Anreise:
Wir sind in Bayern unterwegs, die Sonne scheint. Unser Ziel,
dass Sweden Rock Festival in Sölvesborg, ist noch hunderte
und aberhunderte von Kilometern weit entfernt, wir haben
noch eine lange Fahrt vor uns. Zwecks Verpflegung und
Ausschüttung unserer Blase entscheiden wir uns für einen
kurzen Zwischenstopp auf einer Raststätte, wie man sie alle
paar dutzend Kilometer in Deutschland findet. Ich lass es in
einen umweltfreundlichen Urimat (ohne Wasser) laufen, kaufe
mir einen mittelprächtigen Kaffee, trete aus dem Restaurant,
setze die stilecht vollverspiegelte Flieger-Sonnenbrille auf
und schlendere gutgelaunt auf unser Wohnmobil (von uns
liebevoll auf den Namen H.M.S. „Heavy Metal Ship“ Dio
getauft) zu, als zwei in zivil gekleidete Herren aus ihrem
silbernen Kombi aussteigen.
„Grenzwache!“, erklärt einer der sich nun als Beamte
herausstellenden Typen und fordert unsere beiden
Mitreisenden Andrea und Joey und mich auf, unsre Ausweise
vorzuzeigen. Derweil der andere Beamte – weniger höflich
könnte man ihn auch Bulle, Schmierlappen oder Tschukker
nennen – unserem Roxx hinterhereilt. Die beiden
Drogenfander
sind sich sicher: so wie wir aussehen, müssen wir was auf
dem Kerbholz haben. So nimmt eine endlos und unsinnig
anmutende Prozedur ihren Lauf: Taschen werden ausgeleert,
Hosensäcke umgestülpt, ein Drogenhund angefordert. Die Sonne
taucht das ganze Schauspiel in warmes Sommerlicht. Ich
entscheide mich, mein Bedürfnis nach Nikotin später zu
stillen. Als sich herausstellt, dass der
Drogenhund leider
besseres zu tun hat, als unser sauberes Metalschiff zu
beschnüffeln, wirken die beiden Herren schon etwas betrübt,
denken aber nicht im Geringsten daran, schon aufzugeben. Sie
beginnen, selbst im Wohnwagen herumzustochern, Roxx darf in
einen Becher pinkeln, den er freundlicherweise selber halten
darf und ich habe die mir nicht unbekannte Ehre, vor
Staatsangestellten einen waschechten Striptease hinzulegen.
Schade nur, dass nicht gerade „Community Property“ von Steel
Panther läuft. Auch Beamte erkennen die nackte Tatsache,
wenn sie sie sehen: ihre Suche ist zwecklos. Kurz angebunden
verabschiedet man sich und wir können unsere Sachen – ich
mein bestes Stück – wieder einpacken. Im Vergleich dazu
ähnelt der Rest unserer Reise einer gemütlichen Kaffeefahrt:
einmal quer durch Deutschland, Sonnenbaden auf dem Deck der
Fähre von Rostock nach Trelleborg, einmal Verfahren auf der
schwedischen Autobahn und bei bestem Wetter kommen wir im
Himmel auf Erden für jeden Rockfan an: dem Sweden Rock
Festival. Was bleibt ist die Erkenntnis: das nächste Mal
sitze ich besser hinten. (kis)
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Mittwoch 09.06.2010
Gegenüber den letzten Jahren gab es einige Änderungen auf
dem Festival-Gelände. Anstelle der Zeltbühne, wurden gleich
nebeneinander 2 imposante Bühnen mit den Namen Nemis und
Rockklassiker aufgestellt. Nemis steht für "New Music In
Sweden" und man konnte sich talentierte junge schwedische
Bands verschiedenen, meist aber eher modern harten Genres
anschauen. Da und dort gab es dann auch tatsächlich ein paar
Perlen zu sehen wie etwa die female-fronted Mama Kin. Das
Rockklassiker-Zelt hingegen sorgte für die etwas
beschaulicheren Klänge auf den Sweden Rock: Acoustic Sets
waren angesagt und zwar nicht nur von schwedischen Kapellen
sondern unter anderem auch den Quireboys oder Evergrey,
deren eindringlicher Auftritt weit mehr Publikum anlockte,
als das Zelt fassen konnte. Leider fehlt uns etwas die
personelle Kapazität um uns das komplette Programm dieser
beiden Stages zu Gemüt zu führen, spielten doch immer
gleichzeitig die grossen Hochkaräter. So richteten wir
unsere Aufmerksamkeit in erster Linie auf die vier grossen
Bühnen mit Acts aus aller Welt, vom Schweden-Newcomer F.K.Ü.
Bis zur Supertruppe Aerosmith. Aus aktuellem Grund wurde
dabei die schon legendäre "Zeppelin-Stage" in ''Dio-Stage''
umbenannt, eine rührende Geste, um den verstorbenen Ronnie
James Dio zu würdigen, welcher dem Sweden Rock in der
Vergangenheit mehr als einmal die Ehre erwiesen hatte.
Auf der Dio-Stage ging es dann auch gleich los. Eine
zweitklassige Heart Coverband mit typischem Tribute-Namen
Heartattack zeigte ihr "Können" und
wurde
dem Original niemals gerecht. Man will sich gar nicht
ausmalen, wie die Konkurrenz geklungen hat, gegen welche
sich die Truppe bei einem Wettbewerb durchgesetzt hatte.
