Interview: The Haunted
By El Muerte
Ich traf am späten Nachmittag des 21. März 2005 im Vorfeld der "Rise through the filth"-Tour in Zürich ein, um Peter Dolving, Sänger von The Haunted, die Hand zu schütteln und mal eben einige Fragen zu stellen. Vorerst fand sich allerdings nur der Tourmanager am Treffpunkt ein, der mir beichtete, dass Pete schlafe, und vor der Show nicht mehr zu erreichen sei - ich solle deshalb doch nach ihrem Set noch einmal vorbeischauen. Macht ja nix, Abendessen wäre sowieso angesagt gewesen. Mit gut gefülltem Magen tauchte ich dann in der im Gros aus 18-jährigen Gothic-Mädels bestehenden Menge unter, um mir eine Ladung Thrash um die Ohren hauen zu lassen. Gesagt, getan (wie das verlief könnt ihr im Live-Bericht nachlesen), und zur rechten Zeit am Backstage-Bereich eingefunden. Aber nein, der Herr Dolving hätte "unbedingt unter die Dusche müssen", wird mir dann erklärt. Ich solle doch nach dem Moonspell-Auftritt nochmal vorbeikommen. Auch gut. Stinkende Interview-Partner können ja auch ganz schön nerven. Und tatsächlich, frisch geduscht wirkt der Herr Dolving gleich viel freundlicher, als noch vor knapp einer Stunde auf der Bühne. Also zuerst mal raus aus dem arg engen Backstage-Bereich (schon zum dritten Mal heute ;-), raus auf die Strasse, rein in den Tourbus. Und da sitzt er nun vor mir, gut gelaunt, redselig und geduscht. Im folgenden Interview profiliert er sich zudem als wortgewandter Positivdenker, der gerne mal von der Frage abschweift, wenn ihm danach ist. Als Erstes habe ich ihn darum gebeten, sich doch gleich mal vorzustellen... (PD = Peter Dolving)

PD: Hi, mein Name ist Peter Dolving, ich singe in einer Band namens The Haunted. Wir sind jetzt seit acht Wochen pausenlos auf Tour. Ich bin ein wenig müde und erkältet, weswegen ich eigentlich nur rumliegen und schlafen möchte, aber ich kann Nachts nicht schlafen. Glücklicherweise konnte ich aber einige Schlaftabletten auftreiben, also werde ich heute Nacht gottseidank schlafen.

MF: Welche Bands müsste ich hören, um eure Musik zu verstehen und was sind eure Haupteinflüsse?

PD: Wow, das ist eine lange Liste. Ich denke, du solltest mit "Bonded by blood" von Exodus beginnen. Eine der ersten Thrash Metal Scheiben, die den Spagat zwischen Punk Rock und Metal geschafft hat...

MF: Sorry, wenn ich dich unterbreche, aber gerade auf eurer Scheibe "rEVOLVEr" finden sich doch mehrere Elemente, die so nicht durch den Thrash bekannt wurden, zum Beispiel offene Akkord-Spielereien und Uptempo-Songs, stammt das also trotzdem von dort?

PD: Ja, genau. Früher sah es so aus, als ob die gesamte Thrash-Szene weit offener war als heute. Es ging einfach nicht nur darum, den bösen Metal-Typen zu spielen, es ging darum, Spass zu haben. Ja, wir spielen mit wirklich harten Themen und Ideen, darüber singen wir ja. Aber wir wollen nicht, dass unser Publikum versucht Figuren zu verkörpern, die sie nicht sind, eben diese ultrabösen Metal-Typen. Wir wollen einfach Spass haben, tanzen, durchdrehen - dafür ist diese Musik ja da, deswegen klingt sie so, deswegen machen wir sie so. Es ist Musik, um Energie freizusetzen.

MF: In Anbetracht der Tatsache, dass das Besetzungs-Karussel auch vor The Haunted nicht halt gemacht hat - Wie fühlt sich das momentane Line-Up an?

