Das nicht nur von der Jahreszeit her coolste Schweizer Rock- und
Metal-Festival geht mit Riesenschritten auf das 20-jährige Jubiläum
zu! All diejenigen Szeneleute, Veranstalter und Promoter die
dachten, dass das alljährlich abrockende Tenn bald wieder von der
schweizerischen Musiklandkarte verschwinden wird, sind längst
verstummt. Die Beharrlichkeit und das Geschick des Gründer-Duos,
verbunden mit dem Glück der Tüchtigen, hat dem ICE ROCK schon
manchen unvergesslichen Moment beschert. Dies signalisierte auch die
achtzehnte Ausgabe, die nebst zwei Ikonen der NWOBHM (Diamond Head und
Praying Mantis) in diesem Jahr auch Evergrey ins Emmental zu locken
vermochte! Eine Top-Band, die schon auf manch grösserer Bühne
performt hat, und trotzdem kamen die Jungs direkt aus Schweden
angereist, respektive angeflogen. Mit Dynazty, Lechery, Pretty Wild
und Stallion marschierten weitere musikalische Leckerbissen auf. Und
wie es sich gehört, war natürlich auch wieder nationales
Eigengewächs wie Evolve, Lucy Four, Fighter V und Fat Dog vertreten.
Bemerkenswert war auch der Auftritt von Sweet Needles, die für
dieses eine Konzert im eigenen Auto aus Paris (!) nach Wasen rauf
gefahren sind. Kein Weg zu weit, um am ICE ROCK dabei zu sein.
Donnerstag, 09.01.2020 (Erster Tag)
Fat Dog
Der Opener aus Solothurn betrat pünktlich um 19:00 Uhr die Bühne und
legte gleich mit fettem Groove los! Mit einer total unbekümmerten
Selbstver-ständlichkeit wurde Rock, Metal bis hin zu Funk zelebriert.
Dies gefiel nebst der kleinen, aber feinen und mit entsprechenden
T-Shirts bekleideten Fanbase vor der Bühne zunehmend wie
augenscheinlich auch den jüngeren Fans unter den Besuchern.
Frontmann Joel Rätz gebärdete sich wie ein wildes Tier, das mit
einer überaus starken Gesangsstimme auftrumpfte. Kaum zu glauben,
dass die junge Band erst vor drei Jahren erstmals Bühnenluft
schnupperte. Die ziemlich tighte Performance überraschte wirklich
und war mitunter auch der Verdienst des sehr überzeugend agierenden
Bassisten Christof Huber. Die Band punktete insgesamt aber klar als
Kollektiv und setzte mit ihrem mitunter leicht alternativ getränkten
Sound das erste Ausrufezeichen des diesjährigen ICE ROCK Festivals.
Man darf also gespannt sein, welchen Weg Fat Dog in den nächsten
Jahren gehen werden. Die gelungene Visite im Emmental dürfte bei den
Jungs noch eine Weile in guter Erinnerung bleiben.
Setliste:
«Introsong» - «Hell» - Ice Where!?» - «Collar Of Death» - «Give Me
More» - «Nothing For Me» - «De Sächst, Ah Nei Dr 7.» - «Hippedihop»
- «My Life» - «Pain» - «Mad Up My Mind» - «Hometown» - «Short
Story/Fat Dog».
Lechery
Kaum angefangen, gab es schon die erste Änderung zum ursprünglichen
Billing, aber dafür konnten weder die Schweden von Lechery, noch
Diamond Head was. Fakt war aber, dass die Instrumente der Briten
noch in London feststeckten! Darum bliebt nichts anderes übrig, als
die Reihenfolge umzudrehen und gleichzeitig zu hoffen, denn ohne
persönliche Arbeitsgeräte wird es zuweilen schwierig bis unmöglich
zu spielen. Im Grunde genommen war dieses Missgeschick eigentlich
gar keines, da Diamond Head so in die Rolle des heutigen Headliners
rückten, was eh besser passte, wie sich schon bald heraus stellen
sollte. Die erste Band des Festivals, die heuer von der "Souls of
Rock" Foundation unterstützt wurde, liess sich davon nicht aus dem
Konzept bringen, im Gegenteil. Die Premiere auf Schweizer Boden
wurde von der ersten Sekunde an dafür genutzt, um auf die Qualitäten
der Band aufmerksam zu machen. Die 2004 in Halmstad gegründete Combo
liess ziemlich schnörkellosen wie klassischen Heavy Metal vom Stapel
und fuhr zu einem kernig klingenden Gitarrensound eine ordentliche
Breitseite auf. Nebst Gitarrist Fredrik Nordstrandh steuerte auch
Leadsänger Martin Bengtsson ergänzende Riffs und vor allem Leads
bei. Letzterer war übrigens mal, wenn auch über zwanzig Jahre her,
Bassist von Arch Enemy! Die heute Abend gespielten Songs stammten
weitgehend von ihren bisherigen drei Alben. «We Are All Born Evil»
wurde dabei 2018 veröffentlicht und beendete eine siebenjährige
Pause. Um wieder anknüpfen zu können, müsste nun bald mal was Neues
unters Volk gebracht werden.