Schon besser waren da die Lokalmatadoren von Sator.
Mit ihrem gefälligen Rock'n'Roll zwischen Tradition und
Asskick sorgte der Fünfer endlich für die dem Sweden Rock
gebührende ausgelassene Party-Stimmung. Für eine angenehme
Überraschung sorgten darauf die schwedischen Thrasher
F.K.Ü. (Freddy Krüger's Ünderwear) und zwar in kultigen,
rot-grün gestreiften Pullis, ebenjenen, welche zum
Markenzeichen des im Bandnamen genannten Filmslashers
wurden, und mit reichlich Make-up im Gesicht und guter Laune
am Spielen. Kurz darauf wurden die Schottischen
Metal-Piraten Alestorm von einer schon stattlichen
Anzahl an Leuten abgefeiert. Dieser Auftritt war
glücklicherweise eines der besseren, welchen man von den
Schotten sehen durfte, auch wenn die Keyboard-Dudeleien von
Captain Chris Bowes etwas gar dominant abgemischt waren.
Mit den näher rückenden Abendstunden und sinkenden
Temperaturen wurde es aber umso heisser beim stark an die
NWoBHM angelehnten Power Metal von Steelwing. In
roten Lederhosen, Nietenarmbändern, jede Sekunde posend und
voller ungestümer Energie, so muss man traditionellen Metal
spielen! Ebenso knackig präsentierte sich auch Sleaze Show
von Michael Monroe, auch wenn der Fronter von Hanoi
Rocks selbst aussieht, als wäre er gerade zum ersten Mal
seit 20 Jahren aus einer Crack-Höhle gekrochen. Die völlig
überschnappenden, nach allen Regeln der Cock-Rock-Kunst
aufgetackelten Girls überraschen dabei umso mehr. Die
Feierlaune des Publikums während dem Rock-Set der
Quireboys hingegen überhaupt nicht. Hits wie "7 O'clock"
oder
"Hey You" wurden von den Massen frenetisch abgefeiert, was
nicht zuletzt an Frontjunge Spike lag, welcher an diesem
Abend im Gegensatz zu sonstigen Auftritten stärker auf die
Songs denn auf sein Glas Wein fokussiert wirkte. Als
würdiger, aber nicht umhauender Headliner durften am ersten
Festival-Tag U.D.O. auf die "Sweden-Stage". Es ist
wohl nicht notwendig, extra zu erwähnen, das Udo
Dirkschneider alles im Griff hatte und das trotz einem eher
mundfaulen Auftreten. Die U.D.O.-Hits wurden dabei eher am
Anfang gespielt und erst gegen Ende dann noch die legendären
Accept-Songs, welche wie zu erwarten reichlich
Refrain-Unterstützung aus dem Publikum erhielten. „Ganz
ordentlich!“, denkt man sich und schon findet der erste
Abend des Sweden Rock sein Ende. (rxx)
Donnerstag 10.06.2010
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Dio Stage
Tag 2 auf dem Schwedensteinfest und es sollte ein
grossartiger werden. Die Dio-Stage wurde dabei als erstes
beackert und zwar von Damn Delicious. Die Truppe –
für alle Nichtschweden ein völlig unbeschriebenes Blatt –
überzeugte zwar mit viel Wumms und einer tighten
Gitarrenfraktion, traf mit ihrem modern ausgerichteten Sound
aber nur den Geschmack einer Minderheit der Besucher.
Treat schoss da schon eher ins Schwarze. Die Schweden um
Frontposer Robert Erlund überzeugten mit ihrer Mischung aus
Melodic und Glam Rock, in Schweden immer eine sichere Bank.
Überhaupt schien sich an diesem Tag kaum einer ums Wetter
zu kümmern, denn auch Death Angel brillierten vor
nassem Publikum. Vor allem die beiden Neuzugänge, Damion
Sisson (bass) und Will Carroll (drums), überzeugten auf
ganzer Linie, und trugen sichtlich zur wieder-erstarkten
Spielf-reude von Front-engel Mark Osegueda und Flitzefinger
Rob Cavestani bei. Dazu ein brandneuer Track als Zugabe und
das (Thrash-)Highlight des Festivals ist perfekt. Ruhiger
und relaxter, laid back sozusgaen, gings bei Blackberry
Smoke zu und her. Aus Atlanta, Georgia stammend, zockten
diese arschcoolen Southern Rock mit viel Country, Blues und
breitem Südstaatendialekt. Amon Düül II hatten danach
die undankbare Aufgabe, das Kontrastprogramm zu Slayer zu
gestalten. Was jeder Band schwergefallen wäre, verkackte das
Septett aus Deutschland komplett. Mit ihrer Mischung aus
Kraut Rock, Hippie Sound und World Music hätte man sich
schon ordentlich was an illegalen Substanzen reinpfeiffen
müssen, um wirklich Freude an der an ein schlecht geöltes
Scharnier erinnernden Krächzperformance von
Kraut-und-Rüben-Hexe Renate Knaup-Krötenschwanz zu haben.
