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            | Von nachreisenden weiblichen
                        Fans und erotischem Fotoshooting.
 
  
 Progressive Rock wird wieder so langsam salonfähig. War das ein
                        langer Weg! So viele Menschenmassen wie damals Pink Floyd, Genesis
                        und Yes bewegen konnten, kann Steven Wilson noch nicht begeistern.
                        Aber er stellt sich dieser Herausforderung und arbeitet weiterhin
                        hart daran. Der kreative Kopf und Ausnahmekünstler sorgte dieses
                        Jahr als Headliner vom ersten Tag des «Night of the Prog» Festivals
                        für einen hervorragenden Auftakt. Er ist ambitioniert und ich bin
                        sicher, dass wir mit vielen weiteren und grossartigen Projekten
                        rechnen können. Metal Factory sprach mit ihm über den Erfolg des
                        aktuellen Albums «The Raven That Refused To Sing» und wie er es
                        findet, dass ihm jetzt mittlerweile sogar weibliche Fans in der
                        ganzen Welt hinterher reisen.
 
 Steven Wilson zeigte sich wie immer freundlich und charmant, sobald
                        er aber in das Thema "Musik" eintaucht, wirkt er unglaublich seriös
                        wie fokussiert und es fiel einem äusserst schwer, ihn in seinem
                        Redefluss zu unterbrechen. Ein wenig emotionale Regung und
                        Natürlichkeit zeigte er nur, als ich über die erotischen Bilder von
                        Susana Moyaho mit ihm sprechen wollte. Das Interview war dann
                        irgendwie schnell zu Ende und er musste unglaublich dringend aufs
                        Klo (!?)... - Warum er übrigens das Festival "Night Of The Prog" nie
                        spielen wollte, fragen wir ihn doch gleich mal direkt selbst...
 
 MF: Schön, dich wieder mal zu treffen, vor allem im Umfeld eines so
                        grossartigen Ambiente. Tolle Sicht habt ihr hier vom Backstage aus
                        auf die Rheinkurven.
 
 Steven: Ja, ich erinnere mich, wir hatten uns schon mal
                        getroffen.
 
 MF: Genau, in München vor knapp zwei Jahren im Zuge der «Grace For
                        Drowning Tour» hatten wir schon mal ein Interview zusammen geführt.
                        Erzähl mal, warum wolltest du dieses Festival, welches sich dem Genre
                        Progressive Rock widmet, nie auftreten? Es ist ja nicht so, dass das
                        nicht passen würde.
 
 Steven: Nun, die Location hier ist wirklich traumhaft, jedoch
                        habe ich mir vorgenommen, keine genrespezifischen Festivals zu
                        spielen. Ich ziehe es eher vor auf Festivals, wie zum Beispiel dem «Southside»
                        aufzutreten. Die Herausforderung ist viel grösser, denn die Leute
                        dort warten auf Kings Of Leon oder kommen wegen Rammstein. Für
                        das Publikum dort sind wir unbekannt. Es ist für mich sehr spannend,
                        diese Zuschauer herauszufordern. Es macht auch grundsätzlich mehr
                        Sinn für uns auf solchen Veranstaltungen aufzutreten, denn dort
                        kannst du potenziell mehr Fans dazu gewinnen. Ich habe versucht, mich
                        von den genrespezifischen Festivals fern zu halten, denn dort kennt das
                        Publikum meine Musik bereits. In dem Fall bevorzuge ich lieber
                        eigene Shows, bei denen ich die volle Kontrolle habe. Was mich dazu
                        bewogen hat, heute bei "Night Of The Prog" aufzutreten, ist, dass ich
                        mich mit dem Veranstalter einigen konnte, die Programmgestaltung für
                        den heutigen Tag selbst zu entscheiden. Ich wollte in jedem Fall
                        Magma haben, dann Pineapple Thief, Sanguine Hum..., ich wollte nicht
                        mit Bands zusammen spielen, die ich nicht kenne. So hatte ich fast
                        schon das Gefühl, dass das heute mein eigener Gig ist, daher habe
                        ich dieses Jahr eine Ausnahme gemacht. Ich wusste schon, dass es
                        grossartig sein wird, wenn ich hier spielen würde, denn ich habe
                        sehr viel über die Location hier gehört, aber ich konnte mir nicht
                        vorstellen, welchen Sinn es macht auf einem Progressive Rock
                        Festival zu spielen. Lieber trete ich vor Heavy Metal Fans auf und
                        versuche sie zu begeistern.
 
