Interview: Tyr
By Kissi
Mit ca. Sieben Millionen Menschen können wir Schweizer auf gerade mal eine handvoll international erfolgreicher Metalbands stolz sein: Krokus, Gotthard, Celtic Frost, Cataract und Eluveitie fallen mir da spontan ein. Das macht also eine Band auf über eine Million Einwohner. Die Bevölkerung der Färöer hingegen besteht nicht einmal aus 50'000 Nasen und dennoch können sie eine Truppe von internationalem Format ihr Eigen nennen. Die Rede ist von Týr, dem Trio, dem umtriebigen Pagan-Trio, welches mit «Land» diesen Frühling sein viertes Langeisen rausgeschmissen und neben der kompletten «Pagan Fest»-Tour dutzende Festival-Gigs vollführt hat und im Herbst gleich noch auf eine weitere Tour (zusammen mit Hollenthon und Alestorm) starten wird. Im Zuge der Mittelalter-Woche im Dynamo in Zürich machte der Dreier um Mastermind Heri Joensen (HJ) auch mal wieder in der Schweiz halt, eine Gelegenheit, die Metal Factory nutzte, um mit dem sympathischen und etwas nervösen Fronter vor der energiegeladenene Show über das Spezielle an Týr, seine Einflüsse und zu schwatzen.

MF: Hey Heri! Ihr seit verspätet angekommen, da ihr Probleme am Zoll hattet. Wie geht es dir nach all dem Stress?

HJ: Ah, das war keine so grosse Sache. Wir haben einfach praktisch unseren ganzen Merch-Kram an der Grenze stehen lassen müssen. Ich hab vergessen, dass die Schweiz nicht in der EU ist und da haben wir keine speziellen Papiere dafür gelöst. Jetzt können wir halt nur unsere Scheibe verkaufen.

MF: Das letzte Mal gesehen hab ich euch Ende Juni in Balingen am Bang-Your-Head!!! Wie war der Gig da für dich?

HJ: Es war fantastisch, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir ziemlich früh morgens auftreten mussten (als zweite Band am Freitag morgen von 10.15 – 10.55, Anm. d. Verf.). Es waren viel mehr Zuschauer da, als wir erwartet hatten. Und auch die Umstände waren gut: Super Bühne, geiler Sound... wir konnten dabei auch ein Publikum erreichen, welches vielleicht nicht unbedingt auf eine unserer Tourshows gekommen wäre, weswegen es sich schon gelohnt hat, dort aufzutreten.

MF: Wart ihr nur am Freitag dort oder habt ihr das ganze Wochenende genossen?

HJ: Wir waren, wenn ich mich richtig erinnere, zwei Tage dort und danach machten wir uns auf ans Tuska in Finnland. Das BYH!!! war wirklich klasse. Wir haben die ganze Zeit mit den Leuten von Korpiklaani, mit denen wir ja auf der «Pagan Fest»-Tour waren, rumgeblödelt und getrunken. War echt witzig, die hatten da so einen Pool aufgestellt und wenn man dann ein paar Bierchen intus hat...

MF: Wie du gerade gesagt hast seid ihr im Frühling auf der Pagan-Tour gewesen, absolviert gerade Festival-Gigs und im Herbst gehts ja schon wieder auf Tour. Ist es nicht hart, die ganze Zeit unterwegs zu sein und die Reise-Strapazen auszuhalten?

HJ: Nicht wirklich, finde ich jedenfalls. Klar gibt es Phasen, in welchen die Kraft ein wenig nachlässt und ein Zuckerschlecken ist die ganze Sache definitiv auch nicht. Schlussendlich ist Touren aber einer der Gründe, warum wir überhaupt Musik machen und da gehört Reisen halt dazu, weswegen es kein Problem für mich darstellt.

MF: Im Zuge des «Pagan Fest» ward ihr das erste Mal in den Vereinigten Staaten, wenn ich mich nicht irre. Wie war eure erste Reise durch die USA?

HJ: Jap, das erste Mal... Es war echt stark drüben! Die Publikumsreaktionen haben uns echt überrascht. Wir wussten schon, dass es einige Typen dort drüben gibt, welche unsern Sound mögen. Deswegen haben wir ja auch bei den FAQs auf unserer Homepage die Frage „Wann kommt Týr nach Amerika“ stehen. Dennoch waren wir echt beeindruckt, wie viele von den Zuschauern zum Beispiel unsere Texte, auch die, welche nicht auf Englisch sind, mitsingen konnten. Es waren insgesamt zwar nicht so viele Leute da wie während des europäischen Teils, aber all jene die kamen waren verdammt enthusiastisch. Auch in Kanada, ein wunderbares Land, welches man nicht vergessen darf.