Klar, Mayhem ist kult, haben sie doch vor nun auch
schon über 15 Jahren den Black Metal mitbegründet. Doch auch
Legendenstatus berechtigt nicht dazu, während einer Stunde
lustlos auf der Bühne zu stehen und monotoner als eine
Kreissäge Krach zu machen. Schnell wieder zurück zu
Aerosmith war somit das Motto. (kis)
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Sweden Stage
Dundertaget, das bedeutet so viel wie Thunder
Express. So nannte sich die Truppe um Fronter Robert
Dahlquivst (Ex-Hellacopters) auch einmal, damals als sie
noch englisch sangen. Jetzt wird auf schwedisch geträllert
und locker gerockt, was dieser Sprache mächtigen Leuten
gefällt, mir aber ehrlich gesagt verschlossen bleibt. Da
findet man den Zugang zu Y&T schon leichter. Wie
immer liefern die Amis um den stimmlich bestens aufgelegten
Dave Meniketti eine druckvolle Performance ab, die Schweden
euphorisch dankt. Bei den darauffolgenden Pendragon
fällt der Applaus zwar etwas spärlicher aus, dennoch
scheinen die synthie-lastigen Engländer reichlich Spass zu
haben. Kein Wunder, ist es doch der erste Auftritt überhaupt
für die Briten und so lassen sie es sich nicht entgehen,
durch reichlich Spielfreude und erhaben proggige Momente den
einen oder anderen neuen Fan zu missionieren. Man mag von
seiner Veröffentlichungswut halten was man will, doch
unumstösslich ist die Tatsache, dass Jorn Lande mit
seiner Stimme in einer ganz eigenen Liga spielt. Das beweist
der Blondschopf aus dem Nachbarland Norwegen auch an diesem
Abend und zwar mit einer Performance die an die
Stadionhelden der 70er erinnert, eigenen Nummern wie „Spirit
Black“ oder „Out to every Nation“, einer beherzten, etwas zu
ausgiebig solierenden Backing Band und natürlich reichlich
Ehrerbietungen an seinen Helden Ronnie James Dio in Form von
Coverversionen wie „Straight through the Heart“. Ein
würdiger Stage-Headliner, wie auch das vielzählige Publikum
findet. (kis)
Festival Stage
Nazareth waren die ersten, die am Sweden Rock 2010
die gigantische Festival-Stage eröffnen durften. Dank den
zwei grossen Screens links und rechts der Bühne, konnte man
auch ganz weit hinten sehen, was da oben so alles vor sich
ging. So schmetterten die Schotten ihre Hits aus über 40
Jahren ins Publikum, welches auch schon um 12 Uhr Mittags
zahlreich anwesend war. Weil Steven Pearcy irgend etwas
operieren
muss (wieder mal!), wurde die gesamte Europa-Tour von Ratt
abgesagt. Pretty Maids aus der fast schon direkten
Nachbarschaft Dänemark herhalten. Zwar saustarker Ersatz mit
Party-Garantie, doch den meisten Leuten auf dem Areal wären
Ratt definitiv lieber gewesen. Trotzdem, eine gute Show von
Ronnie Atkins und den anderen, langsam arg zerfurchten
Jungfern. Mal endlich zur richtigen Band "Släääyääää'" zu
brüllen war das Motto beim Auftritt von Slayer. Tom
Araya grinste seit langem wieder mal ohne den hässlichen
Bart, Kerry King riffte wie gewohnt mit bösem Blick und Jeff
Hannemann in schrecklich tief hängenden Hosen und ein geil
groovender Dave Lombardo gab den Takt an. In der
Anfangsphase ging dann eher die Langeweile los, da offenbar
noch viele Leute nicht mit dem neuen Material vertraut waren
(eine Schande das, sind doch Songs wie „Cult“ jetzt schon
Kult! – kis). Als dann die "Hits" wie „Angel Of Death“,
„South Of Heaven“ oder „Chamical Warfare“ gezockt wurden,
kam endlich mal Stimmung auf, welche von einem nasskalten
Wolkenbruch am grauen Dämmerhimmel passend untermalt wurde.
Danach lag es an den trotz Trennungsgerüchten noch tourenden
Aerosmith, den ersten von drei Headliner-Posten
einzunehmen. Grosse Menschenmassen drängten sich vor die
Festival-Stage. Steven Tyler und Co. liessen nichts
anbrennen und brachten die Massen gleich mit „Love In A
Elevator“ zum toben. Es ging Schlag auf Schlag, „Walking the
Dog“ folgte auf „Back in the Saddle“, „Jaded“ folgte auf „Living
on the Edge“, also ein Hit auf den anderen und natürlich
durften auch eine kitschig kultige Balladen wie „I don't
wanna miss a Thing“ nicht fehlen. Zwischendurch noch ein
paar Intermezzos mit Drumsolo, den bluesigen Seiten-Spielen
des immer noch abgeklärt coolen Dave Perry, welcher zusammen
mit einem stimmlich kaum gealterten, übercharismatischen und
fitten Steven Tyler wohl nach wie vor die Herzen der holden
Weiblichkeit egal welchen alters erobern kann . Als Zugabe
dann natürlich noch das obligate „Walk this Way“ gepaart mit
„Dream On“ und „Toys in the Attic“ und fertig war ein
Rockspektakel nach allen Regeln der Kunst. Ein mehr als
würdiger Abschluss eines wunderbaren Tages. (rxx)
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Rock Stage
Die Rockstage wurde um Punkte 12 Uhr von Stone Sour
eröffnet. Corey Taylor hatte die Show zusammen mit seiner
eine Wand von einem Gitarrenbrett abfeuernden Band voll im
Griff und nicht wenige Slipknot Fans standen vor der Bühne
und machten mit. Das Sweden Rock bietet eben wirklich für
jeden Rockfan etwas. Mit Mother's Finest gab es
danach schon fast ein Kontrastprogramm, wobei der Sound
nicht weniger druckvoll aus den Boxen stampfte. Herrlich wie
Baby Jane mit ihrer leicht rauhen Stimme den Funk-Blues-Rock
zelebrierte. Die Massen waren entzückt.
