Wie wenn der konzertmässige Overkill in den letzten Jahren nicht
sonst schon böse Überhand genommen hätte, sind in der letzten Zeit
neue Formationen entstanden, wovon die einzelnen Musiker meist
allesamt Hochkaräter sind. Transatlantic, Adrenaline Mob,
Chickenfoot, Black Country Communion oder jetzt eben Flying Colors
glänzen vorab mit grossen Namen, die aber neben ihren Stammbands
scheinbar locker zu weiteren musikalischen Höhenflügen fähig sind.
Was Flying Colors angeht, so sieht die Kurzform so aus: Morse,
McPherson, Morse, LaRue sowie Portnoy und die einzelnen Bands in der
richtigen Reihenfolge so: Deep Purple/Dixie Dregs, Alpha Rev,
Spock's Beard, Dixie Dregs sowie (Ex-) Dream Theater. Resultat
dieser Zusammenkunft, respektive -arbeit ist das selbstbetitelte
Debüt-Album, das im Mix mindestens etwas von der jeweiligen Herkunft
der einzelnen Bandmitglieder ausstrahlt und sonst als gehobene
Rockmusik bezeichnet werden kann. Deutlich schräger kamen dafür
Beardfish aus Schweden rüber, die als Support auf diese Tour gebucht
wurden und unterschiedliche Reaktionen auslösten.
Beardfish
Obwohl mir die Stilecke Retro-Prog nicht gänzlich unbekannt ist,
hatte ich bisher noch nie was von den Schweden gehört oder wahr
genommen. Immerhin schon seit 2001 aktiv und mit mit sieben Alben
(!) am Start. Heuer kam ja «The Void» heraus, die mir jetzt in der
aktuellen Ausgabe einer führenden deutschen Metal-Publikation nur
deshalb auffiel, weil ich zu diesem Konzert ging. Zentrale Figur der
Band ist Rikard Sjöblom, der nebst dem Leadgesang auch das Keyboard
bediente und zweitweise auf die zweite Gitarre wechselte. Ebenfalls
auffällig benahm sich Bassist Robert Hansen, der kurioserweise nur
Socken tragend auf die Bühne kam. Das erlaubte ihm zwischendurch
Bewegungen auszuführen, die etwas von Michael Jackson's (R.I.P.)
berühmtem Moondance hatten. Zumindest sah das Ganze etwas schräg aus
und genau so kam auch die Musik von Beardfish daher. Zu Beginn eher
ruhig gehalten und von fluffigproggigen Orgelklängen dominiert, nahm
die Intensität laufend zu, was sich im erstaunlich variantenreichen
Gesang von Rikard ausdrückte, der zwischendurch, auch optisch, an
den Schauspieler/Musiker Jack Black erinnerte. Als dann gar einmal Growls ausgepackt wurden, riss der ohnehin schon dünne rote Faden
vollends. Dazu
geisterte mir halbwegs ein anderer Name als Vergleich
durch den Kopf, den ich auf Nachfrage bei einem Kollegen/Musiker
bestätigt sah: Frank Zappa (R.I.P.)! Dieser tauchte bei der
Recherche über Beardfish dann tatsächlich als einer der massgebenden
Einflüsse (neben Gentle Giant) auf. Wer sich mit Zappa auskennt und
diesen mag, kam heute Abend im überraschend gut gefüllten Z7 (600
Leute im Vorverkauf) sicherlich auf seine Kosten. Mir persönlich
gefiel es zu Beginn ganz gut und danach, als die Stile und Songs in
Überlänge ausuferten, blieb mehr oder weniger bloss das zweifellos
hochstehende Können der Musiker an ihren Instrumenten übrig. Das sah
das Publikum mehrheitlich ebenso, das zwischendrin zwar kaum bis gar
nicht aus der Reserve zu locken war, am Schluss der Lieder jeweils
aber kräftig applaudierte. Das Gezeigte hinterliess bei mir
allerdings keine Lust auf einen Tonträger, was für sich selber
spricht.
Flying Colors
An sich hatte ich mir ernsthaft vorgenommen, mir die neue
selbstbetitelte CD vor dem Konzert ein paar Mal rein zu pfeifen,
aber bei all der Menge an Scheiben, die es sonst noch anzuhören
gibt, kein leichtes Unterfangen. So kam ich also völlig unbelastet
ins Z7 und kannte demnach praktisch keinen Ton, geschweige denn
einen Song des Headliners. Das hat bekanntlich Vor- und Nachteile.