MF: Erzähl uns doch bitte eine Anekdote, etwas Spezielles, welches auf der «Pagan Fest»-TOur geschehen ist und in Erinnerung bleiben wird.

HJ: Hmmm... (lacht) Eigentlich geschahen ziemlich viel spezielle, vor allem witzige Dinge. Wir bekamen einen tour-internen Fanclub, den die Jungs von Eluveitie gründeten, das war echt witzig... Sie machten sogar T-Shirts davon. Ist echt ne super Band, auch musikalisch! An was kann ich mich noch genau erinnern... Partys gabs natürlich auch einige, zum Beispiel die in Long Beach in den USA war super, ja... es war einfach ne fette Zeit und echt geil, mit so vielen Leuten auf Tour zu gehen.

MF: Wenn du die beiden längsten Tours in eurer Karriere bisher, also die Pagan-Tour und die Tour mit den Apokalyptischen Reiter, vergleichst, welche Unterschiede fallen dir da ein?

HJ: Bis auf einige Gigs in der Schweiz und in Österreich war die ganze Tour mit den Reitern halt auf Deutschland beschränkt, das fällt mir als erstes ein. Durch die «Pagan Fest»-Tour bekamen wir die Gelegenheit, an vielen Orten zu spielen, wo wir noch nie waren. Deutschland ist echt super zum Touren. Ich meine, die Clubs sind cool, das Essen und die Backstage-Räume, genauso wie die Gagen. Das kriegst du nicht überall in Europa, vor allem nicht in Grossbritannien, genauso wenig wie in den Vereinigten Staaten. Dort gibt es nicht die gleichen Standards. In den Staaten war es übel, man bekam Geld, um sich das Catering zu kaufen. Die Reiter-Tour war definitiv komfortabler und auch das Publikum war riesig. In dieser Hinsicht war es auf der Pagan-Tour auch super, aber eben manchmal ein wenig anstrengender sonst.

MF: Ende Mai habt ihr eure aktuelle Scheibe «Land» veröffentlicht. Für all jene, die euch noch nicht kennen oder eure Scheibe noch nicht gekauft haben: Weswegen sollte man sein Geld für «Land» ausgeben?

HJ: Man sollte «Land» kaufen, weil es die Scheibe ist, die mehr Pagan, Folk und Viking in sich hat als jede andere Scheibe auf dieser Welt. Es ist Sound vom Ende der Welt. Das Beste aus Pagan, Doom, Prog, True und Power Metal überhaupt, etwas, das sie noch nie gehört haben. Jeder, der sich Metaller nennt muss vor uns niederknien!! hahahahahahahaha.... Super Frage!

MF: Nach all diesen Genre-Bezeichnungen: Wie würdest du selber euren Sound beschreiben?

HJ: Normalerweise würde ich die ersten paar aufzählen, also Pagan, Folk und Viking. Es ist aber schwierig, da wir ja doch anders klingen als all jene Bands, die diesen Genres zugerechnet werden wie etwa Finntroll, Ensiferum oder auch Eluveitie. Wir haben wirklich verschiedene Stile vereint: Doom und traditioneller Metal spielen sicherlich auch eine Rolle. Man kann dies alles zusammensetzen wie man will, es wiederspiegelt nie wirklich, wie wir klingen.

MF: Auf eurer Homepage nennst du unter Einflüsse nicht nur berühmte Rockmusiker und Bands, sondern auch verschiedene Komponisten wie Antonio Vivaldi, Mozart oder Andrew Loyd Weber (der Typ, der Cats gemacht hat). Fliesst das klassische in den Sound von Týr ein?

HJ: Absolut. Nur schon, wie ich Songs mache: Zuerst der Rhythmus, also die Drums, dann die Grundtöne mit dem Bass und danach die Melodien der Gitarren dazu und zuletzt noch den Gesang drauf. Das ist eigentlich nichts anderes als klassische Theorie angewandt auf Folk-Melodien und Rock-Instrumente.

MF: Würdest du sagen, dass du Songs schreibst, wie normale Rockbands, oder dass du eher Stücke komponierst im Sinne klassischer Tradition?

HJ: Manchmal, aber ziemlich selten, hab ich zuerst ein Riff, welches ich verwerten will. Meistens ist es aber doch ziemlich klassisch: Ich such mir eine traditionelle Folk-Melodie und mache dann kompositorisch einen Song mit dieser Melodie.

MF: Dennoch ist Týr eine Metalband. Nenne bitte drei Bands, die du als grösste Einflüsse in deinem Songwritting siehst.

HJ: Das sind wohl ganz altbewährte Combos. Zuerst mal Metallica, dann Iron Maiden und danach bin ich mir nicht ganz sicher: Pink Floyd oder ein wenig metallischer: Dream Theater.