Regelrechte
Lokalhelden sind mitlerweile schon Sabaton. Sie
durften heuer auf der auch sehr prächtigen Rock-Stage die
grosse Show auffahren. Flammen, Pyros, Treppen und Stege –
alles was solch eine gute Show ausmacht wurde aufgefahren.
Dazu gehörten natürlich auch die Mitgröhl-Hits der Band wie
„Art of War“, „Cliffs of Gallipoli“ oder „Panzer Battalion“
(leider! Sonst wär's ganz gut gewesen – kis). Zu guter
Letzt, genau vor dem Headliner, durfte noch Glenn Danzig
ran. Obwohl der gute Glenn nicht all zu schlimm aussah,
durften die Journis keine Fotos während dem Konzert knipsen.
Wie auch immer, es machte Spass dem ollen Schinkengott Glenn
zuzuschauen, was akustisch ja auch auf den neuen Silberling
„Deth Red Sabaoth“ zutrifft. (rxx)
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Freitag 11.06.2010
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Dio Stage
Der Freitag begann, wie der Donnerstag geendet hatte. The
Itch eröffneten mit einer gehörigen Ladung eingängigen
Hard Rocks. Dass das Publikum nur mässig daran interessiert
war, war wohl eher der Morgenfrühe als dem Können der Band
verschuldet. In die selbe Kerbe, nur deutlich weniger
spritzig, schlugen die Screamin' Lords aus dem
sonnigen Los Angeles. Handwerklich und darbieterisch
tadellos, fehlten den Jungs schlicht die zündenden Songs.
Über einen Mangel an guten Songs können Praying Mantis
dagegen nicht klagen. Eine Melodic-Metal-Perle nach der
anderen wurde vom Fünfer abgefeiert, wobei dieser, allen
voran der stimmlich hervorragende Neuzugang Mike Freeland,
auf der Bühne mehr Spass zu haben schienen als die
bescheidene Menge davor. Deutlich mehr Zuhörer fanden darauf
Chicken Shack. Die Blueser aus England profitierten
vom pausierenden Regen und brachten mit abgeklärtem
Bluesrock und einer Hommage an Johnny Cash auch den einen
oder anderen Hartgesottenen zum Mitwippen. Mitgewippt, oder
besser gesagt, mitgemosht werden konnte auch bei Suicidal
Tendencies. Mit etwas Verspätung legte die
Thrash-Funk-Gang aus Venice, Los Angeles zu einer
fulminanten Lektion in Sachen Groove und Härte an. Das
Publikum frass dem legendären Bandana-Träger Mike Muir aus
der Hand und machte die Show so zu einem Highlight des
Festivals. Ergeben waren die Fans danach auch Behemoth.
Die Shootingstars des letzten Jahres konnten auf eine ganze
Schar Jünger blicken, welche demütig dem hundertstelgenauen
Brachial-Gewitter lauschten, bangten und die Fäuste in die
Luft reckten. Tight, exakt und voller Power präsentierte
sich der Vierer und liess so Mayhem vom Vortag als
verblasste Lachnummer erscheinen. (kis)
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Sweden Stage
Gerade mal aufgestanden, wurde man am zweiten
Sweden-Rock-Morgen gleich von einem klanglichen Drogentrip
reinster Sorte
heimgesucht.
Bigelf eröffneten auf der Sweden Stage. Die
überraschungsreiche Mischung aus Stoner Rock, Psychedelic
und Prog begeisterte dabei auf voller Linie, sodass zusammen
mit der an Ozzy erinnernden Stimme von Zylinderträger Damon
Fox, den dröhnenden Orgelklängen und dem Second-Hand-Outfit
der Musiker die 70er-Jahre wiederauferstanden zu sein
schienen. Brachialer, aber immer noch verdrogt groovend,
gingen danach High On Fire ans Werk. Das an Motörhead
auf Marihuana erinnernde Trio produzierte eine Riffgewalt
ohne gleichen, mal ordentlich rockend, mal zähflüssig
doomend. Leider kam die Feierlaune beim Gros des
Publikum erst danach, bei Steel Panther auf. Auf
deren Auftritt waren sehr viele Leute gespannt, ist eine
Show der Amis in Europa doch eine Seltenheit. Die Ulk-Glamer
aus L.A. hatten von Anfang an das Publikum auf ihrer Seite.
