Interview: Slipknot

By Lucie
 
Mit europäischem Spirit an amerikanische Festivals.



Sechs Jahre ist es her, seit Slipknot ihr letztes Album „All Hope Is Gone“ veröffentlicht haben. Seither musste die Band nicht nur den Ausstieg von Ausnahmedrummer Joey Jordison sondern auch vor allem den tragischen Verlust ihres Bassisten und Gründungsmitglieds Paul Gray überwinden, der an einer Überdosis Schmerzmittel im Mai 2010 verstarb. Das langersehnte neue Album heisst denn auch „The Gray Chapter“ und es beschäftigt sich vorrangig mit der Verarbeitung dieses Schicksalsschlages und mit den Geschehnissen und Entwicklungen, die der Band in den letzten fünf Jahren widerfuhren. In Amerika stieg „The Gray Chapter“ auf Platz 1 der Charts ein - aber Slipknot sind solche Erfolge ja gewohnt. Sänger Corey Taylor antwortete im Interview auf unsere Fragen.

MF: Was kannst du uns zu eurer anstehenden Europa-Tournee sagen?

Corey: Die UK- und Europa-Tournee, auf die wir uns grade vorbereiten, bedeutet uns wirklich viel. Vor allem in England wurden wir schon ganz zu Beginn unserer Karriere mit offenen Armen begrüsst und die Leute dort sahen schon früh, dass etwas aus dieser Band würde werden können. Die erste Show die wir in England gespielt haben war 1999 im London Astoria, und ich bin heute noch überwältig davon, wie es dort abging! Es war das totale Chaos! Es macht mich total traurig, dass es das Astoria heute nicht mehr gibt - aber so ist das Leben nunmal. Auf jeden Fall hat uns England gross gemacht und wir hatten dort einige unsere grossartigsten Momente, also werden wir versuchen, etwas besonderes an unseren Shows zu bieten. Natürlich freuen wir uns ebenso auf den Rest der Europa-Tournee wo wir von Deutschland und Luxemburg über Frankreich und Italien so viele Länder besuchen werden. Wir können es kaum abwarten, loszulegen!

MF: Wie entstand das Musikvideo zu "The Devil in I"?

Corey: Die Idee zum Video zu "The Devil In I" stammt von Clown und er hat nicht nur das Konzept dazu erarbeitet, sondern auch Regie geführt. Als er mir sagte, dass wir im Video alle sterben werden, hielt ich das sofort für einen Genie-Streich. Er fragte uns alle, wie wir gerne sterben würden, und lustigerweise wollten sowohl Jim als auch ich bei einer Explosion in die Luft gejagt werden und wir mussten uns dann zwei Varianten einfallen lassen. Er hatte den Druckbolzen und ich den bekam den Kill-Button. Es war echt cool! Die Effekt-Leute hatten keine Schuhe für den Dummy und ich musste ihm meine eigenen leihen, und ich habe jetzt immer noch Kunstblut auf meinen pinkfarbenen Chucks! Wenn mich jemand danach fragt, meine ich immer nur: "Frag nicht, das willst du nicht wissen."

MF: Was kannst du uns über das sehr gelungene Album-Artwork erzählen?

Corey: Das Artwork zum Album finde ich auch sehr geil. Für mich war es immer wichtig, dass wir sehr auffällige, markante Albumcover haben. Ich finde, das ist uns auch hier gelungen. Ich wollte unbedingt etwas, das Wiedergeburt repräsentiert. Und da das Leben als solches für mich ein weibliches Konzept ist, haben wir uns für eine weibliche Figur auf dem Cover entschieden. Männer bringen kein Leben auf die Erde, das können nur weibliche Geschöpfe. Als ich das Bild der mit einem Skelett bemalten Frau das erste Mal sah, war es aber nicht in erster Linie der Fakt, dass es sich um eine weibliche Gestalt handelt, der mir am meisten auffiel, sondern mehr der Effekt, der das Schwarz-Weiss von weitem hat: es sieht aus, als ob grau darin vorhanden wäre. Und da Grau - wie Clown mir immer wieder sagt - eigentlich nur eine Mischung aus Schwarz und Weiss ist, also fast so etwas wie eine Illusion, gefiel mir das so gut als Repräsentation des "Gray-Chapters".

MF: Wie war der Songwriting-Prozess für dieses Album?

Corey: An unser neues Album sind wir eigentlich auf dieselbe Art und Weise herangegangen wie bei den Vorgängern auch: Wir alle werfen einige Ideen in einen Topf, rühren ein paar Mal gut herum und schauen dann, was dabei raus kommt. Wir wollten, dass es sich natürlich anfühlt, wir wollten dieselbe Dringlichkeit und Direktheit, die wir bei jedem Album anstreben, auch hier erreichen. Was die Texte angeht so war uns klar, dass wir mit ganz schön heftigen Themen würden arbeiten müssen, denn wir haben ja vor vier Jahren eines unserer wichtigsten Mitglieder verloren und ausserdem haben sich unser Weg und der von Joey getrennt. Wir wussten also, dass es nicht einfach werden würde und haben uns schliesslich dafür entschieden, dass wir die Geschichte der Band in den letzten vier Jahren und was sie durchgemacht hat, thematisch aufarbeiten wollten.

MF: Welches sind deine Lieblingssong auf dem Album?

