Interview: Within Temptation
By Maiya R.B. Pics by Patrizia C.
Within Temptation sorgen derzeit mit ihrem neuen Album "An Acoustic Night At The Theatre" für Aufsehen, welches sie auf einer Tour durch diverse Theaterhallen aufgenommen haben. Zu Promotionszwecken kam Sharon Den Adel nach Zürich, um sich den Fragen der Medienleute zu stellen. Auch Metal Factory fand sich zu diesem Zweck in einer gemütlichen Bar in der Zürcher City ein, um die charmante Sängerin wieder einmal zu interviewen. Schon zu Beginn wusste sie uns gut zu unterhalten, als sie mit verstellter Stimme "Luke, ich bin dein Vater!!" ins Aufnahmegerät brummelte. So abwechslungsreich und spannend wie die von Sharon (SdA) zitierten Star Wars gestaltete sich dann auch das Interview.

MF: Sharon, wir haben uns eine Weile nicht mehr gesehen. Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?


SdA: Soweit ganz gut, danke! Wann haben wir uns zuletzt gesehen? Vor zwei Jahren?

MF: Ja, ziemlich genau sogar.

SdA: Damals waren wir mit "The Heart Of Everything" unterwegs und waren nach der Tour total fertig, mehr noch als sonst, da wir auch noch in Amerika unterwegs waren. Das stellte ein grosses Abenteuer für uns dar, weil nur ein kleiner Teil des dortigen Publikums uns kannte, während ein grosser Teil noch nie von uns gehört hat. Es war eine grosse Herausforderung, aber es war wirklich gut!

MF: Kannst du dich noch daran erinnern, in wievielen amerikanischen Städten ihr gespielt habt?

SdA: Hmm, eine Zahl zu nennen wird schwierig. Wir haben beide Küsten ganz abgespielt, Ost und West, und das innert sehr kurzer Zeit. Dabei mussten wir immer grosse Strecken bewältigen, was echt anstrengend war. Aber es war cool und auch ein grosser Spass, deshalb will ich mich lieber nicht beklagen! Wir waren ja eigentlich auf Europa-Tour und sind dann zwischendurch zweimal in die Staaten geflogen, was sehr erschöpfend war. Aber danach hatten wir eine Pause eingelegt, damit jeder seinen Nebenprojekten und seinem eigenen Leben nachgehen konnte. Diese Auszeit war nötig, auch wenn die meinige nur kurz war.

MF: Ja, denn du bist im Frühsommer zum zweiten Mal Mutter geworden - gratuliere!

Sda: (lächelnd) Danke! Du ja ebenfalls! Hast du einen Jungen oder ein Mädchen gekriegt?

MF: Einen Jungen!

SdA: (noch breiter lächelnd) Genau wie ich! Wundervoll!

MF: Hast du an dieser Stelle einen Ratschlag für all die jungen Eltern da draussen?

SdA: Oh, einen Ratschlag? Hmm... Ich bin der Meinung, dass man als Elternteil vor allem seinen Instinkten folgen sollte. Wenn es um die eigenen Kinder geht, dann kann man wahrscheinlich gar nicht genug lieben. Ich weiss, es klingt abgedroschen, aber viele Eltern lassen sich zu sehr von unserer schnelllebigen Zeit unter Druck setzen, anstatt sich ausreichend um ihre Kinder zu kümmern. Wenn man keine Kinder mag und keine Zeit mit ihnen verbringen möchte, dann soll man auch keine Kinder auf die Welt setzen. Man sollte sich total sicher sein, ob man Mutter oder Vater werden möchte, denn Kinder beanspruchen nun mal sehr, sehr viel Zeit.

MF: Gute Worte! Sprechen wir über das aktuelle Album. Wie kam es zu dieser Acoustic Tour?

SdA: Wir haben mitgekriegt, dass die belgischen Theater immer weniger Publikum haben und hatten dann die Idee, mal ein völlig anderes Publikum in die Theaterhallen zu locken. So haben wir dann an passenden Orten in Belgien und Holland gespielt, was wundervoll war! Ich denke, dass es auch für unsere Fans sicher eine gute Abwechslung war, da man normalerweise keine akustischen Klänge mit uns verbindet, sondern eher bombastische Lieder. Es war eine enorm grosse Herausforderung, welche wir meiner Meinung nach gut gemeistert haben.