Sämtliche Hits von der "Feel the Steel" bis auf "Stripper
Girl" wurden aufgefahren, genauso wie eine mit allen
Klischees des Rock'n fuckin' Roll vollgestopfte Show. Zwei
Girls aus dem Publikum, deren entblöste sekundäre
Geschlechtsteile das Publikum bestaunen durfte, schmutzige
Sing-a-longs und nicht-jugendfreie Ansagen streng nach dem
Motto „Sex, Drugs & Rock'n'Roll“. Verdammt viel Spass
vermittelten Steel Panther an diesem Nachmittag – das
Publikum tobte. Als Zugabe gab es dann noch "Wild Side" von
Mötley Crüe, welches das Original nicht besser hätte bringen
können. Dass eine Absage nicht immer Grund zum Trauern sein
muss hatten am Tag zuvor schon Pretty Maids bewiesen. Nun
war es an Mustasch, die Besucher über die Absage von
Mastodon hinwegzutrösten. Und um es gleich zu sagen: Die
Schweden um Rampensau Ralph Gyllenhammar liessen ihre
Landsleute Mastodon ein für allemal vergessen. Vor zwei zu
umgekehrten Kreuzen aufgetürmten Verstärkerreihen lieferten
sich Band und Publikum einen Wettkampf im Gute-Laune-haben
und Lauter-Singen. Was für ein Siegeszug! (kis)
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Rock Stage
Grave Digger waren am diesem Tag das Frühstück. Wobei
anzumerken wäre, dass es nicht bedeutet, dass man zu dieser
Zeit als Band vor wenigen Leuten spielt. Eine ordentliche
Anzahl an interessiertem Publikum stand vor der Rock Stage
und feierte Grave Digger und ihre Songs ab (bei einer solch
lahmen Performance nicht zu verstehen – kis). "Excalibur",
Tune Of War" oder das uralte "Heavy Metal Breakdown" durften
dabei nicht fehlen. Dass D-A-D aus Dänemark nicht all
zu weit anreisen mussten, war ja klar. Dass sie aber solche
extrem grossen Menschenmassen vor der Bühne versammeln
konnten, war schon beeindruckend. Eindrückliche Bühnendeko
und die ebenso eindrücklichen, übergrossen Instrumente
sorgten dabei auf der Bühne für das optische Etwas. Die
Massen tobten und spätestens bei "Sleeping My Day Away" sang
wohl jeder mit. Ihren Auftritt unter Erfolg abbuchen konnten
ebenfalls Magnum. Die englischen Geschichtenerzähler
mit den wohl schönsten aller Melodien im Rock-Business
hatten dabei zwar schon spritzigere Tage gesehen, konnten
sich aber mit neuem wie altem Material und dem immer noch
auf wirklich jeden sympathisch wirkenden Bob Catley auf die
sichere Seite retten. Dass die brave Performance zusammen
mit dem ebenso netten Mitklatschen des Publikum einen etwas
schalen Schlager-Beigeschmack hatte war dann aber doch etwas
schade. In einem Club sind die Herren um Mastermind Tony
Clarkin definitiv besser, auch wenn auch diesmal „Don't Wake
the Lion“ gut kam. Billy Idol – ein Name, den wohl
schon jeder mal gehört hat. Ob "Dancing With Myself", "White
Wedding", "Flesh For Fantasy" oder das schon zu Tode
gespielte "Rebel Yell", es knallte gewaltig. Sogar ein paar
uralte Songs von „Generation X“ wurden dargeboten. Was die
wandelnde Leder-auf-Knochen-Installation Idol dabei an
Spritzigkeit vermissen lies, machte sein treuer Weggefährte
Steve Stevens an der Klampfe wett. Der Gitarrenheld scheint
einfach nicht zu altern, von seinem Spiel ganz zu schweigen.
(rxx)
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Festival Stage
Michael Schenker und seine Jungs eröffneten an diesem
Tag die Festival Stage. Solide wie gewohnt, mit seiner
Leopard Wollmütze verzauberte uns Mr.Schneker mit seinen
Tönen. Dazu noch ein McAuley am Mirko - einfach herrlich!
Auch Rick Springfield liess danach nichts anbrennen.
Hits ums Hits wurden gepfeffert, wobei das grossartige "Celebrate
Youth" natürlich nicht fehlen durfte. Und dann kam dem
netten Rick auch noch in den Sinn, mit dem Mikrophon durch
Publikum zu rennen und dem Mischpultturm zu besteigen. Zwar
klappte das Singen von da aus zwar nicht wirklich,
unterhaltsam war das aber allemal! Cinderella wirkten
dagegen eher unmotiviert. Sänger Tom Keifer gab zwar alles,
aber der Funke wollte zwischen Band und Publikum einfach
nicht richtig rüberspringen. Eine furchtbar zähe Sache, wie
die offenbar einem All-You-Can-Eat-Buffet nicht widerstehen
könnenden Alt-Sleazer bewegungsfaul eigene Klassiker wie "Shake
Me" oder "Nobody's Foll“ lustlos runterspulten, sodass sie
im Nichts untergingen. Wirklich schade! Trotz zwar irgendwie
zum epischen Sound passenden aber dennoch mühsamen Sturmwind
schlug sich Gary Moore da schon um einiges besser.