Setliste: «Intro» - «Cynical» -
«Hero Of The Night» - «Carry On» - «Hold On To The Night» - «Heart
Of A Metal Virgin» - «Mechanical Beast» - «We Are All Born Evil» -
«Heavy Metal Invasion» - «Your Fate» - «Slave Under Passion» - «Rise
With Me».
Diamond Head
Eines muss man Brian Tatler als einzig übrig gebliebenem Ur-Mitglied
ja schon zu Gute halten, nämlich endloses Durchhaltevermögen! Und
dies beinhart, was angesichts der erfolgsmässig insgesamt eher
tristen Karriere riesigen Respekt gebührt. Dies alles hängt
natürlich mit der sattsam bekannten wie breitgetretenen Geschichte
von Metallica zusammen, die mit ihren Inter-pretationen von «Am I
Evil», «The Prince» und «Helpless» den Erfolg für sich buchten.
Brian kann sich natürlich noch heute über nie versiegende Tantiemen
freuen, aber der Preis, den er dafür mit seiner eigenen Band
bezahlen musste, war essentiell. Nichtsdestotrotz steckte Mr. Tatler
nie auf und seit dem dritten Neubeginn von 2000 sind vier weitere
Alben erschienen, wovon vor allen die letzten zwei ziemlich gute
Kritiken verbuchen konnten. Nicht unwesentlichen Anteil daran hat
Frontmann Rasmus Bom Andersen, der seit 2014 mit dabei ist. Aus der
kurzen Phase der 90er ist noch Drummer Karl Wilcox erhalten
geblieben, der mit seinem Power Drumming
auch
heute Abend für Furore sorgte. Diesen Zeilen ist somit zu entnehmen,
dass die benötigten Klampfen zum Glück doch noch rechtzeitig den Weg
ins Emmental fanden. So wurde der Headliner seiner Rolle gerecht und
schöpfte aus dem Vollen. Rasmus musste dabei gefühlt für jeden
einzelnen Fan kämpfen und der Einsatz lohnte sich schliesslich. Dies
erfreute den Chef sichtlich, was in einer agilen Performance
mündete. Sein Sound klang zwar nicht so verschroben wie zuvor, aber
Diamond Head liessen nichts anbrennen. Das Konzert erfüllte die
Erwartungen, nicht zuletzt auch deswegen, weil die oben erwähnten
Songs allesamt gespielt wurden. Dass «I Am Evil» als obligat letzter
Kracher nach allen Regeln der Kunst abgefeiert wurde, war so klar wie das
Amen in der Kirche. Dass die Interpretation von Metallica für immer
unerreicht sein wird, ist in meinem Fall der Tatsache geschuldet,
dass ich diesen alten Klassiker der Amis lange für einen eigenen
Song hielt!
Setliste: «Borrowed Time» - «Bones» - «Lightning
To The Nations» - «Death By Design» - «Set My Soul On Fire» - «In
The Heat Of The Night» - «The Prince» - «To Heaven From Hell» -
«Play It Loud» - «Belly Of The Beast» - «The Messenger» - «Shoot Out
The Lights» - «It's Electric» - «Helpless» - «Am I Evil?».
