Interview: Riot V

By Tinu
 
Das Erbe von Riot aufrecht erhalten.



Es gibt sie, wird sie immer geben und gab sie! Die Musiker, die nicht durch grosse Skandale auf sich aufmerksam machen, sondern durch ausgefeilte Musik. Wie im Falle von Mark Reale, dem Mastermind von Riot oder besser gesagt dem Ehemaligen. Mark erlag am 25. Januar 2012 an den Folgen seiner langjährigen Erkrankung. Der Gitarrist hinterliess ein grosses Vermächtnis, welches seit zwei Jahren von seinem langjährigen Freund und Bandkumpel Mike Flyntz weitergeführt wird und dies mit grossem Respekt. Den spürt man nicht nur beim Lesen dieser Zeilen, sondern auch als er während des Interviews über seinen ehemaligen Kumpel sprach. Zusammen mit dem Wahnsinnssänger Todd Michael Hall, Virgin Steele-Trommler Frank Gilchriest, Bassist Donnie Van Stavern und Zweitgitarrist Nick Lee startete Mike unter dem Namen Riot V und dem Album «Unleashed The Fire» wieder gross durch. Wie Mark über seinen ehemaligen Kumpel fühlt und wie es zu Riot V kam, erzählte der sich beim Interview warmspielende Saitenakrobat.

MF: Welche Erinnerung hast du an Mark?

Mike Flyntz: Da sind viele unterschiedliche Erinnerungen an ihn. Einige persönliche und andere muskalischer Natur. Wir waren immer Freunde und auch Bandkollegen. Dabei sprachen wir viel über Musik, Filme, sassen oft im Flieger nebeneinander und hörten aus dem gleichen Gerät mit geteilten Kopfhörern die gleiche Musik. Wir standen auf die gleichen Sounds, wie UFO, Michael Schenker, Queen, The Beatles und viele unterschiedliche Dinge. Dieses Teilen der Musik, zusammen mit Mark, vermisse ich sehr. Oftmals schauten wir uns auch die gleichen Filme an. Wir lachten oft zusammen. Da war ab und zu sehr seriös (grinst), aber wir hatten einfach viel Spass zusammen. Musikalisch gesehen vermisse ich es sehr, nicht mehr zusammen mit Mark Lieder schreiben zu können. Auch wenn das Meiste von ihm stammte, liess er mich viele Harmonien komponieren und bat mich um Rat. Durch Mark lernte ich zu komponieren und wie man einen guten Song schreibt. Er zeigt mir den kompletten Aufnahmeprozess. Dabei liess er viele Meinungen zu. Es gibt ja einige Bandleaders, die ich nicht namentlich nennen möchte (grinst), mit dem Grundsatz, ihr Weg oder kein Weg… Mark war völlig anders und liess die Meinung der anderen Bandmitglieder immer zu. Stand eine gute Idee im Raum, begrüsst er dies. So änderte er viele Strukturen oder Riffs. Es war wunderbar von ihm zu lernen, wie man gute Lieder schreibt.

MF: Welche Krankheit hatte Mark?

Mike Flyntz: Die Morbus-Crohn-Erkrankung, eine chronische Darmerkrankung. Mark musste sehr viele Medikamente schlucken. Ob der Auslöser seines Todes diese Krankheit war, ist nicht sicher, aber er trug diesen Scheiss mehr als 25 Jahre mit sich herum. Auf Tour hat sich diese Erkrankung immer wieder als sehr hinderlich erwiesen. Du fühlst dich völlig schlapp, benötigst immer wieder ein Klo in deiner Nähe, weil sich dein Darm entleert. Über dieser Krankheit stand aber immer der Drang von Mark, Musik zu spielen. Wir spielten so oft wir konnten, aber abseits dieses verrückten Musikbusiness (grinst) war seine Krankheit leider der Grund, wieso wir nicht so lange Tourneen spielen konnten, wie wir wollten.

MF: Stand es für dich nie zur Diskussion, Riot aufzulösen?

