Livereview: Saxon - Anvil - Crimes Of Passion
17. November 2011, Luzern - Schüür
By Rockslave (rsl) & Kissi (kis) - All Pics by Rockslave
Wenn Saxon zum Headbangen bitten, dann ähnelt dies einer Einladung von alten Freunden. Grosse Überraschungen erwartet man nicht, weder im Positiven noch im Negativen. Daran konnte auch die Schüür, eine eher kleine Location für die britische Metal-Institution, nichts ändern. Liess man das Banner halt im Laster und zockte vor reduziertem Bühnen-aufbau. So ganz unpassend war das ja auch wieder nicht, ist das aktuelle Album «Call To Arms» musikalisch doch auch eine Reminiszenz an die Anfangstage der Band. Wenn man sich mit alten Freunden trifft, dann lässt man sie gerne aufleben, die alten Zeiten, und so geschah es auch an diesem Abend. Doch nicht nur bewiesen Saxon, zusammen mit ihrem Special Guest Anvil eindrücklich, dass traditionsreicher Metal auch heute noch knackig wie saftig klingen kann und dass selbsternannte Nachfolger wie der Opener Crimes Of Passion noch meilenweit davon entfernt sind, in die Fussstapfen alter Kumpel treten zu können. (kis)


Crimes Of Passion

Es war, ist und wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben, wie es diese Band hinkriegt, immer wieder als Support für die ganz Grossen des Metals verpflichtet zu werden. Crimes Of Passion, so hart es auch klingen mag, ist eine Band, auf die niemand gewartet hat. Oder um es anders zu formulieren: Crimes Of Passion sind die Ausgeburt der Langweile. Weder Ohrwurm noch Charakter hat der Fünfer aus England und trotzdem wird er einem immer wieder aufgezwungen. So störte es wohl niemanden, dass das Quintett zehn Minuten vor offiziellem Konzertbeginn die Bühne der Schüür enterte, um sich etwas Extra-Spielzeit zu beschaffen. Es interessierte aber auch nicht wirklich jemanden, denn nur ein Bruchteil der Besucher versammelte sich zu diesem Zeitpunkt vor der Bühne, um 08/15-Nummern wie «Pretty In Blood» oder «To Die For» vom gleichnamigen Album (worauf übrigens Biff Byford und Andi Deris als Gäste zu hören sind; weiss der Teufel wie sie dazu überredet werden konnten!) über sich ergehen zu lassen. Und so bleibt auch nach 45 Minuten Langeweile die Frage: Wie hat der Fünfer diesen Slot nur gekriegt? Meine Vermutung: Entweder hat da ein Papi verdammt viel Kohle springen lassen und/oder ein hohes Tier hat Freude am Allerwertesten einer der Jungs gefunden. Anders kann ich mir das sonst nicht erklären! (kis)


Anvil
Eigentlich kam es mir so vor, als wenn der letzte Besuch von Steve "Lips" Kudlow (v/g), Robb Reiner (d) und Glenn "Five" Gyorffy (b) an diesem Ort erst gewesen war. In der Tat liegen da keine vier Monate dazwischen, denn Anvil waren mit Dio Disciples Ende Juni schon zu Gast in Luzern. Somit war eine der sympathischsten wie unterbewertesten Metal-Combos dieses Planeten erfreulicherweise ein weiteres Mal in der Schweiz. Somit war klar, was einen erwartete, nämlich eine astreine Metal-Show. Den Anfang machte das rein instrumentale «March Of The Crabs», was etwas ungewöhnlich erschien, vor allem weil die Band, kaum war sie auf der Bühne, ohne Ansage gleich anfing zu spielen. Eigentlich war dies eine Art Intro, um sich für das herrlich rumplige «666» warm zu spielen, das die Wände der Schüür erstmals zum Erzittern brachte. Lips schien derweil glücklicherweise spürbar mehr nüchtern denn stoned zu sein und legte sich voll ins Zeug rein. Das galt auch für die Rhythmus-Truppe, wo Robb seinen Kesseln keine Gnade gewährte und Glenn teilweise wie von der Tarantel gestochen rum zuckte. Was war das für ein angenehmer Kontrast zum wirklich grotten-schlechten Opener des Abends. Auch soundtechnisch liess man nichts anbrennen und eigentlich hätten die Canucks, wie schon bei Dio Disciples, als Special Guest von Saxon aufgeboten werden sollen. Die bereits zahlreich aufmarschierten Fans feierten Anvil nach allen Regeln der Kunst ab und diese dankten es postwendend mit einem beherzten, 50-minütigen Auftritt. Ausser «Winged Assassins», dem letzten Track der 83er Langrille «Forged In Fire», wurden nur Songs von «Metal On Metal» (1982) und dem brillanten Neuwerk «Juggernaut Of Justice» (2011) gespielt. Letztere Kracher passten bestens zum alten Repertoire (bei «Mothra» durfte natürlich der legendäre Vibrator-Einsatz nicht fehlen!) und man kann nun getrost von einer wenn auch (zu) späten Ehrerbietung für Anvil sprechen. Einerseits kurbelte der (Kino-) Film über die bewegte Bandgeschichte das Interesse bei den Fans (alt wie jung) wieder an und wurde, zusammen mit den neuen, überzeugenden Songs zum Motor des wohl ultimativen Aufbäumens dieser Szene-Legende. Völlig frei von Berührungsängsten und irgendwelchen Allüren standen nach dem Auftritt alle drei Bandmembers längere Zeit beim Merchstand und erfüllten alle Wünsche ihrer Fans, zu denen nach diesem abermals geilen Konzert wieder mehr gehören dürften als zuvor! (rsl)

Setliste: «March Of The Crabs» - «666» - «Juggernaut Of Justice» - «Winged Assassins» - «Mothra» - «Swing Thing» - «Drum Solo» - «Fukeneh!» - «New Orleans Voodoo» - «Metal On Metal».


