Livereview: Greenfield Festival 2017

08. - 10 Juni 2017, Flugplatz - Interlaken BE
Text by Oliver H.

Die diesjährige Ausgabe des Greenfieldfestivals stand musikalisch wie wettertechnisch unter einem guten Stern. Zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals fiel kein Regentropfen vom Himmel. Das einzige Wasser, das in Strömen floss, war das aus den Duschen auf dem Festivalgelände. Bereits am Donnerstagabend hatten etliche Besucher ihren natürlichen Teint gegen knallrote Haut eingetauscht. Musikalisch gesehen waren dieses Jahr eher die „kleinen“ Bands ganz gross und die Headliner konnten ihrem Ruf nicht wirklich gerecht werden. Zumindest war es so aus meiner Sicht. Trotz aller Kritik am Line-Up, was die Wiederholungen an Bands betrifft, konnten die Organisatoren mit den Besucherzahlen zufrieden sein. Auch das Publikum, das altersmässig von schulpflichtig bis Rentenalter alles abdeckt, hat über die drei Tage ihre Idole in bester Manier abgefeiert.

Kreator
Die Thrash-Götter der Achtzigerjahre standen am frühen Donnerstagabend auf dem Programm. Mastermind Mille Petrozza, Gitarrist und Sänger von Kreator brachte mit seiner Truppe die Interlakner Luft zum Brennen. Ihre messerscharfen Gitarrenriffs peitschten aus den Boxentürmen und ihre Beats waren so rasant, dass manch einer sich beim Heandbangen einen steifen Hals zuzog. Allerdings wollten sich nicht allzu viele Zuschauer dem Gespann aus Essen hingeben und die Reihen vor der Hauptbühne wollen sich nicht füllen. Dabei taten Kreator genau das, was sie über all die Jahre im Geschäft gehalten hat. Besonders ihr neustes Werk „Gods Of Violence“ hat der Truppe wieder Leben eingehaucht. So knüppelten sich Kreator mit teutonischem Arbeitseifer durch ihr Set. Es gab Doppelpauken-Donnerwetter, Gitarren-Geprügel und Tempobolzereien von der allerbesten Sorte, und untermalt wurde diese Szenerie mit Papierschlangenkanonen und unsäglich viel Feuer, das bei der Helligkeit die zu dem Zeitpunkt noch herrschte, leider kläglich unterging. Trotzdem wehten viele Mähnen im Wind und Petrozzas Teufelsstimme vermochte doch zumindest die anwesenden Zuschauer zu begeistern.

Five Finger Death Punch
Was danach folgte, war schon im Vorfeld in den Gesichtern der eher jüngeren Generation abzulesen. Ein roter Handabdruck im Gesicht war der Hinweis darauf, dass die US-Modern-Metaller von Five Finger Death Punch sich an diesem Abend die Ehre geben werden. Das Geschrei war besonders in den vorderen Reihen zu vernehmen als der US-Fünfer ihre energetisch aggressive Show startete. Gleich zu Beginn zeigte Bassist Chris Kael mehrmals Publikum und Presse seinen Mittelfinger, womit er die Stimmung noch mehr anheizte. Schon nach vier Songs und einem musikalisch harten Einstieg in das Konzert schob Frontmann Ivan Moody eine Showeinlage ein, indem er sich mit einem Fan im Circle-Pit prügeln wollte. Sowieso gab es zwischen den Tracks immer wieder Pausen, die zu leichten Irritationen führten. Über den ganzen Gig gesehen, kamen aber ruhige und melodiösere Momente, humorvolle Einlagen und Entertainment auch nicht zu kurz. Moody unterstrich einmal mehr seine Frontmann-Qualitäten, mal als wilder Testosteron-Protz mit geballten Fäusten und mal als nachdenklicher Melancholiker, der voller Inbrunst düstere Gesangslinien intoniert. Hoffen wir, dass er der Truppe auch nach den neuesten Gerüchten doch erhalten bleibt, denn er hat zumindest die Fans am Greenfield-Festival in Ektase versetzt.

