Livereview- Rock The Ring: Judas Priest - Alice Cooper
The Boss Hoss - Five Finger Death Punch - Crown Of Glory

Sonntag 21. Juni 2015, Hinwil
By Tinu
Das «Rock The Ring»-Festival fand zum zweiten Mal statt. Mit illustren Gästen wie Nightwish, Limp Bizkit, Papa Roach, Eluveitie und The Three Sum am Freitag, sowie Billy Idol, Toto, Roger Hodgson, The Hooters, Florian Ast und FM am Samstag wurde der Event gebührend eröffnet. Am Sonntag standen dann für den Schreiberling zwei seiner Jugendidole auf der Bühne, flankiert von drei weiteren Truppen. Das Gelände scheint wie gemacht zu sein für ein Openair, hat man doch von allen Standorten einen hervorragenden Blick auf die Bühne. Die beiden grossen TV-Screens links und rechts von der Bühne liessen einen freien Blick für alle Besucher zu und nur der gelegentlich einsetzende Regen trübte die an sonst gute Stimmung etwas.

Mit genügend Essens-, Getränke-, Merch,- und anderen Ständen war das Rahmenprogramm mehr als abwechslungsreich gestaltet. Was vielen Besuchern aber mehr als sauer aufstiess, abgesehen denjenigen der Hot Place- und VIP-Besuchern, dass man auf dem 10 Minuten entfernten Parkplatz gleich mal 15.- Fränkli berappen und im vorderen Teil des Geländes die Dixies pro Gang mit 2.- bezahlen musste. Die dafür zu erwartende, regelmässige Leerung der Klos blieb aber aus. Hier scheint es ratsam für den Veranstalter, sich für 2016 Gedanken zu machen. Das Unwort des Events, «das teuerste Festival der Schweiz» wurde unter den Besuchern immer wieder heftigst diskutiert.

Crown Of Glory
Wenden wir aber den Blick den auftreten Truppen zu. Der Zeitplan wurde an allen drei Tagen fast minutiös eingehalten. So starteten die Hoffnungsträger aus der Schweiz, Crown Of Glory, pünktlich um 14 Uhr mit einem kleinen Missgeschick. Der Bass von Jonas quittierte kurz vor dem Beginn des Konzerts seinen Dienst. Ob dies an fehlenden Streicheleinheiten liegt entzieht sich dem Wissen des Schreiberlings. Die nicht vorhandenen Bassspuren fielen aber kaum auf, denn wer einen Keyboarder in den eigenen Reihen hat, braucht auch keinen Bassisten… Der, auf einen Fünfer reduzierte Bestand an Musiker, genoss aber sichtlich seinen Auftritt. Die Jungs um Sänger Hene grinsten sich den Wolf und hinterliessen sehr gute Werbung in eigener Sache. Dabei gefielen die tollen Gitarrenparts ebenso, wie auch die hohen Backingvocals von Philipp. Speziell Hungi poste mit seiner Gitarre und suchte immer wieder den Blickkontakt zu den Fans. Der Mittelpunkt von Crown Of Glory bleibt aber Hene, der mit seiner agilen Art kaum stehen bleibt und dank seiner Mimik den Lacher auf seiner Seite hat. Es machte Spass den Jungs zu zusehen und ich bin mir sicher, dass die Helvetier mit diesem Gig, den einen oder anderen Fan für sich gewinnen konnten.