PD: (O-Ton) Ssssssweet! Wahrscheinlich das Beste überhaupt. Ich liebe Adrian (Erlandsson, ehemaliger Drummer bei The Haunted, spielt nun bei Cradle Of Filth) in jeder Art und Weise. Aber ich denke, für diese Musik ist Per einfach der bessere Drumer. Und was meine Rückkehr betrifft, denke ich, dass das wirklich gut ist. Wahrscheinlich stosse ich damit einigen von Marco's (Aro, Ex-Sänger) Fans vor den Kopf - Noch einmal, ich stehe auf das Zeug, das Marco mit den Jungs aufgenommen hat - aber ich denke, dass die Band durch mich ein weiteres Spektrum bekommen hat, und genau das wollten sie ja auch. Sie wollten die Möglichkeit haben, mit den Vocals zu variieren, unterschiedliche Stilistiken auszuprobieren, sich weiter zu öffnen. Ich denke..., es ist DAS Line-Up.

MF: Warst du nicht ein wenig skeptisch, als sie dich kontaktiert haben?

PD: Nein, keineswegs. Das geschah an einem Punkt in meinem Leben, als ich wirklich bereit war dafür. Ich war einfach nicht bereit, als wir die erste Scheibe veröffentlichten, und deswegen bin ich ja auch ausgestiegen. Als ich dann die Möglichkeit bekommen habe, war's genau der richtige Zeipunkt, es hätte nicht besser kommen können, wirklich.

MF: Hattest du gleich von Beginn weg das Gefühl, dass es diesmal klappen würde, oder war's einfach ungewohnt, wieder mit den selben Typen Musik zu machen?

PD: Es war sofort perfekt. Wir wussten genau, was wir wollten. Wir wollten etwas verdammt Cooles machen, energiegeladen und intensiv, ganz einfach weil wir denken, dass diese Art von Musik so sein sollte. Wir haben uns direkt an die Arbeit gemacht. Klar mussten wir uns erst mal hinsetzen und einige Sachen ausdiskutieren; klären, ob da irgendwelche Probleme sind, aber es war einfach perfekt, es hat gleich geklickt. Was eigentlich ziemlich offensichtlich war, schliesslich hatten wir immer irgendwie Kontakt. Ich bin verdammt glücklich, wieder in Band zu sein. Ich geniesse es, und die Jungs genau so.

MF: Wie verlief das Songwriting, jetzt wo du wieder in der Band warst (bist)?

PD: Eigentlich haben wir diese Band gegründet, um dynamische und energiegeladene Songs zu schreiben. Songs, nicht Riff-Ungetüme. Wir wollten Songs mit einer Dauer zwischen drei und vier Minuten machen, weil wir schon immer Bands wie Slayer, D.R.I., The Cure und Kraftwerk (!) gehört haben, einfach Bands, bei denen es um die Songs ging. Klar hatten sie Hammer-Riffs, aber sie wurden den Songs angepasst, es ging um die Songs. Und das hatte sich ein wenig geändert, als ich weg war. Weil Marco die Sache halt anders anging, einen anderen Background hatte, und weil er nicht in Gothenburg lebte. Wenn sie also Songs schrieben und aufnahmen, war er eher selten
anwesend. Er lebt in Stockholm, das ist ungefähr fünfzig Kilometer weit weg von Gothenburg.

MF: Also hatte er gar kein Input, was die Songs betrifft, sondern tauchte nur zum Recorden der Vocals auf?

PD: Ja, genau. Ich hingegen bin der nervende, zetternde und nagende Typ, und ich bringe die Leute dazu, über die Songs zu diskutieren, weil ich das so will. Ok, manchmal reisse ich meine Klappe zu weit auf, und dann kriege ich halt einen scharfen Verweis (lacht). Aber meistens sind sie froh um mich, weil ich eben nicht nachgebe. Für mich ist das einfach ein Teil meines Jobs, in der Suppe zu rühren. Und tatsächlich bringen wir so bessere Songs zu Stande. Ich weiss nicht, ob das auch auf die Riffs zutrifft, aber ich weiss, dass die Songs besser werden. Also ja, das Songwriting verläuft definitiv anders. Diesmal konnte ich auch alle Texte selber schreiben, was ich sehr genossen habe. Das ist etwas, worüber ich sehr froh bin, dass ich das machen kann. Ich wollte sogar in meine Auszeit für sie schreiben, bloss hat nie jemand nachgefragt. Ganz einfach, weil sie gnadenlos gute Songwriter sind, Unglaubliches auf die Beine stellen und ich sie sehr vermisst habe.

