Livereview: Nevermore - Dew Scented - Mercenary
13. Oktober 2005, Pratteln Z7
By Rockslave (Mercenary & Dew Scented) and HaRdY (Nevermore)
Dieses Tour-Package versprach einiges, zumal Mercenary schon im vergangenen Mai als Support von Brainstorm einen guten Eindruck hinterliessen. Die Affiche für Dew Scented präsentierte sich ebenso spannend, denn den Schreiber dieser Zeilen, der die "deutschen Slayer" bisher noch nie gesehen hatte, nahm es natürlich Wunder, wie sich das Ganze präsentieren würde. Über Nevermore hingegen braucht man eigentlich nicht mehr viel zu berichten. Wenn es denn eine Truppe gibt, die nebst Iced Earth zu Zeiten des unvergessenen Matt Barlow Pure Fuckin' Metal verkörpert, dann sind das Warrel Dane & Co. - Der wegen dem Unwetter viel zu kurze Auftritt in Balingen am BYH!!!-Festival hinterliess eigentlich einen gewaltigen Nachholbedarf, den aber leider nicht ganz so viele Fans verspürten, obwohl die Resonanz des anwesenden Publikums schlicht genial war. Das kam erfreulicherweise bereits dem Opener zu Gute, denn Dew Scented entfachten sogleich einen veritablen Flächenbrand!

Mercenary
Bevor es soweit war, durften zuerst die dänischen Melo-Deather ran, die in ihrem üppig bestückten Genre mit bisher guten Alben aufwarten konnten. "11 dreams", der letzte Wurf, kam bei uns zwar schon im Sommer 2004 raus, aber auch so lässt es sich natürlich auf Tour gehen. Heute Abend zeigten Mercenary einmal mehr, dass sie es drauf haben. Allerdings fehlte manchmal etwas die Durchschlagskraft, doch die ganze Band bemühte sich redlich, allen voran Sänger Mikkel und Basser Kral, die zusammen für kräftige wie düstere Vocals zuständig waren. Sie liessen sich auch nicht aus dem Tritt bringen, als eine der Gitarren gleich zu Beginn ausstieg und man nach einer kurzen Kunstpause mit "Firesoul" erst mal weiter spielte, bis der Schaden behoben war. Trotz diesem ansich ärgerlichen Missgeschick wirkten alle Musiker recht bodenständig und man kommunizierte locker mit den Fans, die mit verdientem Applaus antworteten. Der Fokus der ausgewählten Track lag nebst "Seize the night" von "Everblack" beim neuen Material mit weiteren Songs wie "World hate center" oder dem abschliessenden "11 dreams". Davor gab es unter Mitwirkung der beiden Nevermore Gitarristen Jeff Loomis und Steve Smyth ein echtes Überraschungs-Schmankerl, da man gemeinsam den Nevermore Song "Inside four walls" runter zockte und die Stimmung so ihren Höhepunkt erreichte. (Rsl)

Dew Scented
Mit dem neuen Album "Issue VI" im Gepäck stürmten Leif Jensen (mit Pell T-Shirt!) und seine Mannen als zweiter Act auf die Bühne und gaben nach einem Schlager-Intro (!) von der ersten Sekunde an Vollgas. Dank zwei Gitarren und megastarkem Drumming von Aushilfs-Drumtier Reno Killerich (Ex-Dimmu Borgir, Ex-Panzerchrist, Ex-Mortem) kam der Sound ziemlich fett rüber. Dass es sich dabei stark nach Araya & Co. anhörte, war zuvor schon bekannt, aber erstaunlicherweise geriet die Darbietung trotzdem nicht zum reinen Rip-Off. In den ersten vier Reihen vor der Absperrung war heftigstes Abschädeln angesagt und dank zahlreichen Langhaar-Trägern gab es deshalb auch optisch ein grandioses Bild ab. Die Band stieg ebenso drauf ein und ging mit geilem Windmühlen-Banging voll mit. Basser Alexander Pahl bestach derweil mit agilem Finger-Spiel und machte Saxon's