Livereview: J.B.O. - AC Angry

16. Dezember 2016, Solothurn – Kofmehl
By Tinu
Als Konzertabschluss des Jahres 2016 sollte ich mir meine Lachmuskeln mit den Klängen von J.B.O. verzaubern lassen. Die Deutschen und ihre rosarote Lebenseinstellung verfehlten dabei ihre Wirkung nicht. Man kann sicher darüber philosophieren, ob dermassen viel Gequatsche auf der Bühne nötig ist, denn schon ein Tobias Sammet (Edguy) wird dafür immer wieder gesteinigt. Im Vergleich zu J.B.O. ist Toby aber ein in sich gekehrter Introvertierter und schlussendlich gehören die Plaudereien von Hans "G. Laber" Holzmann und Veit "Vito C." Kutzer einfach zur Show des Quartetts. Was dem Konzert aber sicherlich gut tun würde, wäre, wenn die Jungs sich nicht immer gegenseitig ins Wort fallen würden und damit die Situationskomik fast ein bisschen killen, weil man als Besucher nicht alles versteht.

Man merkte dem Besucherauflauf an, dass J.B.O. nicht zum ersten Mal in diesem Jahr in der Schweiz spielen. So blieb der Aufmarsch der Massen im Kofmehl überschaubar. Trotzdem findet man bei einem James Blast Orchester Gig immer auch ein breit gefächertes Publikum. Vom Punker, über Hardrocker und Metaller, bis hin zu Skifeten-Fanatikern und Leuten, sich heute Helene Fischer, morgen den Trauffer und übermorgen Metallica anschauen, war alles vertreten. Der Alkohol floss reichlich, so dass sich selbst einige Damen mit einem sehr indirekten Weg in Richtung Klo bewegten. Es führen eben viele Wege aufs WC, beziehungswiese nach Rom…

AC Angry
Bevor aber die Franken Solothurn in pink verwandelten, standen AC Angry auf der Bühne. Das Quartett aus Saarbrücken rockte sich mit einer gehörigen Portion Motörhead und Zodiac Mindwarp & The Love Reaction durch ihren Support-Slot. Es rockte fett aus den Boxen, erfuhr aber mit zunehmender Spielzeit eine gewisse Monotonie. Das neue Werk «Appetite For Erection» wurde nicht nur bildlich mit Sidedrops zur Schau gestellt, sondern auch musikalisch vorgestellt. Das Problem an diesem Sound ist einfach, dass es mittlerweile viel zu viele dieser AC/DC-affinen Combos gibt, die man kaum mehr unterscheiden kann und die ganz Grandiosen meistens untergehen. Ob nun AC Angry zu den besseren oder den schlechteren gehören, wird sich noch weisen müssen. Denn! Die Jungs gaben sich zwar Mühe, konnten aber nicht über einen gewissen Achtungserfolg hinaus gehen. Das lag auch daran, dass das Publikum noch sehr spärlich im Kofmehl herum stand und eigentlich nur auf den Headliner wartete. Somit fiel der Schlussapplaus dann auch eher dürftig aus. Schade, denn die Truppe hat echt Potenzial und könnte sich mit mehr auf den Punkt gebrachten Songs klar besser verkaufen. So blieb ausser einem nett gemeinten "Danke Switzerland" nicht viel von der Show hängen, und die Vorschusslorbeeren, welche «Appetite For Erection» anhafteten, blieben für dieses Mal auf der Strecke liegen.

J.B.O.
Nun war es Zeit für die rosarote Armeefraktion. Die Marshall-Boxen in rosa, das Schlagzeug in rosa, die Musiker in rosa und selbst das Licht war leicht rosa gefärbt. Und hier ist gleich der zweite und letzte Kritikpunkt. Zusammen mit zu viel Bühnennebel, sah man die Musiker oftmals gar nicht, was sicherlich einen zusätzlich, leicht rosaroten, gespenstischen Anstrich bekam, aber auch zu Lasten der Show ging. Der Spassfaktor war gross und wenn das komplette Kofmehl aus völliger Inbrunst «Arschloch und Spass dabei» mitsingt, hat dies schon was Skurriles. "Kennt ihr den Unterschied zwischen der schweizerischen und der österreichischen Nationalflagge? Ihr habt ein Plus = positiv und die anderen ein Minus = negativ. Keine Ahnung, ob dies an der finanziellen Lage liegt", laberte Hans los. Als Dankeschön wurde der Truppe eine pinkige Schweizerfahne entgegen gehalten. Die Stimmung war von Beginn weg sehr gut und dies lag nicht nur an den beiden Backgroundsängern, die sich immer wieder neu kostümierten und Hans und Vito somit fast die Show stahlen. "Wollt ihr den alten Scheiss aus dem Jahr 1998 hören, da war ich gerade mal sieben Jahre alt?", stellte Hans mit einem breiten Grinsen fest, und wie die Solothurner wollten! Trotz der zwei Stunden dauernden Show blieben einige Hits der Deutschen auf der Strecke. So wurden weder «Wir sind die Champignons» (Queen), «Symphonie der Verstopfung» (Megadeth), «Walk With An Erection» (The Bangles), «Tschibum» (Spider Murphy Band), «Ich vermisse meine Hölle» (Zlatko), noch «Eins, zwei, drei» (Ricky Martin) gespielt. Und ja, J.B.O. sind eigentlich nichts anderes als eine Coverband, welche sich bekannte Hits vornimmt, die verpunkt, vermetallisiert oder verrockt und mit einem deutschen Text verziert. - Selten kommen eigene Lieder zum Tragen. - Dafür punkteten einmal mehr «Im Verkehr» (Johnny Wakelin) oder der von den Backstreet Boys bekannte Hit «Everybody», der bei J.B.O. «Wir ham 'ne Party» heisst. Die Kirche ist auch ein gern gesehenes Opfer, und so lästerte Hans mal locker über den letzten deutschen Papst Benedikt den Viertelvorzwölften. Und wenn die Party dann schon am lautesten ist, will Hans von den Fans ein: "Gib mir ein J, gibt mir ein B, gib mir ein O, was heisst das?" haben, das jeweils die extrem laute Antwort des Publikums "J! B! O!" erzeugte. "Danke Solothurn!" - "Bitte Vito!"

