Livereview: Kylesa - Circle Takes The Square - KEN Mode
24. Januar 2012, Zürich - AbaRt Club
By Natalia N.
Alles entwickelt sich spiralartig. Jede neue Windung wiederholt teilweise die vorige. Aber es wird jedes Mal etwas Neues hinzugefügt, deswegen findet auch die Wiederholung auf einem anderen Niveau statt. Das letzte Album von Kylesa, das 2010 erschien, trägt den entsprechenden Namen „Spiral Shadow“ und hat den von Kylesa gewählten Weg endgültig bestätigt. Seit 2009 (d.h. seit der Erscheinung des Albums „Static Tension“) begannen die Musiker von Kylesa, psychedelische Musik der neuen Generation zu spielen. Eine harmonische Mischung des modernen Sludgecore/Crustcore und der Melodik, der buzzing-bluesy Black-Sabbath Gitarren und der archaischen instrumentalen Effekte brachte der Band unerhörten Erfolg unter den Avantgarde Musik-Fans. Die Band hat ihren einzigartigen Klang gefunden und wird jetzt kaum im Schatten von ihren berühmten Landsleuten Mastodon stehen. Als support mit dabei: „Circle Takes The Square“, eine experimentelle Post Hardcore-Band (auch Kylesa's Landsleute) aus Savannah, Georgia. 2004 machten sie sich mit ihrem abendfüllenden Debütalbum „As The Roots Undo“ international auf sich aufmerksam. Sieben Jahre später melden sie sich mit dem Nachfolger „Decomposition Volume 1“ zurück. Die Vorgruppe für beide Bands war die kanadische Hardcore/Noise Rock-Band KEN Mode, welche im Jahr 2011 das Album "Venerable" veröffentlicht.

Die Musiker von KEN Mode betraten die Bühne in voller Dunkelheit. Beleuchtet wurde die Bühne nur von zwei oder drei Stehlaternen, die nur schummeriges, gelbes Licht spendeten. Die Atmosphäre in der Halle war äußerst düster, genauso wie die Musik von KEN Mode. Die Musiker spielten eine harte minimalistische Version von Hardcore mit sehr langen Breakdowns, die bis zu 8 Sekunden dauerten. Besonders hart schienen die Partien des Schlagzeugers Shane Matthewson zu sein - bei solch einer aggressiven Spielweise sagt man oft, dass der Schlagzeuger „wie ein Tier“ spielt, was definitiv auch passte. Er trommelte wütend, sodass alle anderen Töne kaum zu hören waren. Außerdem wurden die anderen Musikinstrumente und die Mikrophone so abgestimmt, dass ihre Lautstärke mit der von den Schlagpartien gar nicht zu vergleichen war. In einem Moment konnte man sogar Mitleid mit dem Band-Frontman verspüren – dem Sänger/Gitarrenspieler Jesse Matthewson, Bruder von Shane, der so stark wie möglich ins Mikrophon schrie und eiferte und dennoch kaum zu hören war! Ebenso sehr strengte sich auch der Bassist/Hintergrundsänger an. Seine Stimme war kaum hörbar, dafür aber waren die recht interessanten Basspartien umso präsenter. Trotz der furchtbaren Abstimmung des Klanges gelang es den Musikern, einen starken Eindruck auf das Publikum zu machen. Einige besonders beeindruckte Zuhörer kamen dicht an die Bühne, und einer von ihnen wechselte mit Jesse brennende Blicke während des Auftrittes und gestikulierte heftig. KEN Mode sind keine Anfänger im Bereich extremer Musik, weil sie schon vier vollständige Alben veröffentlicht haben. Es ist zweifellos, dass ihr Auftritt die Zuhörer bitteren Hass empfinden ließ!

Die zweite aufwärmende Band, Circle Takes The Square, gehört zu einer anderen Richtung im Bereich extremer Musik. Das 2004 erschienene Album „As the Roots Undo“ machte die Band zu einem profilierten Screamo-Vertreter mit Mathcore-Elementen. Es sei erwähnt, dass nicht alle Band-Teilnehmer bei dieser Tournee anwesend waren. Der Gitarrenspieler David Rabitor war nicht da. Deswegen mussten sich die anderen Musiker recht stark bemühen, um die notwendige Dichte des Gitarrenklanges zu erreichen. Trotz allen Schwierigkeiten gelang es den zwei Band-Gründern, d.h. dem Gitarrenspieler Drew Speziale und der Bassistin Kathy (Coppola) Stubelek, die als ein eingespieltes Sängerduo anerkannt sind, diese Aufgabe zu erledigen. Es sei betont, dass die Band alle Instrumente und die Mikrophone äußerst sorgfältig „checkte“. Jeder Band-Teilnehmer schrie bzw. sang einige Male ins Mikrophon, um sich zu vergewissern, dass seine bzw. ihre Stimme sicher klang, und das trug seine Früchte. Während des Auftrittes der Band konnte man nicht nur die Kompliziertheit der instrumentalen und rhythmischen Konstruktionen einschätzen (das Spiel des Schlagzeugers verdiente auch das höchste Lob), sondern auch die mit Emotionen überfüllten Liedertexte deutlich hören. Die dominierende blaue Farbe betonte die starke und tief emotionale Hingabe der Musiker. Die Sängerin und der Sänger, die beide mager sind, sahen sehr harmonisch aus, obwohl die Stimme von der Sängerin Kathy, die eher einer Teenagerin ähnlich war, sicherer und heller klang. Drew beeindruckte mich mit seiner Schüchternheit, weil er sich ständig in der Bühnenecke versteckte und sein Gesicht mit seinen Haaren bedeckte. Erst am Ende des Auftrittes näherte er sich dem Zentrum der Bühne, lächelte sanft, bedankte sich beim Publikum für den warmen Empfang und teilte mit, dass es seine erste Reise in die Schweiz war. Als er fragte, ob jemand aus dem Publikum die Musik der Band früher schon gehört hatte, sagte jemand sofort „ja“. Das musste Drew aufgemuntert haben, und während der letzten Lieder versteckte er sich nicht mehr so sehr.