Five Finger Death Punch

Gespannt war ich auf Five Finger Death Punch, die bevor sie überhaupt die Bühne betraten mit lauten Sprechchören empfangen wurden. Angeführt von Sänger Ivan L. Moody wurde der Sound um einiges härter. Der Shouter peitschte das Publikum souverän an und die hasserfüllten Schreie des Publikums, beim Mitsingspielchen «Burn motherfucker burn», wiederspiegelten dies. Jason Hooks, drückt mit seinem farbigen Kamm und seiner Art Gitarren zu spielen der Truppe klar seinen Stempel auf. Bassist Chris Kael erinnert mit seinem Zottelbart an eine Figur aus dem Kultstreifen «Pirates Of The Caribbean». Mit seinem provokanten und wilden Gebären, die aber immer mit einem süffisanten Lächeln begleitet werden, ist er ein echter Hingucker und somit im positiven Sinn gemeint, ein Provokateur. Zu guter Letzt haut Jeremy Spencer mit wuchtiger Art sein Schlagzeug in Grund und Boden. Für viele Besucher, und das belegten die euphorischen Reaktionen, war Five Finger Death Punch der erste Höhepunkt an diesem Tag. Musikalisch irgendwo zwischen den fetten Black Sabbath-Grooves und den Härtegraden von Machine Head rüppelte sich der Fünfer musikalisch variabel durch ihre Spielzeit und verteilten dabei Plektren wie blöde. Der akustische Part mit Jason (mit einem sehr grossen Sombrero) und Ivan begeisterte die Massen und leitete die Schlussphase der Jungs ein. 5FDP gehörten zu den grossen Momenten an diesem Tag, das belegte die Stimmung während ihres Auftritts und dafür bedankte sich Ivan immer wieder.




The Boss Hoss

The Boss stieg auf die Bühne. Damit ist nicht Bruce Springsteen gemeint, sondern The Boss Hoss, die nicht nur bekannt wurden durch die Castingshow «The Voice Of Germany», als sie in der Jury sassen. Dass die beiden Leader, Alec Völkel und Sascha Vollmer, mehr zu bieten haben, als aufstrebende und gleich wieder in der Versenkung untergehende Sänger zu beurteilen, wurde schnell klar. Interessanterweise passte der Country-Rock von The Boss Hoss recht gut zu den anderen Rock- und Metalbands. Das lag einerseits an der lockeren und sehr sympathischen Art von Sascha, der immer mit einem grossen Schalk das Publikum zwischen den Liedern unterhielt. Und andererseits an der sehr Metal mässigen Performance von Alec. An ihm ist ein wahrer Metal-Shouter verloren gegangen. Seine aggressive Bühnenpräsentation und sein mehreres Minuten dauerndes Crowdsurfing hatten schon fast was Thrash artiges! Zitat Alec: «Vielen Dank für das Tragen, auch wenn manche nur Fotos machen wollten. Aber! Egal!!!» Die Mundharmonika störte bei diesem Auftritt ebenso wenig, wie der Kontrabass, oder die Bläsersektionen, die einem mexikanischen Ensemble entsprungen sind. Als einziges Konzert dieses Jahr, wurde der Auftritt am «Rock The Ring» angepriesen. Dieser wurde nach dem Intonieren ihres wohl grössten Hits «Don't Gimme That» vorerst beendet. Die Truppe wurde zu einer Zugabe auf die Bühne zurückgeholt und mit der Cameo Coverversion von «Word Up», auch bekannt als geniale Version von Gun, beendeten The Boss Hoss das Konzert. Fazit: «Es isch huere geil gsi», wie Alec sich mit astreinem Schwyzerdütsch beim Publikum bedankte.




Alice Cooper

Der alte Meister lud dann zu einer kuscheligen Horrorshow ein, bei der weder die Guillotine, noch der Elektrostuhl, oder die Schlange fehlten. Unterstützt wurde Alice von einer extrem agilen, spiel- und präsentierfreudigen Truppe. Dabei trumpfte Schlagzeuger Glen Sobel (Impellitteri) gross auf! Was der Gute alles an technischen Kabinettstücken zauberte, nicht nur bei seinem Solo, war allererste Sahne! Zusammen mit dem langjährigen Bassisten Chuck Garric (seit 2002) hämmerte er einen mehr als nur soliden Rhythmusteppich, auf dem sich das Gitarren-Trio (!!!) Ryan Roxie, Tommy Henriksen und Nita Strauss nach Lust und Laune austoben konnten. Die drei und Chuck waren die perfekte Ergänzung zur Show von Mister Cooper. Dabei zankten sich das Quartett mit dem Meister, posten alleine oder in Gruppen und waren im Vergleich zu den vorherigen Bandkonstellationen um ein vielfaches aktiver. Tommy, der in der Region von Uster lebt, hatte ein kleines Heimspiel, was anhand des Applauses, als Alice seine Bandmitglieder vorstellte, nicht zu überhören war. Ein Hingucker war Nita, die ihre Vorgängerin Orianthi Panagaris, nicht nur optisch, sondern auch spielerisch in den Schatten stellte. Wurde Orianthi von vielen, als das neue Gitarrenwunder tituliert, wirkte sie für mich auf der Bühne immer sehr blass. Eher ein Stage technischer Rohrkrepierer. Nita ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt und legte sich spielerisch und von der Performance her mächtig ins Zeug!

