Interview: Therion
By: Saskia B.
Die neue Therion Live-CD ist eine der besten Live-Scheiben, die ich bisher gehört habe. Der etwas gitarrenlastigere Sound passt hervorragend zu Band. Daher bin ich auch besonders erfreut, dass ich ein Interview mit Mastermind Christofer Johnsson machen kann. Als dann endlich Abends das Telefon klingelt, bin ich doch schon recht müde. Er auch. Aber nach einem kurzen Plausch über Sommerurlaub in Bayern kamen wir dann doch endlich zur neuen CD. Es wurde trotz beiderseitiger Müdigkeit trotzdem ein sehr interessantes und langes Gespräch.

MF: Die neue Live-CD hat einen sehr guten Sound. Ich habe schon viele Live-Scheiben gehört und meistens gefällt mir der Sound, wie zum Beispiel bei der In Flames Live-CD, überhaupt nicht. Ich finde ihr habt das hervorragend hinbekommen. Aber kann es sein, dass du sowieso immer sehr auf Details achtest? Du machst die meisten Sachen immer noch etwas besser als alle anderen...
Christofer: Um genau zu sein, ist das komplett Samis Verdienst. Er war für den Sound zuständig und ich habe auf der CD wirklich nur mein Instrument gespielt. Er hat die CD alleine gemixt. Die komplette Band hat das Album zwar produziert, aber wenn man eine CD produziert, entscheidet man einfach nur wie man etwas macht, eben auf die eine oder andere Art. Bei einer Live-CD gibt es da nicht so viel Auswahl. Für den Sound war wirklich nur Sami zuständig. Wenn Dir also der Sound gefällt, solltest du dich bei ihm bedanken, nicht bei mir. Er hat einen guten Job gemacht bei dieser CD. Wir hätten sogar einen noch viel besseren Klang erzielen können, er hat mehrere verschiedene Mixes gemacht und uns vorgespielt, aber es klang einfach zu gut, überhaupt nicht mehr wie eine Live-Aufnahme.

Wir hatten diese wirklich teuren Sure-Mikrofone, die kleinen, die man ans Schlagzeug clippen kann und sie nehmen fast nichts von der Umgebung mit auf. Es klang schon fast zu gut, mehr nach einer Studioaufnahme, als nach einem Liveauftritt. Man konnte nur bei dem Overhead noch das Live Publikum hören, aber das hört man bei der ganzen Produktion kaum. Wir haben uns dann darauf konzentriert es so klingen zu lassen, wie wir wirklich live sind. Dazu haben wir uns viele Aufnahmen angehört. Leider hatten wir am Anfang die Mikrofone, um das Publikum aufzunehmen, zu nahe an der PA, deshalb konnten wir die Aufnahmen nicht benutzen. Aber es war für uns interessant zu wissen wie wir klingen, denn wir sind ja auf der Bühne und hören es deshalb nie selbst. Wir konnten so herausfinden wie der Soundpegel, der Musikcharakter und wie der Mix ist. Es könnte besser, klarer klingen, aber es muss einfach so sein, weil es eben so klingt wenn es laut und live ist.

Ich bin eigentlich kein grosser Fan von Live-Alben, denn die meisten arbeiten mit so viel Overdubs, da verstehe ich manchmal den Sinn nicht. Zum Beispiel das Halford Live-Album, versteh' mich jetzt nicht falsch, ich liebe Halford, beide seiner Solo- CD's sind super und ich bin auch ein grosser Judas Priest Fan, aber wo ist der Sinn eines Live-Albums, wenn Songs darauf sind, die nie live gespielt wurden? Es ist mehr ein Studioalbum mit reingeschnittenem Publikum. Da war ich schon immer dagegen, was auch einer der Gründe sein könnte, dass es bisher noch kein Therion live Album gegeben hat.

Aber jetzt, da wir es gemacht haben, wollte ich unbedingt dass es live ist. Dass die Leute die Band wiedererkennen, die sie im Konzert gesehen haben.

MF: Ich finde, das ist euch auch sehr gut gelungen..