MF: Also kann man die Songs nicht mehr spezifisch auf die Björler-Zwillinge oder Jensen aufteilen?

PD: Bis jetzt war das tatsächlich so. Nun ist es aber wirklich anders, wir sind viel offener zueinander, wir haben viel mehr Vertrauen. Wir erlauben einander mehr Input zu geben, wir kümmern uns nicht mehr um die Integrität, weswegen es sowieso viel mehr Spass macht. Beispielsweise in einer Nacht wie heute, in der alle krank sind, ausgetrocknet, weil wir jeden Tag gespielt haben, und trotzdem schaffen wir es immer noch, die gute Laune zu halten, und das ist gut so. Es fühlt sich gut an.

MF: Hat es während dem Songwriting sowas wie einen roten Faden gegeben?

PD: Musikalisch gesehen nein. Wie haben Vieles ausprobiert, und es halt zusammengesteckt. Und dann haben wir uns hingesessen, und das Beste rausgepickt. Was die Texte angeht, so sind es halt "Peter Dolving Texte", also die ganze Palette von Emotionen bis vereinfachte Politik. Gerade bei dem Thema versuche ich, nicht zu komplex zu werden, weil's sonst zu predigend wirkt, und ich bin nicht der Typ, der den Leuten sagt wo's lang geht. Aber ich musste einfach zum Ausdruck bringen, was heutzutage schiefläuft, da konnte ich nicht dran vorbei.

MF: Ich würde gerne noch mal auf dieses Thema zurückkommen, aber zuerst möchte ich noch einige song-orientierte Fragen stellen, Ok? Wie bist du die Songs von Marco Aro angegangen, hast du daran etwas verändert/angepasst?

PD: Nö! Ich singe sie, wie es am besten zu mir passt. Es sind immer noch die gleichen Songs, ich benütze die selben Gesangs-Strukturen. Marco singt eher Staccato, ich "fliesse" eher - liegt wahrscheinlich daran, dass ich mehr Blues höre (lacht). Wahrscheinlich hört er gar keinen Blues. Aber es kommt tatsächlich darauf an, was du für Musik hörst. Ich mag alles von Russischer Volksmusik über Oper zu Reggae, Metal, Hardcore, Punk Rock. Ich höre Musik, alle möglichen Sorten. Er hat eher einen traditionellen, Hardcore Metal-mässigen Ansatz, ich versuche das als Musiker anzugehen, so seh' ich das an. Ich bin ein Musiker, es ist mein Job und ich möchte nichts anderes in der Welt machen.

MF: Wie ist es zum Gastauftritt von Lou Koller gekommen (auf dem Track "Who will decide")?

PD: Ein Kumpel von mir arbeitet für den Vertrieb in Schweden/Skandinavien, und ich habe ihm eine Proberaum-Aufnahme des Songs vorgespielt, auf der ich und Jonas den Gesang teilten, und er meinte, ich sollte doch mal Lou Koller fragen. Zuerst dachte ich, dass der Typ doch sowieso nicht weiss, wer wir sind. Aber mein Kumpel hat ihm bei Gelegenheit mal den Song vorgespielt, und er hat ihn gemocht. Tatsächlich steht er sogar auf unsere Band. Also ist er eines Tages bei uns im Studio reingeschneit, bevor er mit Sick Of It All am Abend in Gothenburg gespielt hat, und nach anderthalb Stunden war's im Kasten. Er ist ein extrem positiver, ruhiger Mensch, ich kann gar nicht erklären, wie sehr ich den Typen und seine Band mag. Sick Of It All ist wirklich eine Hammer-Band.

MF: The Haunted gibt's jetzt schon eine ganze Weile, aber es scheint, als ob ihr jetzt gerade einen Popularitätsschub habt...

PD: ...ja, sieht so aus...

MF: ...ist das nur wegen dem neuen Label/der CD, oder seid ihr die Sache dieses Mal anders angegangen?

