Interview: Tool
By El Muerte
Tool sind ein Mysterium, und werden es immer bleiben. Es scheint beinahe offensichtlich, dass Musiker, die hinter solch komplexer und vielschichtiger Musik stehen, einen gewissen Hang zu etwas anderen Denkweisen haben - doch wenn's nach Tool gehen würde, würde das sowieso keine Rolle spielen. Deswegen bisher auch ihre Verschleierung gegenüber den Medien, Interviews waren in den vergangenen 17 Jahren Bandgeschichte eine Seltenheit. Doch mit «10'000 Days» änderten Tool die Marschrichtung - und aus heiterem Himmel erhielt ich zwei Tage vor dem Termin die Bestätigung von Sony. Unglaublich, Tool am Telefon, wenn das mal gut gehen würde... Zu meiner leichten Enttäuschung hatte sich zwar der allgemeine Geist, nicht aber die Einstellung von meinem Interview-Partner Justin Chancellor (Bass) geändert - Er verstrickte sich während der folgenden 20 Minuten so sehr in unverständlichen Äusserungen, Dialektwindungen und fraghaften Antworten, dass ich mich kurzerhand dazu gezwungen sah, den grössten Teil der Aufnahme nicht zu verarbeiten. Was ihr hier nun gleich lesen werdet, ist also nur ein Bruchteil des Interviews - Dafür aber der verständliche...

Justin Chancellor: Hallo Chris!

Metal Factory: Hey, wie geht's dir?

JC: Gut, und dir?

MF: Ja danke, bestens. Wie viele Interviews hast du denn heute schon gegeben?

JC: Das ist erst das Dritte.

MF: Welche Zeit ist's bei dir momentan?

JC: Es ist etwa drei Uhr Nachmittags.

MF: Ok, dann legen wir mal los - Versuch doch bitte mal, mir die Essenz von Tool zu beschreiben.

JC: Die Essenz von Tool... ist... Kommunikation und Respekt für jeden von uns.

MF: Wie funktioniert Tool, ist die Musik stark vom Kollektiv abhängig? Oder andersrum, könnte sie trotzdem noch funktionieren, wenn einer der Mitglieder jetzt aussteigen würde?

JC: Wahrscheinlich, aber... meinst du jetzt?

MF: Ja.

JC: Ich weiss nicht. Ich würde gerne glauben, dass dem nicht so wäre, aber... aehm... es hat ja vorher auch funktioniert... Ich bin ja nicht der Originale Bassspieler, ich bin erst seit 11 Jahren dabei. Also denke ich, dass das potentiell schon funktionieren könnte, wenn jemand aussteigen würde.

MF: Um auf eure Konzepte sprechen zu kommen - Versteht die Band Maynard's Texte?

JC: Wir sprechen über sie. Maynard's Texte lassen dich über dich selbst nachdenken, weisst du. Aber Verstehen... Es ist nicht wie irgendeine Geschichts-Prüfung, es ist progressiver... es lässt sich einfach über Sachen nachdenken.

MF: Ist Maynard denn auch euer musikalischer Aufwand bewusst?

JC: Oh ja, er weiss es.

MF: Eure Fans pflegen ja gerne ein gewaltiges Image der Band, kommt da manchmal die Furcht auf, dass etwas falsch ausgelegt werden könnte?

JC: Nein, davor habe ich keine Angst. Ich denke nicht mal darüber nach. Wir sind in einer produktiven und kreativen Situation, und darum geht es bei uns. also machen wir solange weiter, wie es sich für uns gut anfühlt. Ich persönlich könnte mich nicht weniger darum scheren, ob das jetzt jemanden gefällt, oder nicht. Es ist toll, wenn einige Leute etwas davon verstehen, aber
darüber denke ich nicht nach, wenn wir kreativ wirken.

MF: Und wie steht's denn mit der Furcht, dass das Image die Band nicht einfach eines Tages überschatten wird? Interessiert dich das?