Alice selber war fit wie ein Turnschuh. Da könnten sich Lemmy oder Iggy Pop eine grosse Scheibe abschneiden! Mister Coopers Alkoholeskapaden gehören schon lange der Vergangenheit an, und seit seinem Entzug in der Betty Ford-Klinik (1978) entwickelte sich Mister Vincent Furnier wie ein Wein. Je älter, desto besser! Seine Show bestehend aus dem Säbel und dem Verteilen von Dollarnoten («Billion Dollar Babies»), der Peitsche («Go To Hell»), der General-Kluft («Wicked Young Man»), dem blutverschmierten Doktoren Mantel und dem elektrischen Stuhl («Feed My Frankenstein»), der Schlange («Welcome To My Nightmare»), der Zwangsjacke, der Riesenspritze und dem anschliessenden köpfen («Ballad Of Dwight Fry»), dem Krückstock («I'm Eighteen») und den integrierten Konfetiregen, Seifenblasen sowie den grossen Ballons («School's Out») war einfach grossartig! Alice bot was fürs Geld und überzeugte auf der ganzen Linie. Wenn der elektrische Stuhl funkelt, brummt, knistert und leuchtet, und anstelle von Alice, der mit einer Gasmaske in die Rolle von Doktor Frankensteins schlüpft, plötzlich ein Untier in Form von Iron Maidens Eddie auf der Bühne steht und die letzten Strophen von «Feed My Frankenstein» mit tiefem Gesang rausbrüllt, hat dies was magisches. Da sind die Böller beim Beginn der Show und bei «Poison» eine lockere Zugabe.

Musikalisch bot Alice einen guten Querschnitt aus seiner Frühphase, seinen achtziger Highlights und der Neuzeit. «Poison» bekam dabei sicherlich den lautesten Applaus und wurde aus jeder anwesenden Kehle mitgesungen. Alice kam, sah und siegte und hob die Latte für den Headliner extrem hoch. «Switzerland rocks!» Ja, dank dir Alice!

Setliste Alice Cooper: «The Underture», «Department Of Youth», «No More Mr. Nice Guy», «I'll Bite Your Face Off», «Under My Wheels», «Billion Dollar Babies», «Lost In America», «Hey Stoopid», «Dirty Diamonds», «Welcome To My Nightmare», «Go To Hell», «Wicked Young Man», «Feed My Frankenstein», «Ballad Of Dwight Fry», «I Love The Dead», «I'm Eighteen», «Poison» - «School's Out (with snips «Another Brick In The Wall»)»




Judas Priest

Gespannt war ich auf Judas Priest, überzeugten mich die Engländer bei den beiden letzten beiden Shows restlos. Wird Rob erneut stimmlich auf der Höhe sein? Wird Neugitarrist Richie noch mehr aus sich rausgehen? Wird Judas Priest nach dem grandiosen Gig von Alice Cooper nochmals einen drauflegen können? Nehmen wir das Fazit vorne weg. Judas Priest waren Alice absolut ebenbürtig. Das lag insbesondere an Rob, der einmal mehr bewies, dass er der, wenn auch gealtert, Metal God ist. Seine Bewegungsabläufe waren aktiv, aber auch gemässigter. Dafür sang und schrie sich der 64-jährige gekonnt durch den Set. Hervorragend die gesangliche Leistung bei «Victims Of Changes», «Beyond The Realms Of Death» und «Jawbreaker». Die hohen und teils sehr langgezogenen Screams sind nach wie vor etwas ganz Spezielles im metallischen Universum. Rob bedankte sich immer wieder für die jahrelange Unterstützung bei den Fans und sein «thank you» war alles andere als ein Lippenbekenntnis. Fast bei jedem Song wechselte Mister Halford seinen Mandel, der mal glitzerte («Beyond The Realms Of Death»), aus puren Leder und mit Fransen behangen («Hell Bent For Leather»), silbrig («Turbo Lover») oder aus Jeansstoff («Metal Gods») war.

