Wenn die Farbenpracht in den Wäldern die herbstliche
Jahreszeit charakterisiert und diese als Vorbote des nahenden
Winters fungiert, fangen die Leute in der Regel an, ihre Gärten und
Balkone wintertauglich zu machen. Das heisst es wird ab- und
zugedeckt, was das Zeug hält und normalerweise erst wieder im
Frühling ausgepackt. Das gilt freilich nicht für die Musikszene, die
eigentlich keine solchen „Pausen“ kennt und besonders im letzten
Quartal, oft einher gehend mit neuen Releases, nochmals ausgiebig
die Bühnen der Welt beehrt. Ein in dieser Hinsicht ziemlich leckeres
Package mit Destruction als Headliner und den grandiosen Flotsam And
Jetsam als eher selten gesehene Begleitband war mitte September zu
Gast im Z7. Damit das Ganze noch etwas mehr potenzielle Besucher
generiert, wurde das Tour-Billing mit zwei weiteren Combos
aufgestockt. Zum einen sind das Enforcer aus Schweden und die
brasilianischen Thrash-Girls von Nervosa. Letztere hatte ich 2015,
zusammen mit Headliner Hirax, im Coq d’Or in Olten gesehen. Dort
hinterliessen sie einen starken Eindruck und haben mit «Agony» ein
neues Album am Start. Weder das eine noch das andere trifft bei
Enforcer zu.
Nervosa Der Nachteil bei vier Bands zusammen auf einer
Tour, die so natürlich nicht unter dem Banner eines Festivals läuft,
ist, dass die jeweils erste Band in der Regel relativ früh auf die
Bühne steigen muss und da erfahrungsgemäss noch längst nicht alle
Fans in der Halle sind. Zusammen mit manchmal falsch kommunizierten
Anspielzeiten kann es deshalb vorkommen, dass sich beim Opener erst
ein paar Nasen vor der Bühne einfinden, was im Fall vom Z7
dramatische Ausmasse im negativen Sinne annehmen kann. Dass sich
dies stimmungsmässig mitunter auch auf die Bands abfärben kann,
kommt vor, ist aber die Seltenheit. Das sahen auch Nervosa so, allen
voran die quirlige Bassistin und sexy Frontfrau Fernanda Lira, die
bei uns auch diesmal ein Coroner-Shirt trug. Zusammen mit den
Kollginnen Prika Amaral (g/v) und der Tourdrummerin Samantha Landa
legte sie pünktlich um 19:15 Uhr los. Der brachial vorgetragene
Thrash Metal, untermalt mit ordentlich rauen Vocals, gewährte keine
Anwärmphase. Von null auf hundert knüppelte sich das Trio durch
seine bisherigen zwei Studioalben hindurch. Während die agile und
posenreiche Performance keinerlei Anlass zur Kritik zulässt,
vermochten die Songs leider nicht so zu punkten. Was schon beim
Debüt
über
die Distanz auffiel, nämlich der Mangel an zündenden Ideen und
überraschenden Arrangements, macht sich leider auch bei der zweiten
Langrille bemerkbar. Die daraus resultierende Sperrigkeit geht auf
Kosten der Eingängigkeit, was letzten Endes bedeutet, dass die
Mucke, da zu schablonenhaft, bald einmal langweilig wird. Nervosa
liessen dies dank der halben Stunde Spielzeit zwar nicht wirklich
aufkommen, aber bestünde hier nicht der Bonus der holden wie
ansehnlichen Weiblichkeit, gepaart mit zweifellos technischem
Können, wird es schwierig, sich hier künftig mit Konzerten über die
Langdistanz zu profilieren. Nichtsdestotrotz gab es durchaus den
einen anderen Moment, der musikalisch(e) Akzente zu setzen
vermochte. Fragt sich nur, ob das so ausreicht und dereinst mal ein
spürbarer Schritt nach vorne realisiert werden kann. Das
fanfreundliche Verhalten am Merch-Stand sorgte immerhin für weitere
Pluspunkte.
Enforcer
Für Finnland gingen die inzwischen verblichenen Machine Men an den
Start, Spanien brachte Tierra Santa hervor und die Schweiz hat hier
mit Sin Starlett einen spitzigen Pfeil im Köcher. Gemeint sind
Bands, die sich vor allem dem Sound von Iron Maiden verschrieben
haben und mitunter darauf aufbauend ihr eigenes Ding durchziehen.
Enforcer sind ebenfalls auf dieser Schiene positioniert und stammen
aus Schweden. Was Multiinstrumentalist und Sänger Olof Wikstrand
2004 noch als Einmann-Projekt losgetreten hat, ging vor zehn Jahren
erstmals als Band an den Start. Das ungestüme Debüt kam 2008 heraus,
aber besser in Szene setzen konnten sich Nordländer mit dem
Zweitling «Diamonds», der zwei Jahre später veröffentlicht wurde.