Freitag, 10.01.2020 (Zweiter
Tag)
Fighter V
Es ist immer wieder schön festzustellen, wenn sich vergleichsweise
junge wie hungrige Bands aus der kleinen Schweiz anschicken, nach
den Sternen zu greifen und die Welt erobern zu wollen. Dass der Weg
dahin in heutigen Zeiten bedeutend holpriger und steiniger als noch
in den 80ern ist, schleckt keine Geiss weg. Dennoch haben Fighter V,
die sich zuvor Haïrdrÿer nannten, offenbar genug Hummeln im Arsch
und haben sich mit ihrem Debüt-Album «Fighter» mächtig angestrengt,
zumindest mal die Auffahrt auf die Autobahn zu kriegen. Obwohl es zu
Beginn des Auftrittes der Melodic Rocker aus Hergiswil um Punkt
19:00 Uhr noch keinen totalen Girlie-Alarm vor der Bühne gab,
sorgten dennoch einige weibliche Supporters gleich für die richtige
Aufmerksamkeit. Diese wurde anschliessend auch von Frontmann Dave
Niederberger gesucht und im weiteren Verlauf definitiv gefunden.
Obwohl der Band der stilistische rote Faden zeitweilen abhanden
kommt, ging der Fünfer beherzt an die Sache ran. Mir fehlte
allerdings einiges an Durchschlagskraft, um wirklich geflasht zu
werden. Zudem kann es gefährlich sein, Cover-Songs grosser Bands,
wie eben Bon Jovi, im Repertoire zu haben. Der eine Classic war
«Runaway» und soweit ok, aber warum man dann auch noch «You Give
Love A Bad Name» als Zugabe im Set stehen hatte, verstehe ich
hingegen gar nicht. Da nützten selbst die sehenswerten "David Lee
Roth" Gedenk-Spagat-Sprünge von Dave nichts mehr, zumal ein paar
Fans in der ersten Reihe mehrmals und deutlich hörbar den Songtitel
«Headlines» skandierten, aber nicht erhört wurden. Insgesamt ging
die energetisch vorgetragene Performance der Nidwaldner Jungs voll
in Ordnung, aber für die Oberliga braucht es deutlich mehr!
Setliste: «Heat Of The City» - «Frontline» - «Fighter» - «Can't Stop
The Rock» - «Runaway (Cover Bob Jovi)» - «There She Goes» - «Save
Your Love» - «Dangerous» - «City Of Sinners» - «Looking For Action»
- «Turn It Up!» -- «You Give Love A Band Name».
Pretty
Wild Obwohl Festival-Boss Fridu den bevorstehenden
Auftritt der Schweden glaubwürdig als Premiere auf Schweizer Boden
ankündigte, folgten bald danach die entsprechenden Reaktionen auf Facebook und
berichtigten dies um-gehend. Fakt ist auf jeden Fall, dass die Truppe
mitunter auch 2015 als Support von The Poodles im Mini-Z7
aufspielte, wie dem auch sei. Das Debüt «All The Way» erschien 2008
und sorgte vor allem in der Heimat für gute Resonanz. Spätestens ab
dem zweiten selbst-betitelten Release von 2014 war das auch heute
noch bestehende Line-up mit Ivan Ivve Höglund (v), Axl Ludwig (g),
Kim Chevelle (b) und Johnny Benson (d) auch albumtechnisch gesetzt.
Grosses Auf-sehen erreichten Pretty Wild damit nicht, da die Konkurrenz
zahlreich und vor allem hochklassig ist. Mit dem dritten Wurf
«Interstate 13» und nach fünf Jahren Pause gelang zumindest der
musikalische Befreiungsschlag. Genau das erhoffte sich meine
Wenigkeit für den Auftritt beim ICE ROCK, und die Erwartungen wurden
weitgehend erfüllt. Der grundsätzlich ansprechende Glamster Hardrock
hätte zwar noch eine Ecke dreckiger und zwingender um die Ecke
kommen sollen, doch je länger die Jungs auf der Bühne standen, desto
besser hörte sich das Ganze an. Von der Optik her konnte allerdings
nur Gitarrist Axl punkten, während die Kollegen so zu sagen viel "zu
brav" aussahen. Das färbte freilich nicht auf die Performance des
Quartetts ab, und vor allem das, was Bassist Kim Chevelle seinem
Instrument entlockte, versetzte mich und auch das aktive Publikum im
Tenn in beste Party-Stimmung! Dass insgesamt vor allem neuere Songs
gespielt wurden, zeigte die Marschrichtung an, nämlich nichts anderes als
vorwärts.