Christofer: Bisher haben wir nie eine Live-Show gemacht, die 100% perfekt war. Wir spielen 24 Songs mit 10 Leuten auf der Bühne, da wird immer irgendjemand dabei sein, der einen Fehler macht. Mal grössere, mal kleinere. Die Version mit den grossen Fehlern wählt man dann automatisch nicht aus, aber wenn es nur kleine Fehler sind, dann lässt man es einfach so. Die meisten Fehler hören wahrscheinlich sowieso nur Musiker, vielleicht hört man es auch nur selbst. Das wichtige an einem Live-Album ist einfach, dass das Gefühl stimmt. Ein kleines Bisschen haben wir aber doch nachbearbeitet. Aber so ungefähr 95 Prozent sind unberührt. Manchmal ist es eine schwere Entscheidung, denn bei manchen Songs ist es wirklich schwer, das Gefühl richtig rüberzubringen. Es ist eine Sache sie ohne Fehler zu spielen, aber es ist noch eine ganz andere Sache, sie wie einen Arschtritt klingen zu lassen, "to make them kick ass". Und wenn man es dann geschafft hat, so ein schwieriges Lied richtig zu spielen und ausgerechnet bei dieser Version passiert einem der Musiker, oder mir, ein grosser Fehler, und man hat viele andere Versionen des Songs, die aber total steif sind, bei denen nicht diese Stimmung rüberkommt, die man gerne hätte. Was macht man dann? Eine langweilige, steife Version nehmen um den Prinzipien zu folgen, oder die "Kick-ass"-Version nehmen und den Fehler zu korrigieren? Das war die schwerste Entscheidung für uns. Wir haben uns immer für die "Kick-ass"-Versionen entschieden und insgesamt würde ich sagen, sind es nur circa fünf Prozent des Materials, die aufbereitet wurden. Das ist bei 24 Songs sehr sehr wenig.

MF: Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?

Christofer: Ja bin ich, aber es könnte noch viel besser sein!

MF: Also wie immer...

Christofer: Ja, alles kann immer noch besser sein. Wir hatten keinerlei Erfahrung wie man eine Live-CD macht, das ist unser erster Versuch. Wir haben so viel dadurch gelernt, wie wir spielen und wie wir wirklich klingen. Wir hatten uns damit noch nie beschäftigt. Ich meine, wir nehmen ja normalerweise nicht unsere Shows auf, setzen uns hin und hören sie uns an und analysieren sie. Wir spielen einfach unsere Shows. Und plötzlich konnten wir hören, wie es klingt wenn wir spielen. Wir waren sehr überrascht wie wir klingen! Es ist ein total unterschiedlicher Sound live und im Studio, deshalb benutzen wir auch total unterschiedliches Equipment. Es gab beides, positive und negative Schocks! (lacht) Wir haben viel gelernt beim Anhören der verschiedenen Versionen aus verschiedenen Städten. Wir haben viel darüber gelernt, wie man es machen sollte und wie nicht, wenn man live aufnehmen möchte. Viele Shows konnten wir gar nicht benutzen für die Aufnahme, weil es technische Probleme gegeben hat.

MF: Ist das auch einer der Gründe, dass ihr das Material von drei oder vier verschiedenen Shows veröffentlicht habt?

Christofer: Es sind vier verschiedene Orte aus drei verschiedenen Ländern. Der Grund war, dass wir in sehr unterschiedlichen Hallen gespielt haben. In Südamerika und in Mexiko haben wir meistens in sehr großen Hallen, ab und zu sogar in kleinen Stadien gespielt. Dort kamen tausende von Leuten. Wenn sie ein Live-Album von Therion kaufen, erwarten sie auch, dass es so klingt, so wie mit diesem großen Publikum am Anfang der CD. Aber Leute in Europa wären irritiert und würden denken, sie hätten uns ja in einem kleinen Club mit vielleicht 600 Leuten gesehen, da können wir keinen Sound wie Iron Maiden auf ihrer "Live after death"-Scheibe haben. Das wäre nicht das richtige Feeling für die Europäer. Selbst in Europa haben wir zwei verschiedene Levels. Manchmal spielen wir in mittelgrossen Clubs und haben normalerweise 500 bis 800 Fans, aber in Holland hatten wir zum Beispiel 1500 Leute. Manchmal machen wir grössere Konzerte und wir wollten beide Levels zeigen. Wir haben das meiste aber aus dem Club-Level genommen. Wir haben uns dafür die Markthalle in Hamburg ausgesucht, weil es dort eine sehr gute Akustik gibt und das Equipment sehr gut ist.

