Interview: Saltatio Mortis

By Oliver H.
 
Keine Plattform für Extreme auf Facebook.



Saltatio Mortis sind für viele Fans des Mittelalter-Genres nicht mehr wegzudenken. Musikalisch haben sie seit den Anfängen viele Reisen gemacht, besonders die Texte sind in den letzten Jahren immer gesellschaftskritischer geworden. Ihre humorvolle Seite haben die Deutschen aber keineswegs verloren, wovon man sich live stets selbst überzeugen kann. Diese Möglichkeit habe ich genutzt und vor dem Gig noch „Lasterbalk der Lästerliche“ und „Luzy das L“ mit Fragen gelöchert. Wie lästerlich die Antworten ausgefallen sind, lest ihr im Interview.

MF: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für ein Interview nehmt. Euer aktuelles Album ist nun schon eine Weile auf dem Markt und heisst «Brot und Spiele». Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Lasterbalk: Das ist eigentlich wie bei jedem Album ein sehr langer Prozess. Auf der einen Seite werden Ideen gesammelt, dann wird intern darüber diskutiert. Meist wird dann alles wieder zerworfen und man endet doch wieder bei der Ursprungsidee. Es ist schlussendlich immer ein Produkt von vielen Vätern und Müttern.

MF: Den Namen «Brot und Spiele» kennt man ja aus der Römerzeit. Welche Bedeutung hat das für euch?

Lasterbalk: Wir sehen das als Teil der Gesellschaft. Damit wird das Volk ruhig gehalten, ja sogar gefügig gemacht. Es gibt Zitate aus Theaterstücken, die sinngemäss aussagen, dass das Volk jeglichen Respekt vor der Politik verloren hat. Politiker sind nur noch mit sich und ihrer Bereicherung beschäftigt. Das Volk hungert und wird mit Brot und Spielen ruhig gehalten. Wenn man sich das so auf der Zunge zergehen lässt… man könnte das heute so in der Zeitung abdrucken und es hätte nichts von seiner Gültigkeit verloren. Es ist wirklich wieder topaktuell, auch wenn es 2000 Jahre alt ist. So schliesst sich schliesslich der Kreis wieder.

MF: Genau. Du hast damit eigentlich gerade eine Überleitung gemacht. Euch wurde ja bei «Brot und Spiele» teilweise unterstellt, dass ihr die Politik sein lassen und bei den Gauklerliedern bleiben sollt. Was sagt ihr zu solchen Aussagen?

Lasterbalk: Ja… das ist so mit jeder Kritik. Also erstens war die Band noch nie unpolitisch. Früher haben wir immer in den Ansagen kritisiert, vielleicht auch in einer etwas mittelalterlichen Sprache. Heute hat die Kritik einfach Einzug in die Texte gehalten. Was die Gaukelei und die Lustigkeit angeht liegt ja oft im Auge des Betrachters. «Nie wieder Alkohol» ist zum Beispiel ein ganz witziger Titel und wer den Humor vermisst, der sollte sich vielleicht einfach mal diesen Song anhören.

MF: Seht ihr euch selbst also als politische Band oder wäre das zu viel gesagt?

Lasterbalk: Wir sehen uns schon als politische Band. Kann man denn überhaupt unpolitisch sein? In Zeiten wie diesen zu sagen, dass ich zur aktuellen Entwicklung kein Statement abgebe, ist ja auch schon eine politische Aussage.

MF: Wie sehen das die Fans? Die haben ja über die letzten Jahre doch einiges mit euch an Veränderungen durchgemacht...

Luzy: Es sind natürlich immer ein paar dabei die sagen, dass wir mit der Politik aufhören sollen. Das wir bloss unterhalten sollen, damit man sich genau von solchen Themen ablenken kann. Aber diese Einzelnen sind genau die, denen man zu viel Gewicht gibt. Im Grossen und Ganzen wird unsere Entwicklung gut aufgenommen und unsere Meinung wird mehrheitlich geteilt. Viele sind sogar der Meinung, dass es gut ist, dass wir auf Probleme aufmerksam machen.

Lasterbalk: Es ist natürlich auch immer abhängig davon, in welchem Medium du dich bewegst. Wenn man sich die Verkaufszahlen und die Anzahl verkaufter Tickets anschaut, muss man wohl sagen, dass es der Mehrheit zu gefallen scheint was wir tun. Wenn du dich aber zum Beispiel auf Facebook bewegst, da gibt es eine lautstarke Minderheit, es sind wirklich bloss Einzelne, die aber krakeelen wie ein ganzer Kindergarten. Da wird ganz schnell Lautstärke mit tatsächlicher Masse verwechselt. Und natürlich ist es so, dass die Leute reagieren, wenn Dinge gesagt werden, die nicht ihrem Gedankengut entsprechen. Das ist auch legitim. Wenn jetzt eine Band die ich mag plötzlich anfängt Parolen zu brüllen, dann würde ich mir künftig einfach diese Band nicht mehr anhören. Dann können die bleiben wo der Pfeffer wächst.