 MF: Wie schwierig ist es den Surround-Sound, welchen du bei deinen
                        Shows einsetzt, hier bei einem Festival umzusetzen? Ich denke, das
                        ist in einer kleinen Indoor Venue einfacher, oder?
  
 Steven: Oh, ich denke schon, dass es in kleinen Hallen einfacher
                        ist, aber das müsstest du eigentlich meinen Sound-Ingenieur fragen.
                        Ich bin sicher, da gibt es einige Dinge zu beachten, wenn man den
                        Surround-Sound im Freien umsetzen möchte. Daher arbeite ich mit
                        Spezialisten zusammen die genau wissen, was sie tun und die
                        unterschiedlichen Szenarien sehr gut kennen. Wir haben den
                        Quadraphonic-Sound jetzt auf einigen Festivals umgesetzt und es hat
                        sehr gut funktioniert.
 
 MF: Du hattest vorher bereits erwähnt, dass du gerne alles unter
                        Kontrolle behältst. Wie ist das jetzt, wo du erfolgreicher geworden
                        bist. Muss man die künstlerische Freiheit mittlerweile vielleicht
                        sogar ein wenig aufgeben?
 
 Steven: Für mich wird sich nichts ändern. Ich bin nun seit über
                        20 Jahren in diesem Business und die Leute um mich herum arbeiten
                        schon sehr lange mit mir zusammen und wissen genau, wie ich
                        funktioniere. Wenn ich Musik mache, dann tue ich das auf eine sehr
                        egoistische Art und Weise. So war es schon immer gewesen und so wird
                        es auch immer bleiben. Das neue Album «The Raven That Refused To
                        Sing» läuft sehr gut und ich bin sicher, dass die Plattenfirma
                        hofft, dass ich ein weiteres Album veröffentlichen werde, das den
                        selben Erfolg mit sich bringt. Aber eben, sie kennen mich zu gut,
                        das wird nicht passieren. Sei es Andy (mein Manager) oder Kscope (das
                        Label), alle Beteiligten wissen, dass ich mich nicht wiederholen
                        möchte. Das hat es für mich natürlich über die Jahre hinweg nicht
                        gerade einfach gemacht, aber dies ist letztendlich der einzige Weg,
                        der für mich zählt. Nur so kann ich Musik machen. Künstlerische
                        Einschränkung, bzw. die Kontrolle über meine Musik abzugeben, das
                        waren nie Themen und werden auch nie welche werden, über die ich mich
                        sorgen müsste.
 
 MF: Da kannst du sehr stolz darauf sein, diese Unabhängigkeit
                        erreicht zu haben.
 
 Steven: Das bin ich auch, aber du darfst nicht vergessen, dass
                        es ein langer Weg war bis hierher. Das waren 20 Jahre harte Arbeit,
                        um an diesen Punkt zu gelangen. Ganz am Anfang meiner Karriere habe
                        ich vielleicht mal eher versucht, mich nach anderen Leuten zu
                        richten. Ich bin jetzt über 40 Jahre alt und habe es wirklich nicht
                        mehr nötig, anderen Leuten immer alles recht zu machen. Auf der
                        anderen Seite kann ich natürlich sehr dankbar sein, dass ich loyale
                        Fans habe, die meinen Vorhaben gegenüber immer sehr aufgeschlossen
                        sind. Egal, was ich als Nächstes entscheide zu tun oder in welche
                        Richtung ich mich entwickle. So etwas musst du dir über einen langen
                        Zeitraum hin verdienen. Sicher gibt es den einen oder anderen, der
                        über eine Entwicklung nicht gerade glücklich ist oder dem manche
                        Phasen nicht gefallen, aber das muss man eben hinnehmen.
 