PD: Das Label, das ich hier nicht nennen möchte (Earache), hat unsere Scheiben eigentlich gar nicht vermarktet. Und was das Touren betrifft, da gab's wirklich keine Unterstützung, die wollten einfach keine Platten verkaufen. Ich weiss nicht, weshalb sie ein Record-Label sind, denn sie sind eben keins. Ich weiss nicht, um was es bei ihnen geht, aber es funktioniert einfach nicht. Aber jetzt..., die ganze Sache ist einfach explodiert. So viele Faktoren haben dabei eine tragende Rolle gespielt, ich bin zurückgekommen, wir haben den Ablauf des Songwritings geändert. Das und der Fakt, dass uns das wirklich gepusht hat, das war wahrscheinlich der entscheidende Faktor. Wir geniessen es einfach bis ins kleinste Detail. Es war, als ob alles darauf gewartet hätte, endlich loslegen zu können. Zudem glaube ich, dass bei Century Media einige hingebungsvolle Köpfe arbeiten, weil sie uns wirklich gut unterstützen. Und wir haben ein neues Management. Überhaupt, wir haben endlich eines! Eigentlich hat die Band bis dahin in den Tag hineingespielt. Seit der ersten Scheibe haben wir alles selber gemacht, am meisten Jonas, Anders und Jensen, die haben sich ihre Eier abgeschuftet. Sie verdienen so viel Dank, weil sie diejenigen sind, die uns so weit gebracht haben. Und Per und Marco genauso, einfach des Einsatzes wegen, die ganzen endlosen Touren. Das musste einfach so gemacht werden. Und jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir uns auf auf die Musik konzentrieren können, was das ja eigentlich unser Job ist. Gott sei Dank.

MF: Du machst das alles jetzt schon seit mehreren Jahren, bist du nie an einem Punkt angelangt, an dem du wirklich genug davon hattest?

PD: Stimmt, The Haunted werden nächstes Jahr zehn Jahre alt..., wow!

MF: Ich weiss, dass vor allem du einige Probleme hattest, deswegen hast du diese Band ja auch verlassen...

PD: ...da ging es tatsächlich nur um mich. Mich und mich! Eh..., ich habe "ADHS" ("Aufmerksamkeits-Defizit und Hyperaktivitäts-Störung"), was ich lange nicht gewusst habe, es hat mein Leben ungemein verkompliziert. Ich war die ganze Zeit platt von dem vielen Stress und all den Informationen, es war einfach zu viel emotionaler Input. Gottseidank kriege ich jetzt Medikamente dafür! Des Weiteren bin ich auch manisch depressiv, was ein wenig hart zu ertragen ist. Aber ich konnte mein Leben ändern, arbeite mit Therapie, nehme meine Medizin. Deswegen funktioniert jetzt alles wieder.(Überlegt) - Also wenn jemand behauptet, ich sei durchgeknallt, das stimmt tatsächlich! (Gelächter)

MF: Wie du vorhin angetönt hast, lässt du ab und zu deiner Meinung über politische Angelegenheiten freien Lauf. Hat dich die Band jemals darauf hingewiesen, dass es vielleicht besser wäre, wenn du das sein lassen würdest? Es gab vor kurzer Zeit in eurem Online-Forum eine heftige Diskussion, in der sich ein Ami deswegen lautstark über die Band beschwerte...