Angekündigt geworden war ein reinrassiges Rockset, und so
war die Vorfreude nicht klein. Der gute Ire fackelte dann
auch nicht lange: Mit "Over the Hills and far away" bot er
einen fulminanten Einstand. Weitere Klassiker aus dieser Ära
wie „Thunder Rising“ oder „Military Man“ folgen und so manch
einer im fortgeschrittenen Alter erinnerte sich wohl an
seine eigene Jugend. Da störte es auch nur wenig, dass in
Sachen Performance kaum etwas geboten wurde, dem ollen Gary
geht es halt um den Sound und nicht um die Show. Nach dem
grandiosen „Out in the Fields“ gab es zum Schluss dann zwar
doch noch ein paar Blues-Songs, doch das erhabene Gesamtbild
konnte das kaum trüben. (rxx)
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Samstag 12.06.2010
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Dio Stage
Es war wohl etwa 04.00 Uhr morgens, als mir auf unserem
Zeltplatz ein junger Mann, einzig in Unterhosen gekleidet,
begegnete. Nun stand der Typ als Fronter der ansonsten
belanglosen Metalcore-Kapelle Nascency auf der Bühne
– Sachen gibt es! Nicht weniger erstaunt, aber aus anderem
Grund war ich über den Auftritt der britischen
Folk-Metal-Pioniere Skyclad. Einen unter unterirdisch
angesiedelten Gig legte die Truppe nämlich hin, was vor
allem an der nervend hohen Violine und dem an betrunkene
Hooligans erinnernden Gesang von Fronter Kevin Ridley lag.
Da machten Point Blank aus Texas schon einiges mehr
Spass. Von der Optik her mit T-Shirts, Glatzen und
Bierbäuchen zwar nicht sonderlich ansprechend, zockten die
Herren eingängigen Hard Rock der simplen Sorte, den es in
unseren Breitengraden erst noch zu entdecken gilt. Auch
Raven hätten eine grössere Fangemeinde durchaus
verdient. Die NWoBHM-Veteranen sorgten mit ihren Klassikern
aus den 80ern und viel Bewegung für Partylaune. Insbesondere
Fronter und Bassist John Gallagher vermochte es mit seinem Headset nicht, auch nur eine Sekunde still zu stehen. Nicht
weniger überzeugten darauf Anvil. Die Kanadier, mit
ihrer Doku „Anvil! Die Geschite einer Freundschaft“ endlich
zu dem Ruhm gekommen, der ihnen ihrer Meinung nach gebührt,
rockten die Stage mit einem Dauergrinsen – Vibrator-Einlage
von Lips inklusive, versteht sich. Mit nur einer Gitarre
mögen die Jungs zuerst etwas gewöhnungsbedürftig klingen,
doch wider anderer Stimmen muss ich zugegeben, dass ich dem
dadurch etwas rockigeren, fast doomenden Sound durchaus
etwas abgewinnen kann. Beim Auftritt von Stratovarius
überhaupt nicht der Fall. Die Finnen wirkten schlicht
kraftlos und Ewigkeiten schienen die viel zu oft
angestimmten, spannungslosen Instrumental-Passagen zu
dauern. So beschlich einen leider die Erkenntnis, dass diese
Band, welche in den 90ern durchaus als Retter des
traditionellen Metals betrachtet werden konnten, ihren Zenit
überschritten hat. (kis)
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Sweden Stage
Der Auftritt von Dream Evil hätte der perfekte
Auftakt zum letzten Festivaltag werden können, wurde er aber
nicht. Zu steif, zu spröde benahm sich die Truppe um
Produzentenkoriphäe Fredrik Nordström. Insbesondere Shouter
Niklas Isfeldt gab mit seinen abgehalfterten Ansagen eine
höchstens durchschnittlichen Fronter ab, da halfen auch
True-Metal-Geschosse wie „The Book of Heavy Metal“ nicht
viel. Auch mit Epica wurde es nicht besser. Zwar
wurden die Schwarz-Kitsch-Metaller um Dauerbangerin Simone
Simons ordentlich abgefeiert, doch Spass machte die straight
dargebrachte Mischung aus Death Metal und Operette zumindest
mir nicht. Wird wohl Geschmackssache sein. Dies oder
das schöne Wetter mochten der Grund dafür sein, dass auch
bei Saga wiederum eine stattliche Anzahl Zuschauer
vor der Bühne stand. Dass die kanadischen Prog-Rocker
wissen, wie man ein Instrument richtig bedient, steht ausser
Frage. Mit dünnem Sound und die Nerven zerfetzend
quitschigen Keyboards erinnerte der gutaufgelegte Fünfer
eher an Videospielmusik aus den 80ern denn an eine Rockband.
Ob danach bei Watain dieselben Leute im Publikum
stehen? Auf jeden Fall weniger; die Masse scheint lieber Mr.
Lawless zuzuschauen. Ein Fehler, wer mich fragt, denn Watain
sind eine der wenigen Black-Metal-Combos, die auf ganzer
Linie überzeugen können. Nicht nur präsentiert sich die
Bühne nämlich zu einem satanischen Altar mit Fackeln,
Kerzen, Bannern und umgedrehten Kreuzen verwandelt, die
Jungs zocken im blutroten Licht und zu Pyros en masse auch
arschtight und groovend. Nicht umsonst gelten Watain als
Shootingstars der Szene. Nach 45 Minuten eigenem Material
gibt es eine mit fast 10 Minuten doch reichlich lange Pause.
