Interview: Thunder

By Tinu
 
Freundschaft ist alles.


Danny Bowes (Gesang), Ben Matthews (Gitarre und Keyboards), Luke Morley (Gitarre), Chris Childs (Bass) und Harry James (Schlagzeug) gehören nicht nur auf der Bühne zum Besten was es zu sehen und anzuhören gibt, sondern veröffentlichen auch regelmässig neue, fett rockende Alben, die sofort ins Ohr und in die Beine gehen. Trotzdem, obwohl sich die Truppe schon zweimal von der Bildfläche verabschiedete, sind sie heute stärker denn je. Mit dem neuen Album «Rip It Up» im Gepäck betourte der Fünfer wieder die Konzerthallen Europas. Erfreulich wieder mit Gitarrist Ben, bei dem 2014, nach einer Mandeloperation, ein bösartiger Krebs diagnostiziert wurde. Selbst diese teuflische Krankheit hielt die Truppe nicht auf, und so dürfen wir uns heute noch immer über die melodischen, harten und sanften Klänge der englischen Hardrock-Truppe erfreuen. Luke stand Rede und Antwort zur aktuellen Lage bei Thunder und erzählte dabei auch über einen der grössten Erfolge der Band.

MF: Wie schwierig ist es heute, eine Band wie Thunder am Leben zu erhalten?

Luke: Ohhh (lacht). Wahrscheinlich um einiges einfacher, weil wir heute mehr Alben und Tickets verkaufen, als noch vor ein paar Jahren (grinst). Es ist wie eine Reise. Wenn du geniesst was du tust, macht dies alles viel einfacher. Das klingt sehr einfach, ist es aber auch (lacht). Wir geniessen auch einen gewissen Status, von dem wir profitieren können.

MF: Trotzdem habt ihr euch zwischen 2000 und 2002 sowie 2009 und 2011 aufgelöst. Lief da nicht alles so reibungslos?

Luke: Beim ersten Mal lag es an der Musikindustrie. Wir waren ausgebrannt, und das Internet trug das Seine dazu bei, dass es nicht nur für uns schwer war zu überleben. Die sozialen Medien bombardierten das Business und vieles änderte sich. Auch das Publikum änderte sich, und wir mussten uns eine neue Fangemeinschaft aufbauen. Auf eine gewisse Weise war es auch frustrierend, wenn du Jahr für Jahr auf Tour gehst, immer wieder Alben veröffentlichst und es scheint, als würde sich nichts mehr bewegen. Aus dieser Situation, sprich dem ersten Split, versuchten wir alle, neue Wege zu gehen, jeder für sich. Beim zweiten Mal war es Danny, der sich einem neuen Projekt anschloss. Nachdem zuerst er sowie Ben und dann wir wieder als Band auftraten, war uns klar, dass wir wieder als Thunder die Bühne stürmen müssen. Und, hier sind wir wieder (grinst). Ein paar Jahre später, einige Alben mehr auf dem Konto und unzählige gespielte Konzerte später (lacht), freuen wir uns wieder als Thunder aktiv zu sein. Aber, das ist das Musikbusiness (lacht). Du weisst nie, was als Nächstes passieren wird und kannst dich nicht darauf vorbereiten. Weisst du, wir lieben es im Studio zu sein, aber gleichzeitig auch auf der Bühne zu stehen. Du kannst keine gute Live-Band sein, wenn du nicht tolle Songs schreibst. Wir geniessen beides. Die beiden letzten Alben («Wonder Days», «Rip It Up») sind tolle Scheiben, die beim Songwriting mehr und mehr gewachsen sind. Viele Erfahrungen, wie Lieder zu komponieren sind, flossen mit ein.

MF: Neben all den tollen Alben und packenden Konzerten, was ist das Geheimnis, dass ihr seit Jahren (1996) in der gleichen Besetzung auf der Bühne steht?