Setliste: «Intro» - «Break Down The Walls» - «Get
it On» - «Come Out Tonight» - «Superman» - «Drum Solo Johnny Benson»
- «Stand My Ground» - «High Enough» - «Give It All Tonight» -
«Staring At The Sun» - «Guitar Solo Axl Ludwig» - «All I Want» -
«Wildheart» -- «Are You Ready» - «Meant For Trouble».
Praying Mantis
Nach der gestrigen Ansage von Diamond Head war es nun an den
Landskollegen von Praying Mantis, für entsprechenden Reibach zu
sorgen. BYH!!! Festival sei Dank, konnte ich die NWOBHM-Ikone 2007
zum ersten Mal live geniessen. Hätte damals einer gesagt, dass die
Band fast satte dreizehn Jahre später, und dann erst noch an so
einem kultigen Ort wie dem hier, auftreten wird, wäre glatt für
verrückt erklärt worden. Das dachten sich wohl auch Fridu und Marco,
als sie die Zusage erhalten hatten. Und so kam es, dass mit der Band
natürlich die beiden Brüder und letzten beiden Ur-Members Tino (g/v)
und Chris Troy (b), zusammen mit Andy Burgess (g), John "Jaycee"
Cuijpers (v) sowie Hans in 't Zandt (d) die Reise ins Emmental
antraten. Was danach während gut eineinhalb Stunden zelebriert
wurde, markierte das bisherige Highlight des ICE ROCK Festivals!
Die sichtliche Freude, die förmlich aus den Gesichtern der Musiker
sprang, übertrug sich bald auf die begeistert antizipierenden Fans,
die auch der UK-Kultband einen unvergesslichen Abend bescherten. Der
kernige Gitarrensound war ein Ohrenschmaus sondergleichen und die
Solos von Andy Burgess liessen einen, trotz ein paar Timing- und
Spiel-Schnitzern, mit herunter hängender Kinnlade zurück! Das war
einfach ganz grosses Kino, und es ist schon ein Jammer, dass so eine
Band zu ihren besten Zeiten nicht die Bedingungen vorfand, das
damalige Talent in die richtigen Bahnen zu lenken. So war dies hier
und heute Abend nichts anderes als ein unbezahlbares Geschenk, das
noch lange nachwirken wird! Dies betrifft auch die Musiker, allen
voran Tino Troy, der voll des Lobes war und sich pudelwohl fühlte.
Setliste: «Captured City» - «Praying Mantis» - «Believable» -
«Panic In The Streets» - «Restless Heart» - «Fight For Your Honour»
- «Keep It Alive» - «Mantis Anthem» - «Highway» - «Dream On/Lovers
To The Grave» - «Time Slipping Away» - «Letting Go» -- «Simple Man
(Cover Lynyrd Skynyrd)» - «Children Of The Earth».
Stallion
Eigentlich hätte man sich nach dem hammermässigen Auftritt von
Praying Mantis bloss noch ein letztes Bier gönnen und den Heimweg
antreten können. Doch so läuft das erstens nicht beim ICE ROCK, und
zweitens gehören viele Besucher nicht zum Ü-50 Club wie ich. Deshalb
war es richtig wie nachvollziehbar, um Mitternacht nochmals richtig
Krach zu veranstalten. Die Wahl fiel heuer auf Stallion aus
Deutschland, sprich Baden-Württemberg. Hierbei handelt es sich um
die Truppe, die die Szene seit 2013 bereichert. Der überaus speedig
aufgezogene Heavy Metal wird ganz im Stile der 80er gelebt und vor
allem durch Frontmann Paul "Pauly" Ehrenhardt verkörpert. Als die
Band zur Geisterstunde die Bühne im Nussbaumschachen betrat, tauchte
für uns Schweizer ein bekanntes Gesicht auf! Die Rede ist von
Gitarrist Claudio "Clode" Hürlimann (Ex-Battalion), der letztes Jahr
Oliver "Olli Gee" Grbavac ersetzte. Das war natürlich schon ein
Aufsteller, bevor überhaupt ein Ton gespielt wurde. Was bald danach
jedoch folgte, war ein mittlerer Orkan, und auch wenn die Optik von
Pauly in der heutigen Zeit etwas affektiert daher kam, passte das
Package wie die berühmte Faust aufs Auge. Stallion gaben ordentlich
Gas, ohne aber die Trademarks der Heavyness, sprich gedrosseltere
Parts, auszulassen. Das Axt-Duo mit Äxxl und Clode harmonierte dabei
bestens und die noch zahlreich vorhandenen Fans vor der Bühne
feierten den Rausschmeisser nach allen Regeln der Kunst ab. Der
Volldampf-Metal sorgte während gut einer Stunde für ausgesprochen
gute Stimmung wie Schweiss gleichermassen. Wohl all denen also, mich
eingeschlossen, die noch bis zum Abschluss des zweiten Festivaltages
vor Ort geblieben sind.