JC: Nein. (lacht)

MF: Nachdem ihr all die Jahre die Medien ignoriert habt, woher kommt nun dieser plötzliche Gesinnungswechsel?

JC: Es ist einfach der natürliche Weg, wie die Dinge funktionieren, weisst du. Wir sind nur menschliche Wesen, leben unser Leben. Wir haben das Album fertig gemacht, und mussten dann einfach weg voneinander. Nach sieben Monaten konnten wir nicht einfach wieder zusammen kommen. Jeder versuchte sich an anderen Projekten, so als eine Art Befreiung. Es braucht für uns viel Zeit, um ein Album zu schreiben, weil wir viel Gedanken mit einbringen. Wir halten nach etwas ausschau, und das braucht manchmal eine intensive Suche.

MF: Wo denkst du denn, unterscheidet sich «10'000 Days» von «Lateralus»?

JC: Ich denke es ist etwas weniger kontrolliert, wir fühlen uns wohler untereinander, und können interreagieren. Als wir an Lateralus waren, war eher komplizierter, wir waren quasi in den Wehen. Diesmal war es eine natürliche Geburt.

MF: War der erdigere, rohere Klang der neuen Scheibe beabsichtigt?

JC: Weisst du, wir haben einfach jemanden anderes ausprobiert, und dann ist es halt einfach so geschehen. Noch mal, es war keine Absicht, das ist einfach die Art, wie es rauskam.

MF: Wie funktioniert denn das Songwriting bei Tool?

JC: Nun, wir alle schreiben. Wir bringen Ideen mit, aber wir halten sie sehr einfach. Und wenn wir dann zusammenkommen, dann bringen wir sehr grundsätzliche Teile mit - und dann teilen wir die untereinander. Grundsätzlich, wenn ich eine Idee habe, und sie mit Adam oder Maynard oder Danny teile, schauen sie sich sie an und reagieren darauf, und das wiederum ist etwas, wo ich nie darauf gekommen wäre. Also teilen wir alles miteinander. Und dann fällt alles langsam auf den richtigen Platz.

MF: In dem Moment in dem ihr ins Studio geht, ist da alles komplett beendet, oder lässt ihr noch etwas Raum übrig?

JC: Es ist in etwa zu 90 Prozent beendet. Es gibt immer etwas Raum, der uns überlassen ist - Weisst du, wenn du einmal im Studio bist, bist du unter Druck, du musst loslegen. Aber wir lassen immer einen Track übrig, um ihn im Studio zu beenden.

MF: Welcher war es auf diesem Album?

JC: «Intension». Nur das Zählen auf dem Drum und der Bass waren schon vorher fertig.

MF: «10'000 Days» klingt wirklich wie aus einem Guss, als ob es ursprünglich als ein einziger Song gesehen wurde - War das die Absicht?

JC: Aehm... Die Absicht war, «Wir zusammen, Musik schreiben, sie arrangieren». Es ist nicht wie ein Soundtrack geplant, wir schreiben einfach all diese Songs und arrangieren sie so wie wir sie mögen. Es geht darum, das Beste von uns auf die maximale Spiellänge einer CD zu bringen, wieviel das auch sein mag.

MF: Werden die Live-Animationen eigentlich immer noch von Adam Jones gemacht, oder steckt da mittlerweile ein Team dahinter?

JC: Er macht viel davon, aber wir haben Freunde, die viel Computer-Grafik und Animation machen, weisst du. Viel davon kommt von Adams Ideen, und Maynards Ideen. Es gibt Leute, die unsere Band mögen, sie sind uns sehr nahe, und sie freuen sich, sich die Zeit zu nehmen, und etwas aus ihrer Sichtweise zu kreieren. Diese Leute opfern sich uns, sie fügen etwas zu unseren Live-
Shows hinzu.

MF: Ok, das war's dann auch schon, besten Dank und viel Spass bei der anstehenden Tour!

JC: Danke!