MF: Im Vergleich zu allen anderen Bands die unter dem Label «Pagan» zu finden sind: Was unterscheidet euch von ihnen?

HJ: Zuerst klingen wir nicht gleich wie die anderen. Ich denke, es ist sehr vorteilhaft für uns, dass unser Sound doch sehr speziell und eigen klingt und dass unser Material doch einen ziemlich starken Wiedererkennungswert in sich trägt. Gut, wie alle anderen verwenden wir traditionelle skandinavische Mythologie und traditionelle Melodien, im Gegensatz zu allen anderen Truppen verwenden wir aber keine als typisch geltenden Instrumente wie Sackpfeifen oder Akkordeons, denn auf den Färöern gab es im traditionellen Liedgut keine solchen, ausser der Stimme.

MF: Ist das der Grund, weswegen ihr häufig mehrstimmig, die ganze Band zusammen, singt?

HJ: Genau! Das charakteristische Instrument dieser Tradition ist eigentlich die Stimme. Meist basieren unsere Songs auf Liedern, die von mehreren Leuten ohne irgendwelche Instrumente vorgetragen wurden. Wir übertragen ein Stück der Melodien einfach noch auf die Gitarren.

MF: Wie bewertest du den Umstand, dass ihr von den Färöer-Inseln stammt? Siehst du das als Nachteil oder Vorteil?

HJ: Es beinhaltet beide Seiten: Einerseits macht uns unser Exoten-Status sicherlich leichter zu promoten und uns ein Image zu verpassen. „Die Band von den Färöern“, oder? Andererseits zieht dies aber einige logistische Nachteile mit sich, so zum Beispiel, dass Touren für uns doch immer ein Aufwand ist, den andere Bands vom Festland nicht bewältigen müssen. Letztendlich denke ich jedoch, dass an dem Punkt, an welchem wir jetzt angelangt sind, die positiven Punkte überwiegen.

MF: Du behandelst in deinen Texten die pagane Welt des Nordens. Auf eurer Homepage bezeichnet ihr dies als das, was «vor der Christianisierung» war. Wie ist dein Verhältnis zum Christentum?

HJ: Schlecht... sehr schlecht! Ich bin der Überzeugung, dass das Christentum, genauso wie alle anderen grossen Religionen, sei es nun das Judentum, der Islam oder auch der Hinduismus, tausendmal mehr Schlechtes bewirkt haben als Gutes und dass diese Religionen dem menschlichen Verstand schaden genauso wie der Gesellschaft auf der Welt!

MF: Nun zum obligaten Schlussteil: Was verbindest du persönlich mit der Schweiz? Welche Erinnerungen hast du an sie, welche Gedanken kommen dir in den Sinn?

HJ: Hmm... Ich denke, wir waren schon drei Mal vorher hier, somit ist es also das vierte Mal, dass ich hier bin. Ich weiss nun, dass hier keine Euros verwendet werden und dass wir immer spezielle Preise für die Schweiz machen müssen, genauso, dass wir spezielle Papiere lösen müssen, damit wir nicht an der Grenze aufgehalten werden. Das ist vielleicht ein wenig typisch für die Schweiz, da die Leute hier doch sehr strikt sind und alles sehr kontrolliert ist. Dafür funktioniert aber auch alles und ist immer sehr professionell, sodass man dieses Genauigkeit gerne auf sich nimmt. (hat fast schon etwas Ironisches, wenn man bedenkt, dass an diesem Abend der Auftritt von Týr mit ca. einer Stunde Verspätung stattfand – Anm. d. Verfassers) Ganz generell denke ich natürlich bei der Schweiz an Schokolade und an Jodeln, wobei ich nicht weiss, ob das nicht eher aus Österreich kommt.

MF: Nein, nein... stimmt schon! Jodeln ist sozusagen Swiss-Pagan oder -Folk! Was hat Týr in der näheren Zukunft so vor?

HJ: Wir werden hoffentlich so bald wie möglich ein neues Album aufnehmen. Ich bin jetzt schon wie wild am Arbeiten an neuen Songs. Danach gehts im Herbst auf Europa-Tournee mit Hollenthon und Alestorm, auf welcher wir ja wieder in die Schweiz kommen werden. (am 14. 10. im Z7 – Anm. d. Verf.). Aber ich hoffe wirklich, dass wir noch vor Ende dieses Jahres wieder zurück ins Studio können, um den Nachfolger von «Land» einzuspielen. Vielleicht gibt es auch noch ein paar Shows um den Jahreswechsel.

MF: Und wo siehst du dich und Týr in 10 Jahren?

HJ: Ich werde hoffentlich genau am selben Ort sein wie heute, nur dass es 10 Uhr ist und wir als Headliner anstatt als erste Band spielen!

MF: Ok, das wünsch ich absolut für dich! Danke für das Interview!




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