Livereview: Lordi - Palace - Sinherecy

15. Februar 2015, Pratteln – Z7
By Tinu
 
«The Monsters are back!» Und wie! Lordi liessen an diesem Sonntagabend ihre finnische Zurückhaltung zu Hause, oder besser gesagt in der «Scare Force One» und rockten das Z7 mächtig, gewaltig und zerstörerisch. In der Luke gut versteckt, lag das neuste Werk der Monster-Rocker («Scare Force One»). Mit gleich mal sechs neuen Songs, der bekannten Crew, ergänzt durch einen sexgeilen Piloten und zwei Stewardessen als Backgroundsängerinnen, bot der Fünfer eine einmal mehr sehr showträchtige Darbietung. Mister Lordi als Zeremonienmeister liess aber seinen Mitstreitern Amen (Gitarre), OX (Bass), Mana (Schlagzeug) und seiner Mistreiterin Hella (Keyboard) genügend Frei- und Spielraum, so dass jeder Musiker zu seinem Solo kam. Bevor aber Lordi keine Gefangenen machten, mussten sich die Besucher durch zwei Vorbands kämpfen..., einmal mehr.

Sinheresy

Die Italiener Sinheresy starteten angeblich ihre Karriere als Nightwish-Coverband. Somit war die Marschrichtung schon mal vorgegeben. Musikalisch in der symphonischen Metal-Szene verankert, bot der Fünfer an vorderster Front «the beauty and the beast»! Namentlich der stattliche Stefano Sain und die sehr zierliche Cecilia Petrini, die sich beide den Gesang teilten. Cecilia entpuppte sich dabei als bangender Hingucker, die aber den faden Beigeschmack, nämlich dass Sinheresy die Kopie einer Kopie sind, kaum beiseite schieben konnte. Die Reaktionen des Publikums waren sehr verhalten. Das lag auch am doch sehr bühnenuntypischen Outfit der Truppe. Da war nichts, das auf eine ambitionierte Combo schliessen liess und da auch das Songmaterial alles andere als ein Ohrenschmaus war, wird neben den Nightwish-Fans wohl kaum jemand die Band ins Herz geschlossen haben. Der Publikumstest, wer denn nun das lauteste Publikum auf der Tour ist, Polen, Deutschland oder doch die Schweiz, ging dann auch ziemlich in die (Unter-) Hosen. Liegt es am Überangebot von Bands, die auf Tour sind, oder einfach daran, dass dieser Symphonic-Metal ausgelutscht ist… Es ist schade, wenn sich eine Band bemüht, aber mehr Mühe mit sich selber bekundet…

Palace
Das Teutonen-Quartett Palace stand als nächstes auf der Bühne. 25 stattliche Jahre hat der Vierer bereits auf dem Buckel, aber so richtig zu kennen scheint diese Band niemand. Die Jungs gastierten vor drei Jahren zusammen mit Primal Fear schon mal im Z7 und Sänger/Gitarrist HP Piller erinnerte sich gerne an die damalige Show: «Damals war es schon super, aber heute wird es noch besser!» Ob dies nun eine Drohung oder ein Versprechen werden sollte, belegten die kommenden Minuten. Teutonischen (Edel-) Stahl hämmerte der Vierer ins Z7. Allerdings erreichte das Material nie den Qualitätsanspruch von Accept, U.D.O. oder Grave Digger. Einiges klang zwar vielversprechend, blieb aber zu wenig im Kopf hängen. Die Publikumsresonanzen waren zwar bedeutend lauter als noch bei Sinheresy, aber der so richtig grosse «Oha!»-Effekt wollte sich bei den Wenigsten einstellen. Waren schon Sinheresy eher eine Tortur, so musste man sich zumindest mit Palace auf den Headliner einstellen. Okay, okay… Palace hatte interessante Doppelsoli und einen agilen Shouter, der mit seinen Sprüchen das Publikum immer wieder aus der Reserve locken wollte. Mister Piller bangte sich gerne die Birne von Kopf, was aber eher aussah, als hätte er einen Stromschlag von der Gitarre erhalten. Der bärtige Hüne am Bass, Tom Mayer, schlug auf sein Instrument wie ein Holzhacker ein und Gitarrist Jason Mathias solierte sich recht souverän durch den Set. Des Publikums Fäuste schlug Luftlöcher und HP liess es sich nicht nehmen zu fragen: «Wollt ihr noch mehr von diesem guten Stoff?» Allerdings musste der singende Gitarrist diese Frage gleich zweimal stellen, um eine Antwort zu erhalten. Mit einem gut klappenden Mitsingpart, Chorgesang aller Musiker und einer Accept artigen Bühnenshow konnten sich Palace mit den Worten: «Ihr seid ein fantastisches Publikum» verabschieden. Gut gemacht, aber wenig hängen geblieben.