Leider haben viele Clubs schlechte Anlagen, denn wenn du einen Club hast, musst du die PA kaufen, ein Mischpult und die Monitoranlage. Da ist keine grosse Frage in was man sein Geld steckt. Die Monitore werden ja sowieso nur von der Band gehört und die meisten Musiker sind eh betrunken. Wenn ich einen Club hätte, würde ich dem auch keine Priorität geben. Aber es war eben einer der Gründe, warum wir nicht aus besonders vielen Clubs auswählen konnten. Wir haben viele Anfragen aus Polen bekommen, da sie wohl etwas enttäuscht waren, weil wir nicht die Shows von dort veröffentlicht haben. Das Publikum dort war sehr wild. Aber das hat nichts damit zu tun, wo die beste Show war oder nicht. Von den deutschen Shows war die Markthalle nicht einmal die beste, was das Publikum betrifft, aber an dem Tag haben wir sehr gut gespielt und keine grossen Fehler gemacht. Noch dazu war der Sound sehr gut, da die technischen Voraussetzungen so gut waren. Deshalb haben wir die Wahl so getroffen. Ausserdem war es für mich richtig, auch etwas aus Deutschland auszuwählen, da Deutschland in den letzten Jahren für mich wie eine zweite Heimat geworden ist. Du weisst, dass ich die Sprache lerne und wenn ich alle meine Freunde abzählen würde, wären es in Deutschland mehr als in Schweden. Ich gehe nach Deutschland in meinen Ferien und es war vom Gefühl her für mich richtig, Deutschland mit auf die CD zu nehmen. Deutschland war auch immer der grösste Markt, wir haben eine deutsche Plattenfirma und ein deutsches Management. Ich fühle mich halb deutsch. Es wäre nett gewesen, auch etwas aus Schweden mit auszuwählen, aber dort spielen wir leider in zu kleinen Clubs. Wir spielen dort auch nur, weil es eben auf dem Weg nach Hause ist. In Göteborg haben wir vor 128 zahlenden Leuten gespielt! Wir spielen dort nur, weil es auf dem Weg liegt und wir so das Benzin für den Bus finanzieren können. In Stockholm hatten wir 400 Leute, was eigentlich nicht übel ist, aber die Technik dort ist auch schlecht. Und 400 Leute..., das haben wir jeden Abend. Wenn wir mindestens 700 oder 800 Leute gezogen hätten, dann hätten wir vielleicht auch Stockholm mit auf die CD genommen, aber so nicht.

Es hat sich richtig angefühlt, etwas aus Deutschland zu nehmen, auch bei Budapest war es so. Es war die Show in Europa mit den besten Ticketverkaufszahlen und das Publikum war total beeindruckend dort. Ungarn ist eines der besten Länder für uns in Europa. Kolumbien hat sich als richtig angefühlt, weil es die verblüffendste Show war auf der ganzen Tour. Jetzt weiss ich wie sich die Beatles gefühlt haben. Dort waren kreischende und weinende Mädchen! Die Erfahrung zu machen war spassig. Aber wir machen uns ziemlich schlecht als Rockstars (lacht). Wir kommen aus dem Death Metal Underground, wo man mit seinen Fans ganz normal sprechen kann. Es gibt dort nicht diese riesen Distanz zwischen der Band und den Fans, wie es die Heavy Metal Bands in den 80-ern hatten. In der 80-ern war das eine ganz typische Sache, aber so sollte es eigentlich nicht sein. Man sollte nicht in der Limo zur Show kommen und sich danach ins 5 Sterne Hotel zurückziehen. Die Death Metal Szene war eine Gegenreaktion dazu. Es war so, dass du mit den Klamotten auf die Bühne bist, die du den ganzen Tag schon anhattest. Es war die ultimative Reaktion gegen dieses Stargehabe. Wenn es eine Show mit gerade mal 100 Leuten im Publikum gab, dann spielte die Hälfte davon selbst in Bands. Bei den ersten Shows die wir gemacht haben, haben vielleicht 3 oder 4 Bands gespielt. Die Bands haben da mehr als die Hälfte des Publikums ausgemacht. Eine Band hat gespielt, die anderen waren am Headbangen. Dann kam die nächste Band und die andern Musiker standen vor der Bühne. Wenn man von diesem Hintergrund kommt, dann fühlt es sich sehr sehr seltsam an, wenn man auf der Bühne, am Hotel oder dem Flughafen steht und dort so viele von kreischenden und weinenden Fans sind. Aber ich würde sagen, es war interessant (lacht). Aber es war ein gutes Gefühl, wieder zurück ins sichere Europa zu kommen und dort wieder mit Fans nach der Show ein Bier trinken zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass einen jemand die Kleider vom Leib reisst.

