Interview: Triptykon

By Roolf
 
Requiem für die verstorbenen Freunde.



Um das dreiteilige Requiem zu beenden, benötigte Tom Gabriel Warrior die gefühlte Ewigkeit von über dreissig Jahren. Aber wenn man jetzt das Resultat hört, dann versteht man, warum so ein monumentales Opus diese Zeit zur Realisation brauchte. Mit «Requiem (Live At The Roadburn)» haben sich Tom und seine Mitmusiker, zusammen mit dem Metropole Orkest, ein Denkmal erschaffen. Deshalb: Vorhang auf für Tom Gabriel Warrior, dem Pionier und Visionär des Extrem-Metals!

MF: War dir schon 1987 klar, als du «Rex Irae» für das Album «Into The Pandemonium» geschrieben hast, dass dieser Song der erste Teil eines mehrteiligen Requiems sein wird?

Tom: Ja, das war schon von Anfang an klar. Martin Ain und ich wollten ein dreiteiliges Requiem machen. An und für sich ist ein dreiteiliges Requiem sehr blasphemisch. Viele Leute waren der Meinung, dass ein Requiem nicht so aufgebaut sein dürfte, wir aber haben gesagt: Uns egal, unser Requiem wird dreiteilig und fertig! Wir hatten schon am Anfang eine grundsätzliche Idee, in welche Richtung das Requiem gehen sollte. So wie das Requiem jetzt geworden ist, entspricht es der Originalidee, nur waren nicht drei Jahrzehnte für die Fertigstellung angedacht, sondern nur zwei bis drei Jahre!

MF: Warum hast du 2002 mit dem dritten Teil weiter gemacht, der dann als «Winter» auf dem Album «Monotheist» 2006 erschienen ist?

Tom: Als 2001 Celtic Frost wiedervereinigt wurden, war das Requiem eines der ersten Themen. So spielte ich Martin einige Demos vor, und wir haben beide gefunden, dass der Song «Winter» perfekt auf das Album «Monotheist» passen würde. Beim Schreiben des Songs hat man keine Reihenfolge im Kopf, und wir hatten sowieso ein reines Requiem-Album geplant. Für den zweiten Teil schwebte uns auch schon ein grobes Konzept vor.

MF: Was aber fehlte, war der zweite Teil, der nun als «Grave Eternal» auf dem Album «Requiem (Live At The Roadburn)» erschienen ist. Was waren die Gründe, dass sich die Arbeiten am fehlenden Teil so lange hingezogen haben?

Tom: Weil Celtic Frost leider eine notorisch unstabile Band war und es zu mehrfachen Trennungen gekommen ist, konnte der ursprüngliche Zeitplan natürlich nicht eingehalten werden. So wollten wir nach dem Erscheinen von «Monotheist» eigentlich den fehlenden Teil noch fertig stellen, um dann das komplette Requiem aufzuführen. Aber leider waren wir bei Celtic Frost, trotz unseren musikalischen Leistungen, auf zwischenmenschlicher Ebene zu unprofessionell und auch ein wenig kindisch. Und so ist es uns nicht gelungen, die Band zusammen zu halten. Am 2. April 2008 bin ich dann aus meiner eigenen Band ausgestiegen, bei der ich 98% der Musik und 50% der Texte geschrieben habe. Die Intrigen und die Streitigkeiten waren einfach nicht mehr zu rechtfertigen. So habe ich danach Triptykon gegründet, aber das Requiem wollte ich trotzdem noch vollenden. Zuerst aber sollte sich Triptykon in der Musikszene als eigenständige Band etablieren und sich nicht mit den Lorbeeren von Celtic Frost schmücken. Auch bei Triptykon wurde das Requiem schnell zum Thema, und auf dem dritten oder vierten Album sollte der zweite Teil dann folgen.

MF: Wäre ohne das Angebot vom Gründer des Roadburn-Festivals, Walter Hoeijmakers, dieses Requiem nie vollendet worden?

Tom: Wenn ich in den nächsten Jahren nicht gestorben wäre, dann hätte ich das Requiem sicher vollendet. So hat das Roadburn unseren Zeitplan nur ein wenig vorgezogen. In meinen Gedanken war das Requiem immer präsent, und ich wollte es unbedingt vollenden. Nach dem Tod von Martin war ich ihm das irgendwie schuldig. So hatte ich, während dem Schreiben den ersten Proben und dem Auftritt am Roadburn, immer Martin im Kopf mit dabei. Ich bin kein esoterischer Typ, denn ich denke mit dem Tod ist eigentlich alles vorbei, hoffe aber trotzdem, dass Martin dieses Requiem auf irgendeine Art und Weise mitbekommen hat.