Mike Flyntz: Für mich war immer klar, dass wir weitermachen würden, bloss wie? Als uns Mark verliess, überlegte ich fast ein Jahr lang, wie es mit Riot weitergehen könnte. Oftmals war ich zu traurig, mir klare Gedanken zu fassen. Mein Freund und der Bandleader war nicht mehr da! Donnie Van Stavern (Bass) schrieb aus seiner Trauer viele neue Lieder. Die finden sich teils auf dem letzten Album «Unleashed The Fire». Erst als uns Mister Reale, Marks Vater die Zustimmung gab, fanden wir den Mut wieder Vollgas zu geben. Ich sprach viel mit ihm, traf in fast wöchentlich und er bat mich, mit Riot weiter zu gehen, damit die Musik von Mark weiterlebt. Er sagte mir: «Wenn ihr diese Lieder nicht mehr spielt, wird sich niemand mehr an Mark erinnern! Also geht raus und haltet das Andenken meines Sohnes am Leben». Als mir sein Vater dies sagte, meinte ich: "Okay, ich werde es versuchen, keine Ahnung, ob mir dies gelingen wird." Weitere Hoffnung gaben mir meine Gitarren-Studenten, welche mich stetig dazu ermutigten, die Riot-Songs wieder auf die Bühne zu bringen. Ich sah mich nie als Ersatz von Mark. Seine Parts wollte ich zu Ehren von ihm spielen. Ihn ersetzen werde ich nie können. So versuche ich seine Teile auf meine Art zu spielen und ihm die bestmöglichste Ehre damit zu erweisen.

MF: Wo und wie hast du dazu deine neuen Bandkollegen gefunden?

Mike Flyntz: Donnie war schnell im Boot. Mit dem Sänger suchten wir eine Stimme, welche dem Tribut an Mark gerecht werden kann. Donnie schrieb die neuen Lieder und wir suchten einen Shouter, der jedem seiner Vorgänger gerecht werden konnte. Dass wir fündig wurden, daran dachten wir nie, aber schlussendlich gab es drei bis vier Kandidaten, die unserer Vorstellung sehr nahe kamen. Diese bekannten Shouter sollten dann die neuen und bekannten Tracks singen. Plötzlich hörten wir dieses Tape von Todd Michael Hall, das uns völlig weg geblasen hat. Wir schickten ihm zwei Lieder vom «Immortal Soul»-Album zu. Seine Versionen klangen so verdammt gut, dass viele Leute gar nicht begriffen, dass da nicht Tony Moore, sondern Todd Michael Hall singt. Als wir diese Versionen Mister Reale vorspielten, gab er uns grünes Licht für die Weiterführung von Riot. Ich war völlig begeistert, dass uns Marks Vater ermutigte, endlich wieder auf die Bühne zu gehen. Zusammen mit Frank und einem meiner Gitarrenschüler (Nick Lee) starteten wir durch und spielten die erste Show von Riot V. Das ist mittlerweile auch schon wieder zwei Jahre her (lacht).

MF: Ist somit «Unleashed The Fire» das beste Album, das ihr jemals aufgenommen habt?

Mike Flyntz: Das würde ich so nicht sagen (lautes Lachen). Es ist sicher ein gutes Album, allerdings würde ich nicht sagen, dass es das Beste ist. Die besten Riot-Scheiben wurden von Mark Reale geschrieben. Er ist der Bandgründer und der Hauptsongschreiber. Ich liebe alle Scheiben und kann schlecht eine heraus heben. «Unleashed The Fire» darf mit Recht den Namen Riot tragen, davon bin ich überzeugt. Auch wenn Mark nicht darauf zu hören ist. Darum haben wir, auch auf Bitte seines Vaters, den Namen etwas abgeändert und mit dem «V» ergänzt. Einfach dass die Leute auch wissen, dass hier nicht die originalen Riot am Werk sind. «Ist Riot V ein guter Name», wollte ich von Mister Reale wissen und er erwiderte: «Der ist absolut perfekt!» Allerdings haben die Japaner dies nicht verstanden und haben bei «Unleashed The Fire» das V beim Bandnamen weggelassen. Ohne uns zu fragen. Darüber waren wir ziemlich angepisst. Das ist aber eine andere, lange Geschichte (lacht).

