entstanden. Das haben die alten Plattenfirmen gegen unseren Willen raus gebracht. Das sind auch nicht unsere Zusammenstellungen und insofern sind es eigentlich keine richtigen "Best-Of's".

R: Oft trifft man auf Jubiläums-CDs ehemalige Bandmitglieder an. Wieso habt ihr darauf verzichtet?

P: Es hätte nie viel Sinn gemacht, da ich eigentlich nur mit wenigen Ex-Mitgliedern in gutem Kontakt stehe. Gerade mit dem vorherigen Line-Up möchte ich gar nichts mehr zu tun haben. Und so hätte es keinen Sinn gemacht, wenn wir zum Beispiel den Manni (Schmidt, Gitarrist, heute bei Grave Digger) oder unseren ersten Trommler, den Jörg (Michael, heute wahrscheinlich wieder/immer noch bei Stratovarius) dazu geholt hätten und dazu niemanden von den anderen alten Leuten. Da haben wir lieber ganz darauf verzichtet. Aber man kann die alten Leute ja auf der Live-DVD sehen. Auf der Bonus-DVD ist da ein einstündiger History-Film drauf und da werden die alten Line-Up's vorgestellt. Wer sich informieren will über die Band und über die alten Zeiten der Band, der findet da genug Informationen.

R: Auf der "Ghost-Tour" waren Nightwish eure Vorgruppe. Fünf Jahre später füllen diese massiv grössere Hallen als ihr. Wie nimmt man das wahr, wenn man merkt, dass eine Vorgruppe einen sozusagen überholt?

P: Oh, ich freu' mich für die Leute. Nightwish sind eine nette Band. Wir mögen die Leute auch. Und es ist schön, dass sie so viel Erfolg haben.

R: Das ist euch zum ersten Mal passiert?

P: Ach, so was passiert einem eigentlich dauernd. Man muss das so sehen: Es gibt unheimlich viele Leute und Bands, die einen begegnen auf einem so langen Weg und etliche gibt's nicht mehr, andere sind grösser geworden als man selber. Es berührt mich selber eigentlich nicht. Ich gönn' jedem seinen Erfolg. Die haben ja auch hart dafür gearbeitet. Und ich freu' mich auch nicht, wenn jetzt jemand schlechter da steht als wir. Da hätte keiner was davon. Wir arbeiten sehr daran, dass diese Musik wieder populär wird und ich sehe das auch nicht als Konkurrenz-Denken.

R: Bei der Recherche bin ich auf ein Interview mit dir im Metal Hammer zur Zeit der "Welcome to the other side" (2001) gestossen. Damals hast du gesagt, dass du die Rage-Zeit in verschiedene Zeiten einteilst und zwar in eine Thrash-Zeit, Power Metal-Zeit und dann war die Orchester-Zeit. In welcher befindet ihr euch heute?

P: (lacht) - Im Jahr 2004. Es ist eigentlich so die Peavy-Victor-Mike-Zeit. Es ist schwer zu beschreiben, was wir jetzt machen. Wenn du mich jetzt nach einer Schublade fragst, muss ich passen. Ich denk' eine Band wie uns, wirst du in der ganzen Szene nicht wieder finden. Alleine schon die Herkunft: Ein Amerikaner, ein Russe und ein Deutscher. Das wäre früher ja schon ein guter Anlass für einen Witz gewesen (vor 1989, Mauerfall, Kalter Krieg..., für Geschichts-Banausen und sehr junge Fans). Die verschiedenen Backgrounds und Stile, die da zusammen kommen, sind schon was Besonderes. Ganz klar sind wir eine Heavy Metal Band, aber in welche Schublade du das jetzt stecken kannst, ist schwer zu sagen. Wir haben orchestrale, thrashige und powermetallische Elemente. Es ist im Grunde jetzt alles drin, ebenfalls progressive Elemente. Also ist es einfach RAGE-METAL. Ist schwer zu beschreiben...