Tiefton-Derwisch Nibbs Carter alle Ehre. Dew Scented bestritten mit diesem (in Pratteln bisher dritten) Auftritt ihr letztes Gastspiel auf dieser Tour und waren darum wohl besonders motiviert. Von den Songs her erkannte ich den Ansagen nach "Turm to ash", "Cities of the dead", "Processing life", "The prison of reason", das geniale "Rituals of time", da Midtempo-Walze als Kontrast zum überwiegenden Geballer, "New found pain", "Destination hell", "Never to return" und "Soul poison". Eine gute Stunde lang bewiesen die deutschen Thrasher eindrücklich, wie man das offensichtliche Vorbild mit eigenem Charakter ausfüllen kann. (Rsl)

Nevermore
Jaahaa, und endlich war es dann soweit! Als prickelndes Intro gleich das "Precognition"-Instrumental von meiner Lieblingsplatte "The politics of ecstasy" auf die gespannte Meute loszulassen, glich einer nicht ignorierbaren Offenbarung! Welche alten Knaller sollten wohl zusätzlich in der Setlist auftauchen? Wie sollte die neue Konstellation mit dem neuen Gitarristen beim Volk ankommen?! Wie zum Teufel sollte ich während des folgenden Konzertes an ein neues Bier kommen, ohne einen einzigen Ton zu verpassen?!? Fragen über Fragen, aber zurück zum Geschehen. Ein riesiges Backdrop mit dem "This godless endeavour"-Cover im Rücken und von einer genialen Lichtshow unterstützt, nahm als erster Drummer Van Williams seinen Platz hinter der Schiessbude ein. Danach betraten unter immer stärkerem Applaus und Gejohle die beiden Gitarristen Jeff Loomis und Steve Smyth sowie Basser Jim Sheppard die Bretter, welche die Welt bedeuten. Die ersten Töne von "Born" ertönten und die Reihen gingen ab wie ein Zäpfchen! Meine Güte, das ist doch erst der Opener, wie soll das bloss enden?! Frontmann Warrel Dane betrat gewohnt souverän das Geschehen und festigte gleich von der ersten Note an seine verdiente Ausnahmestellung als einer der Top5-Sänger dieses Planeten. Gut, an seinem Outfit (rotes Hemd und Baseballcap) dürfte er noch ein bisschen herumschrauben, aber angesichts seiner völlig psychopathisch-coolen Ausstrahlung, der entrückten Mimik, des entfesselten Bangens und seines zuckenden in-den-Song-Hineinsteigerns entfällt der kleidertechnische Stilbruch zu einem blossen Abfallprodukt. Denn wo andere Bands mit aufeinander abgestimmten Outfits die Show herumreissen müssen, regierte bei Nevermore einzig und allein die musikalische Supermacht. Denn jeder Einsatz sass perfekt. Gitarrenarbeit, Drums und Gesang ergänzten sich optimal, jedes Riff, jedes Solo, jedes Fill und jeder verdammte Break kam in einer beängstigenden Präzision aus der PA gewalzt und veranlasste die Zuschauer, je nach Charakter, zu hemmungslosem Bangen oder ehrfürchtigem Erstarren. Meine Fresse, der erste Song war noch nicht einmal fertig und wirklich jedem schien bereits klar geworden zu sein, dass dieser Abend in die "Hall of Fame" aller erlebten Konzerte eingehen würde! Ohne grosse Verschnaufpause wurden danach noch "My acid words" und das heftige "Bittersweet feast" in die gierige Meute gepumpt, die es ausnahmslos dankend annahm und auch sonst für jeden Scheiss des gut aufgelegten Sängers zu haben sein schien. Zum hammerharten und wütend dargebotenen Doppelschlag "Narcosynthesis"/"The river dragon has come" demontierte sich dann der grösste Teil der Halle kollektiv den Schädel, nur um sich gleich