MF: Was ist schöner zum Spielen? Europa oder Südamerika?

Christofer: Ich mag beides. Es ist schön, wenn man beides hat. Es ist schön, wenn man dort hingehen kann und für einen Monat ein Rockstar ist und dann wieder heim kann und ein normaler Mensch ist. Es ist so ein Klein-Jungen Traum, als ich 10 war und davon geträumt habe in einer Metal Band Gitarre zu spielen und als wir Accept und Judas Priest Poster an der Wand angeschaut haben, du weisst schon mit ihren Lederoutfits und den Nieten, da habe ich gedacht, dass ich so werden möchte. Sie haben damals immer in Stadien gespielt, mit vielen kreischenden Leuten. Aus dieser Perspektive war es schön, diesen Traum zu erfüllen. Aber als die Personen, die wir sind, liegt uns Europa mehr.

In Europa spielen wir in verschiedenen Clubs. Manchmal ziehen wir mehr Leute, manchmal weniger. Es macht alles persönlicher. Du kannst dich an den Ort erinnern, es ist nicht nur ein weiteres Konzert von vielen. Du kannst dich auch an die Leute erinnern, die dort gearbeitet haben. Viele Menschen fragen, ob ich mich an ein spezielles Konzert von 1998 erinnere und meistens ist das dann auch so, obwohl wir da 48 Shows gespielt haben. In Südamerika waren alle Orte sehr gross und sehr unpersönlich und ich kann mich an die einzelnen Shows nicht erinnern.

MF: Dann habt ihr in Südamerika keine Fans getroffen?

Christofer: Wir hatten Autogrammstunden. Die ersten 400 Leute, das heisst die, die eine Eintrittskarte gekauft haben, hatten dort Zutritt. Es war allerdings sehr schwierig für uns, weil wir meistens nicht viel geschlafen hatten. Wir mussten zwischen den Shows mit dem Flugzeug reisen, wegen den grossen Distanzen. Stell dir vor, du spielst bis spät Nachts und dann musst du um 4, 5 oder 6 Uhr am Flughafen sein, nach nur 3 oder 4 Stunden Schlaf. Und das 2 Wochen lang. Wir waren total fertig. Und dann, anstatt nachmittags im Hotel einige Stunden Schlafen zu gehen, haben wir Autogrammstunden gemacht. Das bedeutet 400x die Anzahl an CDs die alle dabei hatten zu unterschreiben, dazu noch Zettel für Freunde. Die meisten wollten dann auch noch ein Foto haben, waren nervös, deshalb hat das Foto dann besonders lange gedauert. Man muss jedes mal lächeln, dazu noch 400 Hände schütteln..., das war sehr ermüdend. Aber diese Fans waren wirklich erstaunlich. Sie haben stundenlang vor dem Hotel gewartet, teilweise nur, um uns kurz zu sehen. In Bolivien hatten wir zum Beispiel mehr Leute auf dem Dach des Flughafens, als wir teilweise bei einer ganzen Show im Publikum haben. Es waren mindestens 400 Leute. Sie hatten grosse Therion-Banner dabei. Wir sind nach diesem Flug durch Zufall als erstes aus dem Flugzeug ausgestiegen und haben erst gar nicht realisiert, dass das ganze Gekreische uns galt. Wir haben gedacht, es wäre ein Fussballteam an Bord. Aber es waren alles Therion Fans. Das war ein einzigartiges Erlebnis. Wir konnten den Flughafen nicht verlassen, bevor unsere Bodyguards nicht bei uns waren. Als wir in die Autos gestiegen sind, hat es noch einige Minuten gedauert bis alles eingeladen war. Überall waren Leute. Da wir nicht viel geschlafen hatten kam uns die ganze Szene extrem unreal vor.

