Livereview: Alter Bridge - Enjoy Destroy
01.02.08, Rohstofflager Zürich
By El Muerte
Was mich am Freitag, den 1. Februar 2008, im Rohstofflager erwarten würde, das konnte ich absolut nicht voraussehen - Rein theoretisch sprechen Alter Bridge mit ihrer Musik ein ziemlich breitesbandiges Publikum an, vom eingesessenen Rockfan, über den Gelegenheits-Banger, bis hin zum Metalhead mit Vorliebe für dicke Arrangements, hier passt eigentlich alles. Aber der Fakt, dass der Gig schon seit Wochen ausverkauft war, hätte mich eigentlich stutzig machen müssen - Metalheads waren klar in der Unterzahl, das Gros des Publikums bestand aus Feierabendrockern der obersten Güteklasse. Nicht, dass das ein Problem für mich wäre, aber das Verhalten der eben beschriebenen Sorte sorgte für unfreiwillige Situationskomik: Der durschnittliche Feierabendrocker deckt sich zu Beginn des Abends offensichtlich zuerst mal gerne mit Merch ein, steckt sich dann zwecks Image-Bestätigung eine Kippe in den Mundwinkel, trinkt überteuertes Bier, und demonstriert während des Konzerts dann das Nichtvorhandensein seines Taktgefühls durch arythmisches Mithüpfen. Bei kleinerer Präsenzzahl dieser Sorte fällt das gar nicht so sehr auf, aber wenn 70% des Publikums in diese Sparte fällt, dann hat das durchaus eine beängstigende Note - Man stelle sich den Anblick vor: Beim Eintreten in den Konzertsaal erwarten den Schreiberling fast durch's Band hindurch schwarz/weisse Alter Bridge-Shirts und Wristbands, während die Leute sich in kollektivem «Eins-auf-Rocker-machen» üben…

Enjoy Destroy
Die vier Engländer von Enjoy Destroy sind hierzulande mehr oder weniger unbekannt - Umso fördender wird da die Tour mit Alter Bridge wirken, immerhin kommt das Quartett somit ordentlich in der Weltgeschichte umher, und kann in standesgemässen Säälen spielen. Ob das für Alter Bridge angereiste Publikum für ihre Art von Musik das empfänglich sein würde, das wagte ich effektiv zu bezweifeln - aber wenn immerhin 10% der Besucher mit einem guten Eindruck nach Hause gehen, dann kann durchaus von Erfolg gesprochen werden. Dabei muss allerdings erwähnt werden, dass Enjoy Destroy live um einiges knackiger daher kamen, als auf Platte. Die Band stand gegen 20h15 plötzlich auf der Bühne, und gab während der folgenden 35 Minuten ordentlich Zunder. Trotz einiger simplen eingestreuten Keyboard-Linien von Fronter Fred, lag der Fokus auf den drückenden Rythmus-Parts aus der simplen Gitarre/Bass/Drums-Kombination. Die musikalische Aurichtung lag irgendwo zischen Oceansize, Muse, und QOTSA, aber Enjoy Destroy konnten durch ihr erfrischend lockeres Auftreten dem Ganzen eine zusätliche energetische Note verleihen - Als Support von Alter Bridge zwar nur bedingt geeignet, aber die Band wird zweifelsohne ihr Publikum finden… und umgekehrt.

Alter Bridge
Alter Bridge konnten schon von Beginn weg auf die uneingeschränkte Unterstützung des Publikums zählen - das wurde bereits klar, als die Band nach dem beendeten Umbau noch weitere unnötige 15 Minuten verstreichen liess: Das Publikum stimmte sich kurzerhand mit Sprechchören und Klatschen auf den anstehenden Gig ein. Während einem kurzen Intro ab Tonträger stieg das Quartett unter überraschend frenetischem Applaus dann auf die Bühne, um mit «Come To Life» das gut 75-Minütige Konzert zu Beginnen. Die Band bewies von Anfang an Gespür für grossen Stadionrock, und Klampfer Mark Tremonti und Sänger/Klampfer Myles Kennedy liessen sich immer wieder zu exzessiven Soli hinreissen. Das Songmaterial und die damit verbundene Dynamik varrierten indes nicht gross, von «Find The Real» über «Blackbird» zu «Open Your Eyes» wurden mehr oder weniger alle grossen Hits der beiden Platten gespielt. Kevin Beacon-Lookalike Myles glänzte nebst beinahe steinerner Mimik durch seinen hervorragenden Gesang, und liess sich auch in Sachen Gitarrenkünste nicht lumpen - Sein Spielweise ist klar im Blues verwurzelt, während Mark Tremonti ab und zu Abstecher in schwermetallische Gefilde unternahm. Überhaupt konnten Alter Bridge vor allem durch ordentlichen Punch und Groove die metallische Schlagseite live bedeutend stärker betonen, als auf Platte - Zwischendurch liess sich Drummer Brian Marshall sogar zu Doublebass-Passagen hinreissen, was den Songs überhaupt nicht schadete. Höhepunkt war aber nebst dem textsicher mitsingfreudigen Publikum aber klar die Solo-Einlage von Sänger Myles am Ende des Sets. Er gab vor der letzten Zugabe «Rise Today», nur von der Basstrommel und seiner Resonantor-Gitarre begleitet, eine erstaunlich authentische Slide-Version vom Bluesklassiker «Mudbone» zum Besten, wobei er im Mittelteil knapp 15 (!) Sekunden lang den Ton hielt. Alles in allem also eine runde Sache, wie sie amerikanischer nicht hätte sein können. Meiner Ansicht nach kommt der wahre Rock'n'Roll aber immer noch ein ganzes Stück spontaner und dynamischer um's Eck. Alter Bridge müssen aufpassen, nicht zu sehr in ihrem selbst abgestecken Spielraum zu verharren – Aber für ihr bisheriges Schaffen ziehen sie zweifelsohne das richtige Publikum an.

Setlist Alter Bridge: Come to Life, Find the Real, White Knuckle, Brand New Start, Buried Alive, Coming Home, One Day Remains, Before Tomorrow, Ties That Bind, Blackbird, Watch Over You, Metalingus, Open Your Eyes, Broken Wings, Mudbone (Cover), Rise Today