Interview: Brian Tichy (The Dead Daisies, Ex-Whitesnake, Ex-Billy Idol)

By Denise G.
 
Fühlt sich mächtig unter Druck.


Brian Tichy war am Drumfestival Switzerland und nachdem ich mich im Sommer schon mit Doug Aldrich von The Dead Daisies treffen durfte, liess ich es mir nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit nun auch Brian ein paar Fragen zu stellen. Brian musste allerdings zuerst zur Autogrammstunde. Dafür gesellte sich seine Frau Jennifer zu mir und ich durfte zuerst mit ihr etwas über ihre Liebe zu Zürich plaudern. Ein sehr gut gelaunter Brian kam dann auch dazu und nachdem ich ihnen einen Ausflug auf den Üetliberg empfohlen habe ging‘s los. (Wie ich auf Facebook gesehen habe, haben sie meinen Rat tatsächlich befolgt und sich Zürich von oben angeschaut)

MF: Hallo Brian, danke dass du dir Zeit für mich nimmst.

Brian: Kein Problem, du hast ja auch schon Doug interviewt wie ich gehört habe. Hast du das Interview mit ihm gemacht, als wir im Sommer hier waren?

MF: Ja, aber da du ja heute quasi als Privatperson hier bist, möchte ich dir ein paar Fragen über dich und dein Schlagzeug stellen. Ist das ok für dich?

Brian: Ich liebe dieses Interview jetzt schon!

MF: Wie kommt es, dass du heute hier bist?

Brian: Ich bin hier, weil ich ein Drummer bin und heute am Drumfestival Switzerland spielen darf. Roman, der Gründer dieses Festivals, kam vor zwei Jahren an der Musik Messe in Deutschland zu mir und fragte mich ob ich 2016 Lust hätte hier aufzutreten. Damals konnte ich nicht, da wir mit The Dead Daisies auf Tour waren. Nun hat er mich dieses Jahr wieder gefragt und da wir unsere Tournee vor zwei Wochen beendet haben, habe ich zugesagt und nun bin ich hier. Dann kam ja noch dazu dass ich dachte: „ Ohhh, geil, Schweiz! Mein Lieblingsland! Ich lieeebe die Schweiz! Also nichts gegen all diese andern unglaublichen Ländern, die ihr hier in Europa habt, aber die Schweiz, ich lieeebe die Schweiz!

MF: Ja und wir haben ja die Berge, wie ich gelesen habe, gehst du mit deiner Frau anschliessend nach Zermatt.

Brian: Ja, ja, ja! Das Matterhorn! Ihr habt die beste Seite des Matterhorns!

MF: Wie kommt es, dass du ein Drummer bist?

Brian, (zieht eine Grimasse und spricht mit verstellter Stimme): Weil Gott es so gewollt hat!

MF: Stand es nie zu Diskussion, dass du ein professioneller Gitarrist wirst?

Brian: Ich wünschte ich wäre ein professioneller Gitarrist. Das wäre toll. Stell dir vor; du hast eine gute Gitarre, einen super Amplifier, kannst geile Chords spielen und hast dann auch noch einen Bassspieler und Drummer im Rücken. Das ist eines der coolsten Dinge, dies auf der Welt gibt. Aber vielleicht sind Drums einfach noch ein Bisschen cooler. Ich liebe einfach die Drums. Schon als ich ein kleiner Junge war, dachte ich das ist das Beste auf der Welt. So einfach ist das. Das gab keine Diskussion darüber ob ich ein Schlagzeuger werden sollte oder nicht. Es war einfach da. Möglicherweise ist das bei den meisten Drummer so. Bei den andern Musikern ist es meistens so… (überlegt) Nein, ich war ein Kind und es war so einfach. Ich sah die Drums, ich habe die Drums gehört und gedacht: Das ist eine coole Sache! Und der einzige Grund, weshalb nicht absolut Jeder ein Schlagzeug zu Hause hat, ist weil es zu laut ist. Ich war in dem Moment überzeugt, jeder, absolut jeder hätte gerne eins zu Hause. Ich war damals etwa fünf Jahre alt. Ich erklär dir das so: wenn du einen Berg hast, wie das Matterhorn… Da sah ich alles coole, welches man im Leben haben kann und ganz oben stand das Drum. Da war kein zweiter Gedanke mehr.

MF: Ich bin heute mit meiner Nichte hier, die auch Schlagzeug spielt. Sie wird morgen 12 Jahre alt. Denkst du so ein Festival wie heute ist auch wichtig, um den Nachwuchs zu unterstützen? Dass es denen so geht wie dir damals und die unten stehen, zu euch heraufschauen können und denken: ich will auch mal so gut werden?