MF: Wenn ihr jetzt gerade zum Beispiel auf Facebook negative Kommentare über euch lest, wie geht ihr in der Band damit um?

Lasterbalk: Ich glaube das Problem ist das, dass du gar nicht reagieren kannst. Wenn du nämlich anfängst zu diskutieren, stärkst du eigentlich die, die nur dazu da sind Randale zu machen. Eigentlich diskutiere ich gerne, wenn zum Beispiel einer unsere Texte scheisse findet. Was für mich aber keinen Sinn macht ist, auf einer Krawallplattform wie Facebook, extremen Haltungen auch noch eine Plattform zu geben.

MF: Habt ihr als Band auf «Brot und Spiele» einen Lieblingssong auserkoren?

Luzy: (grosses Gelächter) Als Erstes muss ich an «Grosse Träume» oder «Dorn im Ohr» denken aber auch an «Europa»… eigentlich alle…

Lasterbalk: «Europa» auf jeden Fall… ja ganz sicher!

MF: Dann passt das ja ganz gut. Wenn euch die Entscheidung so schwer fällt, scheint ihr ja eure Arbeit richtig gemacht zu haben.

Lasterbalk: Ja genau! (lacht)

MF: «Spur des Lebens» ist dagegen ein wunderschöner Song, aber auch dieses Lied ist aus Sicht einiger sehr weit vom Mittelalter (-Rock) entfernt. Warum habt ihr dieses Lied so weit vorne in der CD platziert, und wie wichtig ist dieser Song für euch?

Lasterbalk: Ach, was da immer geredet wird. «Spur des Lebens» ist meines Erachtens genau richtig platziert und zwar so ziemlich in der Mitte der Platte. In der Zeit von «Shuffle» und «Playlists» sollte das ja wirklich kein Problem mehr darstellen. Eine gewisse Dramaturgie ist uns aber schon wichtig, und ich glaube auch, dass gerade eine Ballade dazu da ist, einen Schnitt zu machen, um anschliessend wieder schneller und aggressiver agieren zu können. Wir schauen eher, ob die Übergänge zum Song vorher und nachher funktionieren.

MF: Vielleicht habt ihr es im Ausland auch ein wenig verfolgt, in der Schweiz waren ja eine Zeit lang auch rechte Tendenzen zu erkennen…

Lasterbalk: …die ja Gottseidank gekontert wurden…

MF: genau… und Deutschland ist ja sehr nah, deswegen kann ich "Besorgte Bürger" sehr gut nachvollziehen. Möchtet ihr euch dazu noch persönlich äussern?

Lasterbalk: Ich finde es sehr schlimm, dass Parteien vornehmlich vom rechten Rand, ohne konkrete Lösungen bewusst polarisieren und letztendlich dem Klientel, das sie eigentlich schützen wollen oder von denen sie sich Wählerstimmen erhoffen, einfach im Regen stehen lassen. Dass solche Parteien, die ganz offensichtlich mit fremdenfeindlichen Tendenzen spielen, die letztendlich auf Spaltung „wir gegen sie“ abzielen, finde ich nicht nur schlimm, sondern bekämpfenswert. Egal ob in Deutschland oder der Schweiz, überall! Geschichtshistorisch haben wir in Deutschland nochmals einen ganz anderen Fokus, was das Thema angeht. Dementsprechend finde ich es bei uns furchtbar, dass in der Wolle gefärbte Nazis im Bundestag sitzen und Politik betreiben.