Nach einer sehr kurzen Pause betraten die Musiker von Kylesa die Bühne, und es schien, als würde die Bühne sofort wärmer und farbenreicher. Sowohl die ganze Band als auch jeder einzelne Teilnehmer machte einen sehr positiven Eindruck. Als die talentierte Gitarrenspielerin Laura Pleasant, die eine ungewöhnlich überirdische Stimme besitzt, die Bühne betrat, zog sie die Aufmerksamkeit des ganzen Publikums sofort auf sich. Sie trug eine hellrote Jeans mit einem Gürtel, der ihre Taille unterstrich, große runde Ohrringe mit Ornament und ein eng anliegendes T-Shirt mit dem Logo der schwedischen Band Witchcraft, die psychedelischen Rock in der Richtung Pentagram spielt. Auf dem Logo ist eine Hexe dargestellt, deren Gesicht dem von Laura sehr ähnlich ist. Aber auch ohne diese Andeutung fühlt man, wie stark der zauberhafte Reiz von dieser wunderbaren Musikerin ist. Lauras recht niedrige Stimme wird manchmal zum wütenden Geschrei, und die einschmeichelnden Gitarrenmodulationen wie z.B. im Lied „Don't Look Back“ sind eine echte Verschönung. Am Ende des Auftrittes schrie einer der Zuhörer deutlich: „You are beautiful!“. Und das muss man zugeben! Der geistige Anreger der Band – Producer, Sänger, und Gitarrenspieler Phillip Cope – stand rechts. Er sah sehr bescheiden aus und trug ein schlichtes, graues Hemd, was für die Avantgarde-Bühne nicht typisch ist. Außer allen möglichen Gitarreneffekten machte dieser Zauberer und Spezialist für archaischen Klang ab und zu „magische“ Armbewegungen neben dem sogenannten Thereminvox – dem allerersten elektrischen Musikinstrument. Es ähnelt einer Holzschachtel, die auf einer Stütze steht und einen vertikalen, metallenen Stab hat. Um diesen Stab herum bildet sich ein elektromagnetisches Feld. Um das Instrument erklingen zu lassen, muss man seine Hand in dieses Feld einführen. Dabei erklingt ein recht schriller Lärm, dessen Höhe und Intensität verschieden sein können. Phillip schrie eher als dass er sang, und das harmonierte mit Lauras Gesang sehr gut. Es war einem Dialog ähnlich, als ob Phillip etwas fragte und Laura ihm antwortete.

Als Hintergrundsänger trat der Bassist Eric Hernandez auf. Dieser stämmige Kerl strömte eine äußerst starke Energetik und Selbstsicherheit aus. Seine unterstützenden Basspartien waren deutlich und gut zu hören, auch wenn alle anderen Partien reich und unterschiedlich waren. In der Band gibt es zwei Schlagzeuger, deswegen standen auf der Bühne zwei Trommelanlagen. Das fiel sofort auf und sah etwas ungewöhnlich aus. Aber die Anlagen waren verschieden. Die erste war traditionell für Metal- und Core-Bands und hat eine Basstrommel, an welcher der Schlagzeuger sass. Die zweite Trommelanlage bestand aus einigen kleinen und mittelgroßen Trommeln, die hoch über dem Boden waren, weswegen der Schlagzeuger stehend spielen musste. Die zweite Trommelanlage klang einer ethnischen Perkussion ähnlich, und das liess die Musik von Kylesa recht exotisch klingen. Ich war erstaunt, wie gut eingespielt die Musiker spielten und wie gut die Schlagpartien einander ergänzten. Was die Set-Liste anbelangte, so bestand sie meistens aus den besten Liedern aus den letzten zwei Alben. Die Lieder aus dem letzten Album klangen feiner und enthielten weniger Core (besonders „Tired Climb“ und „Scapegoat“). Aber das Publikum reagierte aktiver, wenn die von der Zeit geprüften Hits aus dem Wendealbum „Static Tension“ (2009) gespielt wurden. Besonders enthusiastisch begrüßte das Publikum den zweifellosen Hit „Running Red“ mit seinem bekannten Riffing. Davor bat Laura um Entschuldigung dafür, dass die Musiker kein längeres da capo spielen konnten, weil sie jeden Tag Konzerte hatten und sehr müde waren (momentan macht die Band eine lange Tournee und reist europaweit). Deswegen wurde außer „Running Red“ das erprobte „Where The Horizon Unfolds“ (2006) da capo gespielt, und nach stürmischem Beifall war das Konzert zu Ende.

Set Liste Kylesa: „Said Done“, „Only One“, „Tired Climb“, „To Forget“, „Forsaken“, Drum-Jamming, „Bottom Line“, „Don't Look Back“, „Distance Closing In“, „Unknown Awarness“, „Hollow Severer“, „Scapegoat“, „Running Red“, „Where The Horizon Unfolds”