MF: Zwischen deiner Band Triptykon und dem Metropole Orkest ist ein magischer Moment entstanden und ihr seid zu einer untrennbaren Legierung verschmolzen. War die Inszenierung, so homogen zusammen mit einem Orchester, für dich die Essenz für das Gelingen dieser Darbietung?

Tom: Jede Band soll den klassischen Teil so handhaben wie sie es will, aber auch mich haben viele Bands in diesem Punkt nicht befriedigt, denn nur mit der Hinzunahme eines auswärtigen Arrangeurs und von einigen Streichern, bzw. einigen Celli ist es, meiner Meinung nach, nicht getan. Das ist für mich recht halbherzig. Bei Celtic Frost und Triptykon haben wir von Anfang an die klassischen Stücke nach Klassik-Gesichtspunkten geschrieben und so natürlich das Requiem primär. Martin und ich haben 1986 ganz bescheiden begonnen und im Studio in Hannover mit einigen klassischen Musikern zusammengearbeitet, haben aber noch auf einer ganz kleinen Flamme gekocht. 2006 hatten wir dann schon die viel besseren Connections, leider waren die klassischen Musiker nicht in unserer Musik zu Hause. Die Musiker des Metropole Orkest spielten so, wie wenn sie ein Teil von Triptykon wären. Speziell ist der Dirigent Jukka Lisakkila zu erwähnen. Zwei ganz wichtige Personen, die einen gewaltigen Anteil am Gelingen dieses Projektes hatten, waren Victor Santura als musikalischer Direktor, der unglaublich talentiert als Gitarrist, Produzent und Komponist ist, und Florian Magnus Maier, der als Sänger bei Dark Fortress singt, aber im Hauptberuf klassischer Komponist ist. Nur mit diesen Leuten war es überhaupt möglich, so etwas Grosses zu machen und auf die Bühne zu bringen. Alleine hätte ich das nie stemmen können. Die Musiker des Metropole Orkest waren total easy drauf, was natürlich auch zum Gelingen wesentlich beigetragen hat.

MF: Handelte es sich bei diesem Roadburn-Auftritt, inklusiver sämtlicher Proben, um eine einmaliges Live-Event?

Tom: Wir hatten bisher zwei Proben, die Generalprobe ohne Publikum und den eigentlichen Auftritt vor Publikum. Bei uns steht die Diskussion im Raum, ob wir das nochmals wiederholen. Das Problem sind die Kosten, die sich nur grosse Festivals wie das Wacken oder das Hellfest leisten könnten. Aber ob die richtigen Rahmenbedingungen für ein Requiem an diesen beiden Orten gegeben wären? So ein Requiem ins Volkshaus nach Zürich zu bringen, wäre aufgrund der sehr teuren Tickets auch nicht realistisch. In der Schweiz wäre einzig das Jazzfestival in Montreux eine Alternative, aber ob wir für die Veranstalter interessant genug wären, weiss ich nicht, denn wir sind ja nicht Bon Jovi oder so!

MF: Neben den genialen Musikern deiner Band und dem Metropole Orkest, besticht vor allem die Co-Lead-Vokalistin Safa Heraghi mit ihrer berührenden und bezaubernden Stimme. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Tom: Das ist eine lustige Geschichte! Safa kommt ursprünglich aus Tunesien und ist die Freundin von unserem Drum-Tech Matthias Lande. Matthias ist auch noch der Drummer von Dark Fortress und als Dark Fortress im Dynamo aufgetreten sind, da habe ich Safa das erste Mal singen gehört, und es hat mich umgehauen. So habe ich sie nach dem Konzert gefragt, ob sie in Zukunft gerne mit mir und Triptykon zusammenarbeiten würde. Sie war begeistert und schon ein Jahr später kam das Angebot vom Roadburn-Festival. Wir brauchten jemanden, der in der Rock- wie auch in der Klassik-Welt zu Hause ist. Da Safa noch keine Live-Erfahrung hatte, war es für sie eine riesige Herausforderung, die sie aber mit Bravour gemeistert hat! Sie hat sich so fest eingebracht, dass sie auch Songwriting-Credits bekommen hat. Wenn ich gewisse Stellen höre, die von ihr gesungen worden sind, habe ich auch nach dem fünfzigsten Mal noch Tränen in den Augen! Einfach phänomenal, was Safa da geleistet hat!

MF: Ist dieses Requiem auch als Andenken von Martin Ain und H.R. Giger gedacht und deshalb in sehr liebevollen Versionen veröffentlicht worden?