Setliste: «Rise And Ride» - «Down And
Out» - «Wild Stallions» - «No Mercy» - «Kill Fascists» -
«Stigmatized» - «Killing Time» - «Underground Society» - «Watch Out»
- «Shadow Run» - «The Devil Never Sleeps» - «From The Dead» - «Kill
Fascists» - «Canadian Steele».
Samstag, 11.01.2020 (Dritter Tag)
Sweet Needles Der dritte und letzte Tag des ICE ROCK
Festivals setzt voraus, dass man die Nacht zuvor nicht allzu heftig
Party gemacht hat, denn die erste Band stand schon um 14:30 Uhr auf
der Matte! Wobei was heisst hier "früh"? Davon konnten eher Sweet
Needles berichten, denn der zweite von "Souls Of Rock" supportete
Act fuhr etwa morgens um drei Uhr (!!) in der Landeshauptstadt Paris
mit dem eigenen Auto ab, um rechtzeitig im Emmental anzukommen. Die
fünf jungen Franzosen waren den allermeisten Besuchern ein zuvor
unbeschriebenes Blatt. Der Name der Band und das Logo suggerierten
zunächst einen Stil, der zu Anfangszeiten gezockt wurde, sprich Glam
und Sleaze. Inzwischen hat sich das Ganze jedoch mehr in Richtung
Stoner Rock verlagert, ohne dabei mit stilistischen Scheuklappen
unterwegs zu sein. Die Optik der Bandmitglieder stützte diese
Tatsache, was aber nicht hiess, dass Sweet Needles an Intensität
eingebüsst hätten, im Gegengeil! Vor allem Frontmann Oscar Bonnot,
der auf den ersten Blick wie der Zwillingsbruder von Cliff Burton
(Metallica, R.I.P.) aussah, gebärdete sich wild und ungezügelt zum
fetten Sound wie tighten Zusammenspiel seiner Hintermannschaft. Zu
Beginn erzeugte die energisch vorgetragene Chose vor noch nicht so
vielen Fans leider keine wirkliche Resonanz, aber das änderte sich
mit fortlaufender Auftrittsdauer des coolen Openers. Sänger Oscar
gab hierzu alles was er hatte und war sich zudem nicht zu schade,
auch den Bühnenboden in seine agile Performance miteinzubeziehen.
Der ordentliche Schlussapplaus war mehr als verdient und Sweet
Needles empfahlen sich als heissen Tipp für die Zukunft!
Setliste: «Intro» - «Not The Only One» - «Egotrip» - «Feel Alive» -
«Instrumental Interlude» - «Rock'n'Roll Queen (The Subways Cover)» -
«Another Land» - «Be Bop» - «Failed» - «Better Late Than Never» -
«Thirteen».
Lucy Four Aus Schweizer Sicht
war ich vor allem auf den Auftritt von Lucy Four gespannt. Vor fünf
Jahren war die gleiche Besetzung noch unter dem eher profanen
Bandnamen SEXY unterwegs. Bassist und Sänger Kudi M. Heeg sowie
Drummer Pidi "Criss" Leuenberger waren zudem Mitglieder des Schweizer
Kult-Trios Hellmute, das zwischen 1993 und 2008 existierte. Die
Gegenwart wie Zukunft fungiert nun unter Lucy Four und es brauchte
keine Minute, bis der erdige Rock-Sound das Tenn bis in den
hintersten Winkel ausfüllte. Das
tighte
Zusammen-spiel, reduziert auf die Maxime "weniger ist mehr" war von
der musikalischen Performance her schlicht eine Wucht. Während
Frontmann Pascal Tallarico voll in seiner Rolle aufging, liessen
Gitarrist Rey Misterio und die Rhythmus-Truppe mit Kudi und Pidi
rein gar nichts anbrennen. Mit Fokus auf dem Debüt-Album «Burn In
Paradise» rockte das agile Quartett, als gäbe es kein Morgen mehr.