MF: Es ist ohnmächtig, da zuschauen zu müssen…

Lasterbalk: …jeder kann etwas dagegen tun. Wir können Songs schreiben. Man kann in Gesprächen die Dinge beim Namen nennen. Man kann vorsichtig sagen, dass es sich…na ja… um eine rechtspopulistische Partei handelt oder direkt die Spitzenkandidaten, die zur Landtagswahl angetreten sind, als Nazis bezeichnen. Punkt! Man kann durchaus verschiedene Meinungen haben. Meinungspluralismus ist etwas ganz Grossartiges, aber es gibt Grenzen. Fairerweise muss ich an dieser Stelle auch sagen, dass es durchaus Grenzen gibt, was den Linksextremismus angeht, aber dies stellt momentan echt kein nennenswertes Problem dar. In jeder Kneipe, an jeder Familienfeier, an jedem Strassenfest kommt der Moment, an denen bei genug hohem Alkoholpegel wieder Parolen in der einen Art und Weise gebrüllt werden, und da gibt es nur eine Reaktion – Arschloch! Punkt – Schnauze – Arschloch! Kacke ist Kacke, und das kann man so auch vertreten. Wenn wir dies alle tun würden, anstatt weg zu gucken, hätten die Nazis keine Macht.

MF: Richtig, solche direkten Statements sollte es mehr geben. Jetzt verlassen wir aber dieses heisse Thema wieder und sprechen noch etwas über eure Musik. Ihr habt für das neue Album das Plattenlabel gewechselt. Warum?

Lasterbalk: Wir sind ja eine relativ treue Band. Seit knapp zwnanzig Jahren arbeiten wir mit derselben Plattenfirma wie demselben Management, aber an einem bestimmten Punkt will man sich als Band weiterentwickeln. So hat es sich ergeben, dass mit den auslaufenden Verträgen auch neue Gespräche zustande gekommen sind. Das ist jetzt überhaupt keine Wertung, dass Altes schlecht war oder Neues besser. Es hat sich für uns als Band einfach besser angefühlt zu dem Zeitpunkt… und tut es auch heute noch (lacht).

MF: Die Veröffentlichung von «Zirkus Zeitgeist» ist nun vier Jahre her. Habt ihr an der neuen Platte so lange gearbeitet oder euch dazwischen auch eine Auszeit gegönnt?

Lasterbalk: Zwischen «Zeitgeist» und «Brot und Spiele» liegen ja eigentlich drei Jahre. Ich finde es schon bezeichnend, dass man da von viel Zeit spricht. Man ist auf Tour, schreibt neue Songs und spielt diese anschliessend auch ein. Die Plattenfirma braucht auch ihren Vorlauf für Fotos und so weiter und so fort, und wenn man genügend masochistisch veranlagt ist, schafft man dies alles in zwei Jahren. Drei Jahre sind also aus unserer Sicht ein ganz guter Rhythmus.

MF: Ihr habt mit «Grosse Träume» auch einen Song auf der neuen Platte, in dem ihr von früher singt, wie ihr einst als Band wart. Seid ihr heute noch ähnlich unbeschwert oder seid ihr ernster und gesetzter?

Lasterbalk: Hast du unbeschwert gesagt? (lacht)

Luzy: Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir durchwegs unbeschwerter sind. Wir gehen sicher an manche Dinge bedachter heran, aber es kann immer noch passieren, dass eines zum anderen kommt und eine Aftershowparty dann im Backstage stattfindet.

Lasterbalk: Klar wird man älter. Es hat nichts mehr mit der jungen Wildheit zu tun, die noch vor zehn Jahren spürbar war. Es ist heute eine andere Zeit. Viele Dinge die wir damals erleben durften, würden heute wohl nicht mehr gehen.

MF: Aber der Spass ist zumindest noch da, wie ich das so gespürt habe.

Luzy: Ou ja, das wär schlecht, wenn dem nicht so wäre.

MF: Was können die Fans denn von eurer Tour erwarten?

Lasterbalk: Ja, Schweiss der von der Decke tropft. Ein hautnahes Konzerterlebnis, im wahrsten Sinne des Wortes und eine neue grandiose Dudelsackperformance… eine Dudelsackchoreografie der Extraklasse (Gelächter).

MF: Was hört ihr denn privat gern?

Luzy: Ach, alles quer durch. Von deutschem bis amerikanischem Punkrock, Hardrock. Rise Against, Green Day… höre auch manchmal Hip-Hop, dann auch wieder Metal wie Slipknot zum Beispiel.

Lasterbalk: Ich schliesse mich dem Gesagten an. Ich mag auch gerne Folk-Klassiker oder einfach Bands mit guten deutschen Texten. Das macht es mir einfach.

MF: Möchtet ihr unseren Lesern zum Abschluss noch etwas mit auf den Weg geben?

Lasterbalk: Nächstes Jahr im August kommt ein neues Album raus. Also immer die Lauschlöffel gespitzt halten, irgendwann gibt es News dazu.

Luzy: Kommt an unsere Konzerte (lacht).

MF: Danke für eure Zeit und die ausführlichen Antworten.

Lasterbalk/Luzy: Danke dir