Epica
Auf Epica war ich ziemlich gespannt, da besonders Frontfrau Simone Simons stimmlich immer wieder Grund zu Diskussionen bietet. Epica zeigten allerdings an diesem Abend eine tolle Show. Wundervolle, kräftige Melodien und einige wilde Feuer- und Lichteffekte. Zwar sang Simons auch an diesem Abend nicht immer ganz souverän, aber die „Fehler“ wurden von Publikum überhört oder ganz einfach verziehen. Growl-Meister und Lead-Gitarrist Mark Jansen und seine Kehle bekamen ebenfalls – und sehr zu meiner Freude – viel zu tun. Er und Simons harmonierten ausgezeichnet zusammen. Keyboarder Coen Janssen war ab und zu mit seinem tragbaren, gebogenen Spezial-Keyboard unterwegs und sorgte ebenfalls für gute Unterhaltung. Nach einer Stunde war der Auftritt der Niederländer auch schon wieder vorbei und auf der Hauptbühne warteten noch die Schweden von In Flames auf ihren Auftritt.

In Flames
Wer In Flames kennt, der weiss, dass sie ein Garant für erstklassigen Melodic-Metal sind und sich eine Show der Schweden jederzeit lohnt. So auch in diesem Jahr. Von Beginn an zogen die Mannen um Anders Frieden das Publikum in ihren Bann. Messerscharfe Riffs und knallharte Drums fegten über die zahlreichen Köpfe der Zuschauer hinweg. Die Soundqualität war erstklassig, so dass die Bässe den richtigen Druck im Bauchraum erzeugten. Ihr Konzept, kerniger Metal trifft auf Harmonie und Schreihals, scheint seit Jahren aufzugehen. Frieden stellte auch an diesem Abend seine Qualitäten als Frontmann unerschütterlich unter Beweis. Zwischenzeitlich wurde es noch kurz sentimental, als Frieden über einen verstorbenen Freund berichtete, der viel zu früh von uns gegangen ist. Auf Pyrotechnik wurde grossweitig verzichtet dafür war die taktgenaue Lichtshow ein echter Augenschmaus. In Flames veranschaulichen eindrucksvoll, wie grossartig es doch ist, wenn ein Lichttechniker seinen Job als Kunsthandwerk versteht. Als erster Headliner des Festivals haben sie eine wirklich tolle Show geboten, die bestimmt einige Besucher glücklich zurückliess.

Equilibrium
Die Epic-Metaller von Equilibrium standen am Freitag im Vorabendprogramm. Dass sie doch hierzulande nicht mehr gänzlich unbekannt sind, zeigten die Scharen, die zu ihrem Auftritt auf der Mönchstage pilgerten. Kurz vor halb neun betraten Berthiaume & Co. unter lauten Jubel die Bühne. Ein sichtlich gut gelaunter Sänger, suchte sofort die Konversation mit dem Publikum. Der Erfolg war ihnen sicher, als sie nach dem Opener die Schweiz als zweite „Heimat“ bezeichneten und daraufhin den selbigen Song zu Besten gaben. Der Fünfer wirkte professionell und sehr relaxt bei ihrem Auftritt. Dies ist ein Hauptmerkmal, das Equilibrium ausmacht (siehe Interview). Das Publikum tanzte und feierte mit der Band ausgelassen mit und versuchte bis zum Schluss, die geforderten Wünsche von Frontmann Robse bestmöglich zu erfüllen. Nach nur einer Stunde, als die deutsche Maschinerie inkl. Publikum richtig warm gelaufen war, war es leider schon wieder an der Zeit ans Aufhören zu denken. Während des Outro’s liess sich die Band noch richtig feiern, bevor sie schliesslich ganz in der Dunkelheit verschwanden. Ein total überzeugender Auftritt aber leider viel zu kurz für meinen Geschmack.

Powerwolf
Am Samstag war es dann an der Zeit für die einzig wahre Metal-Messe. Unter Applaus stürmten Attila Dorn, Falk Maria Schlegel, Roel van Helden sowie Charles und Matthew Greywolf auf die Bühne. Standesgemäss sind ihre Gesichter wieder schwarz-weiss gehalten. Auch im Publikum war ein Double der Gebrüder Greywolf anwesend. Los legte die Truppe mit dem Hit „Blessed & Possessed“. Tempo, Energie und Wucht waren die Zutaten der Truppe. Powerwolf bewiesen eindrücklich, weshalb ihnen solche gute Live-Qualitäten nachgesagt werden. Die Stimmung war ausgezeichnet und einzelne sangen von Anfang bis Ende kräftig mit. Wenn es Orgel-Chef Falk Maria zu langweilig wurde, schaute er immer wieder an der Bühnenfront vorbei und animierte das Publikum zu weiteren Einsätzen. Auch Alpha-Wolf Attila Dorn war in bester Laune und suchte immer wieder den Dialog mit dem Publikum. Teilweise artete es wie schon bei anderen Bands des Tages, in einen echten Klatsch-und Tratsch-Marathon aus. Dennoch vermochten die Wölfe zu überzeugen und rangen dem Publikum sogar einen Rückwärts-Circle-Pit ab. Als Zugabe servierten Powerwolf schliesslich die Hymnen „Sanctified With Dynamite“ und „In The Name Of God (Deus Vult)“. Damit ging dieser starke Live-Auftritt zu Ende.