Corey: Die Songs, die für mich auf diesem Album besonders hervorstechen, sind - oh, das ist schwierig, ich höre nichts anderes mehr, seit wir dieses Ding aufgenommen haben, um ehrlich zu sein... "AOV" ist fantastisch, "Custer" wird live ein mega Killer sein, "XIX" und "Sarcastrophe" werden auf der Bühne ebenfalls voll zünden, den Leuten wird es die Köpfe wegblasen, das wird super! Ich finde eigentlich alles auf dem Album fantastisch, sogar ein Song wie "Killpop", der so anders und so vielseitig ist, er hat fast eine sexuelle Konnotation. Dieser Song dreht sich um meine Meinung von der Musikindustrie und was da in den letzten vier Jahren passiert ist. Insgesamt ist das Album sehr lebendig und hat viele Facetten.

MF: Was können wir von der neuen Live-Show erwarten?

Corey: Die neue Live-Show ist anders aber dennoch nur eine Erweiterung davon, was wir bislang auch schon gemacht haben. Clown ist ein kreativer Maniac, er hat mir einige der Sachen gezeigt, die wir für das Set zusammenbauen und ich dachte nur: "Oh wow, es geht wieder los!". Es wird mehr Bomben geben, mehr Explosionen, mehr Feuer! Viele Teile des Bühnensets werden sich bewegen, es wird viel Verrücktes passieren - es gibt alles, was man von einer Live-Show erwarten darf und die Leute werden es lieben!

MF: Was ist die Story zu den beiden Singles, die ihr vorab veröffentlicht habt?

Corey: Wir haben zwei Songs veröffentlicht, die die beiden Enden des Spektrums der Songs auf "The Gray Chapter" repräsentieren: "The Negative One" ist das eine Extrem, er zeigt die brutale, gutturale Seite von Slipknot, das entfesselte Monster. "The Devil In I", die erste Single, die wir veröffentlicht haben, ist melodischer, zwar immer noch intensiv, repräsentiert aber die tiefgründigere Seite des Albums. Es machte Sinn, den Leuten diese beiden Songs als erstes zu enthüllen, um zu zeigen, wohin die Reise mit "The Gray Chapter" gehen wird.

MF: Was steckt hinter dem Knot-Fest?

Corey: Mit dem Knot-Fest versuchen wir den Spirit von europäischen Festivals in die Staaten zu holen. Bei uns gibt es nämlich viel krassere Grenzen zwischen den verschiedenen Metal-Genres und ihren Fans, in Europa hingegen kommen bei den Festivals alle zusammen und überwinden diese Schranken. Das möchten wir mit dem Knot-Fest in Amerika auch erreichen! Wenn es nicht ankommt, dann eben nicht, aber ich bin überzeugt, dass die Fans es lieben werden. Ich sehe nicht, dass eine Tour daraus werden könnte, aber es könnte durchaus noch etwas expandieren und grösser werden, es ist ja jetzt schon um einiges aufwändiger als bei der ersten Ausgabe vor ein paar Jahren. Es wird vielleicht schon einige Stationen geben, wo wir die Bands an verschiedenen Wochenenden zusammen hinschicken, aber eine richtige Tour sehe ich kaum, denn sobald mal beweglich sein muss, kann man viel weniger Show und Infrastruktur auf die Beine stellen.

MF: Woher kam die Idee zu deiner Maske?

Corey: Die Idee zu meiner Maske ist einfach das, was ich damit ausdrücken möchte. Die Maske hinter der Maske ist das Gesicht eines Menschen, daher war es für mich logisch, eine zweiteilige Maske zu machen. Wenn man die sichtbare Maske herunternimmt, kommt da eine zweite zum Vorschein. Für mich repräsentiert das die verschiedenen Ebenen der Seele und wie wir mit Erlebnissen wie Tod, Verlust, Schuld, Zorn und Trauer umgehen. Um sich zu schützen und abzuschirmen zieht man oftmals eine Maske über - für mich ist meine Maske die visuelle Umsetzung dieser Idee.

MF: Wieso haben euer Basser und euer Drummer dieselben Masken?

Corey: Die beiden haben sehr ähnliche, aber nicht identische Masken. Der Grund dafür ist, dass sie noch nicht offziell zur Band gehören. Man muss sich seinen Platz in dieser Band verdienen. Ich weiss, das hört sich vielleicht für einige Ohren arrogant an, aber so ist es nunmal. Obwohl sie mit uns spielen, sind sie noch nicht Teil der Band. Aber wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln, wenn die Zeit kommt und sie beim nächsten Album immer noch dabei sein, sich anstrengen und mitziehen, dann werden sie irgendwann ihr eigenes Ding machen können. Aber momentan ist es wichtig, dass die beiden wissen, dass sie sich ihren Platz erst noch erarbeiten und verdienen müssen.

MF: Wird es neue Masken geben?

Corey: Unsere Masken sind bei jeden Album ein wenig anders. Einige verändern ihre Masken stärker als andere in der Band, aber es gibt immer einen Unterschied. Bei dieser Release ist es nicht anders. Clowns, Sids und meine Maske haben sich am meisten verändert, das ist wie eine natürliche Weiterentwicklung, denn Slipknot verändert sich ja auch mit jedem Album ein wenig. Wir sind nicht mehr dieselben Leute. Wir setzen uns auch nicht zusammen hin und reden darüber, wie wir unsere Masken verändern wollen, sondern wir machen es einfach. So sehr wir auch als Band zusammengehören, bei der Maske macht jeder sein Ding und wir vertrauen einander, dass jeder die richtige Form entwickelt.