Dort wurde auch meine Wenigkeit auf die Jungs aufmerksam, und live
sah ich sie zuletzt 2013 in Aarau als Support von Angel Witch und
Grand Magus. Die damalige persönliche Bilanz fiel unter dem Strich
eher ernüchternd aus und dieses Damokles-Schwert hing auch heute
Abend über den Köpfen der Schweden. Seit der zweite Gitarrist Adam
Zaars 2011 von Bord ging, schrumpften Enforcer zum Quartett und das
sind sie immer noch. Mit «From Beyond»
kam
letztes Jahr das vierte Studio-Album heraus, gefolgt von einer
Livescheibe. Es ist unbestritten, dass die Nordlichter inzwischen
eine entsprechende Fanbase aufgebaut haben, aber gemessen an dem,
was Sabaton im gleichen Zeitraum erreicht haben, steht man gelinde
gesagt immer noch ganz unten, am Fusse des Berges. Unter anderem ein
Grund dafür ist das zu eintönige Songwriting, das sich aktuell nicht
gross vom Debüt unterscheidet, sprich speediges Maiden-Geballer mit
dem stets sirenenhaften Gesang von Mr. Wikstrand. Das mag ja eine
Weile cool sein und verpackt in eine mitreissende Performance, wie
heute Abend auch geschehen, können mehrheitlich die jüngeren Fans
durchaus abgeholt werden. Gemessen an der wirklich guten Stimmung
war das auf jeden Fall so. Persönlich wurde ich bald bestätigt und
nervte mich zunehmend ob dem Gejodel von Olof. Ich glaube das
Kapitel Enforcer wird langsam aber sicher abgehakt, je länger…, je
mehr!
Flotsam And Jetsam
Es gab mal Zeiten, wo diese Band sehr oft bloss als diejenige Truppe
bezeichnet wurde, wo ein gewisser Jason Newsted (Ex-Metallica) mal
in den 80ern in die Basssaiten gehauen hat. Des Weiteren wurden das
dazugehörende Debüt-Album «Doomsday For The Deceiver» (1986) und der
direkte Nachfolger «No Place For Disgrace» (1988) zurecht als
zeitlose Genre-Juwelen gehandelt. In den Jahren danach lief es
jedoch nicht mehr so rund bei den Amis, und leider wurde dann zum
Beispiel das Hammer-Album «Quatro» (1992) trotz Stilkorrektur
letztlich ein weiteres beklagenswertes Opfer der einsetzenden
Grunge-Welle. Die Jahre danach waren gekennzeichnet durch einige
Lineup-Wechsel, Drogen und mehrere Alben, die damals abkackten, aber
heute zumindest teils in einem anderen Licht dastehen. Ganz weg war
die Truppe aber nie und Alben wie «Unnatural Selection» (1999) oder
«The God» (2010) als einzelne Exponate in meiner Tonträgersammlung
lassen erkennen, dass der typische Flotsam-Sound, getragen von den
Vocals von Eric A.K.
auch
bei mir nie dem totalen Untergang geweiht war. Die Die-Hard Fans
kamen 2008 überdies in den Genuss, dass die Band aus Phoenix das
„Keep It True“-Festival in Lauda-Königshofen (D) headlinen konnte,
und letztes Jahr bereicherte man ausserdem das Billing des „Rock
Hard“-Festivals in Gelsenkirchen. Allerspätestens mit dem aktuellen
selbstbetitelten Hammerteil sind die Jungs kompositorisch auf jeden
Fall wieder da, wo sie hingehören, nämlich ganz weit vorne. Schade
nur, dass dies vorderhand nicht mehr Leute erreicht, aber so eine
Tour wie die zusammen mit den Altmeistern von Destruction ist das
beste Gegenmittel dazu. So entwickelte sich der heutige Auftritt des
eigentlichen Co-Headliners hin zu einem Triumphzug sondergleichen.
Die Tightness war zum Niederknien geil und die Mischung aus neuen
und alten Songs wie Klassikern fliessend. Das derzeitige Line-Up mit
Eric 'AK' Knutson (v), Steve Conley (g), Michael Gilber (g), Jason
Bittner (d) sowie Michael Spencer (b) harmoniert bestens, und so
schüttelte das eingespielte Kollektiv einen Kracher nach dem anderen
aus dem Ärmel. Man bemerkte sofort, dass die Chose mächtig nach
vorne schob und das Bandfeuer mehr denn je am Lodern ist. Die
Reaktionen der Fans waren dann auch entsprechend recht euphorisch.