PD: ...der hat meine Message nicht richtig gelesen! (Steht auf und sucht hinter mir was zum Trinken)- Der Typ hat das nicht richtig gelesen, weswegen er leider wie ein Idiot dagestanden ist. Und ich denke nicht, dass er das wollte. (Kommt mit leeren Händen zurück)- Ich bin nicht ein Anti-Amerikaner, meine halbe Familie kommt aus Amerika. Ich bin ein Anti-Kapitalist, ein Anti-Neoliberaler, ein Pro-Humanist. Ich bin ein Anarchist, und um Gottes Willen, ich gebe mich nicht so schnell geschlagen! Diese Band ist keine Anarchisten-Band, wir versuchen nicht, die Welt in zwei Sekunden zu verändern. In dieser Band geht es um fünf Typen, die versuchen, coole Musik zu machen, und ein wenig Spass zu haben. Manchmal öffne ich meine Schnauze, und spreche über persönliche Ansichten, aber dabei spreche ich ja nicht für die Band. Und sie wissen das. (Per, der Drummer, kommt herein, setzt sich zu uns und beginnt geräuschvoll eine Pizza Hawaii vor dem hungrigen Interviewer und seinem Opfer zu essen. Pete spricht ihn in schwedisch an, und weist ihn - glaube ich zumindest - auf unser Interview hin) - Wenn ich über meine Ansichten spreche, dann mache ich das auch klar. Und solange wir in Europa und Amerika sind, ist es mein Recht, meine Meinung zu äussern. England und Schweden zählen nicht, da gibt es das nicht. Aber solange wir uns innerhalb dieser Länder bewegen, werde ich meinen Mund öffnen - genauso wie jeder andere in der Band, wenn er sich angesprochen fühlt. Bei gewissen Sachen sind wir halt nicht der gleichen Meinung, aber das ist Ok, wir müssen ja auch nicht. Wir sind schliesslich fünf erwachsene Menschen, wir müssen nicht der gleichen Meinung sein, das wäre kindisch. "Fuck that shit!" Wir respektieren uns, wir lieben uns, und zusammen machen wir verdammt gute Musik, die wir mögen und deswegen läuft das auch. Aber wenn wir bei allem übereinstimmen würden, wäre das einfach kein Spass mehr. Wir würden wahrscheinlich nur noch Bullshit produzieren.

MF: Ich denke, dass Leute vor allem durch In Flames- und Soilwork-inspirierte Bands wie Lamb Of God, Chimaira und Shadows Fall zu eurer Musik finden. Was hältst du von diesen Bands?

PD: "Fuck 'em all! Eh..., Fuck 'em all, and let 'em burn in hell, let 'em rot!" Ich habe nichts gegen diese Bands auf dem persönlichen Level, ich mag sie alle. Es sind wunderbare Typen, aber ich mag ihre Musik nicht, ich halte das nicht aus. Ich denke, das ist Bullshit. Meiner Meinung nach schreiben die keine guten Songs, es ist für mich nichts wert. Sie könnten vielleicht, wenn sie nicht so geil darauf wären, ihr Können zu zeigen, aber darum scheint es ja zu gehen. "Schaut mich an, schaut mich an, kuckt was ich kann!" Fuck that, schreib' einen guten Song! Lass dein Ego aus der Musik raus, mach etwas, das die Leute mögen. Es geht doch nicht um den Musiker als Individuum, es geht um die Musik! Es geht um das Publikum, ihr Erlebnis, dein Erlebnis auf der Bühne. Und schon alleine deswegen solltest du dich hinter dir zurück lassen und die Musik für dich wirken lassen. Und wenn du das nicht kannst, bist du nichts weiter als ein Poser. So sehe ich das. Es sind gute Bands, sich erschaffen unglaubliches Zeugs, aber es geht leider auch um viel anderes, die ganze Rockstar-Scheisse zum Beispiel. Für mich geht es um Musik, darum, da einzutauchen, zum Kern vorzustossen, weiterzumachen. Es ist doch wie bei einem Kampf! Wenn du an einen Kampf gerätst, dann willst du gewinnen. Aber wenn du da reingehst, um ein wenig Show zu machen, dann kriegst du dein Hinterteil versohlt! Ende der Geschichte. Weisst du, wir haben mit vielen dieser Bands getourt, und wir werden es wieder tun. Ganz einfach, weil sie verdammt coole Leute sind, einige davon sind sogar die Besten, die wir je getroffen haben!

MF: Ich habe zwar euer offizielles Statement für das "Ozzfest" gelesen, aber mich würde es interessieren, ob du vor dieser riesigen, menschenfressenden Maschinerie nicht Angst hast...?