Luke: Ich denke… Schlussendlich sind wir immer Freunde geblieben, und das hat alles sehr menschlich gemacht. Wenn du so lange zusammen spielst, musst du deine Mitmusiker mögen, sonst wird dies, auf lange Sicht gesehen, zu Problemen führen. Schau dir viele andere Truppen an. Da stehen Musiker auf der Bühne, die sich nach dem Konzert aus dem Weg gehen, sich jeder in die eigene Kabine verzieht und nichts mehr mit den anderen zu tun haben will. Kann man so seinen Job mögen? Das ist dieses gereizte Klima, das zu Spannungen und Trennungen führen wird. Würden wir bei Thunder den anderen nicht mögen oder verstehen, würden wir die Handbremse ziehen und die Band auflösen. Aber solange wir es geniessen gemeinsam auf die Bühne zu stehen und auch hinter der Bühne die Zeit als sehr angenehm erleben, ist alles im grünen Bereich.

MF: Verändert sich die Freundschaft in einer Band, wenn man mit der Musik seinen Lebensunterhalt verdienen muss?

Luke: Das kann durchaus sein, aber Danny und ich kennen uns, seit wir elf Jahre alt sind. Wir sind zusammen aufgewachsen, haben mit den anderen viele Erfahrungen gemeinsam gemacht und geteilt. Gute, wie auch schlechte. Mit Harry und Ben zusammen seit wir zwanzig Jahre alt sind. Nach wie vor verstehen wir uns sehr, sehr gut. Sollte irgendwas zwischen uns stehen, bin ich sicher, dass wir alt genug sind, dies auf eine gute Art und Weise zu besprechen. Oder den anderen darauf anzusprechen, wenn wir das Gefühl haben, dass was nicht in Ordnung ist.

MF: Hat Ben den Krebs besiegt?

Luke: Es geht ihm wirklich gut. Am Tag der Diagnose sagte Ben zu uns: «Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist, der Krebs den ich habe, weist die grösste Sterberate auf und die schlechte ist «It hurts like fuck»» (lacht). Er musste alle Dinge, welche eine Krebsdiagnose mit sich bringen, über sich ergehen lassen. Es ist furchtbar so nahe am Tod zu sein, mit all den schmerzvollen Behandlungen. Es hat sechs Monate gedauert, bis Ben wieder auf den Beinen war. Aber heute ist alles wieder gut. Ben sieht sehr dünn aus, da sehe ich daneben fürchterlich fett aus (lautes Lachen).

MF: Wenn ein langjähriger Freund diese Krankheit hat, ändert dies das eigene Leben?

Luke: Ja, absolut. Abgesehen von diesem Krebs, alles was in deinem Umfeld und deiner Familie mit Krankheiten und dergleichen passiert, verändert oder beeinflusst dein Leben. Man reflektiert vieles und gibt dem Leben eine andere Bedeutung und Wertigkeit. Wir haben Tourpläne und Studioaufenthalte verschoben, weil wir Ben bei uns haben wollten. Glücklicherweise ist Ben heute wieder gesund genug, um mit uns weiterhin zu touren und neue Songs zu schreiben. Aber solche Krankheiten ändern vieles, schweissen Menschen aber noch näher zusammen. Und! Man ist glücklich selber gesund zu sein, um leben zu können (grinst). Denn vieles erstrahlt plötzlich in einem anderen Licht als vorher.

MF: Wie schwierig oder wichtig ist die Balance zwischen einer Band und dem privaten Leben?

Luke: Das ist sehr wichtig! Du musst fähig sein, auch ein Leben neben der Band zu führen. Wenn du diese Trennlinie nicht ziehen kannst, wirst du den Bezug zur Realität verlieren. Und die Realität gibt dir die Inspiration, um neue Lieder zu schreiben. Am Ende des Tages liebst du nur deine Lieben in der Realität. Gehst einkaufen oder bringst deine Kinder in die Schule. Verstehst du, was ich meine? Diese Realität ist sehr wichtig. Ein Musiker zu sein, ist ein Job (grinst). Wir sind sehr glücklich, Musiker zu sein. Nicht viele Leute können von sich behaupten, das zu tun, was ihnen am meisten Spass macht und damit noch Geld zu verdienen. Wir sind sehr dankbar, dass wir unsere Rechnungen mit unserer Passion bezahlen können. Aber ohne die Möglichkeit Mensch zu sein, wird dies nie klappen.

