Livereview: Hirax - Total Annihilation - Matterhorn

23. August 2018, Aarburg - Musigburg
By Rockslave
Die letzte livehaftige Begegnung mit den amerikanischen Thrash-Icons Hirax fand vor drei Jahren, nota bene gerade mal 48 Stunden (!) nach dem Auftritt am BYH!!!-Festival in Balingen (D), im Oltner Coq d’Or anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Outsider-Shops statt. Und nun lotste Master Freiburghaus Katon W. de Pena und seine Jungs nach Aarburg in die Musigburg. Wer den quirligen wie total authentischen Sänger zusammen mit seiner Truppe jemals live gesehen und gehört hat, weiss um die Qualitäten, wenn es darum geht, Heavy Metal in seiner pursten Form geniessen zu können. Auf der Bühne einem wilden Tier gleich, gebärdet sich der Sympathikus unter Seinesgleichen jedoch völlig bodenständig, und die spürbare Dankbarkeit den Fans gegenüber war und ist auch heute noch unverändert authentisch! Als Support fungierten mit Total Annihilation und Matterhorn zwei Schweizer Bands, wobei Letztere ihren erst dritten (!) Live-Gig absolvierten und im Vorfeld, respektive mit der LP-Veröffentlichung ihres sackstarken Debüt-Albums «Crass Cleasing» schon frühzeitig für Aufsehen unter der Gilde der Vinyl-Freaks gesorgt haben. Wo? Natürlich im Outsider-Shop in Olten!

Matterhorn
Natürlich hatte ich mich auch auf den Headliner gefreut, aber mein primäres Interesse galt heute Abend nur den Youngstern von Matterhorn. Die simple im Frühsommer gemachte Bemerkung eines lokalen Plattenladen-Besitzers, nämlich dass die Band wie die Landsleute der Metal-Pioniere Hellhammer und Celtic Frost klingen würde, weckte sogleich mein Interesse. Die signierte LP wurde eiligst abgegriffen und landete dann aber vorerst ungehört im Regal. Ich wollte mir diesmal zuerst die Live-Packung verabreichen, und dies in der Hoffnung, dass ich erstens beeindruckt werde und zweitens das Studiowerk von der Intensität her mithalten kann. Was dann aber folgte, übertraf meine Erwartungen um ein Vielfaches! Das Zürcher Trio, das sich die Synonyme Morbid (v/g), Nekroking (b/v) und Tim Tot (d) zugelegt hat, fand sich 2012 zusammen, legte Ende September 2017 sein CD-Debüt als noch ungesignte Band vor und liess heuer im Juni die LP folgen. Wie sich noch herausstellen sollte und bereits erwähnt in der Einleitung, bestritten die Jungs erst ihren dritten Auftritt vor Publikum! Scheinbar nutzten sie die Zeit seit der Gründung, um sich richtig auf dieses Abenteuer vorzubereiten, denn das Inferno, das nach dem Intro mit «Violent Success» begann, war nicht von dieser Welt! Ich traute meinen Augen und vor allem Ohren nicht, was da von der Bühne runter wehte. Das druckvolle Gebretter wurde vor allem von einer hammergeil klingenden Bassdrum dominiert.

Tim Tot kesselte in einer Manier daher, wie ich das live so schon lange nicht mehr von einem Drummer gehört hatte. Der Opener besass ein thrashiges Grundgerüst, das immer wieder mal durch geniale Midtempo-Breaks durchkreuzt wurde. Dass dies unweigerlich an Hellhammer und frühe Celtic erinnerte, liess keinerlei Gedanken an einen billigen Rip-Off zu, im Gegenteil. Matterhorn legten ihre jugendliche Frische voll in ihre eigenen geilen Songs hinein und gebärdeten sich wie abgebrühte Routiniers. Dazu gehörte auch die obergeile Abriss-Birne «Teenage Emperors»! Mein Gott, was hätte ich dafür gegeben, wieder 20 zu sein und in der ersten Reihe voll abschädeln zu können. Die Tightness der Band war schlicht überragend und der Sound monströs fett. Da ich die Sound-Paten in den 80ern leider nie selber live gesehen und gehört habe, lässt sich kein persönlicher Vergleich zum Sound anstellen. Das muss bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit Tom G. Warrior erörtert werden. Überhaupt hätte mich sein Urteil vor Ort brennend interessiert, aber er war leider nicht zugegen. Matterhorn werden hoffentlich bald noch mehr solche Hammersongs raus hauen. Für mich klar die Newcomer des Jahres, wenn nicht der letzten zehn Jahre! Und dass nicht einmal ein „uhg!“ zu hören war, unterstreicht die eigenen tugendhaften Ambitionen, deren Wurzeln zwar offensichtlich sind, jedoch deutlich mehr in Richtung Ehrerbietung statt Klon abzielen.