 MF: Wobei deine Entwicklungsphasen nicht unbedingt sehr extrem
                        waren, wie zum Beispiel bei Opeth.
 
 Steven: Ja, wahrscheinlich nicht so extrem, das ist richtig. Ich
                        habe Elemente aus dem Industrial Rock, Metal und zum Beispiel der
                        elektronischen Musik verwendet, bzw. kombiniert, aber es ging
                        grundsätzlich immer von der gleichen musikalischen Vision aus.
 
 MF: Du bist immer offen, um Neues auszuprobieren, das macht es so
                        interessant. Jetzt spielst du auch Bass auf der aktuellen Tour.
 
 Steven: Ja, das stimmt, ich habe auch auf den Solo-Alben Bass
                        gespielt, aber noch nie zuvor live. Bei «The Holy Drinker» gibt es
                        die Stelle, wo Bass und Chapman Stick gleichzeitig zum Einsatz
                        kommen. Nick Beggs spielt hier den Chapman Stick und ich übernehme
                        den Bass-Part. So haben wir das auch bei den Aufnahmen zum Album «The
                        Raven That Refused To Sing» umgesetzt. Ich muss sagen, ich liebe
                        dieses Instrument und schreibe auch viele Songs damit.
 
 MF: A propos Songwriting, wie geht es jetzt weiter, gibt es
                        interessante Projekte in der Zukunft, über die du bereits etwas
                        berichten kannst?
 
 Steven: Aktuell fokussiere ich mich auf die Tour mit den Jungs,
                        denn wir haben sehr viele Shows zu absolvieren bis Ende diesen
                        Jahres. Es gibt sogar bereits den einen oder anderen Gig im Januar
                        2014. Ich denke, die nächsten sechs Monate sind mit Live-Shows gut
                        ausgefüllt. Und dann, ehrlich gesagt, ich habe noch keine Ahnung, was
                        dann passieren wird. Es entstehen immer wieder neue Ideen wie
                        verschiedene Angebote und Möglichkeiten ergeben sich immer mal
                        wieder, mal schauen. Die Interesse am neuen Album ist sehr
                        gross, wer weiss, was sich daraus noch ergeben wird.
 
 MF: Ich glaube, du bist noch nie zuvor so stark in den Medien
                        vertreten gewesen wie mit diesem Album. Bei fast allen relevanten
                        Musikzeitungen war der Titel deinem Gesicht gewidmet, also auch auf
                        Musikzeitungen, wo man es nicht erwartet hätte, wie zum Beispiel das
                        Rock Hard.
 
 Steven: Ja genau, damit wurde wirklich eine breite Masse an
                        unterschiedlichen Musikliebhabern angesprochen und das erklärt
                        erneut, warum ich mich nicht auf genrespezifischen Festivals tummeln
                        möchte. Das wäre zu gefährlich, denn das Publikum ist mittlerweile
                        sehr breitgefächert. Jetzt kommen auch mal mehr weibliche Zuschauer
                        zu den Konzerten und sehr junge Leute. Und diese Leute wissen
                        wahrscheinlich noch gar nicht so genau, was Progressive Rock
                        überhaupt ist. Mit einer Chart-Platzierung, wie zum Beispiel in
                        Deutschland (Platz 3 der Albumcharts), sprichst du diese Leute eben
                        an, und sie kommen zu deinen Konzerten.
 
  MF: Es gibt sogar mittlerweile Mädels, die dir nachreisen. Fühlt sich
                        gut an, oder?!
 