Drummer Pidi zählte die Songs jeweils mit fast überschäumender
Energie an und zerlegte sein Drum beinahe. Ganz zu schweigen davon,
dass sein schweisstreibendes Spiel sichtlich einige Energie
abforderte. Jeder Track war einem kräftigen Tritt in den Arsch
gleich und eigentlich stand die Band zu früh auf der Bühne.
Nichtsdestotrotz übertrug sich die überbordernde Spielfreude bald
auch auf das Publikum, welches zwar etwas Anlauf brauchte, jedoch
noch rechtzeitig auftaute und die brillante Vorstellung entsprechend
würdigte. Ein Vergleich mit den vorher aufgetretenen Bands hinkte
stilistisch zwar, aber für mich lieferten Lucy Four den bisher klar
tightesten Auftritt des ICE ROCK ab und hinterliessen einen
hervorragenden Eindruck.
Setliste: «1000 Women» - «Last
Night» - «Dressed To Thrill» - «Do It Again» - «Burn In Paradise» -
«No Guarantees» - «Fucked Up To The Bones» - «Holy Roller» - «Drive»
- «Fatal Attraction» - «Don't Mind» - «Supernova» - «Shout For
SEXY».
Evolve
Da ich die Schweizer Prog Metaller aus Montreux, die sich seit 2018
nun mit Sänger und Producer Jean-Marc Viller zusammen getan haben,
vorher nicht kannte, war zunächst nicht klar, welcher Stil nun
Einzug hielt. Überhaupt schnallte ich erst während der
Aufbauarbeiten auf der Bühne, dass Jean-Marc zum Waadtländer
Ensemble, das im Jahre 2000 gegründet wurde, dazu gehörte. Evolve
brachten 2009 eine erste 4-Track EP noch mit einem anderen Frontmann
heraus, um anschliessend albummässig über eine Dekade lang wieder in
der Versenkung zu verschwinden. Just auf den Auftritt am ICE ROCK
Festival hatte die Band heuer das brandneue Album «Choose Your Path»
mit dabei, das mitunter gleich komplett (!), wenn auch in anderer
Songanordnung, durchgespielt wurde. Bevor es losgehen konnte,
mussten noch technische Probleme gelöst werden, was eine
augenscheinliche Hektik auslöste. Mit leichter Verspätung erklang das
Intro, gefolgt vom instrumentalen Album-Opener. Da diese Sequenz
ohne Gesang gefühlt ewig dauerte, nahm sie dem sich anbahnenden
Spektakel leider gleich zu Beginn einigen Wind aus den Segeln.
«Neverending Journey», ein Track der EP und aktuell neu eingespielt,
blieb sich dann aber fast nichts mehr schuldig. Mit ordentlich Vibes
von Threshold, Vanden Plas und den frühen Ivanhoe bratzten Evolve
voll nach vorne los. Jean-Marcs Stimmbänder brauchten allerdings
etwas Anwärmzeit, um danach umso kräftiger zuzulangen. «Time» liess
anschliessend jeden anwesenden Prog-Fan garantiert nicht kalt, und je
länger Mr. Viller performte, desto mehr wurde klar, dass sein
Mitwirken unerlässlich ist. Einziger Wermutstropfen war jedoch, dass
es der Band deutlich hörbar an Spielpraxis fehlte.
Setliste:
«Society (Intro)» - «The Following» - «Neverending Journey» - «Time»
- «Try Before You Die» - «The Light At The End Of The Labyrinth» -
«Liberty» - «Deal With Desperation» - «Transit» - «Symbols» -
«Humanity».