Saxon
Leute..., Hand aufs Herz: Was gibt es denn Geileres, als einen der besten Heavy Metal Act's der NWOBHM immer noch voll im Saft auf einer Bühne abrocken zu sehen?!! Geschweige denn davon, dass sich die Sets in den letzten Jahren zu reinen Wundertüten entwickelt haben und trotzdem die meisten Saxon Fans stets auf ihre Rechnung kommen. Biff und seine Hintermannschaft waren das erste Mal überhaupt in Luzern und das erstaunt bei einer der "typischen Z7-Bands" der letzten Jahre nicht wirklich. Die proppenvolle Schüür war ready, als nach dem Intro mit «Hammer Of Gods» gleich der Opener des neuen Albums «Call To Arms» die erste Duftmarke hinterliess. «Heavy Metal Thunder» und «Never Surrender» als erste Kult-Oldies entzündeten unmittelbar darauf den erwarteten Flächenbrand, der bis zum letzten Ton anhalten sollte. Die ganze Band wirkte frisch wie motiviert zugleich und ich frage mich jedes Mal aufs Neue, woher Bassist Nibbs Carter die Physis her nimmt, dass er immer noch derart wie ein Jüngling abbangen kann! Hoffentlich ereilt ihn eines Tages nicht das gleiche Schicksal wie Jason Newsted (Ex-Metallica) oder aktuell Tom Araya (Slayer), dessen Nacken für solche Einsätze leider überhaupt nicht mehr mitspielt. Gitarrist Doug Scarratt frönt dem wilden Rumgezapple hingegen überhaupt nicht, lieferte dafür aber scharfe Soli und schwere Riffs satt ab. Sein Sidekick, respektive Ur-Gestein Paul Quinn stand ihm dabei selbstverständlich in Nichts nach und Nigel Glockler (d) hielt derweil die ganze Chose mit seinen filigranen Fills wie straighten Beats überzeugend zusammen.

Bleibt noch Frontgaul Biff Byford, der seit diesem Jahr auch dem ehrwürdigen 60er-Club angehört, sich dies aber zumindest auf den ersten Blick kaum bis gar nicht anmerken liess. Die von Anfang an guten Reaktionen der Fans beflügelten Saxon spürbar und liessen die Lautstärke des Applauses stetig ansteigen. Nicht weniger als sechs neue Songs wurden gespielt, wovon ich eigentlich «Chasing The Bullet» am meisten mag. Der Rest war schlicht eine musikalische Zeitreise zurück zu den Anfängen des puren Heavy Metals der 80er. Bei «Motorcycle Man» und «Dallas 1 PM» stand ich kurz vor der Erleuchtung und schädelte voll dazu ab. Das Gefühl während dessen und vor allem nachher: priceless!! Zu üppigem Flutlicht und massig Trockeneis legten die Briten einen Hammer-Set hin, der mit den eher selten gespielten «Rock'n'Roll Gypsy» und «Rock The Nations/Battle Cry» weitere Glanzlichter setzte. Auch «Denim And Leather» groovte natürlich abermals wie Sau und «Crusader» als erste Zugabe sorgte nach wie vor für eine kribbelnde Gänsehaut. Meine Wenigkeit stand in der zweiten Reihe und fühlte sich dabei pudelwohl wie die Made im Speck! Als waschechter Heavy Metal Fan, ob alt oder jung, kommt man keinesfalls an Saxon vorbei und da der Zahn der Zeit unerbittlich voran schreitet, sollte man sich als Fan diese Szene-Institution in der näheren Zukunft nicht entgehen lassen. Als nach fetten 110 Minuten das Licht wieder anging, sah man nur zufriedene Gesichter und meine persönliche Bilanz fiel trotz dem Fehlen von weiteren Klassikern wie «The Eagle Has Landed» oder «Broken Heroes» gar euphorisch aus und bestärkte mich 100%-ig darin, dass es auf diesem Planet nichts Besseres als diesen, "unseren" Sound gibt. Metal is forever..., forever! (rsl)

Setliste: «Intro» - «Hammer Of The Gods» - «Heavy Metal Thunder» - «Never Surrender» - «Chasing The Bullet» - «Motorcycle Man» - «Back In '79» - «Mists Of Avalon» - «Dallas 1 PM» - «Call To Arms» - «Demon Sweeney Todd» - «Rock'n'Roll Gypsy» - «Rock The Nations/Battle Cry» - «When Doomsday Comes (Hybrid Theory)» - «Denim And Leather» - «Wheels Of Steel» -- «Crusader» - «747 (Strangers in the Night)» - «Guitar Solo Doug» - «Power And The Glory» --- «Bass Solo Nibbs» - «Strong Arm Of the Law» - «Princess Of The Night».