 Steven: Ich liebe es! (lacht) - Darüber gibt es nichts zu klagen.
                        Ja, und ich frage mich warum das so ist. Vielleicht, weil diese ganze
                        Social Media Sache zunehmend an Bedeutung gewinnt und dadurch sehr
                        viele Leute auf meine Musik aufmerksam geworden sind. Sie hätten
                        vielleicht ohne das nie davon Kenntnis genommen. Über diese Kanäle
                        kannst du Musik mit vielen anderen Leuten teilen und neue Künstler
                        für dich entdecken. Zudem habe ich das Gefühl, dass diese Art von
                        Musik mittlerweile wieder mehr und mehr von der Masse angenommen
                        wird, vielleicht nur ein bisschen, aber immerhin. Es ist sicher noch
                        ein langer Weg dahin, bis diese Musik so populär wie Alternative
                        Rock oder Hip Hop wird. Wie du vorher erwähnt hattest, ich habe es
                        sogar auf die Titelseiten der Musikmagazine geschafft. Vor drei Jahren
                        wäre das noch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, da hätte man sich
                        lieber für die Foo Fighters entschieden.
 
 MF: Vielleicht sind auch die neuen Fotos der mexikanischen
                        Künstlerin Susana Moyaho daran schuld, dass jetzt auch Mädels auf
                        dich abfahren. Wenn ich das so sagen darf, sie hat es geschafft,
                        dich mit ihrer Kamera sehr erotisch einzufangen.
 
 Steven: Hoppla, oh! Ja, also ich bin sicher, sie wäre froh das
                        zu hören. Du musst es ihr sagen. Ich kenne sie schon sehr lange und
                        wie es so ist mit Fotografen, das weisst du sicher selbst gut genug,
                        da du ja auch fotografierst. Wenn du dich in der Umgebung von der
                        Person sehr wohl fühlst und nicht das Gefühl bekommst, du musst
                        jetzt quasi schauspielern, ist das die optimale Voraussetzung für
                        gute und natürliche Fotos. Susana und ich sind schon seit Langem
                        befreundet. Sie hat mir zusammen mit Lasse Hoile beim Film geholfen,
                        den wir im Zusammenhang mit dem ersten Solo-Album «Insurgentes»
                        gedreht haben. Ich habe grosses Vertrauen und wenn wir zusammen sind
                        und sie mich fotografieren möchte, dann lasse ich es einfach zu, und
                        es passiert auf eine ganz natürliche Art und Weise. Wir albern herum
                        und lachen viel. Mit Lasse Hoile ist es genau das Gleiche, wenn ich
                        mit ihm zusammen bin, dann fühle ich mich total entspannt und wir
                        unterhalten uns über Filme wie Musik und er nimmt einfach so
                        nebenbei ein paar Fotos auf. Dadurch fängt ein Fotograf etwas ein,
                        was viel mehr über dich als Person erzählt. Wenn du ein offizielles
                        Shooting machst, ist das meistens sehr steril und verkrampft:
                        "Kannst du deinen Kopf noch ein wenig nach links drehen, ja, nein
                        noch etwas nach links, ja gut und jetzt noch..." Lasse und Susana
                        haben da einen anderen Ansatz, sie sind wirklich grossartig.
 
 MF: Lass uns noch kurz über das neue Blackfield Album sprechen.
                        Wie sieht dein Engagement diesbezüglich aus? Wird es gemeinsame
                        Auftritte mit Aviv Geffen geben?
 
 Steven: Nun, es ist ein zeitliches Problem, das alles unter einen
                        Hut zu bekommen. Wie wir schon besprochen hatten, bin ich die
                        nächsten sechs Monate voll ausgebucht mit der Tour. Wenn es die Zeit
                        erlauben würde, wäre ich sofort dabei. Ich möchte auch Aviv nicht
                        blockieren damit, er soll ruhig Promotion dafür machen, und
                        eigentlich ist es ja seine Band. Er hat den grössten Teil der Songs
                        geschrieben und auch produziert. Ich kann es verstehen, dass die
                        Fans sagen "Hey, wir möchten euch zusammen sehen". Es gab
                        tatsächlich Überlegungen zusammen live aufzutreten, aber das geht
                        zeitlich leider nicht ganz auf.
 
 P.S.: Wer Steven Wilson und Band bisher noch nicht live erleben durfte
                        oder konnte: 12.11.2013, Lausanne - Les Docks, so be there!
 
 
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