PD: Das ich nicht mein Job. "Fuck it!". Ich mache Musik, für alles andere haben wir ein Management. Was wir machen, das ist für uns und unser Publikum. Wenn was dabei rausspringt - wunderbar! Solange ich nicht noch die Fäden in den Händen halten muss, geht das gut. Ich bin nicht der Typ, der sowas machen könnte und sich dabei noch gut fühlt. Ich kann Musik machen, ich kann auftreten. Zudem ist meine Sozialkompetenz hoch genug, sodass ich das auch geniessen kann. Es ist halt eine Kapitalisten-Konstruktion. Das mag ich nicht, aber dafür habe ich Essen auf dem Tisch. Ich bin kein Business-Typ, ich bin froh, dass wir ein Management haben. Die Sorgen dafür, dass es auch läuft, die kümmern sich um die Miete, die sorgen dafür, dass meine Kinder was zum Anziehen haben, und so weiter. Und ich mache halt, was ich kann - Dafür kann ich das auch geniessen.

MF: Wie steht's mit den Tour-Plänen für die nächste Zukunft?

PD: Noch vor dem "Ozzfest" touren wir mit Machine Head und Devildriver, dann kommen wir zurück nach Europa für einige Festivals, und spielen nebenbei mit Machine Head an allen Off-Dates. Hoffentlich klappt es auch mit In Flames und Soilwork, das wäre cool. Und gleich danach beginnen wir eine Welt-Tournee. "So there's no rest for the wicked". Und Schlaf sowieso nicht! (Lacht)

MF: Du bist mit Mighty-Dimebag auf der Bühne gestanden, möchtest du was zu dem Thema sagen?

PD: Erstens: Es ist eine traurige Tatsache. So etwas ruft dich auf den Boden zurück, du erinnerst dich daran, dass auch du sterblich bist, was eigentlich Ok ist. Zweitens: Ich denke, dass jeder Musiker sich weigern sollte, deswegen paranoid zu werden, oder sich selbst oder dem Publikum nicht mehr zu trauen. Es war ein ausgeflippter Zufall, wie wenn man von einem Auto überfahren wird, einen Safe auf den Kopf kriegt, oder ein Piano aus dem Nichts auf uns knallt. Niemand hat es kommen sehen, niemand konnte irgendetwas ausrichten. Ausserdem musst du auch verstehen, dass da nicht nur eine Person gestorben ist. Wenn schon, dann müsste uns dieser Vorfall inspirieren, mehr als irgendetwas anderes. Ganz einfach weil jeder, der gesagt hätte "Huch, das ist so schlimm!" von Dime eins auf's Maul gekriegt hätte. Er hätte einfach gesagt "Well fuck that, this is a goddamn shame!", und wäre wieder auf die Bühne gestiegen. (Wird nachdenklich) - Es ist einfach unser Job, wir müssen das tun, es ist unsere Mission. "To fuckin' get down with the rock!". (Grinst breit) Ich weiss, fürchterlich pathetisch. (Lacht lauthals los)

MF: Ich habe schon unzählige Gerüchte über eine At The Gates-Reunion gehört, kannst du mir dazu was sagen?

PD: Es wird nie eine At The Gates-Reunion geben, es sei denn jemand würde da verdammt viel Geld reinstecken. Aber vielleicht nicht mal dann. Der Grund dafür ist ganz einfach: Für die Jungs ist das Vergangenheit. Ich kann dir einfach sagen, dass du jetzt gerade bei The Haunted bist, wir sind diese Band. Wir sind hier und jetzt.

(Einer der Björler-Zwillinge läuft an uns vorbei, und reisst beim Passieren vom Ess- zum Schlafbereich den Abtrenn-Vorhang mit der Schulter herunter, ohne etwas zu bemerken. Peter ruft ihn darauf lauthals zurück, lässt den Schaden von ihm reparieren, und beobachtet das Ganze.)

MF: Du hast auf eurer Homepage geschrieben, dass die Show in Stuttgart sehr schwer war...