Der Umstand, dass J.B.O. 2014 in den Charts den ersten Platz nicht erreichten, nehmen die Herren mit Humor. "Helene Fischer brauchte das Geld dringender, sie kommt ja auch aus der Ukraine!», witzelte Vito. "Das mit der Jugend neigt sich bei uns langsam dem Ende zu", liess uns Hans wissen und erhielt dafür ein deftiges «Ohhh» oder bissiges Gelächter. Dass die Herren aber auch ein Herz für Kinder haben, liessen sie uns alle mit dem Track «Panzer Dance» wissen, bei dem die Urversion vom Kinderlied «A Ram Sam» stammt. "Wollt ihr einen verbotenen Song hören? Das muss aber unter uns bleiben!", leitete Hans zum folgenden Statement über, dass die Jungs vor einiger Zeit mit dem Management von Rammstein Probleme hatten. Als damals J.B.O. den Nicole Hit «Ein bisschen Frieden» in einer Rammstein-Version veröffentlichten, fanden gewisse Leute dies nicht so lustig. Aus diesem Anlass wurde der «Rammstein Reggae» mit dem Hinweis gespielt, dass Vito und seine Truppe keine Probleme mit den «Links, zwei, drei, vier»-Herren haben. Bei «Vier Finger für ein Halleluja» kam dann die berühmte Pommes-Gabel zu Ehren und der Versuch von J.B.O. trotz erhöhtem Alkohol-Genuss das Ein-Mal-Eins des Heavy Metal beizubringen. Wenn selbst bei diesem Song sogar ein kleiner Mosh-Pit von den Fans angezettelt wird, dann haben die Erlanger wirklich alles perfekt gemacht.

"Solothurn, könnt ihr noch singen?" denn es nahte «Ein guter Tag zum Sterben», der von den Anwesenden laut mitgesungen wurde. Der Mitsingfaktor war dabei so hoch, wie bei Blind Guardians «Bard Song» oder Steel Panthers «Community Property». "Solothurn, wir kommen zu letzten Lied! (Pause) - vom neuen Album!", aber auch schon bald zum letzten Songs des offiziellen Sets. Wie ihr lest, wenn bei anderen Bands mehr über das Konzert erzählt wird, sind es die Rahmenbedingungen, die bei J.B.O. das Salz in der Suppe ausmachen. Selbst wenn man das Gelaber weglassen würde, die Songs reissen den Besucher dermassen mit, dass man nicht anders kann, als Spass zu haben. Zwei Zugabeblöcke mit jeweils zwei Songs rundeten schlussendlich diesen Abend ab. "Wenn ihr den Refrain von «Verteidiger des Blödsinns» laut genug mitsingt, spielen wir noch eine absolut letzte Nummer. Ihr habt es selber in der Hand! Das ist Demokratie, und ihr in der Schweiz zelebriert diese ja!" Es war für mich der tolle Abschluss einer bewegenden Konzertsaison, bei dem der eine oder andere Gig der Flut an Gastspielen zum Opfer fiel. Sehe ich heute schon, was nächstes Jahr alles auf Tour geht, schwant mir Böses!

Setliste: «Glaubensbekenntnis» - «Bolle» - «Rock Muzik» - «Arschloch und Spass dabei» - «Im Verkehr» - «Ich liebe dir» - «1001 Nacht» - «Ich hätte gern mehr» - «Gänseblümchen» - «Wir ham 'ne Party» - «Die Waldfee» - «Panzer Dance» - «Rammstein Reggae» - «Bimber Bumber Dödel Dei» - «Könige», «Gimme Dope Joanna» - «Drum/Bass-Solo» - «Hose runter!» - «Vier Finger für ein Halleluja» - «Ein guter Tag zum Sterben» - «Wacken ist nur einmal im Jahr» - «Kuschelmetal» - «Dr. Met» -- «Geh mer halt zu Slayer» - «Verteidiger des Blödsinns» - «Ein Fest».