Tom: Natürlich ist dieses Requiem den verstorbenen Leuten gewidmet, die ganz enge Freunde waren. Martin und H.R. Giger waren genau diese Freunde, und da liegt es auf der Hand ihnen eine Totenmesse zu widmen. Schon bei den Releases von Celtic Frost war es unser Anliegen, hochwertige Versionen zu veröffentlichen. Nur hat uns unsere damalige Plattenfirma mehrmals verarscht. Bei «Into The Panademonium» wäre ein dickes Booklet inklusive eines Posters von uns gewünscht gewesen, leider sind diese Beilagen dann ins Archiv der Plattenfirma verschwunden. Das hat uns sehr gewurmt, weil wir ja auch Die Hard Music-Fans waren, die auch gerne etwas Schönes von ihren Lieblingsbands in die Hände bekommen hätten. So sollte man dem Fan auch einen reellen Gegenwert für sein Geld bieten. Für die Re-Release der alten Celtic Frost-Alben wurde ich als Art Director von BMG angefragt und das trotz einiger Differenzen. So wurden die Alben 2017 als Deluxe-Version neu aufgelegt und auch Martin war stark involviert.

MF: Mit Triumph Of Death (Tribut To Hellhammer) lässt du die alten Zeiten von Hellhammer gebührend aufleben. Welche Aktivitäten, Gigs oder neue Songs sind mit Triumph Of Death noch geplant?

Tom: Wir hatten eigentlich sehr viele Konzerte für Triumph Of Death wie auch Triptykon geplant, die aber leider aus den bekannten Covid19-Gründen abgesagt oder verschoben wurden. Wir hoffen, dass wir wenigstens am "Meh Suff"-Festival noch spielen können, weil ich dieses Festival einfach genial finde! Es wird dann später im Jahr noch ein spezielles Konzert von Triumph Of Death, zusammen mit Triptykon in der Schweiz geben. Ich werde dort der Special Guest von mir selber sein! Das wird aber ein rechtes Stück Arbeit, denn die Vocals bei Triumph Of Death schüttelt man nicht gerade so aus dem Ärmel, da wird einem einiges an Power abverlangt! Bei Triptykon ist der Gesang eine andere Dimension, für mich sehr schwer und emotional! Wenn ich mit Triptykon nach einem Gig von der Bühne gehe, dann bin ich total ausgelaugt! Das wird definitiv eine grosse Herausforderung für mich, aber ich probiere das einfach mal aus! Für Triumph Of Death und Triptykon sind separate Auftritte in Australien, Kanada, Finnland, Norwegen und Mexiko geplant. Wir haben bereits einige Gigs von Triumph Of Death, die sich auf der Bühne sehr geil angefühlt haben, aufgenommen und planen eventuell zwei bis drei Live-EP's zu veröffentlichen, wenn das Material unseren Ansprüchen dann auch entspricht!

MF: Mit Triptykon hast du vor sechs Jahren das Album «Melana Chasmata» veröffentlicht. Wie steht es bei Triptykon mit einem neuen Album?

Tom: Mit Triptykon arbeiten wir intensiv am neuen Album, das noch in diesem Jahr fertig gestellt werden soll. Aufgrund der aufwendigen Produktion für das Requiem, haben wir zwei Jahre mit den Arbeiten am neuen Album pausiert. Mein anderes Sideproject, das bereits am 24. April 2020 erscheinen sollte, wird mit neuem Namen noch in diesem Jahr erscheinen. Der Drummer und ich konnten mit der anderen, sehr selbstverliebten Person nicht mehr weiter zusammenarbeiten, und deshalb sind wir im Dezember 2019 ausgestiegen. Dieses Album, wenn ich das selber einschätzen darf, was ich zwar sehr ungern mache, dann gehört dieses dunkle, melodiöse Album zum stärksten Material, das ich je geschrieben habe.

MF: Hättest du jemals gedacht, dass du mit Hellhammer so einen Hype auslösen wirst, dass dann diverse Bands wie Warhammer und Apocalyptic Raids, euer Erbe 1:1 nachspielen werden?

Tom: Natürlich nicht! Im Gegenteil, wurden wir doch am Anfang von ganz vielen Leuten belächelt und links liegen gelassen. Aufgrund unseres extremen Sounds waren die Leute noch nicht bereit für Hellhammer, denn in dieser Zeit gaben Acts wie Dio und AC/DC den Ton an. Wir wurden richtiggehend ausgegrenzt, dass auch wir glaubten unsere Musik gehöre in den Underground und wir würden in unserem schimmligen Bunker verrotten. Beim Wacken konnten wir mit Triumph Of Death als Headliner auftreten, da musste ich mich auf der Bühne kneifen und fragen, ob das jetzt wirklich so passiert, mit dieser Musik von Hellhammer!

