Livereview: Molly Hatchet - Timmy Rough Band
10. Dezember 2010, Zürich - Dynamo (Grosser Saal)
By Rockslave

Die aktuelle Jahreszeit passt ja eigentlich überhaupt nicht zum sonnen- und whiskeygeschwängerten Southern Rock von Molly Hatchet, aber die Amerikaner waren in den letzten Jahren oft zur vorweihnachtlichen Zeit in der Schweiz unterwegs. Wer diese Art von Musik mag, wird auf Anfrage ergänzend zu allererst Lynyrd Skynyrd, gefolgt von Blackfoot und allenfalls noch 38 Special nennen. Das zeigt deutlich auf, wo da die Präferenzen liegen und wer es eben einen Zacken härter mag, wird letztlich immer bei Bobby Ingram (g) und seinen Kollegen landen. Als 1996 Sänger Phil McCormack für den angeschlagenen Danny Joe Brown (R.I.P.) zur Band stiess, war kein einziges Gründungsmitglied mehr dabei. Trotzdem schaute man nur nach vorne und blieb mit guten Alben weiterhin im Gespräch. 2005 kehrte mit Dave Hlubek (g) wieder einer der ganz alten Garde zurück und seit Bobby Ingram das Zepter gegen Ende der 90er übernommen hat, steht der Name Molly Hatchet uneingeschränkt für Qualität. Diese wies auch der überraschend gute Timmy Rough mit seiner Band als Support auf.

Timmy Rough Band

Unbekannte, um nicht zu sagen total unbekannte Bands haben den grossen Vorteil, dass kaum bis keine Erwartungen an sie gestellt werden. Dies traf heute Abend in Zürich auch auf die recht jung scheinende Gruppe zu, denn wer zum Teufel soll denn Timmy Rough und seine Band sein? Dazu kam, dass die Musiker nach aussen hin irgendwie (auch) nach Amis aussahen und lange nichts taten, was diesen Eindruck verändern sollte. So stellte sich der Namensgeber, also Sänger und Gitarrist erst mal vorne hin, begrüsste kurz das anwesende Publikum und schon gings mit dem Opener «Rock'n'Roll Invasion» gleich flott zur Sache. Mir gefiel auf Anhieb der rauchige Timbre der Lead-Stimme, die optimal zum dargebotenen Sound passte und mit dem groovigen «Medicine Man» als nachfolgendem Song war das Eis bei mir schon gebrochen! Hey..., das tönte ja wirklich saugeil, trug ein paar Vibes der alten AC/DC und die Soli vom schlaksig wirkenden Leadgitarristen kamen sehr geil wie leichtfüssig und mit viel Gefühl gespielt rüber! Überhaupt wirkte die Band ziemlich taff und gut eingespielt. Im Zentrum steht aber ganz klar Frontmann Timmy, der bereits über 300 Gigs auf dem Buckel hat und unter anderem auch schon für ZZ Top eröffnen konnte. 2009 wurde mit «Rough Radio» eine erste CD aufge-nommen, von der beim ersten Besuch in der Schweiz ein paar Songs gespielt wurden. Und egal ob bluesiger ausgerichtet wie bei «Has Anybody Seen My Mind» oder heftig rockend mit «Sexual Power», das Quartett hinterliess einen absolut überzeugenden Eindruck, der auch den töften Backing Vocals galt, die die ja wirklich geile Lead-stimme optimal ergänzten. Der Applaus der etwa 150 bis 200 Leute wurde der fetzigen Darbietung gerecht und darum geriet Led Zeppelins «Rock'n'Roll» als Zugabe nicht zu einer Verlegenheitsübung, sondern atmete spürbar den Spirit der grossen Vorbilder. Nach knappen 45 Minuten verliessen die Musiker die Bühne, aber die Fans wollten offenbar noch mehr und kamen deshalb in den nicht zwingend vorgesehenen Genuss des Lynyrd Skynyrd Klassikers «Simple Man», der mit dem gleichen Herzblut wie zuvor zelebriert wurde. Hut ab für die Timmy Rough Band, die schon bald ihre zweite Langrille in Angriff nehmen wird. Haltet die Augen auf, wenn sich diese Truppe (hoffentlich bald!) wieder bei uns blicken lässt. Eine tolle Liveband, durch und durch! Und ja..., erst nach dem Konzert (!) wurde mir, als ich mit dem Leadgitarristen einen kurzen Schwatz abhielt, bewusst, dass die Truppe ja aus Deutschland stammt, womit die Überraschung zum Schluss perfekt war.

