Livereview: Rock Meets Classic (McCafferty, Kimball, Gramm)
17. Januar 2010, Sursee - Stadthalle
By Rockslave
Die Ankündigung dieses Events war noch Ende letzten Jahres aufgetaucht und weckte sogleich mein Interesse. Allerdings konnte ich mir das Ganze zu Beginn nicht richtig vorstellen. Darüber hinaus setzte ich ein mindestens mittleres Fragezeichen zum ehemaligen Foreigner Frontmann Lou Gramm, der längere Zeit gesundheitlich ziemlich angeschlagen war. Das letzte Solo-Werk der Lou Gramm Band bestätigte zudem überdeutlich, dass die kreativen Höhenflüge definitiv der Vergangenheit angehören. Für heute Abend war das Programm dann mehr oder weniger gesetzt, sprich es würden wohl jeweils ein paar altbekannte Hits wie Heuler zum Besten gegeben. Überraschenderweise zeigte sich Lou dazu in soweit recht guter Form! Weniger motiviert schien mir Dan McCafferty zu agieren, während sich Bobby Kimball kaum eine Blösse gab. Nebst dem klassischen Orchester aus Prag stand auch noch eine richtige Band auf der grossen Bühne der Stadthalle, dessen musikalischer Leiter kein Geringerer als Primal Fear/Sinner Bassist Mat Sinner war und von seinem Band-Kollegen Henny Wolter begleitet wurde. Wenn das kein Grund zur Freude war?!!

Dan McCafferty (Nazareth)

Die überaus gut gefüllte und komplett gestuhlte Halle (!) war bereit, als der Frontmann von Nazareth die Bühne nach der Ansage von Mat Sinner mit ein paar Minuten Verspätung betrat. Das Intro (Toto's «Childs Anthem») wurde vom "Bohemian Symphony Orchestra Prague" (Leitung Philipp Maier) als Erstes gespielt, ehe es dann fliessend in den Opener «Dream On» überging. Das mutete für den Verfasser dieser Zeilen allerdings ziemlich komisch an, denn so hat bisher wohl noch keine einzige Naz-Show angefangen! Doch der heutige Abend stand ja unter dem Motto «Rock Meets Classic», was das Ganze natürlich veränderte. «Hair Of The Dog» kam danach etwas "schmissiger" daher, wenn man das so sagen darf. Das Publikum applaudierte brav und Dan, der jedoch irgendwie neben den Schuhen stand und reichlich unmotiviert wirkte, kalauerte derweil noch ein wenig herum. Erst bei «Love Hurts» wachte die Halle zumindest ein Stück weit auf und es war mindestens ein Anflug von Stimmung auszumachen. «This Flight Tonight» geriet anständig und war klar das Highlight des ersten Gaststars des Abends. Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr verriet darauf, dass gerade mal erst eine knappe, halbe Stunde vorbei war. Also kaum war das Publikum "warm", gehörte der erste Teil bereits zur Geschichts-schreibung. Soundmässig war es, wie bereits erwähnt, nicht gerade heftig, dafür aber transparent und ausgewogen. Die RMC-Band steuerte derweil und deutlich gedämpft den elektrischen Part bei, was aber insgesamt ganz gut klang. Von etwas weiter hinten betrachtet, offenbarte sich die grosse Bühne dann erst so richtig und auch das üppig eingesetzte Licht hinterliess ein tolles Bild. Als sich die dicken Trockeneis-Schwaden am Schluss wieder verzogen hatten, war die Reihe am zweiten Sänger des Abends.

Setliste: «Intro (Orchestra)» - «Dream On» - «Hair Of The Dog» - «Holiday» - «Love Hurts» - «This Flight Tonight».

Bobby Kimball (Toto)
Hinterliess sein Vorgänger gerade eben ein weitgehend emotionsloses Bild, spürte man bei Bobby Kimball von der ersten Sekunde an, dass er voll da war. Nach dem Intro folgte mit «Girl Goodbye» gleich eine fetzige Nummer und ich musste mir eingestehen, dass ich den Song nicht auf Anhieb erkannte. Sprich auch nicht wusste, dass dieser, wie der Smasher «Hold The Line», auf dem legendären 78er Debüt-Album von Toto zu finden ist. Bobby performte indes ebenso fünf Songs in seinem Solo-Teil und riss das Publikum locker mit. Nebst der superben Stimme glänzte auch sein zwischenzeitliches Piano-Spiel und liess einen mindestens teilweise den unverwüstlichen Sir Elton John in Erinnerung rufen. Da Mastermind Steve Lukather (g) die Band Toto 2008 ja offiziell aufgelöst hat, sind viele Leute seither quasi auf Live-Entzug und deshalb bekamen die eingefleischten Fans der einstigen Supergroup natürlich auch die beiden Riesen-Welthits «Rosanna» und «Africa» zu hören. Ergänzend zum Orchester und der Band standen noch drei Background-Sängerinnen auf der Bühne, unter ihnen Amanda Somerville, die bekanntlich bei Avantasia und Epica mitgewirkt hat. Somit präsentierte sich dieser Bereich ebenso professionell wie der Rest der anwesenden MusikerInnen. Wie so oft bei gestuhlten Events, braucht es den entscheidenden Moment, bis sich die ersten Leute, vom Rhythmus angesteckt und klatschend, erheben. Einer "La-Ola-Welle" gleich stand auch heute Abend plötzlich alles auf den Füssen und wer dann noch was vom Geschehen auf der Bühne mitkriegen wollte, musste zwangsläufig mitziehen. Bobby nahm diese Reakionen natürlich mit Freude auf und tat alles dafür, dass dies möglichst lange so blieb. Das Highlight, nämlich «Hold The Line», folgte natürlich erst am Schluss und trotz Orchester lag das Ganze ziemlich nahe am Original. Henny Wolter freute sich derweil sicher auf das bekannte Hauptriff, wo er wenigtens ein paar Mal richtig in die Saiten hauen konnte. Leider war danach schon Schluss und mancheiner hatte sich wohl wehmütig gewünscht, diese zeitlosen Songs nochmals von der echten Band hören zu können.