MF: Dass du ein Pionier und Visionär bist, beweist nicht nur die geniale Musik, die du über all die Jahre erschaffen hast, sondern auch deine Zusammenarbeit mit Musikerinnen. Bei Triptykon ist es Vanja Slajh und bei Triumph Of Death ist es Mia Wallace. Denkst du, dass bezüglich Frauen im Heavy Metal langsam ein Umdenken stattfindet und diese Frauen dann auch als vollwertige Musikerinnen akzeptiert werden?

Tom: Wir waren von Anfang an offen für Musikerinnen. In den 80iger Jahren gab es nur wenige Musikerinnen im Extrem Metal, weil diese Szene sehr Männer-dominiert war. Martin hatte in seiner ersten Band, nach seinem Ausstieg bei Celtic Frost, eine Musikerin mit dabei. Als ich 2008 bei Celtic Frost ausgestiegen war, hat mir Vanja extrem geholfen, und ohne sie hätte es Triptykon nie gegeben. Wir arbeiten bereits seit zwölf Jahren zusammen und haben eine absolut stabile Beziehung. Als wir beim Schlagzeug-Posten einen Wechsel vornehmen wollten, waren auch Drummerinnen dabei, die sich beworben hatten, und wir wären auch für eine Drummerin offen gewesen. Vanja fühlte sich aber mit einer zweiten Frau in der Band nicht wohl, deshalb war eine Drummerin für mich kein Thema mehr. Wenn es musikalisch stimmt, dann spielt das Geschlecht überhaupt keine Rolle. Zu Mia Wallace muss ich aber sagen, dass sie der Beweis dafür ist, dass auch eine Frau sich genauso wie ein Mann benehmen kann. Mia hat mich leider masslos enttäuscht, weil sie in den zwei Jahren nie die Wahrheit gesagt hat. Das tönt krass, und das ist auch krass! Mia kann es mit den übelsten Gesellen, die ich in fast vierzig Jahren Musik-Business kennengelernt habe, aufnehmen. Deshalb blieb mir auch keine andere Wahl, als sie im hohen Bogen aus der Band zu schmeissen! Zum Glück konnte Jamie Lee Cussigh den vakanten Posten übernehmen, und sie ist eine wirklich geniale Bassistin! Weil die Zusammenarbeit mit ihr so gut läuft, macht Jamie Lee auch bei meinem Sideproject mit und ist ebenso aktiv im Songwriting-Prozess involviert. Es kann mit Männern wie Frauen, gut oder schlecht gehen, denn es menschelt überall!

MF: In der Schweiz bist du für mich der wichtigste Künstler im Extrem-Metal. Erhältst du die dir gebührende Wertschätzung in der Schweiz?

Tom: Das ist ein bitteres Thema, das man aber von zwei Seiten betrachten muss. In der Schweiz habe ich ein extrem treues Publikum, und das bedeutet mir extrem viel! Von der offiziellen Schweiz, respektive Medienschweiz oder wie man das nennen will, für die existiere ich tatsächlich gar nicht, denn ich mache sehr unbequeme Musik. Ich bin nicht bei der Promiszene und Cervelat-Szene dabei und ich bin auch kein Stiefellecker! Darum bin ich auch nicht im Schweizer Fernsehen präsent und werde mit Ignoranz abgestraft. Mit Celtic Frost und Triptykon gehöre ich zu den erfolgreichsten Bands der Schweiz und seit 39 Jahren bin ich als Headliner auf der ganzen Welt unterwegs. Auch wenn es mich in den Medien hier fast nicht gibt, so hält mir dafür unsere Szene die Treue, und das bedeutet mir sehr viel! Ich habe diesen unbequemen Weg aber auch so gewählt, und so basiert mein Erfolg nur auf der reinen Gunst des Publikums!

Hoffentlich geht es für Tom und seine Bands bald wieder vorwärts, denn im Moment sind ja leider alle Gigs auf Eis gelegt. Das trifft natürlich auch einen Künstler wie Tom substanziell, denn Triptykon und Triumph Of Death haben auch eine Crew, die von den Einnahmen abhängt! Als Co-Direktor des Giger-Museums bekommt Tom wenigstens noch einen Zustupf. Vielen Dank für dieses kurzweilige Interview, Tom! Der werten Leserschaft möchte ich unbedingt das hervorragende Album «Requiem (Live At The Roadburn 2019)» wärmstens empfehlen!!