Der Grund dafür: Watain spielen an diesem Abend ein
spezielles Bathory-Set im Gedenken an den vor sechs Jahren
verstorbenen Quorthon. Eingeleitet wird dies durch eine
Dankesrede von Quorthon's Vater Börje Forsberg, ein Moment,
welcher auch bei einem Nicht-Black-Metaller wie mir zu
Gänsehaut führt. Die wird von Watain dann aber gleich
weggeblasen und zwar mit einer makellos bitterbösen
Intonation von Bathory-Klassikern wie „A Fine Day to Die“, „Sacrifice“
und „Enter the Eternal Fire“. Grosses Teufelskino, das
besser wohl kaum geht! (kis)
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Rock Stage
Die Kirchenglocke schlägt 12, als die britischen
Cathedral mit ihrem Zeitlupen-Metal die Tore zum
Jenseits zu öffnen versuchen. Doch es scheint eher Schlaf-
denn Sabbath-Stimmung zu herrschen. Das ist jetzt nicht
negativ gemeint. Es war sogar sehr angennehm, so früh mit
solchem Sound in den Tag zu starten. So nach dem Motto:
"langsam pressieren". Der aufziehende Sturm brachte dann
auch das Erste Opfer des Festivals. Der 3-stöckige
Mischpultturm vor der Rock Stage wurde durch eine Windböhe
abgedeckt und Teile vom Gerüst flogen umher. Man kann von
Glück reden, dass niemand verletzt wurde. So musste der
Bereich um den Turm abgeschirmt und alles wieder in Ordnung
gebracht werden, bevor es mit Unisonic endlich
weitergehen konnte. Die neue Band um Michael Kiske mit
"unserem" Mandy Meier an der Gitare zog viele ewige
Helloween Fans vor die Bühne. Nebst einer handvoll Songs von
dem noch nicht veröffentlichten Unisonic-Erstling und
einigen Place-Vendome-Nummern wurden mit "Little Time" und
"Kids of the Century" auch zwei Helloween Songs zum Besten
gegeben, wobei Kiske stimmlich zwar überzeugte, die
taufrische Band aber noch nicht sonderlich beherzt wirkte.
Bei den darauf folgenden Opeth hätte unser El Muerte
Freude gehabt. Bei uns in der Schweiz haben sie ja schon
sehr viele Fans. Aber hier in ihrer Heimat sind sie Götter.
So gab es eine gewaltige Opeth Show mit wehenden Fahnen und
viel, viel Beifall von einer Masse an Akerfeldt-Jüngern.
Geile Sache! Der letzte Slot auf der Rock Stage für die
diesjährige Ausgabe der Sweden Rock' war danach für niemand
geringeren als Blackie Lawless und seine Mannen, auch
W.A.S.P. genannt, reserviert. Es war einer der aktiveren
Darbietungen von Mr. Lawless, bei welcher er durch
Interaktion mit den Fans und gutgelaunten Ansagen punktet.
Überhaupt nicht abgehoben teilnahmslos und minimalistisch,
wie man ihn ab und zu mal sieht. Sichtlich angetan von den
euphorischen Publikumsreaktionen auf Hits wie „Wild Child“,
„I Wanna Be Somebody“ oder „Blind in Texas“ gibt er sich
denn gar dazu hin, Getränke und Shirts in die jubelnde Meute
zu schmeissen. So wage ich sogar zu behaupten, dass ich
W.A.S.P. seit über 20 Jahren nicht mehr so gut erlebt habe.
Kompliment! (rxx)
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Festival Stage
Die wunderbaren Fates Warning legten Punkt halb zwei
auf der Festival Stage los. Mit ihrem packenden Prog-Sound
konnte die wiedervereinigte Truppe um Stimmwunder Ray Alder
einfach nur überzeugen. Nicht umsonst gelten Alben wie „Perfect
Symmetry“, „Parallels“ oder „A Pleasent Shade Of Grey“ als
Klassiker dieses Genres, wobei Nicht-Kennern der Sound wohl
doch etwas verschlossen blieb. Wieder für alle spannend
wurde es dafür bei Winger. Master Kip Winger war in
Hochform und Hits wie "Seventeen", „Can't get enough" oder
"Miles away" schmeckten besonders gut. Bei den darauf
folgenden Bachmann & Turner war dann eher die etwas
angegraute Fraktion unter den zahlenden Gästen gefragt. Aber
auch da gab es zumindest nichts zu meckern, beherzt und
locker griffen die altgedienten Herren in die Saiten. Laut
Spielplan hätten Guns'N'Roses um 23.30 Uhr auf der
Bühne stehen sollen. Doch Axl Rose und Co. bequemten sich
erst gute 45 Minuten später auf die Bühne. Zugegeben,
wirklich überraschend ist das nicht, doch gibt es tausend
angenehmere Dinge, als eine Dreiviertelstunde in Nieselregen
und Schweinekälte zu stehen, sodass die immer wieder
aufbrandenden Pfiffe und Buhrufe aus dem Publikum nur
gerechtfertigt waren. Wie spätere Recherchen ergeben haben,
wurde Axl falsch informiert und nicht zur richtigen Zeit von
Hotel abgeholt, was man als frierender Zuschauer natürlich
nicht wissen konnte. Wie auch immer: die Axl Rose Band –
mittlerweile eine ganze Fussballmannschaft – gab sich solide
und nebst Songs von der umstrittenen "Chinese Democracy"
(sechs Stück an der Zahl) und einer ganzen Reihe von
Soloeinlagen wurden natürlich auch die unverwüstlichen
Gunner-Hits vorgetragen. Zu „Welcome to the Jungle“, „Mr.