Glenn Tipton und Richie Faulkner lieferten die grandiosen Gitarrenriffs und duellierten sich immer wieder («Halls Of Valhalla»). Es war ein Ohrenschmaus den Beiden zu zuhören, die sich in einen wahren Rausch spielten. Richie trat dabei weitaus offener auf, als noch bei den letzten Konzerten und entpuppte sich zu einem richtigen Sympathikus. Einer, der den direkten Weg zu den Fans sucht, sich seinen Platz in der Band erkämpft hat und nicht mehr von Judas Priest wegzudenken ist. Und vielleicht schon mehr Platz einnimmt, als Glenn… Ian Hill steht nach wie vor an seinem Platz. Keinen Schritt vor, keinen zurück, aber immer in Bewegung. Das muss ihm mal einer nachmachen. Hinter ihm zertrümmerte mit einer unglaublichen Präzision Scott Travis sein Arbeitswerkzeug. Was der Trommler immer wieder an kleinen Dingen einbaut ist eine Klasse für sich. Die Band spielte extrem tight und marschierte ohne Wenn und Aber durch den Set, der leider um zwei Songs gekürzt wurde. Somit fielen «Love Bites» und «March Of The Damned» der Zeit zum Opfer. Speziell «Love Bites» wäre eine zusätzlich Herausforderung geworden, die ich mir gerne von Rob um die Ohren gehauen hätte. So blieben es drei Songs vom neuen Werk «Redeemer Of Souls» und ein vorzüglicher Querschnitt aus der Schaffensperiode der Engländer. Auf den seitlichen Screens und dem grossen Bildschirm hinter Scott erschienen, passend zu den Songs, immer wieder kleine Filme. Somit bekam die Bühne, dank der Einspielungen, einen dreidimensionalen Touch, was der Show ein zusätzlicher Punkt verlieh. Eine, die mit dem obligaten Motorrad bei «Hell Bent For Leather» einen weiteren Höhepunkt hatte.

Man kann sicherlich darüber diskutieren, dass Rob nicht mehr die gesangliche Leistung wie in den achtziger Jahren bietet. Bei einer Gitarre kann man die Saiten wechseln. Bei einem Sänger leider nicht die Stimmbänder… Erinnern wir uns zehn Jahre zurück. Die damalige Vorstellung des Sängers bei den Reunion-Shows war eher erbärmlich und leitete schon fast den Niedergang von Judas Priest ein, da Rob kaum mehr die gesanglichen Höhen erreichte. Ganz abgesehen davon, dass er sich kaum vom Teleprompter wegbewegte. Rob ist seit einiger Zeit stimmlich wie die Phoenix aus der Asche auferstanden, bewegt sich viel mehr (wie oben erwähnt) und macht aus einem Judas Priest-Gig wieder was Fantastisches, Einzigartiges und Magisches. Und genau das war dieser Gig auch! Eine absolute tolle Vorstellungen einer Truppe, die heute eine lebende Legende ist, die Metal-Welt nachhaltig beeinflusste und heute noch Akzente setzen kann. Es macht einfach Spass die Priester noch immer auf der Bühne zu sehen und ich wünsche mir, dass dies nicht das letzte Mal war!

Setliste Judas Priest: «War Pigs (Intro Black Sabbath)», «Battle Cry», «Dragonaut», «Metal Gods», «Devil's Child», «Victim Of Changes», «Halls Of Valhalla», «Turbo Lover», «Redeemer Of Souls», «Beyond The Realms Of Death», «Jawbreaker», «Breaking The Law», «Hell Bent For Leather» - «The Hellion/Electric Eye», «You've Got Another Thing Comin'» - «Painkiller», «Living After Midnight»