Setliste: «Intro» - «Girl Goodbye» - «Rosanna» - «I Will Remember/I'll Be Over You» - «Africa» - «Hold The Line».

Und nun gab es eine kurze Pause von etwa 15 Minuten, die es aber eigentlich nicht wirklich gebraucht hätte. Die Standbetreiber mit den Esswaren und Getränken sahen das freilich anders und erfreuten sich am fliessenden Geldstrom der fleissig anstehenden Leute. Ein Gong wie man ihn vergleichsweise vom Kino her kennt, lockte das Publikum schliesslich wieder zurück an seine Plätze. Kaum hatte sich das Gewusel gelegt, war "Ladies Time" angesagt. Die drei Mädels, sonst immer dezent im Hintergrund agierend, begaben sich jetzt nach vorne an den Bühnenrand und zelebrierten mit «Alone» eine der besseren Nummern von Heart und stiessen mit ihrer stimmlich powervollen Darbietung auf helle Begeisterung. Da wäre locker noch mehr drin gelegen, aber das Programm war gesetzt und die Fans von Foreigner in freudiger Erwartung. Dass nun eigentlich der Höhepunkt anstand, war aber nicht voraussehbar und durfte deshalb als dicke Überraschung des Abends verbucht werden.

Lou Gramm
Und nun war ich wirklich gespannt wie ein Flitzebogen, denn seit Lou Gramm 1990 das erste Mal und 2003 (nach dem Comeback von 1994) das zweite Mal bei Foreigner ausstieg, gehörte die alte Besetzung definitiv zur Musikgeschichte. Die aktuelle Formation, wo Gitarrist/Sänger Mick Jones noch das einzig verbliebene Ur-Mitglied markiert, erfreut sich mit dem brillanten Ex-Hurricane Sänger Kelly Hansen am wieder gewonnenen Interesse von alten wie neuen Fans. Nachdem sich Lou Gramm mitte der 90er einer schweren Hirntumor-Operation unterziehen musste, erholte er sich recht gut davon und begleitete seine alte Band nochmals zu einer letzten US-Tournee, eher er sich dann ab 2004 seiner Solo-Karriere widmete. Diese kam aber nicht wirklich in die Gänge und das letztjährige, selbstbetitelte Comeback-Album war bis auf wenige Ausnahmen weit weg von dem, was dieser Klasse-Sänger mal ablieferte. Dazu kommt noch das ganze, christliche Gedöns, welches vor allem textlich Spuren hinterlässt und auf Dauer schlicht nervt. Klar hat der Mann ein zweites Leben geschenkt erhalten, was aber mehr dem fähigen Chirurgen als dem lieben Gott zu verdanken ist. Sichtlich gelitten und medikamentös bedingt hat aber die einst so charakteristische und schneidige Stimme. Leider muss man sagen, aber Lou machte wenigstens das Beste draus und startete mit einem vertretbaren «Cold As Ice», dem das Intro von «Urgent» voraus ging. Da natürlich auch Herr Gramm "nur" fünf Songs vortragen durfte, folgte im Anschluss mit «Waiting For A Girl Like You» eine der besten Balladen die je geschrieben wurde und in meiner Jugend einige Male von Bedeutung war. Während die gesangliche Leistung hier wirklich ansprechend war, offenbarte «Juke Box Hero» deutlich, was heute nicht mehr geht. Die in diesem Rahmen halt arg gedämpfte Version rettete den Sänger jedoch vor allfälligem Ungemach. «Dirty White Boy» und «I Wanna Know What Love Is», die wohl schönste Liebes-Ballade der Welt, sorgten derweil für einen auch applausmässig versöhnlichen Abschluss und zeigten vor allem einen gut gelaunten Lou Gramm, dem dieser Auftritt sichtlich Spass bereitete. Kaum von der Bühne runter, sollte er für das Finale bald wieder zurück kehren.

Setliste: «Intro Urgent» - «Cold As Ice» - «Waiting For A Girl Like You» - «Juke Box Hero» - «Dirty White Boy» - «I Wanna Know What Love Is».

Finale (Dan McCafferty/Bobby Kimball/Lou Gramm)
Den drei berühmten Tenören Plácido Domingo, Luciano Pavarotti (R.I.P.) und José Carreras gleich, kamen die drei Herren nochmals gemeinsam auf die Bühne zurück und intonierten das Schluss-Medley, das mit «Razamanaz» (Nazareth) begann, in «I'll Supply The Love» (Toto) überging und schliesslich mit «Hot Blooded» endete. Dazu gaben alle Akteure auf der Bühne nochmals alles, die Effekt- und Light-Worker tat es ihnen gleich und hüllten die Stadthalle ein letztes Mal mit vollem Sound und opulentem Licht ein. Die Netto-Spielzeit von 90 Minuten war für so einen Event allerdings eher etwas knapp bemessen, aber das Grundkonzept könnte sich durchaus für weitere Veranstaltungen dieser Art empfehlen. Lassen wir uns also überraschen, wer die nächsten drei Herren zwischen 50 und 60 Jahren sein werden, die dafür gewonnen werden können! Wie wäre es mal mit David Coverdale (Whitesnake), Robert Plant (Led Zeppelin) und Steven Tyler (Aerosmith)?