MF: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dort ein Live-Video oder eine DVD zu drehen?

Christofer: Wir haben gar nicht gewusst, was uns dort erwartet. Ausserdem haben wir nicht viele Wertsachen mitgenommen, da wir gehört hatten, dass man diese dort sehr schnell los wird. Wir hatten gehört, dass man nichts in Hotels lassen könne. Das waren allerdings auch viele Vorurteile. Manchmal hatten wir 5-Sterne Hotels, manchmal 2-Sterne Hotels, das kam ganz auf das Land an. Manchmal wurden wir behandelt wie Götter, aber in Argentinien hatten wir zum Beispiel ein Hotel, dass fürchterlich gestunken hat. Es gab auch kein warmes Wasser unter der Dusche. Einfach ein billiges Hotel. Alles in allem wurden wir sehr gut behandelt und die Hotels hatten auch europäischen Standard. Das nächste Mal wissen wir es besser. Dieses Mal hatten wir einfach so wenig wie möglich mitgenommen. Das nächste Mal nehmen wir sicher eine Videokamera mit!

MF: Ja, das wäre sicher interessant zu sehen. Stimmt es übrigens, dass letztes Jahr eine CD veröffentlicht wurde, auf der alte Therion Songs drauf sind? Beziehungsweise sogar Songs aus der Zeit vor Therion, als du unter dem Namen Blitzkrieg Musik gemacht hast?

Christofer: Es ist eine Fanclub CD und man bekommt sie auch nur dort. Es sind eher Aufnahmen, die man einem Freund geben würde. Alte Sachen von Blitzkrieg und auch unveröffentlichte Songs von Therion. Wir haben eben eine CD daraus gemacht. Ein Song ist ein alter Therion Song, den ich auf Papier geschrieben hatte. Ich habe den Zettel gefunden und von dort nachgespielt. Ich habe überlegt, warum wir den Song nie benutzt haben, da er echt gut war. Ich habe mich dann erinnert, dass wir den Song sogar einmal zusammen gespielt haben, aber er klang zu sehr nach anderen Bands dieser Zeit. Wie Dismember oder Entombed. Wir haben den Song nie benutzt. Aber es ist ein guter Song, deshalb haben wir das Lied noch in unserem Studio aufgenommen und mit auf die CD gemacht. Es sind solche alte Songs eben.

MF: Habt ihr die Sachen neu aufgenommen?

Christofer: Nein es sind alte Aufnahmen.

MF: Wer hatte denn die Idee die CD zu machen?

Christofer: Es war einfach ein Extra für den Fanclub, es ist sehr hart Kommunikation mit den Fans zu haben. Ich hatte früher einmal eine Email-Adresse, die auf einigen Metal-Sites stand. So konnte mir jeder schreiben. Allerdings hatte ich so viel Post, dass es unmöglich war, alle Email's zu beantworten. Die meisten Email's beinhalteten eh nur Standardfragen, wie zum Beispiel wann ich wieder toure, etc. Sie hätten auch gleich auf der Homepage nachschauen können. Am Ende hatte ich 15 bis 20 Emails am Tag. Mit dem Fanclub funktioniert die Kommunikation viel besser. Es ist ein isoliertes Forum. Dort können wir Kontakt halten. Wir haben regelmässige Chats. Es gibt dort Foren für Fragen, auf die wir antworten. Es hat bisher sehr gut funktioniert. Es ist auch sehr interessant und ein guter Weg für uns, die Leute kennenzulernen, die unsere CD's kaufen. Es gibt ja etwas, dass man mit diesen Leuten gemeinsam hat, die deine Musik wirklich sehr mögen. Man steckt soviel von seiner Persönlichkeit in die Musik und gibt so viel von seinen persönlichen Gefühlen. Wenn also jemand sagt, das ist eines der besten Alben die ich gehört habe, dann muss man mit dieser Person einiges gemeinsam haben. Ich habe auf den Touren so viele interessante Personen kennengelernt. Und dieses hier ist ein guter Weg, um Menschen aus Ländern kennenzulernen, in denen wir nicht touren. Und es ist auch ein guter Weg, dass die Fans sich untereinander kennenlernen. Es ist cool.