PD: Ja, das war echt der Anschiss. Aber München und Hamburg haben das wieder wett gemacht. Ich kann das verstehen, diese Tour ist schliesslich sowas wie ein Experiment. Wir haben vor ungefähr einem Jahr in England mit Funeral For A Friend getourt. Wir hatten keine Ahnung wie das werden könnte, weil sie sowas wie eine Emo-Hardcore-Pop-Band sind. Aber sie haben bei uns angefragt, weil sie unsere Musik mögen. Also haben wir's versucht, und es hat tatsächlich geklappt. Manchmal hatten die Kids absolut kein Verständnis für das, was wir da auf der Bühne abgezogen haben. Aber es war ein Plus für das Billing, abwechslungsreich. Und dieses Mal ist es genau so, immerhin haben Cradle (Of Filth) bei uns angeklopft.

MF: Lief da was mit Adrian?

PD: Nein, nichts. Sie hatten eine Sitzung mit dem Management, und haben sich darauf entschlossen, uns anzufragen. Wir haben dann gesagt, dass das für uns kein Problem sei, solange wir zuerst unsere Tour beenden, und dann während ihrer Tour einsteigen können. Zuerst haben sie Nein gesagt, aber nach einigen Wochen ihr Einverständnis gegeben. Es ist... unterschiedlich, jede Nacht. Leider können wir nur kurze Sets spielen, aber immerhin kommen wir so an ein Punlikum, das sonst vielleicht nie zu uns gekommen wäre.

MF: Weshalb habt ihr eigentlich so viele Songs von der neuen Scheibe gepickt, aber kaum was von den Älteren?

PD: Wir haben jetzt vier Alben, was eine Menge Musik ist. Während den Headliner-Shows spielen wir circa eineinhalb Stunden, also etwa 26 oder 27 Songs. Aber auf dieser Tour reicht es nur für neun oder zehn, also versuchen wir sowas wie eine komprimierte Version der eigentlichen Show zu bringen, was gar nicht so einfach ist. Wir versuchen, die Rosinen rauszupicken. Zudem ändern wir praktisch jeden Abend die Auswahl, damit die Songs frisch im Gedächtnis bleiben.

MF: Weshalb konnte man von euch kein Merchandise kaufen?

PD: Wir hatten keine Erlaubnis, der lokale Promoter hat uns das verboten. Cradle haben einen Deal mit ihnen, weswegen wir halt nichts verkaufen dürfen. So läuft das halt, wenn man Vorgruppe ist, da ist eine Menge Politik mit dabei...

MF: Weiss die Band (Cradle) davon?

PD: Ja, sie wissen es. Wir sehen das halt ein wenig anders, denke ich. Ausserdem haben sie eine britische Crew, was eigentlich nochmal alles ändert. Englischer Production Manager, englischer Tour Manager - die haben da so eine Authoritäts-Sache am Laufen. Das ist Ok so, uns ist das mittlerweile egal, wir lassen ihnen ihren Spass.

MF: Ist das auch der Grund, weswegen man Per's Drums so schlecht hören konnte, wurde da bewusst manipuliert?

PD: Wir hatten einfach kein Recht. Was soll ich sagen? Sie haben die Haupt-Verstärker runter gedreht, wir können da nichts machen. Das ist schon Ok, wir kommen ja noch in diesem Jahr zurück.

MF: Werdet ihre kleinere Clubs beackern?

PD: Nein, Grössere. Anstatt viele kleine Konzerte zu spielen, werden wir uns auf Grössere konzentrieren. Wahrscheinlich ein Konzert in der Schweiz; vier, fünf in Deutschland, einige in England, nur die grösseren Städte. Wir brauchen auch mal Pausen. Wenn diese Tour ins Rollen kommen wird, werden wir bereits ein Jahr auf Achse sein, um "rEVOLVEr" zu promoten. Ich habe schliesslich eine Familie, ich habe Kinder, die ich vermisse. Und die anderen Jungs haben auch ein Privatleben. Wir werden also einige grössere Shows spielen, deshalb hoffe ich, dass die Leute auch wegen uns kommen. Also bitte, kommt zu unseren Konzerten, ich bitte euch darum! Sonst werden wir uns noch ins Grab touren...

MF: Möchtest du noch was loswerden?

PD: "Yeah, keep it straight, keep it honest and before all: Keep rocking!"

MF: Besten Dank!

PD: Ich danke dir!


Unser El Muerte (links) mit Peter Dolving >>