MF: Welche Erinnerungen hast du an die «Monsters Of Rock»-Show 1990?

Luke: Es ging alles so schnell… Wir spielten gerade mal 45 Minuten. Es war bis dahin die wirklich grösste Show, die wir jemals spielten. Wir waren voller Adrenalin, es war ein sehr warmer Tag, wir gingen auf die Bühne und das Nächste an das ich mich erinnere war, dass wir die Bühne wieder verliessen (grinst). Es war sehr lustig, den Film dieses Auftritts zu sehen. «Wow, wusste gar nicht, was da alles passierte» (grinst). Wir waren sehr konzentriert und fokussiert auf diesen Gig, der sehr wichtig war für unsere Karriere und sind sehr glücklich, dass wir dieses Konzert aufgenommen haben und es uns jederzeit wieder ansehen können (grinst).

MF: Welches ist der beste Song, den du jemals geschrieben hast?

Luke: "Jesus Christ, I don't know!" Ich bin mir sicher, dass ich ein paar wirklich tolle, aber auch ein paar nicht so gute Lieder geschrieben habe. Und einige, die dazwischen liegen (grinst). Ich habe keinen Favoriten. Musik entwickelt sich auch über die Zeit. Dabei kann sich auch der persönliche Geschmack verändern. Lieder können für die Fans eine spezielle Bedeutung bekommen, weil sie diese in speziellen Situationen hören. Bist du in diesem Songwritingprozess, versuchst du mit deinen Emotionen diejenigen der Hörer zu erreichen. Du denkst, dass du den Instinkt hast, den Nerv des Publikums zu treffen. Schlussendlich kannst du nur hoffen, dass deine Gefühle die gleichen wie des Zuhörers sind. Aber, du wirst es beim Schreiben nie genau wissen. Ab und zu braucht es auch Zeit, dass sich ein Song entwickelt und zu einem Favorit wird. Als ich jung war und Musik hörte, wie Led Zeppelin oder The Who, die sehr gute Musik mit sehr hoher Qualität ablieferten, gab es viele Dinge, die ich erst mit der Zeit entdeckte, oder mir positiv auffielen. Das ist der berühmte "Test Of Time", den die Musik überleben muss (grinst). Etwas, das 25 Jahre überlebt und noch immer begeistert. Wenn es heute Lieder gibt, die mit unserem Debütalbum «Back Street Symphony» noch immer begeistern, dann haben wir in den letzten 27 Jahren etwas Tolles kreiert (grinst). Das Album wird noch immer angehört und verkauft sich nach wie vor gut, somit haben wir irgendwas richtig gemacht (grinst).

MF: Was war für dich in der Vergangenheit wichtig, und was ist es heute?

Luke: Die Vergangenheit spielt keine Rolle mehr, denn sie ist vorbei (lacht). Heute ist es wichtig, eine gute Show zu spielen. Ich hoffe, dass wir noch einige Jahre bestehen können, gute Alben komponieren und tolle Shows spielen werden, welche die Fans begeistern. Gesundheitlich geht es uns gut, und wir fühlen uns fit noch einige Jahre zu bestehen. Wie geniessen was wir tun. Touren, aufnehmen und Spass haben (grinst). Bald erscheint eine neue Live-DVD!

MF: Sex, Drugs And Rock'n'Roll..., ein Klischee?

Luke: Drogen war für uns nie ein Thema. Okay, das mit dem Trinken war so eine Sache (lacht). Aber auch da sind wir ruhiger geworden. Nach der Show genehmigen wir uns noch ein, zwei Bierchen, aber die Show am nächsten Tag darf darunter nicht leiden. Sex (lautes Lachen)... - Das passierte früher öfter als heute (lacht). Wir sind älter geworden, und wenn wir von der Bühne kommen, sind wir zu müde (grinst). Als wir jünger waren, haben wir dies mehr genossen (grinst).

MF: Luke, besten Dank für das Interview.

Luke: Besten Dank dir, gern geschehen. Es hat Spass gemacht, und alles Gute für die Zukunft.