Blessed
Hellride Wer als sachkundiger Fan gedacht hat, dass es
kaum eine neue Schublade gibt, um den Sound einer Band zu
charakterisieren, wurde nun eines Besseren belehrt! Der räudige
Haufen aus Trier (D) verschrieb sich nach der Gründung 2010 zuerst
dem Sleaze und Glam Rock. Kurz darauf verständigte man sich auf das
Wahre, sprich Southern und Groove Metal oder eben "BOOZE N ROLL"
gemäss eigener Definition, respektive Schreibweise. Das klang auf
dem Papier schon mal nach ordentlich Rotz, und genau das
veranstalteten Blessed Hellride danach auch. Angeführt durch den
hünenhaften Fronter Tiny Fuel und eskortiert von Jack Stoned (g),
Yacko José Gonzales (g), Maze Grey (b) sowie Captain (d) zündete der
Fünfer eine ordentliche Party auf der Bühne. Dabei stand mitunter
auch ein eigenwillig gestalteter Mikrophonständer im Mittelpunkt,
der mit einigen Vintage-Leuchten behangen war und ein scheinbar
wichtiges Requisit repräsentierte. Zu einem obergeil bollernden
Basssound knüppelten die Jungs ihre Songs mit massig Körpereinsatz
runter. Dass dabei immer wieder mal Motörhead zitiert wurden,
verwunderte an dieser Stelle nicht. Leider blieb die echt rotzig
vorgetragene Chose trotz hohem Energiefaktor unter dem Strich zu
gleichförmig. Es gab kaum Hooks mit Wiedererkennungswert und
unterstrich ein sattsam bekanntes Problem, das viele Bands mit sich
herum tragen. Der Resonanz beim Publikum tat dies allerdings keinen
Abbruch, und je bierseliger Mann oder Frau unterwegs war, desto
besser kam das Ganze an. Mitten im Set ging dann der erwähnte
Mic-Ständer ziemlich unerwartet zu Bruch. Nichtsdestotrotz erfüllten
Blessed Hellride ihre Mission, die anschliessend am Merchstand
CD-mässig ausgeschossen waren.
Setliste: «Intro» - «Booze n
Roll» - «Rock'n'Rolla» - «Devils Ride» - «St. Lucifer» - «Overdrive
Junkies» - «Fucking Hairy Bastards» - «Dead Mens Blues» - «Bourbon
King» - «Papa Joe» - «Good Times Roll» - «Blessed Hellride» -
«Bastards & Outlaws».
Evergrey
Wer sich im Sommer mal unwissend nach Wasen im Emmental "verirrt"
und vor dem aufgeräumten Tenn im Nussbaumschachen steht, würde nie
im Leben darauf kommen, was da jeweils im Januar abgeht. Doch diese
Geschichte muss nicht mehr erzählt, sondern vielmehr das erwähnt
werden, was Fridu Gerber und Marco Forster hier oben mit ihrem Baby
geschafft haben. Der Lohn für das alles ist eine mittlerweile
ordentliche Referenz an Bands, die in den letzten Jahren
verpflichtet werden konnten. Mit Evergrey wurde nun das Husarenstück
schlechthin abgeliefert, das man sich kaum je hätte vorstellen
können, schlicht ein wahr gewordener Traum! Die schwedischen
Progressive Dark Power Metaller sind zwar keine big selling Band,
aber was in einem Vierteljahrhundert Karriere entstanden ist, kann
sich sehen und vor allem hören lassen. Evergrey in einem Z7 in
Pratteln zu sehen, ist die eine Sache, aber was Mastermind Tom
Englund und seine Jungs da oben abfackelten, lässt einem die
Kinnlade ergriffen nach unten klappen. Mit einer noch nie
dagewesenen Wucht wurden einige Leckerbissen der letzten drei Alben
«Hymns For The Broken» (2014), «The Storm Within» (2016) und dem
grandiosen «The Atlantic» (2019) sowie grundsätzlich nur Songs aus
den 2000ern gespielt. «Recreation Day» vom gleichnamigen Album
(2003) markierte dabei den ältesten Song. Somit fehlte leider zum
Beispiel Material von «Solitude - Dominance - Tragedy» (1999), also
dem Album, durch das ich damals auf Evergrey aufmerksam wurde. Der
heutige Hammer-Auftritt blieb sich jedoch nichts schuldig, und die
zahlreich anwesenden Fans dieses Genres wurden Zeugen eines absolut
unvergesslichen Konzerts ihrer Helden!
