Livereview: Helloween

10. November 2017, Zürich - Samsung Hall
By Roger W. - Pics by Tinu
Hoch waren die Erwartungen der Fans, nach dem Helloween eine Reunion angekündigt hatten und diese unter den Banner «Pumkin United» stellten. Nicht weniger als sämtliche bisherige Sänger sollten bei dieser Tour dabei sein - also Kai Hansen, Michael Kiske und Andi Deris. Enttäuscht wurde jetzt niemand, denn was Helloween trotz latenter Erkältung in Dübendorf live ablieferten, war schlicht grandios. Es stellte eine Blaupause von dem dar, was sich jeder Fan von seiner intern zerstrittenen Lieblingsband wünscht. Ein Konzert mit viel Energie und hohem musikalischem Niveau.

Etwas enttäuscht war ich allerdings, als ich erfuhr, dass «nur» 2000 Tickets im Vorverkauf den Ladentisch gewechselt hatten. Sind Helloween denn nicht deutlich bedeutender? Scheinbar nicht. Dafür traf man an diesem Abend keine Hitparaden-Hörer, sondern ausschliesslich Fans, welche die Wichtigkeit dieser Tour zu schätzen wussten. Drei Stunden Konzert wurden im Vorfeld angekündigt. Mit 2 Stunden und 50 Minuten mögen wir die 10 fehlenden Minuten gerne verzeihen. Nehmen wir dazu die erschwerte Situation mit den vielen Erkältungen auf der Bühne und der Tatsache, dass meiner Meinung nach alle Gesänge live kamen, dazu, dann ist das eine schier unglaubliche Leistung. Schön auch, dass man dadurch merkte, dass auch Helden nur Menschen sind, denn selten hörte man auch mal einen schiefen oder gar falschen Ton. Live halt!

Toll war auch die Setliste. Klar musste der Fokus bei dieser Sängerauswahl auf die Zeit gelegt werden, in der die Shouter bei Helloween waren. Trotzdem fanden doch einige Lieder der 1990er, 2000er und 2010er Jahre ihren Weg auf die Bühne. Darunter «I Can» vom grandiosen aber selten gespielten «Better Than Raw»-Album. Gewohnt nichts wurde vom spannenden «Chamäleon»- und von meinem Lieblingsalbum «Pink Bubbles Go Ape» gespielt. Von Letzterem tauchte an einigen Südamerika-Konzerten bisher «Kids Of The Century» auf.

Der Start des Konzerts mit «Halloween» gelang episch und heroisch und machte gleich klar, dass sich an diesem Abend die Bühnenproduktion mit Filmchen einen Wettkampf mit der Band um die meiste Fangunst austrug. Denn was jeweils passend zum Lied projiziert wurde, war weltklasse. Dabei kam der ganz eigene Helloween-Humor deutlich zum Vorschein. Neben den vielen Blödeleien gelang es der Band aber auch immer wieder ihre ernsthafte Seite zu präsentieren. Gänsehaut und eigentlicher Höhepunkt des Konzerts war das Schlagzeug-Duell zwischen Dani Löble und dem leider 1993 durch Suizid von uns gegangenen Gründungsmitglied und Schlagwerker Ingo Schwichtenberg. Toll auch, wie sich die beiden Hauptsänger Michael Kiske und Andi Deris bei den Liedern abwechselten. Mal sangen sie zusammen, mal einzeln. Mal wurde ein Deris-Lied von Deris gesungen, mal von Kiske (und umgekehrt). Und natürlich kamen auch uralte Helloween Songs mit Kai Hansen am Gesang zum Zuge. Etwas, was ich seit einem Wackenauftritt 2007 nicht mehr erleben durfte. Damals hatten Stormwarrior Kai Hansen eingeladen, um mit ihm ein Set von alten «Walls Of Jericho»-Songs aufzuführen.

Das Publikum ging bei all der Sause nicht vergessen. Es wurde in gewohnter Manier immer wieder mit Singspielen eingebunden. Was vielleicht etwas fehlte, waren die ein oder andere zusätzliche Ansprache. Handkerum war alleine die Setliste von Helloween ein Besuch wert. Auch wurde der Fokus auf grosse Abwechslung gelegt. Also von poppig bis knallhart, stampfig über balladesk, progressiv bis blitzschnell. Power Metal kann so vieles sein, wenn sich die Bands trauen! Die Zeit bis zum Finale mit «Future World» und «I Want Out» verging wie im Fluge. Nach Luftballonen und Konfetti-Regen waren Publikum und Band schlicht ausgepowert. Wobei es ja Leute geben soll, welche sich mehrere Konzerte dieser Tour anschau(t)en.

Bleiben zwei Hoffnungen: 1. Dass diese Konzert-Reihe in irgendeiner Form festgehalten und eine ordentliche Triple-Live-CD/DVD veröffentlicht wird. 2. Dass diese Besetzung eine einmalige Sache bleibt. Die letzte Aussage mag nach dem euphorischen Bericht vielleicht etwas erstaunen. Ich bin aber überzeugt, dass eine einmalige Sache nicht besser geratet, wenn sie zur Gewohnheit wird. Im Gegenteil! Zudem finde ich neben Helloween auch Gamma Ray (vor allem) und Unisonic (ebenfalls) äusserst supi. Es wäre für mich deshalb schade, wenn diese beiden Bands wegen Helloween sterben würden. Zumal das seit 1994 bestehende Helloween Dreigestirn aus Andi Deris, Michael Weikath und Markus Grosskopf, ergänzt mit den beiden langjährigen Mitgliedern Sascha Gerstner und Dani Löble ebenfalls seine ganz eigene Berechtigung hat. Die verbliebenen drei Gamma Ray-Mitglieder sind übrigens laut der offiziellen Webseite zurzeit für weitere Projekte offen. Lasst die Jungs also für etwas Vernünftiges engagieren, bevor sie mit Gamma Ray das nächste Kapital aufschlagen.

Setliste: «Halloween (Kiske/Deris)» - «Dr. Stein (Kiske/Deris)» - «I'm Alive (Kiske)» - «If I Could Fly (Deris)» - «Are You Metal (Deris)» - «Rise And Fall (Hansen, Kiske)» - «Waiting For The Thunder (Deris)» - «Perfect Gentleman (Deris)» - «Starlight / Ride the Sky / Judas / Heavy Metal Is The Law (Hansen Medley)» - «Forever And One (Kiske/Deris)» - «A Tale That Wasn't Right (Kiske, Deris)» - «I Can (Deris)» - «Drum Solo» - «A Little Time (Kiske)» - «Why? (Kiske, Deris)» - «Sole Survivor (Deris)» - «Power (Deris)» - «How Many Tears (Hansen, Kiske)» - «Eagle Fly Free (Kiske)» - «Keeper Of The Seven Keys (Kiske, Deris)» - «Future World (Kiske)» - «I Want Out (Kiske, Deris)».