MF: Die aktuelle Single "Utopia" ist hervorragend geworden! Kannst du mit ein paar Worten beschreiben, worum es in dem Song und dem Video geht?

SdA: Danke! In "Utopia" geht es darum, dass man manche Dinge im Leben nicht erklären kann. Oft ist es im Leben so, dass manche Menschen vor etwas bewahrt werden, während andere in der genau gleichen Situation weniger Glück haben. Da fragt man sich natürlich, warum das so ist. Manch einer überlebt einen Autounfall ohne einen Kratzer, während ein anderer die Treppe runterfällt und sich das Genick bricht. Bei zwei solchen Extremen fragt man sich doch, wie das möglich ist, und es wird einem klar, wie verrückt das Leben manchmal spielt. Es sieht ein wenig danach aus, als ob solche Dinge absichtlich geschehen. Ich glaube nicht daran, dass uns alles schon vorherbestimmt ist, es gibt sicher viele Situationen im Leben, in denen wir eine Wahl haben, wenn auch nur begrenzt.

MF: Interessante Ansicht!

SdA: Ja, irgendwie phi... philoph... Ach, wie heisst dieses Wort auf Englisch?!? Phi... Hilf mir mal! Ich kann dieses Wort nicht aussprechen!

MF: Philosophisch?

SdA: Jaaa, philosophisch, danke! Weisst du was ich meine?

MF: Absolut! Über solche Fragen lässt sich gut philosophieren.

SdA: Andererseits lässt der Song aber auch genug Freiraum für Interpretationen. Im Grunde kann jeder den Song so auslegen, wie es für ihn stimmt. Ich für meinen Teil betrachte ihn gerne von einem ökologischen Standpunkt heraus. Ich meine, wir haben diesen wunderschönen Planeten und begegnen ihm ohne Respekt. Oder stellen wir uns "Utopia" als ein Lied vor, in dem es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Man kennt das ja, wenn nach aussen hin alles prima läuft, aber in einem drin läuft trotzdem irgendwas verkehrt. Auch um solche Sachen könnte es in "Utopia" gehen, und es war mir sehr wichtig, eben diesen Freiraum für Interpretationen zu erschaffen.

MF: Du singst "Utopia" zusammen mit Chris Jones. Was kannst du uns über ihn erzählen?

SdA: Ich habe mit Armin van Buuren, einem Dance-DJ, an einem Song namens "In and Out of Love" gearbeitet. Ich fragte ihn, mit wem er sonst noch zusammen arbeitet, und... Oh, du hast einen wunderschönen Fingerring!

MF: Oh? Danke!

SdA: (grinst) ...also, mit welchen Künstlern er sonst noch arbeitet, ausser mit mir, und dann hat er mir von Chris Jones erzählt. Armin hat mir einen Song namens "Going Wrong" vorgespielt, und ich war von Chris' Stimme gleich überwältigt! Ich habe ihn dann schon bald kennen gelernt, und er ist ein echt netter und schüchterner Typ, erst 24 Jahre alt. Er stammt aus Liverpool, und ich habe ihn Robert vorgestellt, also meinem Robert, sowie Daniel, unserem Produzenten. Daraufhin haben sie angefangen, zusammen Songs für das Debutalbum von Chris zu schreiben. Auf www.sellaband.com/chrisjones kann man sich bereits einen Song anhören, den Chris, Robert und Daniel zusammen geschrieben haben. Übrigens, das muss ich noch erwähnen: Die Leute halten Robert oft für meinen Ehemann, dabei sind wir gar nicht verheiratet. Ich frage dann immer "Seht ihr einen Ring an meinem Finger? Da ist keiner!" Ich warte immer noch auf einen Ring...

MF: Ich hoffe mit dir, liebe Sharon!

SdA: (lächelnd) Danke!

MF: In Chris Jones hast du ein echtes Juwel gefunden! Seine Stimme ist grossartig!

SdA: Ja, nicht wahr?