Setliste: «A Silent
Arc» - «Weightless» - «Distance» - «Passing Through» - «The Fire» -
«Leave It Behind Us» - «Black Undertow» - «My Allied Ocean» - «All I
Have» -- «The Grand Collapse» - «Recreation Day» - «A Touch Of
Blessing» - «King Of Errors».
Dynazty
Nach dem Headliner aufzutreten zu müssen, und dazu nach so einem
Hochkaräter wie Evergrey, ist nicht jedermanns Sache. Doch mit
Dynazty handelt es sich erstens um Landsleute und zweitens wurde
einem die Ehre zuteil, das ICE ROCK Festival 2020 als letzte Band
abschliessen zu dürfen. Meine Wenigkeit war allerdings total
geplättet von Evergrey und darum nahm ich nach den Fotos reissaus
vor der Bühne, respektive schaute mir das Ganze aus den hinteren
Reihen gemütlich an. Die Schweden, die sich ja ohne
ihren
etatmässigen Leadsänger Nils Molin (der übrigens auch bei Amaranthe
shoutet) als Tourband für Joe Lynn Turner ziemlich überzeugend in
Szene setzten, konnten bisher unter ihrem eigenen Namen leider kaum
für echte Akzente sorgen. Eigentlich völlig zu unrecht, denn seit
der Gründung 2007 bis hin zum heuer erst kommenden neusten Wurf «The
Dark Delight» sind es nicht weniger als sieben Alben, die griffigen
Hard & Heavy Sound typisch skandi-navischer Prägung repräsentieren.
Genau das wurde dann auch megatight und vor immer noch ansehnlich
viel Publikum zelebriert. Die zahlreichen Synthie-Parts kamen zwar
ab Band, aber das eckte nicht wirklich an. Nils dirigierte die Fans
mit Leichtigkeit und die Lautstärke das Applauses bedurfte keines
weiteren Kommentars. Mit der Zeit kriegte ich allerdings das Gefühl,
dass sich die Songs etwas im Einerlei verloren. Dieser Eindruck
bestätigte sich bei der audiomässigen Nachlese zu Hause jedoch nicht
mehr. Dennoch glaube ich, dass der Dynazty-Sound mit einer
opulenteren Produktion, sprich einfach mit der grösseren Kelle
angerichtet, mehr zur Geltung kommen könnte. Insgesamt setzte das
Quintett einen absolut würdigen Schlusspunkt.
Setliste:
«Intro» - «Breathe With Me» - «The Northern End» - «Firesign» - «The
Grey» - «Ascension» - «Incarnation (including Bass Solo by Jonathan
Olsson)» - «Drum Solo George Egg» - «In The Arms Of A Devil» -
«Raise Your Hands» - «The Smoking Gun» - «The Human Paradox» -
«Titanic Mass» - «Starlight».
Fazit zur Ausgabe
2020: Das Wetter zeigte sich deutlich wärmer als auch schon, kein
Schnee in Sicht. Am Donnerstag waren erwartungsgemäss weniger Leute
als letztes Jahr zugegen, als Shakra kräftig Fans anlockten. Dennoch
dürften es schon gut 300 Besucher gewesen sein. Sonst
alles
wie gehabt, heisst coole wie total friedliche Stimmung und familiär,
inklusive eines Heiratsantrages! Heuer konnte man neue Gesichter
entdecken und auch etwas mehr Junge als sonst. Offenbar pilgerten
einige, trotz der 18. Auflage, zum ersten Mal ins Emmental. "Souls
Of Rock" und das OK gaben sich am ersten Abend zu langfädig mit der
Präsentation der wertigen wie nachhaltigen Hoodies. Tag zwei und
drei in gleicher Mission waren dann deutlich kompakter. Ausser etwas
Trockeneis bei Blessed Hellride kam keine Rauchmaschine zum Einsatz.
Trotzdem waren die Lichtverhältnisse abermals eher schwierig, da es
generell zu wenig Frontlicht gab. Leider ist alles schon wieder
vorbei, aber die Epic Doom Metaller Atlantean Kodex wurden als erste
(Wunsch-) Band für 2021 bereits bestätigt.
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