MF: Die Band gibt es seit 15 Jahren. Du bist der einzige, der noch in der Band ist. Wie haben die Musiker, die gekommen und gegangen sind, Therion beeinflusst?

Christofer: Am Anfang habe ich die komplette Musik geschrieben und trotzdem hatte Peter zu der Zeit einen sehr grossen Einfluss. Wenn ich zum Beispiel einen Song geschrieben habe und dieser ihm nicht gefallen hat, haben wir ihn einfach nicht gespielt. Es war schon eine richtige Band, ausser eben, dass die anderen keine Songs geschrieben haben. Dem damaligen Drummer hat die Musik sowieso nicht so besonders gefallen. Der Bassist hat damals auch einiges geschrieben, aber es hat einfach nicht dazugepasst. Aber Peter hat sogar einige Dinge selbst geschrieben, für das zweite Album. Wenn wir die Songs zusammengestellt haben, haben wir das aber letztendlich gemeinsam gemacht. Als sich jedoch das erste Line-Up aufgelöst hat, war es sehr schwer, eine neue ähnliche Besetzung zu finden. Wir hatten viele Jahre zusammen gespielt, von '87 bis '92, da haben wir es deshalb gut gelernt zu harmonieren. Unser Drummer war gerade zum zweiten mal Vater geworden und plante schon das dritte Kind, deswegen war für ihn das Familienleben wichtiger geworden. Peter wollte damals etwas total anderes machen. Zu diesem Zeitpunkt hat er gedacht, er wäre endgültig fertig mit Death Metal, was sehr ironisch ist, da er jetzt wieder total Death Metal begeistert ist. Damals hat er sich die Haare geschnitten und angefangen Bass zu spielen. Er wollte nicht einmal mehr Gitarre spielen. Unser Bassist musste wieder zurück in die USA umziehen. Seine Eltern waren von dort und er war zu jung um alleine in Schweden zu bleiben, deshalb musste er mit. Er hatte keine Wahl. Dann hatte ich die schwierige Entscheidung, neue Bandmitglieder für Therion zu finden oder eine komplett neue Band anzufangen. Aber da ich sowieso die Songs geschrieben hatte und sie mir auch immer noch gefielen, wollte ich den Bandnamen nicht ändern. Da habe ich mir neue Musiker gesucht. Um genau zu sein, hat der Bassist hierbei auch eine ganze Menge für das dritte Album beigesteuert. Es schien ein sehr gutes Line-Up zu sein, aber dann kamen neue Probleme.

Es war zum Beispiel für einige nicht möglich, einige Wochen aus dem Job zu gehen und zu touren, da sie sonst ihren Job verloren hätten. Alle waren ständig Pleite. Für mich war das ganz anders, da ich ja die Band aufgebaut hatte, einen neuen Plattendeal hatte und somit sehr viel Hoffnung. Ich war bereit mehr zu opfern. Für die anderen war es mehr Spass rauszugehen und zu spielen, aber sie waren nicht so stark mit ihrem Herz dabei wie ich. Es war einfach zu viel Arbeit für zu wenig Geld. Piotr, der Drummer war sehr engagiert. Aber wir kannten uns auch schon seit Jahren. Als wir dann das vierte Album gemacht haben, wir waren zu dieser Zeit ein Trio, ohne zweiten Gitarristen, da kam der damalige Bassist mit Piotr nicht klar. Sie beide haben sich von Anfang an nicht leiden können. Um genau zu sein, Piotr hat ihn gehasst. Ich habe versucht, dass es mit den beiden klappt, aber es ging nicht. Irgendwann hat Piotr mich vor die Entscheidung gestellt er geht oder ich und da habe ich mich für Piotr entschieden. Allerdings musste Piotr ihn feuern. Nichts desto Trotz habe ich die Schuldzuweisungen abbekommen. Es hiess da schon, Christofer ist das Arschloch, das alle Leute feuert. Allerdings war bis dahin noch nie jemand gefeuert worden! Beim Album "Theli" hatten wir schon wieder Probleme. Auf eine Art war es ja mein Fehler, weil ich immer Freunde in die Band geholt habe, anstatt zu inserieren und wirklich motivierte Musiker zu finden.