Lordi
Mit dem Kiss-Song «Unholy» erlosch das Hallenlicht und ein bärtiger Flugzeugkapitän begrüsste die Anwesenden zur nun folgenden Flugshow. Sämtliche Sicherheitshinweise und die Möglichkeit zum Beischlaf wurden den Anwesenden aufs Auge gedrückt, um dann dem «the one and only» Lordi den Platz ein zu räumen. Mit dem Eröffnungsdreier «Nailed By The Hammer Of Frankenstein», «This Is Heavy Metal» und «Hard Rock Hallelujah» stieg der monströse Fünfer in die folgende, fast zwei Stunden dauernde Show ein. Speziell der Siegessong vom «Eurovision Song Contest», «Hard Rock Hallelujah», liess den Publikums-Chorgesang in grandioser und lautstarker Höhe erklingen. Mit einem grossen Funkenregen aus der Streitaxt von Mister Lordi wurde der wohl bekannteste Track der Finnen beendet. Die beiden speziell für die «Scare Force One» rekrutierten Stewardessen blieben dezent im Hintergrund stehen und unterstützten den Sänger bei den Chorpassagen. Die Show war gespickt mit Zusatzelementen. Wie die stolpernden Clowns bei «Hell Sent In The Clowns», dem Schnee in der Halle bei «It Snows In Hell», der völlig begeistert auf der Bühne stehenden US-Bürgerin mit ihrem Kind, das unbedingt von Mister Lordi bei «Sir, Mr. Presideath, Sir» geküsst werden sollte (was auch geschah, bis zum bitteren Ende und einer aufgebissenen Bauchhöhle), beim Keyboardsolo, bei dem eine junge Frau von einem alleinstehenden Babywagen angelockt und urplötzlich von den kleinen und kräftigen Kinderhänden in den Kinderwagen gezogen wurde, den ausgebreiteten Flügeln beim Sänger («Devil Is A Looser»), dem zu Tode geweihten Bettler beim Basssolo von OX (der dem Armen auch gleich die Gedärme raus riss), oder der hinlänglich bekannten Kreissäge bei «Not The Nicest Guy». Viele der Showelemente waren nicht neu, was aber in meinen Augen hingegen fehlte, waren Pyros ohne Ende! Es knallte viel zu wenig. Trotzdem kam jeder auf seine Kosten, der sich gerne eine Alice Cooper-Show ansieht.

Musikalisch boten die Finnen einen guten Querschnitt aus ihrer Karriere. Jedes Album wurde bedacht und auch wenn nicht jeder Song das Potenzial eines «Hard Rock Hallelujah», «Would You Love A Monsterman?», «The Riff», «Devil Is A Looser», oder «Deadache» aufweist, für beste Unterhaltung war gesorgt. Mit «Don't Let My Mother Know» schlich sich ein Track in die Setliste, der nur von der «Devil Is A Looser»-Maxi her bekannt ist. Eine nette und sehr gute Wahl, auch wenn die Wenigsten diesen Song kannten. Cool dann auch die Ansage zu «Sincerely With Love», wo Mister Lordi lapidar feststellte: «Heute ist Sonntag und morgen müsst ihr wieder zur Arbeit oder in die Schule? NEIN, NEIN, NEIN!!! Ich habe mit euren Chefs und euren Lehrern gesprochen, und ihr alle habt morgen einen freien Tag. Sollten sie sich nicht mehr daran erinnern, dann zeigt ihnen allen den Mittelfinger und schreit sie mit einem kräftigen «Fuck you!» an! Fuck you asshole, sincerely with love!»

Seine Begleitmusiker trumpften auf. Bassist OX mit seiner gruseligen, majestätischen Erscheinung hämmerte wie Mark «The Animal» Mendoza von Twisted Sister auf sein Instrument ein. Dabei hatte er seinen funkigen Solopart, zu dem er gleich mal seine Wut an einem kleinen, gefangenen Bettler ausliess. Keyboarderin Hella gruselte mit ihren schaurigen Klängen beim Solisten-Part und Amen trumpfte ägyptisch inspiriert bei «Amen's Lament To Ra II» auf. Schlagzeuger Mana spielte zuerst mit einem von Geisterhänden geleiteten Totenschädel, der hinter einem Tuch verborgen war. Sein Schlagzeugsolo beendete der Trommler mit blauneonfarbenen Drumsticks, mit denen er sein Werkzeug förmlich zerdepperte. Lordi trumpften als Einheit auf und begeisterten die Anwesenden von der ersten bis zur letzten Sekunde. Als nach dem Abschlusssong «Would You Love A Monsterman?» der bierbauchige Pilot wieder auf der Bühne erschien, wusste alle, dass nun das Ende der Show nahte und die «Scare Force One» ihren Heimflug antreten würde. Doch weit gefehlt! Der Pilot bedankte sich bei Lordi für all die Jahre der Zusammenarbeit und verbreitete die freudige Mitteilung, dass heute an diesem Abend das Obermonster seinen Geburtstag feierte. Sogleich wurde ein Geburtstagständchen für den Sänger angestimmt (Band und Publikum). Der Gefeierte bedankte sich erneut für das elfte Konzert, welches er zusammen mit seiner Band in seiner Lieblings-Location spielen konnte. Als krönender Abschluss musste natürlich ein Kiss-Song gespielt werden, ist Mister Lordi doch ein glühender Verehrer der Schock-Rocker aus den USA. «God Of Thunder» beendete schliesslich das Konzert und die völlig zufriedene Fanschar machte sich glückselig auf den Heimweg.

Setliste: «+ETA» - «Nailed By The Hammer Of Frankenstein» - «This Is Heavy Metal» - «Hard Rock Hallelujah» - «Deadache» - «Hella's Kitchen (Keyboard-Solo Hella)» - «Hell Sent In The Clowns» - «Blood Red Sandman» - «Drumsolo Mana» - «Give Your Life For Rock And Roll» - «Don't Let My Mother Know» - «Bass-Solo OX», «How To Slice A Whore» - «It Snows In Hell» - «The Riff» - «Sincerely With Love» - «Amen's Lament To Ra Ii (Guitar-Solo Amen)» - «Not The Nicest Guy» - «Sir, Mr. Presideath, Sir» - «Devil Is A Loser» - «Scg7: Arm Your Doors And Cross Check» - «Scare Force One» - «Who's Your Daddy?» - «Would You Love A Monsterman?» - «God Of Thunder (Kiss Cover)».