R: Im gleichen Interview sagtest du, dass ihr in die einzelnen Ecken von den Plattenfirmen gedrängt wurdet. Wie war das damals, kam da jemand ins Studio und befahl, dass die Lieder jetzt so und so werden müssen?

P: Also, so direkt war's natürlich nicht. Du hast schon gemerkt, dass das Label versucht hat, bestimmte Songs zu bevorzugen. Zum Beispiel, wie sie es gemacht haben bei GUN (Records). Da wurde Gothic-Metal gerade populär, und da merkte man schon, dass sie halt die dunklen Songs, die wir schon immer hatten, bevorzugt haben. Zum Beispiel die für Video-Clips oder als Single übernehmen wollten. Das ist dann halt der Einfluss, den ein Label nehmen kann. Jetzt bei SPV (Records) ist das eigentlich gar nicht der Fall, die mischen sich da gar nicht ein, wie wir es künstlerisch machen. Das ist das erste Mal, dass ich das so erlebe.

R: In einem anderen Interview las ich Aussagen, die mir den Eindruck gaben, dass die Lingua Mortis Idee (Rage mischten als erste deutsche Gruppe Metal mit einem klassischen Orchester, zu hören auf "Lingua Mortis", "XIII" und "Ghost") gar nicht von dir kam, sondern irgendwie von aussen. Stimmte der Eindruck?

P: Nein, das stimmt nicht! Das mit der Klassik kam schon von mir. Ich bin ja mit dem aufgewachsen als Kind, hab auch lange Jahre klassische Gitarre gespielt und das Einzige, was von aussen kam, war die Möglichkeit, das endlich umzusetzen. Wir haben es vorher schon in einem kleinen Rahmen versucht auf Platten, wie auf der "Trapped!" (1992) und der "The missing link" (1993). Da waren es nur kleine Orchester-Teile. So 1996, zu Zeiten der Lingua Mortis, ging das los. Da haben wir von der BMG ein Extra-Budget gekriegt, damit wir das auch machen konnten. Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass das extrem teuer ist, mit einem Orchester zu arbeiten. Und wir konnten es uns vorher einfach nicht leisten. Das ist das Einzige, was jetzt von aussen kam.

R: Seit dem "Unity"-Album (2002) hat ja jeder von euch diese Runen. Was bedeuten sie und was war die Idee dahinter?

P: Bei mir ist es das Omega und das Ank, das ägyptische Symbol für's ewige Leben. Das Omega für's Ende halt. Diese Ideen für diese Symbole kamen von Mike (Terrana, Schlagzeuger), der wollte, dass jeder von uns so sein eigenes Symbol hat. So als Erkennungsding, das man für's Artwork benutzen kann. Und wir fanden die Idee auch nicht schlecht. Was Mike's Ding heisst, weiss ich gar nicht genau. Es ist irgendein keltisches Schutzsymbol. Bei Victor sind's einfach seine Initialen, die er auch schon vorher bei seinen Soloplatten benutzt hatte.

R: Aber die Idee war auch markttechnisch angedacht?

P: Ist schon eine Artwork-Idee. Da müsstest du jetzt Mike fragen, ob er sich was Tieferes dabei gedacht hat, dass wir das Benutzen wollen. Man kann es vor allem beim Merchandise gut umsetzen. Und das ist ja vor allem Mike's Gebiet. Er ist ja auch unser Manager. Und da kommen auch immer wieder so Artwork-Ideen.

R: Ich hab' auf der Homepage gesehen, dass ihr auf dieser Tour auch einen Teil akustisch spielt. Wo liegt der Reiz für euch, das zu tun; macht es überhaupt Sinn, an einem Metal-Konzert akustisch zu spielen?