Combichrist
Die norwegisch-amerikanische Kombo war für mich persönlich eine Neuentdeckung des Festivals. Eigentlich wollte ich nur mal kurz „reinschnuppern“, um die Wartezeit zu verkürzen… aber ich blieb. Die Mannen um Andy LaPlegua betraten die Bühne und bretterten so dermassen los, dass ich mich nicht mehr losreissen konnte. Die Setlist war ein Potpourri aus ihrem ganzen Schaffen. Es ging mit einem donnernden Industrial-Metal-Gewitter los und demonstrierte allen Anwesenden, dass Combichrist mit verstärktem Gitarreneinsatz noch immer eine grossartige Live-Band sind. Die neuen Titel zündeten live besser als auf der Platte, wie ich später feststellen sollte und so wurden Songs wie „Exit Eternity“ und „My Life My Rules“ zu echten Highlights.

Eluveitie
Die Folk-Metaller von Eluveitie starteten am Samstag gewaltig, um zwischenzeitlich in den Fan-Massen abzusaufen. Chrigel Glanzmann und Co., das sind ja mittlerweile neun Bandmitglieder, legten heftig los und brachten die Zuschauer in Wallung. Schnell war klar, dass sie es auch nach dem Split vom letzten Jahr noch draufhaben. Angewärmt und eingetanzt, so präsentierte sich das Publikum der Greenfieldlandschaft bis Elu’s Sängerin und Harfenfee das Mikro immer öfter in die Hand nahm. Der Sound war keinesfalls schlecht aber er bremste. Das Publikum kam aus dem Trott und bei den eher ruhigen Titeln, wurde die bis dahin hitzige Stimmung derbe abgekühlt. So zog es sich dann etwa eine halbe Stunde hin, was etliche Besucher dazu veranlasste, die vorderen Ränge zu verlassen und sich in den hinteren, den Essensbereich des Festivals zu begeben. Ob für Eluveitie spürbar oder nicht, jedenfalls zogen sie im letzten Drittel nochmals massiv an feuerten aus vollen Rohren. Spätestens bei ihrem frühen Werk „Inis Mona“ wurden auch die hinteren Reihen wieder wach und die Crowd sang aus vollen Kehlen. Glanzmann schien zufrieden und dankte und dankte und das Publikum schien ebenfalls versöhnt und liess sie unter „Zugabe-Rufen“ friedlich ziehen.

Breakdown Of Sanity
Die Berner Kombo, die sich leider noch dieses Jahr definitiv von der Bühne verabschiedet, legte einen fulminanten Gig hin. Hart, roh, deftig und absolut überzeugend. Grandiose Bässe, die sich in die Bauchhöhle rammen, Gitarrenriffs, die sich in den Schädel fräsen und Drumsalven, die knüppelhart durch die Oberländer Landschaft dröhnen. Optisch unspektakulär, dafür soundtechnisch umso mehr, legte sich Breakdown Of Sanity ins Zeug. Massenweise standen Fans vor der eher kleinen Bühne und keiner von ihnen dachte auch nur eine Sekunde daran, zu den Pop-Punkern von Blink 182 zu wechseln. Im Gegenteil. Sie bildeten eine Wall Of Death und einen Circle-Pit nach dem anderem und trotzten dem Mainstream und der Zeit, die natürlich kontinuierlich gegen sie lief. Wer sich aber bis dato noch keine musikalische Dröhnung geholt hatte, der konnte nach diesem gelungenen Gig mit einem leichten Lächeln zu Bett gehen. Für mich zumindest war dies das Schlussbukett der Greenfield-Ausgabe 2017.

Somit ging eine weitere Ausgabe des Festivals friedlich zu Ende und einige feierten auch nach dem Abfackeln der „Burning Hand“ bis in die frühen Morgenstunden weiter. Blink 182 spielten wohl noch ihre letzten Akkorde, als die ersten bereits mit Packen beschäftigt waren. Eins kann man rückwirkend ganz klar sagen, dass die „kleineren“ Bands, den „Grossen“ den Rang abgeknöpft und sich besser denn je, einem breiten Publikum präsentiert haben. In der Morgendämmerung lag dann Stille und nur Berge von Müll zeugten davon, dass die letzten Tage Greenfield gewesen sein muss.