Livereview: King's X - Klone
22. April 2011, Aarau - Kiff
By Kissi
An Karfreitag feiern die, die daran glauben, dass ein Typ namens Jesus an ein Kreuz genagelt wurde und dann das Zeitliche segnete. Die andern feiern einfach so, zum Beispiel an einem guten Konzert. Kaum eine Rockband passt dabei besser zu Ostern als King's X. Das Trio aus Texas begeistert seine Fans seit beinahe 25 Jahre nämlich nicht nur mit progressivem Groove Rock, sondern auch mit nachdenklichen und kritischen Texten über Glaube, Gott und Hoffnung. So sind Alben und Konzerte von King's X seit jeher nicht einfach nur erfüllt von guter Musik, sondern auch von einer unvergleichlichen Wohlfühl-Stimmung, vor allem bedingt durch die soulig warme Stimme von Fronter und Bassist Doug Pinnick.

Nicht erstaunlich war es also, dass die Stimmung im Kiff, wo King's X am Karfreitag ihr einziges Schweizer Konzert auf der aktuellen Tour bestritten, an einen waschechten Südstaaten-Gottesdienst erinnerte. Anstatt jedoch dem Herren mit dem Rauschebart dort oben hinter den Wolken zu huldigen, gab es ein lautes „Hallelujah“ für aufs Wesentliche reduzierte Rockmusik, die zum Headbangen genauso anstiftet wie zum Mitsingen und Tanzen, ein „Hallelujah“ auf eine musikalische Dreifaltigkeit, genannt King's X, die wie zu erwarten auch in Aarau ihre Einzigartigkeit bewies und viel gute Laune verströmte. Weniger fröhlich stimmte da der verfrühte Beginn der Vorband.

Klone
Nicht immer will man die Vorband sehen. Man vertreibt sich die Zeit mit Bier oder Zigarette oder findet sich sogar erst auf die Hauptband am Veranstaltungsort ein. Trotzdem: Überall hinzuschreiben, dass der Support-Act, in diesem Fall die Franzosen Klone, um 20 Uhr beginnen würden, dann aber eine volle halbe Stunde früher beginnen, geht nicht in Ordnung. Vor allem, wenn sie auch noch wirklich gut wären. Düsterer, moderner Prog Rock, rhythmisch vertrackt und trotzdem irgendwie zugänglich spielen die Franzosen und stossen bei dem trotz verfrühtem Start schon zahlreich anwesenden Publikum auf interessierte, wenn auch noch etwas verhaltene Ohren. Stoische Zuschauer hin oder her, der Fünfer gab auf der Bühne alles, lassen sich mit selbst mitgebrachten Gegenlichtstrahlern zu schemenhaften Umrissen beleuchten und insbesondere Sänger Yann Ligner, der mit seiner kernigen Stimme hin und wieder an Disturbed's David Draiman erinnert, scheint seinen Spass an der Sache zu haben, sodass er gegen Ende sogar ins Publikum steigt, um dort noch die letzten Lungenreserven rauszuschreien. Klone mögen einen ganzen Zacken moderner und düsterer klingen als King's X, passen mit ihrem rhythmisch vertrackten Post Rock, der ausufernde Frickelorgiasten links liegen lässt, trotzdem gut zum Abend und so kann man nur bedauern, so wie ich, 25 Minuten des 40-minütigen Gigs verpasst zu haben.

King's X
King's X hingegen halten sich an die Running Order. Pünktlich um 21.45 Uhr erlöschen die Lichter und die «Groove Machine» beginnt mit dem gleichnamigen Song sofort auf Hochtouren zu laufen. Und sofort ist auch das Kiff erfüllt von der ausgelassenen Wohlfühl-Stimmung, welche nur King's X hervorrufen können und die auch bei «The Train», dem Opener des 1996 veröffentlichten Albums «Ear Candy», nicht abnimmt. Dabei herrschen sowohl optisch wie musikalisch Gegensätze auf der Bühne: Links hat sich der schlacksige Doug Pinnick mit Hemd und Hut in Schale geworfen und sein Tieftöner, der knackig und druckvoll aus den Boxen dröhnt, hängt beinahe an den Knien unten. Auf der rechten Seite hingegen wirkt Ty Tabor mit seiner Klampfe, derer er zärtlich streichend Licks und Riffs entlockt, T-Shirt und Turnschuhen wie immer etwas verloren, wobei er seinem Grinsen zufolge doch ordentlich Spass hat. In der Mitte von beiden: Jerry Gaskill, der trommelt, als gäbe es kein morgen und sich kaum um etwas anderes zu scheren scheint.

So unterschiedlich diese drei Charaktere im Auftreten und Spielen auch sein mögen, zusammen bringen sie jeden Saal zum Kochen, z.B. mit Bandklassikern wie «What is this?», «Complain» oder «Black Flag». Doch auch neueres Material der Sorte «Alright» und «Pray» vom letzten regulären Studioalbum «XV», welches nun auch schon wieder über zwei Jahre auf dem Buckel hat. Über nichts konnte man sich also beklagen, weder über den Sound, der knackig und wie zu erwarten mit reichlich Bass daherkam, noch über das Publikum, das euphorisch und bunt gemischt (vom Progrocker, über den Soul-Fan bis zum Grunger war alles vertreten) lobpreisten. Hätte man meinen können, doch Doug Pinnick hatte alles andere als seine Freude an dem fürs Kiff typischen, exzessiven Nebelmaschinen-Einsatz und stutzte deswegen kurzerhand die Verantwortlichen zusammen, bevor er mit «In the new Age», «Pillow» und dem grossartig mächtigen «Dogman» wieder munter weiter machte und es auch nicht lassen konnte, Hemd und Shirt auszuziehen, um oben ohne Klassiker wie die Mitsing-Nummer «Go Tell Somebody» und das einfühlsam schöne «Summerland» zu servieren.

Die Rollen waren also klar verteilt: Pinnick übernahm die Kommunikation mit dem Publikum, das Tänzeln und mit seinem verzerrten Bass, der gleich aus vier Verstärkern dröhnte, das Grooven, Ty Tabor, wie immer mit blauer Sonnenbrille, die träumerischen Melodien und Gaskill sorgte dafür, dass alles zusammenhielt. So war es nicht weiter verwunderlich, dass nach «Born to be Loved» noch nicht Schluss sein konnte und King's X mit «Goldilox» und dem obligatorischen, bei jedem Konzert zu einer wahren Mitsing-Orgie ausufernden «Over my Head» noch einmal nachlegen durften/mussten. Und um danach mit einem richtigen Knaller aufhören zu können, wurde danach noch das rabiate «Visions» nachgeschoben. Laut Mythos kam der Unglücksjunge namens Jesus, nachdem er am Karfreitag ans Kreuz genagelt wurde, wieder ins Leben zurück und zwar drei Tage später. Keiner, aber auch gar keiner hätte es sich entgehen lassen, wenn King's X am Montag eine Reprise gegeben hätten. Leider blieb dies nur Wunschdenken und es ist zu vermuten, dass es wieder ein, zwei Jahre dauern wird, bis sich das texanische Trio in die Schweiz bemühen wird. Umso heftiger sollten sich also diejenigen in den Hintern beissen, die dieses wohltuende Rock'n'Roll-Hohelied verpasst haben.

Setlist King's X: «Groove Machine» - «The Train» - «What is this?» - «Complain» - «Black Flag» - «Alright» - «In the new Age» - «Pillow» - «Pray» - «Dogman» - «Go Tell Somebody» - «Summerland» - «We Were Born to Be Loved»
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«Goldilox» - «Over my Head» - «Visions»