Interessant war zudem zu sehen und zu hören, wie man die Setliste
bei nur einem Album gestaltete. Zudem stand die berechtigte Frage im
Raum, ob sich durch die Anwesenheit von Steve Morse ein gewisser und
im Kanton Aargau (!) wohnhafter Roger Glover verpflichtet fühlen
würde, abermals, wie zuletzt bei der Purple-Coverband Purpendicular
(wo Ian Paice ja hinter den Kesseln sass), wiederum als Gast
aufzutauchen. Und ja..., natürlich kam Roger auch dieses Mal und
mischte sich ungezwungen unter die Leute, ohne aber aufzutreten,
leider. Der stets freundliche Bassist liess sich dann geduldig
ablichten, als er entsprechend erkannt wurde. Derweil musizierte
sein Bandkollege auf der Bühne und das ganz ordentlich. Zu Beginn
wirkte das Ganze jedoch noch etwas zu behäbig, nahm dann aber bald
einmal die nötige Fahrt auf. Was sich jedoch bald als Highlight
heraus kristallisierte, waren die optimal harmonierenden
Mehrfach-Stimmen im Sinne der Backing Vocals. Wenn man nun nur ein
einzelnes Album am Start hat, drängen sich nebst den eigenen Songs
unweigerlich auch ein paar Cover-Versionen auf. Nicht unerwartet so
geschehen, fanden unter anderem Dixie Dregs («Odyssey»), Dream
Theater («Repentance») und Spock's Beard («June») Einzug in die
Setliste. In der Nachlese kam jetzt zudem aus, dass das neue Werk
komplett gespielt wurde, wenn auch in anderer Reihenfolge. Ganz zu
Beginn gab es noch ein kleines vermeintliches Verstärkerproblem zu
lösen, denn der Opener «Blue Ocean» wurde jäh unterbrochen und zweimal
angespielt. Des Rätsels Lösung ist indes einfach, denn das Album fängt
in der gleichen Art und Weise an! Obwohl die Chose noch recht fluffig
daher kam, dauerte es eigentlich bis zu «Forever In A Daze», ehe das
Konzert so richtig Fahrt aufnahm.
Das galt auch für Steve Morse, der sich gefühlsmässig etwas Zeit zum
Warmspielen ausbedingte und danach in altbekannter Manier los legte.
Aus der Nähe betrachtet konnte der Purple-Axeman sein Alter (58)
allerdings nicht ganz verbergen und man mag es wirklich kaum
glauben, dass der gute Steve seinen Vorgänger, den "Man in Black",
mittlerweile vor 17 Jahren (!) ersetzt hat. Der auffälligste Musiker
am heutigen Abend war aber nicht etwa Mike Portnoy, obwohl sich
dieser einige Male mit Ansagen direkt ans Publikum wendete, sondern
Bassist Dave LaRue, der neben seinem ohnehin erfreulich gut hörbaren
Instrument durch filigranes (Finger-) Spiel auffiel. Zu seinen an
sich viel zu kurzen Solo-Parts hätte sich Rhythmus-Monster Portnoy
ruhig mal einklinken können. Das hätte bestimmt gegroovt wie Anton,
doch auch so blieben einem die offensichtlichen Fähigkeiten des
ehemaligen Dixie Dregs Bassisten nicht verborgen. Dennoch gab es
meiner Meinung nach Licht und Schatten während diesem Konzert, dem
notabene ersten Auftritt dieser Formation auf Schweizer Boden. Immer
besser gefiel mir zunächst mal Sänger Casey McPherson und auch
Kult-Keyboarder Neil Morse lieferte bei "seinem Spock's Beard" Song
«June» amtlich ab. Wer allerdings für meinen persönlichen Geschmack
das livehaftige Singen, wie bei «Fool In My Heart» und «Repentance»
eher sein lassen sollte, ist Drum-Master Portnoy. Schlagzeug spielen
kann er definitiv besser und sollte es eher dabei bewenden lassen.
Die letzten drei Songs des Abends, inklusive dem 12 Minuten-Epos
«Infinite Fire» als einzige Zugabe liessen das Z7 dann nochmals
mehrheitlich erzittern. Bevor Flying Colors die Bühne das erste Mal
verliessen, zeigte das ruhige «Everything Changes» ein letztes Mal
auf, welche Bandbreite diese neue Supergroup abdeckt. Unter dem
Strich konnte man nach gut 100 Minuten Spielzeit ein grundsätzlich
positives Fazit ziehen. Was aber fehlte, war ein wahrnehmbarer Druck
der ganzen Band mit unwiderstehlichem Zug nach vorne. Trotz gutem
Songmaterial klang es zwischendurch mindestens etwas selbstverliebt.
Die Gesamtbilanz bewegte sich aber klar im grünen Bereich und mal
schauen, wie die Geschichte weiter gehen wird.
Setliste: «Intro» - «Blue Ocean» - «Shoulda Coulda Woulda» - «Love
Is What I'm Waiting For» - «Can't Find A Way» - «The Storm» -
«Odyssey» - «Forever In A Daze» - «Hallelujah» - «Better Than
Walking Away» - «Kayla» - «Fool In My Heart» - «Repentance» - «June»
- «All Falls Down» - «Everything Changes» -- «Infinite Fire» - «Outro».
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