Wenn man dann ernsthaft zusammenarbeitet, verstehen sie manchmal nicht, wie ernst es ist. Als wir das "Theli"-Album gemacht haben, hatte ich schon gedacht, meine musikalische Karriere sei zu Ende. Ich habe mit einem grossen Flop gerechnet. Für sie war es einfach nur Rock 'n' Roll und sie haben sehr viel getrunken im Studio. Das hat es sehr schwer gemacht. Der Gitarrist Jonas, der "The siren of the woods", einen unseren besten Songs, geschrieben hat, ist im Studio völlig durchgedreht und hatte nachher nicht einmal mehr genug Geld, um zum Flughafen zu kommen. Er hat sein komplettes Geld versoffen. Zum Glück hatte ich noch einige D-Mark. Später war er nicht mehr dafür vorgesehen auf Tour mitzugehen. Die Chance haben wir dann Lars gegeben, der aber ist auf der ersten Tour total durchgedreht. Wir mussten ihn dann feuern. Am Ende konnte er nicht mal den Bass richtig spielen. Wir hätten uns eine beliebige Person aus dem Publikum holen können um Bass zu spielen und es hätte auch nicht anders geklungen. Es war keine schöne Situation. Als ich erkannt habe, dass das komplette Line-Up zusammenbricht, begann für mich eine neue Periode. Ich habe mich entschlossen, Therion als ein Soloprojekt durchzuziehen.

Die nächsten Touren mit "Theli" waren mein Soloprojekt zusammen mit Freunden, die mir als Musiker aushalfen und einigen bezahlten Sängern. "Vovin" habe ich auf die gleiche Weise gemacht. Tommy Eriksson hat mir erst mit den Drums und dann mit den Gitarren für die CD geholfen. Ein multitalentierter Kerl, der mir mit verschiedenen Dingen weitergeholfen hat. Er ist ein guter Freund, aber Therion war nie die Musik, die er spielen wollte. Er steht mehr auf Stoner Rock. Dann haben nur noch Studiomusiker die CD's eingespielt. Erst ab der "Deggial" gibt es wieder ein festes Line-Up. Ich hatte für die Drums Sami auf der "Vovin-Tour" angeheuert, die Zusammenarbeit war jedoch so gut, und auch persönlich haben wir uns so gut verstanden, dass er zu einem festen Bandmitglied wurde. Durch ihn habe ich den Kontakt zu Christian bekommen. Am Anfang dachte ich, Christian wäre der Falsche für uns. Ich dachte er wäre mehr der Jazz-Typ, weil Sami viel Jazz spielte. Irgendwann kam dann raus, dass Christian mehr Metal hörte als ich. Er mag sogar das ganze Nu-Metal Zeug, das mir nicht gefällt. Auch die Black- und Death Metal Sachen haben ihm gefallen, die ich mir auch nicht kaufen würde. Sein Bruder kam in die Band, zwei Wochen bevor wir für "Deggial" ins Studio gegangen sind. Dann hatten wir ein gleichbleibendes Line-Up bis nach dem Live-Album, als Sami sich entschieden hat, etwas anderes zu machen. Er hatte sehr grossen Einfluss auf die Band! Durch ihn habe ich die beiden anderen kennengelernt. Sie alle sind viel bessere Musiker als ich. Vorher war ich immer der Beste in der Band, ich musste mich nie anstrengen um genauso gut wie die anderen zu spielen. Bis jetzt, als diese Jungs kamen, die sozusagen weltklasse sind.