Brownstone“, „It's so easy“, „Nightrain“ und „Paradise City“
kann man einfach nicht anders als mitsingen und -wippen.
Guns'N'Roses waren somit ein ganz annehmbarer Headliner mit
einer tadellosen Bühnenshow, trotz zeitweise Probleme
machender Bildschirme. So ging ein fantastisches Festival
mit wieder einmal beschissenem Wetter zu Ende, auf dessen
Fortsetzung nächstes Jahr man sich schon freuen darf. (rxx)
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Rückreise:
Sonntag Morgen, 11 Uhr: Unsre Shopping-Trophäen sind
verstaut, die Schlafsäcke eingerollt, wir sind bereit, von
diesem schönen Fleckchen Erde Abschied zu nehmen. Unerwartet
dauert dieser Abschied jedoch geschlagene zwei Stunden. Als
Käpt'n Roxx nämlich die Maschine starten will tut sich
nichts. Pragmatisch gehen wir das Problem an, mit einem
eigens dafür vorgesehenen Booster wollen wir Saft laden. Die
Ergebnis ist ernüchternd: nichts passiert. Also bitten wir
einen netten deutschen Zeltnachbarn und seinen VW um Hilfe.
Als dessen Batterie fachgerecht mit unserer verkabelt wird,
springt nicht etwa unser Motor an, sondern Funken sprühen
und Rauch steigt auf unter unserer Motorhaube. Na prima!
Zum Scherzen sind wir langsam nicht mehr aufgelegt. Roxx,
telefoniert wie ein Wilder, versucht den Vermieter zu
erreichen, schafft es auch. Doch der weilt selbst in den
Ferien und weiss nicht recht, bei wem er schon wieder
versichert ist. Nach teuren Telefonminuten können wir dann
doch noch die zuständige Stelle erreichen, welche uns mit
dem aufmunternden Satz „In Schweden eine Panne zu haben
kommt etwa einem Motorschaden in Marokko gleich“ tröstet,
gleichzeitig aber Hilfe verspricht. Anstatt darauf zu
warten, versuchen wir es lieber nochmal selbst. Aller guten
Dinge sind drei, heisst es doch so schön. Unsre nächste Idee
heisst Anstossen, die dafür mit Bier angeheuerten Jungs
geben sich wirklich Mühe, doch bis auf ein schwaches Tuckern
tut sich wieder nichts und erst Versuch Nr. 4, etwas
zügigere Fahrt aufnehmen mithilfe eines abschleppenden
Quadbikes, bringt den gewollten Effekt: Die alte Karre läuft
endlich wieder. Unsre Fähre zurück nach Deutschland ist zu
dieser Zeit natürlich schon längst aus dem Hafen
ausgelaufen. So stellen wir uns auf eine Fahrt nicht nur
quer durch Deutschland, sondern auch durch Dänemark ein.
Kaum losgefahren müssen wir aber auch schon wieder Tanken
und schon stehen wir vor dem nächsten Problem. Den Motor
währenddessen abzustellen, daran denken wir nicht einmal (Sorry
Roger, für diese Umweltverschmutzung!). Habt ihr gewusst,
dass man in Schweden nur mit Kreditkarte tanken kann? Gut,
das geht ja, werdet ihr mir antworten. Doch wisst ihr auch,
dass in Schweden Kreditkarten nur vierstellige Pin-Codes
haben? Uns jedenfalls war das neu und darüber erstaunt
vergisst der gute Roxx sein Exemplar gleich aus dem Schlitz
an der Tanksäule wieder zurück ins Portemonnaie zu stecken,
sodass wir an der nächsten Tanke einen netten Schweden darum
bitten müssen, uns auszuhelfen. Als Gegenleistung gibts von
uns das noch übrig gebliebene Bargeld.
Wieder in Deutschland wagen wir es dann: Wir stellen den
Motor ab, um endlich was zwischen die Beisser zu kriegen.
Das Schnitzel mundet, wir Erleben ein Tor und deutsche
Fussballbegeisterung beim WM-Matsch Deutschland gegen
Australien. Darauf aber folgt ein Prozedere, welches wir in
den nächsten 20 Stunden noch gut fünfmal wiederholen werden
müssen. Roxx setzt sich auf den Fahrersitz, während Andrea
und ich uns an der Hinterseite unseres Wohnmobils in
Stellung bringen. Roxx schreit „Los!“ und wir schieben was
das Zeug hält bis die Klapperkiste wieder anspringt. Nur
gut, haben wir immer darauf geachtet, auf abfallendem
Gelände zu parkieren.
Als wir nach einer rund 27-stündigen Odyssee, der
Überquerung zweier sauteuren Brücken, der kompletten
Durchquerung zweier Länder und einer weiteren Nacht in
unseren Schlafsäcken wieder in Baden ankommen wissen wir
zwei Dinge jedenfalls genau: Für Erlebnisferien braucht man
nicht in den Dschungel zu gehen und das nächste Mal reisen
wir mit Zug oder Flugzeug nach Schweden. Ein nächstes Mal,
das gibt es aber auf jeden Fall! (kis)
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