Brian: Ich denke, jeder, der etwas macht und damit andere Leute inspirieren kann ist gut. Verstehst du, was ich meine? Es gibt genug Leute da draussen, die interessieren sich nicht dafür, was andere machen. Dann gibt es Menschen, die interessiert es und die denken dann, wow, wie ist das cool, ich muss Schlagzeuger werden! Die schauen mich an und denken: der spielt in einer Band und kann auf Tournee gehen und blablabla… Wir haben alle unsere Einflüsse und Inspirationen und wenn es Jemanden gibt, der mich gesehen hat und sich dadurch von mir inspiriert fühlt, das ist (zieht wieder eine Grimasse und sagt mit langsamer, tiefer Stimme) U N G L A U B L I C H! Einfach fantastisch.

MF: Du triffst dich hier ja mit verschiedenen andern bekannten und berühmten Schlagzeugern. Ist dies heute auch ein spezieller Tag für dich, wenn du mit all den sehr guten Drummern hier etwas fachsimpeln kannst?

Brian: Ja, jedes Mal wenn ich an einem solchen Festival spielen kann, ich habe noch an nicht so vielen teilgenommen, ist das sehr speziell. Ich treffe da Freunde. Ich treffe da aber auch Leute die ich schon immer kannte, sie mich aber nicht. Oder ich treffe Leute, von denen ich irgendwann, irgendwo einmal gehört habe. Oder: ich bin Fan von Jemandem… Für mich ist das schon jeweils schräg, ich weiss nicht wie es den Andern dabei geht… Also für mich bedeutet das immer eine Menge Druck. Ich kann nichts dagegen machen. Es sollte ja für mich eigentlich das Einfachste der Welt sein, auf die Bühne zu gehen und Schlagzeug zu spielen. F***, das ist das was ich mein Leben lang schon mache! Aber nein, das ist mein Problem… Ich sitze nicht jeden Tag hin und übe. Ich hab ja auch noch andere Sachen zu tun. Aber ich bin täglich auf der Bühne, also übe ich ja trotzdem irgendwie jeden Tag. Meine Seele sagt mir, ich soll da auf die Bühne gehen und all denen zeigen, was ich im Repertoire habe. Ich hab das schon genug geprobt und das kann ich locker. Mein Verstand sagt mir dann: lass es sein, du hast dafür nicht genug trainiert. Du kannst damit all diese fantastischen Drummer da draussen nicht beeindrucken. Aber ich will die doch alle beeindrucken. Das ist jedes Mal ein unglaublicher Druck, dem ich mich da aussetze.

Diese Woche war es wieder so weit, je näher der Tag heute rückte, umso nervöser und noch nervöser wurde ich. Und dann wurde ich wirklich, wirklich sehr nervös und war hin und her gerissen. Soll ich auf der Bühne heute explodieren und alle Leute vom Hocker hauen oder sehe ich‘s ein, ich habe nicht genug dafür geübt. Dann sehe und höre ich die Andern und die haben sich auf heute richtig vorbereitet. Ich habe den grössten Respekt vor denen. Ich sage mir dann, gehe nach Hause und geh‘ üben! Ich will aber auch nicht hinter meinem Drum sitzen, im Stil von Fleischbällchen Basics lehren und einfach nur etwas rumtrommeln. Ich will doch etwas spielen, dass mich herausfordert! Ich muss mich doch selbst etwas herausfordern! Ich will die Challenge fühlen, ich will die Intensität spüren, die alle vom Hocker haut. Aber ich bin noch nicht so weit. (winkt ab) Normalerweise sitze ich nach so einem Auftritt deprimiert backstage und seufze vor mich hin. Ohne all diesen Druck hätte ich aber auch nicht all diese Erfahrungen, die ich machen darf. Und genau diese Erfahrungen machen mich besser. Ich werde technisch immer besser, weil ich nach so einem Anlass meine Eindrücke in meinen Sack voller Erfahrungen stecken und darauf aufbauen kann. So, wenn ich nun das nächste Mal hier her komme und ich hoffe ich darf wieder kommen… Dann werde ich mich an heute erinnern und hoffentlich habe ich dann mehr Zeit. Sowohl hier, wie auch in der Vorbereitung. Damit ich dann exakt das machen kann, was ich eigentlich machen will. Die Wahrheit da hinter ist, wir haben vor zwei Wochen mit The Dead Daisies aufgehört. Ich ging nach Hause und habe direkt mit meinem andern Projekt angefangen. Hab dort Songs geschrieben und da war ich zwei Wochen ununterbrochen am Arbeiten. Hätte ich wenigstens eine Woche Zeit dazwischen gehabt, hätte ich mich besser vorbereitet. ABER: ich hab‘s nicht.