P: Ja! Das muss ich jetzt berichtigen: Wir haben das zuerst vorgehabt, weil wir nicht wussten, dass wir zwei Vorgruppen haben (Dead Soul Tribe und The Ordeal). Wir hatten diese Akustik-Geschichte im Januar gemacht, als wir die DVD aufgenommen haben. Da haben wir uns sozusagen selbst supported. So als eigene Vorgruppe eigentlich. Da haben wir also ein Akustik-Set vor dem eigentlichen Auftritt gespielt. Das lässt sich jetzt zeitlich einfach nicht mehr durchführen, weil es einfach zu lang werden würde. Da wären deshalb vier Act's am Abend. Und mitten in die Metal-Show hinein..., das funktioniert nicht. Wir haben das am Anfang probiert, bei den ersten Shows, und wir haben festgestellt, dass da immer die Stimmung zusammen brach. Ich weiss nicht, ob wir's vielleicht irgendeinmal wieder versuchen. Aber so richtig Sinn macht es nicht in der Metal-Show.

R: Was bedeutet dir Weihnachten?

P: Ehrlich gesagt gar nichts, diese ganzen christlichen Feiertage. Ich hab' mit Religionen nichts zu tun. Ich finde meine Spiritualität in mir selber. Ich brauche keine Religionen und irgendwelche speziellen Feiertage, um spirituell drauf zu kommen. Und wir arbeiten an Weihnachten auch. Wir sind auf Tour und selbst unsere Geburtstage fallen dieses Jahr flach. Zufälligerweise fallen alle auf irgendwelche Tage, wo wir gerade spielen oder fliegen. Weihnachten hat für mich keine Bedeutung. Meine Freundin scheisst auch drauf, die geht wieder arbeiten nach einem Tag. Insofern musst du jemand anders fragen. Da hab' ich nichts damit zu tun.

R: Zur letzten Frage: Was soll euch der Weihnachtsmann zum 20-jährigen Jubiläum bringen, auch wenn er euch nicht wichtig ist?

P: Was er uns bringen soll als Band? Schön wäre, wenn er uns die Möglichkeit geben würde, dass wir mal ein richtig fettes Orchester-Konzert organisieren könnten. Das wäre ein schönes Geschenk.

R: So, wie Doro es jetzt auf ihrer eigenen Tour gemacht hat?

P: Ja, lieber noch etwas Grösseres! So, dass wir mit ganz vielen Gästen arbeiten könnten. Und einem richtigen, grossen Symphonie-Orchester. Ähnlich, wie wir es damals 1997 gemacht hatten. Victor (Smolsky, Gitarrist) arbeit schon daran. Wir haben auch vor, das nächste Album zu orchestrieren. Wir sind jetzt noch in der ganz frühen Planungsphase. Ich kann also noch nicht genau sagen, wann und wie es genau raus kommen wird, aber wir arbeiten daran.

R: Das wird also wieder in Richtung Lingua Mortis gehen?

P: Ja, aber wir wollen das noch toppen. Lingua Mortis war ein erster Versuch für uns damals gewesen und überhaupt für die Metalszene diese beiden Stile zu verbinden. Und mittlerweile haben's ja schon sehr viele gemacht und man hat ja jetzt auch eine gewisse Erfahrung. Und da Victor ja ein solch brillanter Musiker ist (er ist der Sohn von Dmitri Smolski, einem berühmten, weissrussischen Komponisten und hat auf seinem neuen Solo-Album Bach auf E-Gitarre nachgespielt) möchten wir da auch etwas richtig Tolles machen. Es soll richtig heavy werden und halt so ein Outstandig-Album. Da werden wir wohl eine Weile dran arbeiten müssen. Ich glaube nicht, dass es schon 2005 kommt, vielleicht so um Weihnachten, aber eher im 2006.

R: Das wär's bereits. Vielen Dank für's Interview und ein tolles Konzert wünsch' ich euch.

P: Ja, danke auch allen, vor allem den Fans. Dass ihr uns so lange die Treue gehalten habt und auf weitere 20 Jahre!