Setliste: «Clarity (Intro)» - «Violent Success» - «Of All I Was» - «Parabol Dreams» - «Teenage Emperors» - «The Hornhead» - «Noch Nicht Nichts» - «Tongues Of Babel».


Total Annihilation
Nach diesem Soundmassaker im positiven Sinne hatten es die Basler Thrasher eher schwer in die Gänge zu kommen. Das kam mir etwa so vor, wie wenn der FC Basel gegen den FC Zürich antritt, aber das soll es dann auch gleich gewesen sein von wegen dem Vergleich auf sportlicher Ebene. Energie war jedoch ohne Zweifel vorhanden und man merkte der Truppe um Shouter Daniel Altwegg schon an, dass diese ein paar Jahre länger unterwegs sind und sich das restliche Line-Up mit Nicolas Stelz (g), Jürgen Schmid (g), Christian Kaiser (b) und Michael Lautenschläger (d) keine Blösse gibt. Allerdings stammt der letzte Longplayer «Extinction» aus dem Jahre 2012 und das aktuelle, sprich Lebenszeichen auf Tonträger findet sich auf der Split-CD «Southern Devastation», wo man sich den Kuchen mit den beiden deutschen Combos Torment Tool und Traitor geteilt hat. Von den vier Songs wurden heute Abend mit «Day Z» und «Solace For The Weak» deren zwei gespielt. Total Annihilation zelebrieren Thrash Metal mit leichten Death Metal Anleihen, wobei Frontmann Dani seinem Gesang durchaus auch eine Prise Metalcore verpasst. Es dauerte nicht lange, bis alle Bandmembers ihre Betriebstemperatur erreicht hatten und der Schweiss in Strömen floss.

Da bei den Speedgranaten immer wieder groovige Parts eingeflochten werden, lässt sich dazu bestens abschädeln und das taten dann nicht wenige der Metalheads in den ersten Reihen. Wärmstens hierzu empfahl sich beispielsweise auch «Panic», wo von der Gitarre her ein paar Vibes von Machine Head auszumachen waren. Spätestens hier bekundete ich mit Danis Gesang langsam aber sicher immer mehr Mühe. Die permanent demonstrierte Vokal-Wut ermüdete meine Lauscher zusehends und das riss dann das Ganze Paket zumindest für meine Wenigkeit etwas runter. Die Songs selber waren insgesamt gut und wiesen ordentlich Drive auf. Mit dem abschliessenden Track «War, Death, Suffering» ging die musikalische Reise schliesslich noch zurück zu den Anfängen, genauer zur EP «TA.08», die immerhin eine Dekade zurück liegt. Der Auftritt von Total Annihilation war unter dem Strich sehr solide und erzeugte eine gute Stimmung unter den überaus aktiven Metalheads. Meine alternden Nackenwirbel nahmen daran zwar keinen Anteil, aber das war schon gut so. Der eingangs gemachte Vergleich der beiden Erzfeinde auf dem grünen Rasen ging für mich persönlich jedoch eindeutig klar aus: 3 zu 1 für Zürich!

Setliste: «Intro» - «Brainless Pigs» - «Extinction» - «Silent Warfare» - «Panic» - «Day Z» - «Big, Fat, Lying, Bastards» - «Solace For The Weak» - «War, Death, Suffering».