danach während des schizophrenen "Beyond within" und des hypnotischen "Dreaming neon black" mit Tränen in den Augen schunkelnd in den Armen zu liegen und aus voller Kehle mitzusingen, meterdicke Gänsehaut! Gehts noch besser?! Jahaa, es geht!! Das hammerharte, brachial inszenierte "Seven tongues of God" entriss mir einen derartigen Jauchzer, dass mir fast das Zwerchfell riss, drückte mich dafür flach an die Wand und mit dem überlangen "The learning" wurde gleich nochmal ein Scheit von der zweiten LP ins eh schön weissglühende Feuer geworfen. Das progressive "Sentinent 6" und der komplett umarrangierte Simon & Furunkel No.1 Hit "Sound of silence" (das von Warrel als "alter Folk-Song" angekündigt wurde) liessen die Temperaturen nochmals ansteigen und ein Ende der Raumerwärmung war nicht abzusehen. Überall nur glückliche, grinsende, begeisterte Gesichter, egal wohin man auch schaute. So und nicht anders sollte Metal auf das Gemüt wirken, ich war ergriffen! Die inoffizielle Hymne "The heart collector" wurde von hunderten Kehlen mitgesungen und bewies, dass eine gute Halbballade weder zuckersüss noch schwu..., äh schwül gesungen werden muss, um die Massen mitzureissen. Als letzter Song des regulären Sets wurde "Final product" mit seinem gallopierenden Riffing in die ausflippenden Reihen geblasen und einmal mehr konnte man diverse Unterkiefer knacken hören, deren Besitzer gerade versuchten, den Fingern von Gitarrengott Loomis zu folgen. Eine unglaublich flinke Technik, verbunden mit einzigartiger Virtuosität, vereinte der Blondschopf zu gebündelten Riffs und Soli, die in ihrer Durchschlagskraft aktuell kaum jemand toppen kann! "Glücklicherweise" verliessen Nevermore darauf die Bühne, ansonsten hätte meine arme Pumpe wohl seufzend den Geist aufgegeben. Die anwesenden Fans sahen das aber gottlob anders und vollführten einen derartigen Radau, dass es sich die Band der Stunde nicht nehmen liess, postwendend wieder die Bühne zu entern und völlig überraschend den Titeltrack des neuen Albums auf die perplexe und endgültig durchstartende Fanherde los zu lassen! Fast neun Minuten puren Wahnsinns erschütterten das Z7 in den Grundfesten und sollten mit einem Denkmal vor der Halle belohnt werden..., mir fehl(t)en die Worte! "Is anybody of you smoking pot?" Dem bekannten Duft in der Luft nach kann ich das bezeugen. "This is not good! You are fleeing from reality, you're the enemies of reality!!" Der Titeltrack des letzten Albums war ein würdiger Rausschmeisser für diesen märchenhaften Abend und die letzten Reserven wurden noch einmal mobilisiert. Applaus ohne Ende, tosender Jubel, die Band bedankte sich und verschwand endgültig. Beim Verschwinden hörte man überall die gleichen Fragen: "Was war denn DAS eben?! War das real oder habe ich nur geträumt?! Ich kann's immer noch nicht glauben! Davon werde ich noch meinen Kindern erzählen!"..., dem habe ich nichts, aber auch gar nichts hinzu zu fügen! Bemitleidet sei jeder, der nicht dabei war, denn dieser Gig war Magie, pure Magie... (HdY)

Set-Liste: Intro ("Precognition"), "Born", "Bittersweet feast", "Narcosynthesis", "The river dragon has come", "Beyond within", "Dreaming neon black", "Seven tongues of god", "The learning", "Sentinent 6", "Sound of silence", "The heart collector", "Final product", "This godless endeavour", "Enemies of reality".