Ich bin nicht weltklasse, ich bin einfach ein Rock 'n' Roll Musiker. Ich habe 7 oder 8 Jahre nicht Gitarre geübt, manchmal spiele ich monatelang nicht. Ich fange erst ein paar Wochen vor der Tour an. Ich war nie ein Sologitarrist. Ich habe einfach Melodien gemacht, nach einer Weile sind sie so lang geworden, dass die Leute gesagt haben, es ist ein Solo. Ich habe nie versucht, ein zweiter Yngwie Malmsteen zu werden. Ich habe nur Gitarre gespielt, weil ich Songs geschrieben habe. Als die anderen aber dann so gut gespielt haben, konnte ich den Unterschied zu mir hören, da musste ich besser werden und mehr üben. Das hat die Qualität meines Gitarrenspiels sehr gesteigert. Das Gleiche war es mit dem Equipment. Bis dorthin hiess es immer zu allem, das funktioniert schon. Bei den Jungs ist es anders. Wenn etwas nicht perfekt ist, heißt es: "wie kannst du nur damit leben?" Ich habe dann sehr viel Geld in besseres Equipment investiert und es klingt jetzt viel besser. Wenn man sich auf dem Live-Album die alten Songs anhört, dann klingen sie jetzt so viel besser, so viel straffer. Besonders die "Theli-Songs". Es ist fast nicht zu glauben. Sami hat die Band sogar noch beeinflusst, nachdem er sie verlassen hat. Es war sehr schwer für ihn in Südamerika, da wir ja nicht besonders viel Schlaf bekommen hatten. Er war zusätzlich noch sein eigener Drumtechniker. Vor dem Konzert musste er die Drums aufbauen und dann eine 2 Stunden 25 Minuten Minuten-Show spielen. Als wir dann alle total erschöpft waren, musste er noch das Schlagzeug wieder abbauen. Wir konnten uns vor der Tour überlegen, ob wir einen Lichttechniker oder einen Drumtechniker mitnehmen wollten. Es war seine Entscheidung. Wir haben ihm dafür mehr Geld gezahlt. Das Gehalt war nicht das grösste Problem, sondern die Flugtickets. Wir sind dort 17 mal geflogen. Er war total fertig nach der Tour. Wir hatten nur 2 Tage Zeit in Schweden um die Sachen zu waschen, bevor es weiter ging nach Europa. Er konnte einfach nicht mehr. Zusätzlich war er ja auch noch der Recording Engineer für alle Live-Shows! Es war einfach zu viel für ihn. Als wir heimgekommen sind, hat er sein Schlagzeug verkauft! Er wollte nicht mehr spielen, sondern erst einmal pausieren. Er wird wohl erst einmal ein Jahr oder auch zwei in unserem Studio arbeiten.

MF: Interessieren sich die anderen auch so sehr für Klassik wie du?

Christofer: Nein, nicht sehr. Ihnen gefällt die Mischung die wir machen, aber sie würden sich keine Klassikaufnahme kaufen oder zu einem Konzert gehen. Sie mögen auch keine Opern. Es gefällt ihnen zusammen mit Metal, aber nicht alleine.

Ach..., übrigens haben wir einen neuen Drummer. Sein Name ist Richard. Sami hat ihn für uns gefunden. Noch bevor er die Band verlassen hat, hat er ihn schon gesucht. Wir waren also nie ohne Drummer. Beim "M’era Luna Festival" hat Sami für uns auch als Drumtechniker gearbeitet, um sicherzustellen, dass nichts schief geht. Er hätte jederzeit am Schlagzeug für uns einspringen können. Wir sind auch noch sehr gute Freunde und er wird der Soundengineer auf unserem nächsten Album sein.

MF: So, jetzt sollten wir unser Telefonat aber langsam beenden, da du ja noch andere Interviews geben musst. Vielen Dank Christofer, dass du dir die Zeit genommen hast! Es war ein sehr interessantes Gespräch.