MF: Du hattest mit Faith And Fire eine andere Band am Start, zusammen mit dem ehemaligen Riot-Shouter Tony Moore. War dies eher ein Projekt für dich?

Mike Flyntz: Das war die einzige Band, die ich kurz neben Riot am Laufen hatte und dies war aber eine kleine Geschichte ohne grosse Rückendeckung. Es kann aber sein, dass wir in zwei Jahren nochmals ein Album veröffentlichen werden. Wir sprechen darüber. Momentan bin ich aber mit Riot V zu beschäftigt, aber mal sehen, was uns die Zukunft bringen wird. ABER, wir haben bloss lose darüber gesprochen (lacht).

MF: Ist der japanische Markt noch immer der Beste für euch?

Mike Flyntz: Die Leute in Japan waren immer sehr gut zu uns. Auch wenn wir nie das grosse Geld verdienten (lacht). Gut, eigentlich haben wir nie Geld mit der Musik verdient (grinst). Grundsätzlich ist aber das Land der aufgehenden Sonne der beste Markt für uns. Auch wenn wir erst kürzlich in Barcelona zusammen mit Judas Priest vor über 20'000 Leuten spielten. Das passierte uns in Japan noch nie.

MF: Was war für dich in der Vergangenheit wichtig und was ist es heute?

Mike Flyntz (überlegt lange): Wow, ich starte mit heute. Heute ist es wichtig, dass wir noch immer fähig sind, mit Riot V weiter zu machen und dass wir damit unsere Unkosten decken können. Wir haben viel Geld verloren… Wichtig ist für mich, dass ich neue Lieder schreiben kann und weiterhin auf Tour gehe. Das ist verdammt schwierig geworden. Gutes Geld mit der Musik zu verdienen ist in weite Ferne gerückt, da bin ich schon froh, überhaupt ein bisschen was in der Tasche zu haben und die Kosten zu decken (lacht). Geld verdienen wir, wenn die Fans unsere Shirts kaufen. Das Geld, welches wir von der Plattenfirma bekommen, reicht gerade um die Aufnahmekosten zu decken. Das Geld fürs Touren reicht um die Flüge bezahlen zu können (grinst). Früher habe ich mir über den ganzen Business-Scheiss keine Gedanken gemacht. Heute denkt man über die finanzielle Lage schon ein bisschen anders. Als 51 Jahre alter Sack sind gewisse Dinge viel wichtiger geworden (grinst). Wichtig ist es, genügend Geld mit der Band zu verdienen, um weiter Musik machen zu können und die Truppe am Leben zu erhalten. Ich habe nie gross mit der Musik verdient, aber das ist völlig okay! Es gibt nichts Schöneres, die Musik von Riot zu spielen und die Fans zu hören, wie sie unsere Songs mitsingen. Das ist der Grund, wieso ich noch immer Musik spiele!

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Mike Flyntz: Es sind bereits zwanzig neue Lieder für ein kommendes Album geschrieben. Die wollen wir alle aufnehmen und die zwölf besten sollen dann auf die neue Scheibe kommen. Somit soll das Lebenswerk von Mark weiterhin am Leben gehalten werden. Wir hoffen, dass die Fans die kommende Scheibe ebenso gut aufnehmen wie «Unleashed The Fire», so dass die Band weiterhin am Leben bleibt. Das Musikbusiness ist sehr hart geworden. Nicht nur für Riot V, sondern für viele Truppen.

MF: Dazu wünsche ich euch alles Gute für die Zukunft!

Mike Flyntz: Danke dir und für deine wertvolle Unterstützung! Ich weiss das sehr zu schätzen.