Hirax
Was die Amis um ihren schwarzen Kultsänger Katon W. de Pena angeht, so behaupte ich mal, dass jeder Typ, der sich als steinharter Metalhead sieht und diese Band noch nie live gesehen hat, schlicht nicht weiss, was Heavy Metal wirklich ausmacht! Punkt, aus und Ende der Diskussion. Seit den 80ern ist Katon mit ständig wechselnden Line-Ups unterwegs gewesen, und er hat sie alle überlebt in diesem Sinne, dass er den Metal immer noch zu 200% lebt, mit jeder Faser seines Körpers. Erfolgreich und letztlich „reich“ wurde er dabei nicht, aber sein Stolz und die Liebe zum Heavy Metal ist ungebrochen. Sobald der Mann auf einer Bühne steht und seine Hintermannschaft beginnt einzuheizen, gibt es kein Halten mehr. Nach wie vor begleitet von seinen zahlreichen Faxen und wilden Gesten bringt er allen Fans und im Speziellen den Hirax-Fans stets eine aufrichtige Dankbarkeit entgegen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Reunion der Band Hirax im Jahre 2000 ohne zahlreich nachfragende Fans nie mehr in die Gänge gekommen wäre. Obwohl Katon schon länger das einzige Ur-Mitglied ist, scheint die aktuelle Besetzung mit Lance Harrison (g), Steve Harrison (b) und Mike Vega (dr) zumindest nach aussen hin sehr harmonisch zu sein. Das drückte sich auch in der kollektiven Spielfreude aus, mit der die alten Schoten frischer denn je klangen. Und so erstaunte es dann in der Folge nicht, dass nicht nur auf der, sondern auch vor der Bühne sprichwörtlich der Bär los war. Nebst wehenden Mähnen wurden auch zahlreiche Fäuste in die Höhe gereckt und kleinere Moshpits angezettelt.

Man wähnte sich zeitweilen glatt in den 80ern und Hirax lieferten dazu den perfekten Soundtrack ab. Was allerdings den Drumsound anging, so kam Schlagzeuger Mike Vega, obwohl er auf dem Drum von Matterhorn spielte(!), nicht…, nein nie an das geniale Gepolter von Tim Tot heran! Das erstaunte an dieser Stelle schon etwas, aber insgesamt liess der Ami-Vierer natürlich nichts anbrennen und liess ein krachendes Thrash-Brett vom Stapel, das sich gewaschen hatte. Die Songs auf der aktuellen Tour spannten einen zeitlichen Bogen von fast drei Dekaden zwischen dem full lenght Debüt «Raging Violence» (1985) und dem bislang letzten Studiowerk «Immortal Legacy» von 2014. Dabei brauchten sich «Black Smoke» und «Hellion Rising» nicht vor den alten Classics wie «Destroy» oder dem krachenden Rausschmeisser «Bombs Of Death» zu verstecken. Ein weiteres Highlight bescherte zudem «La Boca De La Bestia (The Mouth Of The Beast)», wo Katon in Sachen Gesichtsakrobatik abermals alle Register zog. Kurz vor 23:15 Uhr war dann die Show gefühlt fast etwas gar früh zu Ende, doch die gezeigten knapp 65 Minuten waren an Intensität kaum zu überbieten und lagen locker auf dem Niveau von Overkill, Testament und Konsorten. Nach dem schweisstreibenden Auftritt war die ganze Band noch beim Merchstand anzutreffen, wo alle Wünsche der Fans zu lockerem und total allürenfreiem Smalltalk erfüllt wurden. Somit ging ein weiterer und rundum gelungener Konzertabend in die Annalen der Musigburg ein!

Setliste: «Baptized By Fire» - «Hellion Rising» - «Lucifer's Infierno» - «Lightning Thunder» - «Gallow's Pole» - «Blind Faith» - «Black Smoke» - «Hate, Fear And Power» - «Hostile Territory» - «La Boca De La Bestia (The Mouth Of The Beast)» - «Destroy» - «Black Tooth Grin» - «El Diablo Negro» -- «Barrage Of Noise» - «Bombs Of Death».