MF: Wer ist dein Idol?

Brian (Nimmt ein Chips in den Mund und nuschelt während dem kauen): Es gibt da so einen Drummer von einer Band, ich weiss nicht, ob du schon Mal von denen gehört hast. Die heissen Led Zeppelin und er John Bonham.

MF: Welche Marke hatte dein erstes Drum Kit?

Brian: Leedy. Ich hab das Snare Drum immer noch. Ok das war das erste Markendrum. Ein Jahr vorher hatte ich eins, das war aus dem Supermarkt. Wir hatten da so einen Laden, die verkauften dort einfach alles, von Kleidung, zu Spielzeug, einfach alles. Damals gingen wir dahin um unsere Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Da war ich acht Jahre alt. Ich hatte meine Wunschliste dabei, was ich mir alles gewünscht habe. Im Laden drin hatte es so kleine fake Spielzeug Drums für Kinder. Meine Eltern sagten mir, ich kriege dieses Ding nicht, es sei ja nicht einmal ein richtiges Schlagzeug. Es war aus Blech gemacht und der Name war Dynamite Drum Set. Mit Feuer und Flammen überall draufgemalt. Aber bevor ich mein Leedy bekam, musste es dieses Dynamite Drum Set sein. Der Sound war grässlich. Wenn ich das Bassdrum bedienen wollte landete mein Fuss immer daneben auf dem Boden. Das hat dann immer so: poing, poing gemacht. Irgendwann habe ich meine Eltern dann davon überzeugen können, dass ich, während ich meine Kiss Alben spielte, nicht immer poing, poing hören wollte. Und auch einmal das Bassdrum treffen wollte. Irgendwann ist dieses Teil dann verbrochen und im darauf folgenden Jahr bekam ich mein erstes, richtiges Drum.

MF: Jetzt spielst du ja auf Paiste, oder?

Brian: Aus der Schweiz!

MF: Warum spielst du auf Paiste?

Brian: Bis vor acht Jahren spielte ich auf einer andern Marke. Da waren auch ganz tolle Leute, die dort bei dieser Firma arbeiteten. Das war für mich damals nicht einfach, die zu verlassen. Aber da gibt es einfach zu viele Sachen bei der Charakteristik der Paiste Cymbals, die höre ich bei andern Marken nicht. So einfach ist das.

MF: Und die haben einen riesen grossen Gong, den du anscheinend mit Freude nutzt.

Brian: Das kommt dann noch dazu! Ein Freund von mir, der schon länger auf Paiste spielt kam zu mir und fragte mich: „Würdest du nicht gerne mal auf Cymbals spielen, die auch so klingen, wie du dir das vorstellst?“ Ich habe ihm dann mit: natürlich würde ich das gerne, geantwortet. Und er meinte, ja dann solle ich mal diese Paiste ausprobieren. Seit da bin ich bei denen. Ich liebe die Cymbals, die haben eine Weichheit im Klang, eine unglaubliche Qualität und so einiges, was ich bei andern Marken nicht höre.

MF: Wenn du doch mal zum Üben kommst, wie übst du?

Brian: In erster Linie mal viel zu wenig. Ich mag es ja eigentlich zu üben. Ich kenne auch Schlagzeuger, die trainieren nicht gerne, weil sie nicht gerne alleine Musik machen. Ich liebe es. Ich mag es zu Hause zu sitzen und neue Sachen zu testen oder mir etwas Neues anzueignen. Das macht mich glücklich und ich sollte mir wirklich erlauben, dafür mehr Zeit zu finden. Aber ich spiele auch gerne Gitarre. Und ich habe auch noch eine Familie und diverse Verpflichtungen. Und dann kommt der Tag wie heute und ich denke mir (setzt wieder sein Gesicht auf und parodiert mit tiefer Stimme): oh, ich will ja noch etwas in Form kommen, ich muss mir etwas ausarbeiten. Und dann will ich wieder alles hinkriegen und es klappt wieder nicht. Wenn ich allerdings mal ganz alleine an meinem Drum sitze, dann geht es einfach los, da fühl ich keinen Druck. Ich spiele dann einfach und die Ideen sprudeln. Da denke ich mir dann: wow wenn ich das jeden Tag für 1-2 Stunden machen könnte! Kann ich aber nicht. Ich denke und höre jedoch immer und alles. Ich brauche meine Ohren immer und die ganze Zeit.

MF: Also trainierst du mehrheitlich mit deinem Gehirn?

Brian: Konstant.

MF: Was würdest du tun, wenn du nie Drummer oder Gitarrist geworden wärst?