Bleibt zu hoffen, dass wir diesen Genre-Leckerbissen in der Schweiz
baldmöglichst wieder zu Gesicht und Ohren bekommen.
Destruction Nach dem grandiosen Auftritt von
Flotsam And Jetsam konnten sich einige Besucher nicht wirklich
vorstellen, dass dies noch übertrumpft werden kann. Doch wenn der
Headliner Destruction heisst und so ein Sahneteil wie den neusten
Streich namens «Under Attack», nota bene das vierzehnte Studio-Album
am Start hat, muss diese Einschätzung ziemlich schnell in die
Waagschale gelegt werden, und man wird dann schon bald sehen wie
hören, was passiert. Mainman Schmier und sein unerlässlicher
Sidekick Mike sind seit 1982 zusammen aktiv und kein bisschen müde,
wobei die Tourabstecher nach Übersee, sprich Südamerika schon nicht
mehr so einfach wie früher weggesteckt werden. Solange die Fans dort
aber immer noch nach den deutschen Thrash-Icons lechzen und die
Situation so ist, wie sie sich
gegenwärtig präsentiert, werden Schmier & Co. bestimmt nicht
aufstecken und weiter voll auf die Tube drücken. Da ist der
Album-Titel natürlich Programm und lässt sich vorzüglich umsetzen.
So präsentierte sich entsprechend auch der Bühnenaufbau, und es war
abzusehen, dass im Verlauf des Konzertes die Farbe Rot einen
zentralen Part einnehmen wird. Als Opener des heutigen Thrash-Orkans
fungierte gleich «Under Attack», der Titeltrack der neuen Scheibe
und offenbarte gleich die volle Breitseite, was die Deutschen schon
seit den Anfängen als Genre-Messlatte gesetzt haben. Dabei kam auch
sofort wieder zum Tragen, dass diese Band am besten als Trio
fungiert, was ja, wenn man die Bandgeschichte kennt, nicht immer der
Fall war. Die einzige Konstante seit der Gründung ist nämlich
Gitarrist Mike Sifringer, während Kollege und Frontmann Schmier
einen Break von zehn Jahren zwischen 1989 und 1999 zu verzeichnen
hat. Und kaum wer wird sich noch daran erinnern, dass der Schweizer André
Grieder (Poltergeist) das Album «Cracked Brain» von 1990 eingesungen
hat. Seit 2000 und dem Comeback-Album «All Hell Breaks Loose» sitzt
der grosse Hüne am Bass jedoch wieder fest im Sattel, und seit sechs
Jahren ist mit Drummer Vaaver als insgesamt fünftem Musiker hinter
den Kesseln ebenso wieder Ruhe und Konstanz eingekehrt. Musikalisch
weichen Destruction auch im Jahre nicht von ihren prägenden Roots
ab, doch während das eine oder andere Album der jüngeren
Vergangenheit
gut, aber nicht überragend ausfiel, kann hier «Under Attack» voll
punkten. Das Album verkörpert ein hohes Mass an kompositorischer
Variabilität, die das Teil sehr ausgewogen wie gleichzeitig
traditionell klingen lässt. Ein gutes Beispiel dafür ist
«Pathogenic», das zu Beginn den gewohnten Speed bringt und hinten
raus nach der Bass-Bridge in einen obergeilen Stampfer übergeht,
bevor es zum Schluss wieder wie am Anfang bratzt. Dazu kommen
frische Abrissbirnen wie «Second To None», die einen dank der fetten
Produktion schon auf dem Tonträger wegpusten. Live kommt das Ganze
natürlich noch ein Zacken heftiger, und diese Energie verströmten
die alten Klassiker der Marke «Mad Butcher», «Life Without Sense»
oder das unverwüstliche «Bestial Invasion» als letzte Zugabe ebenso,
bevor der gute alte Frank Sinatra mit «Stranger In The Night» für
ein schon fast erlösendes Outro sorgte. Unter dem Strich hiessen die
Sieger von heute Abend jedoch Flotsam And Jetsam, wenn auch mit
knappem Vorsprung, da Destruction aktuell stärker denn je sind!
Setliste: «Under Attack» - «Curse The Gods» - «Pathogenic» -
«Nailed To The Cross» - «Mad Butcher» - «Dethroned» - «Life Without
Sense» - «Total Desaster» - «Thrash Attack» - «Black Death» -
«Invincible Force» - «Second To None» - «The Butcher Strikes Back»
-- «Days Of Confusion (Intro)» - «Thrash Till Death» - «Eternal Ban»
- «Bestial Invasion» - «Stranger In The Night (Outro)».
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