Molly Hatchet
Der Anlass des neuerlichen Besuches in der Schweiz der in meinen Augen nach wie vor weltbesten Southern Rock Band war das neue Album «Justice». Das zwölfte Studio-Album ist dem in der Heimat ermordeten Mädchen Somer Thompson (R.I.P.) gewidmet. Die siebenjährige Schülerin verschwand im Herbst 2009 auf dem Heimweg von der Schule und wurde zwei Tage später tot aufgefunden. Der (inzwischen gefasste) Täter hatte sie einfach auf den Müll geworfen und sieht nun der Todesstrafe entgegen. Bobby Ingram, der seit 2004 den Verlust seiner Frau Stefanie ertragen muss, nahm sich der Familie von Somer an, sammelte Geld für die Beerdigung und beteiligt sich seither aktiv an einer Stiftung zu ihrem Gedenken. Das Credo dazu lautet "Justice for Somer is justice for children". Daher auch der Titel des Albums. Trotz diesem schwermütigen Hintergrund bietet die neue CD musikalisch aber alles, was der geneigte Fan an seiner Lieblingsband liebt! Der typisch nach vorne abgehende Sound mit der unverwechselbaren Stimme von Phil McCormack und dem Saiten-Duo Ingram/Hlubek rockt gehörig. Während Keyboarder John Galvin ziemlich unauffällig wirkt, ist Drummer Shawn Beamer das pure Gegenteil! Der Langhaarträger hat es sich mittlerweile zur Tradition gemacht, dass seine Mähne durch einen Ventilator ständig Aufwind erhält und so während des ganzen Auftrittes stets in Wallung ist. Zusammen mit Bassist Tim Lindsey sorgte er jedoch in erster Linie für das fette Rhythmus-Gerüst, das unerlässlich ist. Nach dem Intro mit der etwas gekürzten Version der «O'Fortuna» aus Carl Orffs «Carmina Burana» kam der «Whiskey Man» als schon fast obligater Opener zum Zug und zündete gleich den Turbo. «Bounty Hunter» schloss nahtlos an und gehört unbestritten zum Besten, was dieser Stil zu bieten hat. Während Bobby weitere flinke Soli auspackte, legte Altmeister Dave den mächtigen Rhythmus darunter. Im Gegensatz zu seinem fabelhaften Gitarrenspiel, sah Mr. Hlubek optisch aber alles andere als frisch aus. Der Hüftgelenk-Kandidat kann sich kaum noch anhaltend und ohne Schmerzen bewegen. Dazu kommt eine stattliche Wampe, die er mittler-weile vor sich hinträgt. So gesehen muss man für jeden Gig dankbar sein, den man mit ihm (noch) anschauen kann. Kaum war das Konzert nämlich um, suchte Dave die nächste sich ihm bietende Sitzgelegenheit.

Zuvor liessen es Molly Hatchet bei ausgelassen guter Stimmung im grossen Saal des Dynamo aber heftig krachen. Das Ganze wurde zudem immer wieder mal mit einer kräftigen Prise Blues gewürzt und abgeschmeckt. Aber dass die Amis noch mehr drauf haben, bewiesen sie unter anderem bei (halb-) balladesken Klängen wie «Gonna Live 'Til I Die», das glatt nach Magnum klang oder ein Stück weit wie ein alter Whitesnake Song daher kam. Was an einem Molly Hatchet Gig aber keinesfalls fehlen darf, sind Götter-Epen wie «Fall Of The Peacemakers», das Greg Allman Cover «Dreams I'll Never See» und natürlich «Flirtin' With Desaster». Darin eingebettet sind teils fast endlose Solo-Orgien, die Bobby Ingram stets lächelnd und locker lässig runter hobelt. Dave Hlubek mochte dabei natürlich nicht wie Angus Young rumzappeln, entlockte seiner Axt aber fast die gleiche Intensität wie der Bandboss. Die vorletzte Zugabe hiess dann zumindest für mich etwas überraschend «Free Bird»! Der Jahrhundert-Klassiker von Lynyrd Skynyrd taucht eigentlich trotz der unbestrittenen Kompatibilität oft, aber nicht immer (in früheren Jahren eigentlich gar nicht!) bei Molly Hatchet im Set auf und war darum heute Abend ein so zu sagen zusätzlicher Leckerbissen. Müssig zu erwähnen, dass sich hier die beiden Gitarristen gegen den Schluss hin gemeinsam fast ins 6-Saiten Nirwana solierten. Was heuer hingegen schon fast schmerzlich fehlte, waren unter anderem Killer wie «The Journey», «Tatanka» oder «Devil's Canyon». Je nachdem waren früher zudem noch weibliche Backing Vocals mit auf der Tour dabei, doch das fiel jetzt nicht so stark ins Gewicht. Trotzdem waren die erlebten gut 90 Minuten natürlich allererste Sahne und brachten Southern Rock vom Feinsten ins Zürcher Dynamo. Die spielfreudige Band aus Jacksonville (FL) ist auch in Zukunft jeden einzelnen Konzertbesuch wert und es bleibt schwer zu hoffen, dass in der nächsten Zeit gesundheitlich soweit alles im grünen Bereich bleibt. Sänger Phil McCormack hinterliess nämlich ebenfalls nicht den fittesten Eindruck. Allerdings werden die schlechten Nach-richten von verstorbenen Musikern leider nicht ausbleiben, darum macht Euren alten Helden Eure Aufwartung so lange und so oft Ihr das noch könnt! Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben..., und dann nützt alles jammern nichts mehr..., hell yeah!!

Setliste: «Intro» - «Whiskey Man» - «Bounty Hunter» - «Gator Country» - «American Pride» - «In The Darkness Of The Light» - «Fall Of The Peacemaker» - «Justice» - «Drum-Solo Shawn Beamer» - «Beatin The Odds» - «Gonna Live 'Til I Die» - «Been To Heaven/Been To Hell» - «Jukin' City» - «Dreams I'll Never See» -- «Free Bird» - «Flirtin' With Desaster».