Brian (zieht die Augenbraue hoch): Kein Gitarrist?

MF: Nein.

Brian: Dann hätte ich nach einem Weg gesucht um mit einem Speed Bag (kleiner Box Sack) Geld zu verdienen. So im Stil von: Ich stehe auf der Bühne und schlage im Rhythmus darauf und die Leute kommen und zahlen Eintritt um mir dabei zuzuhören.

MF: Auf was bist du am meisten Stolz in deinem Leben als Drummer?

Brian (überlegt lange): Das ist ja eine Frage! (seufzt) da gibt es einiges… also am meisten Stolz bin ich… ähhmmm… Ja also…

MF: Willst du den Joker ziehen?

Brian: Nein, um das geht es nicht, ich will dir darauf nur in aller Ehrlichkeit und im vollen Ernst darauf antworten. Ich denke es sind all die Jahre und all die Stunden, die ich mit dem verbringen konnte, das ich liebe. Zu wissen, dass es da Idole von mir gibt, die mich schon gehört haben. Für mich ist das etwas Unglaubliches. Es gibt Schlagzeuger, die höre ich mir schon an seit ich ein Kind war. Jahrzehnte später hören die mich und sagen mir etwas Nettes. Das ist Wahnsinn. Da schliesst sich der Kreis wieder. Das ist eigentlich ein Traum. Das müssen nicht mal nur Schlagzeuger oder Musiker sein. Von einigen wurde ich ja auch engagiert. Das gibt unglaubliches Selbstvertrauen, welches wir ja alle wollen. Und dann werde ich auch noch dafür bezahlt.

MF: Und auf was bist du stolz im Leben neben deinem Schlagzeuger Dasein?

Brian: Na bravo, noch so eine Frage (lacht) Aber das ist einfacher, wir haben ja Zwillinge. Mädchen. Bevor ich Kinder hatte, dachte ich über so vieles anders. Aber sobald man Kinder hat verändert sich alles. Du musst das Beste sein, das du sein kannst. So gut wie du es nur kannst. Na klar für meine Kinder bin ich cool, die denken: ohh mein Papa spielt Schlagzeug! Sie sehen aber auch wie ich mich um alles kümmere. Ich versuche denen meine Inspiration weiter zu geben. Ich versuche mit ihnen herauszufinden, was sie lieben und ich hoffe sie können irgendwann einmal mit dem ihre Rechnungen bezahlen. Ich denke am meisten bin ich stolz darauf, meine Kinder und eine gute Beziehung zu ihnen zu haben. Und darauf was ich bin, wie ich bin und dass ich gut bin in dem, was ich mache. Ich setze sie nicht unter Druck. Ich kümmere mich nicht allzu sehr darum, was sie tun. Ok ich kümmere mich schon, was soll ich sagen, es sind Teenager… (seufzt) Ich sage ihnen: findet euren Weg und findet heraus, was ihr wollt.

MF: Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Brian: Stupid. Ja, stupid. Es ist kein drumming Style, es ist dumming Style. Oder nennen wir es Arbeit im Progress.

MF: Und wie hast du deinen eigenen dumming Style kreiert?

Brian: Ich arbeite noch daran. Ich versuche irgendwie meine Idole zu imitieren.

MF: Haben die Bands, in denen du gespielt hast oder spielst deinen Stil verändert oder beeinflusst?

Brian: Nein, nein, die haben… nein! (überlegt lange) Wenn ich in einer Band spiele versuche ich sie so gut es geht zufrieden zu stellen. Dass der Sound gut klingt und dass der Sänger, egal ob David Coverdale, Billy Idol, Ozzy oder Jeff Taylor, glücklich ist. Ich will den Leader der Band glücklich machen. Das ist kein verändern meines Stils, sondern ein anpassen an deren Stil. Ich spiele jeweils nicht gleich weiter, nachdem ich mit einer Band auf Tour war. Zu dieser Zeit habe ich deren Stil gespielt, nachher kommt eine andere Zeit. Das ist wie bei einem Mountain Bike mit all den verschiedenen Gängen. Ich stelle dann jeweils den richtigen Gang ein oder wechsle zum richtigen. Das Mountain Bike ist immer das Gleiche, aber du bist auf verschiedenen Bergen oder Ebenen und nutzt den richtigen Gang.

MF: Ich danke dir herzlich für dieses Interview.

Brian: Ich danke dir. (Dreht sich zu seiner Frau und meint:) Da kriegen wir von ihr nicht nur Ausflugstipps, das war auch ein ganz tolles Interview.
Ich komme wieder, du auch?

MF: Mit dem grössten Vergnügen!