MF: Hat er schon viele Stunden Gesangsunterricht hinter sich, oder ist er einfach ein Naturtalent?

SdA: Letzteres, würde ich sagen, denn er hat gerade erst mit Gesangsunterricht angefangen. Seien wir mal gespannt, was aus dieser Stimme noch wird!

MF: Eine Acoustic Tour durch Europa wird logistisch kaum möglich sein, aber wie sieht es mit einem Video für einen der Acoustic Songs aus?

SdA: So etwas haben wir nicht geplant, da dieses Album für uns eher eine Art Zwischenstation ist. Für "Utopia" haben wir das Video gemacht, weil es ein völlig neuer Song ist. Wir konzentrieren uns derzeit lieber auf unser neues Studioalbum, welches in ungefähr einem Jahr erscheinen wird. Im April haben wir noch achtzehn Theaterkonzerte in Belgien und Holland, was wirklich mehr als genug ist...

MF: Vor allem wenn man Mutter ist...

SdA: Da hast du recht! Aber wir spielen ja in der näheren Umgebung, somit können wir immer wieder nach Hause fahren.

MF: Wie laufen denn die Arbeiten zum neuen Studioalbum? Bist du soweit zufrieden?

SdA: Wir experimentieren derzeit ein bisschen herum und gehen neue Wege. Wir haben musikalisch alles Erreichbare schon erreicht, deshalb möchten wir jetzt mal etwas anderes machen. Die Produktion wird anders werden, es wird sich wie etwas zwischen "Enter" und "Mother Earth" anhören. Wir möchten wieder die Richtung einschlagen, die wir zu Beginn hatten, als Bands wie Nine Inch Nails, The Cure oder auch Nirvana uns beeinflusst hatten. Andererseits aber soll das alles in einem neuen und modernen Gewand daher kommen.

MF: Seien wir gespannt! Als Abschluss möchte ich zwei Fragen loswerden, die nichts mit Musik zu tun haben.

SdA: Oh? Finde ich gut! Was möchtest du wissen?

MF: Auf der DVD "Black Symphony" gibt es eine Szene aus dem Backstage-Bereich, wo du fragst, wo dein Wein geblieben sei...

SdA: (dezenter Lachanfall) Jaaa...

MF: Du trinkst gerne guten Wein. Welchen Wein magst du besonders?

SdA: Ich mag vor allem Wein aus Chile. Meiner Meinung nach kommt der derzeit beste Wein aus Chile. Vielleicht liegt es daran, dass... Hmm, also die Trauben werden aus Frankreich importiert und in Chile zu Wein verarbeitet. Wahrscheinlich ist es gerade diese Kombination, die den Wein so köstlich macht.

MF: Du bist auch ein grosser Fan von Tee...

SdA: Ja, Tee ist gut für meine Stimme. Ich trinke auch gerne Tee in stressigen Zeiten, weil er mich entspannt. Kamillentee ist mein Wundertee!

MF: Die letzte Frage lautet wie immer, ob du eine Botschaft für deine Fans in der Schweiz hast.

SdA: Ich komme immer gerne in die Schweiz, weil es ein sehr schönes Land ist. Ihr habt eine Menge Festivals hier! Komischerweise läuft es für uns in der Schweiz sehr gut, während wir im benachbarten Österreich weniger erfolgreich sind. Vielleicht liegt es ja an den verschiedenen Kulturen, die ihr in der Schweiz habt, denn hier werden gewissermassen Italien, Frankreich und Deutschland vereint. In Österreich läuft es zwar schon auch gut, aber nicht so gut wie hier bei euch. Auch unsere CDs verkaufen sich in der Schweiz hervorragend und wir kommen oft hier her, deshalb spüre ich eine starke verbindung zur Schweiz.

MF: Euer erstes vollständig ausverkauftes Konzert war ja in Zürich, oder?

SdA: Stimmt! Daran erinnere ich mich gut! Danke Schweiz!

MF: Und Metal Factory dankt dir für das Interview!

SdA: Gleichfalls! Es war schön, dich wieder mal zu sehen!


Das Mädchen-Metal-Trio: Fotografin Patrizia (l.) und Maiya mit Sharon Den Adel. Süss, nicht wahr? >