Livereview: The Young Gods - Underschool Element
30.April 2008 Francomanias-Festival, Hôtel de Ville, Bulle (FR)
By El Muerte
Das Francomanias-Festival in Bulle (FR) zählt nun schon seit geraumer Zeit zu den Höhepunkten des Festival-Jahres für die Französisch sprechenden Musik-Liebhaber der Schweiz. Der Event mit der Dauer von etwa vier Tagen findet in einem eher gemütlichen Rahmen statt, die Schauplätze sind dabei unter anderem extra errichtete Festzelte, sowie der alte Ratshaus-Saal und etliche kleine im ganzen Städchen verteilte Openairbühnen. Das Francomanias-Festival konzentriert sich ausschliesslich auf Französisch-Sprechende Bands, aber gerade vor allem der Abend vom 29. April zeugte von der Dehnbarkeit dieses Begriffes - Während Underschool Element dreisprachig unterwegs sind (Fr/En/Es), konzentriert sich der grösste Teil des Young Gods-Schaffens eher auf die englische Sprache, und nur ein vernichtend kleiner Prozentsatz ihrer Werke bedient sich des Französisch. Doch gerade eben weil der Event einen überaus hohen Wichtigkeitsgrad geniesst, arbeiteten beide Bands für diesen Abend spezielle Programme aus…

Als Underschool Element knapp nach 20 Uhr die Bühne des Ratshaus betraten, war der Saal bereits beträchtlich gefüllt - gegen 900 Nasen werden es wohl gewesen sein. Die Band legte sich nach einem kurzen Intro mit «Funabmbule» vom aktuellen Release «Tango» bereits voll ins Zeug, und sorgte bei den wegen ausschliesslich den Young Gods angereisten Fans zugleich für ordentlich Unbehagen - Immerhin war der grösste Teil des Publikums bedrohlich Nahe an der 40-Jahre Grenze, und hatte nicht zwingend mit verzerrten Gitarren und geschrienen Vocals gerechnet. Der Band schien das anfänglich herzlich egal zu sein, «Acariâtre», «Sirènes», «Les Tournesols», und die aktuelle Single «Real Stinky» wurden schnell nachgeschoben, Gefangene keine gemacht. Underschool Element hatten offensichtlich seit der Plattentaufe vor knapp einem Jahr noch mal ordentlich Druck dazugewonnen, und präsentierten sich wirklich von ihrer aller besten Seite – Das Publikum lenkte darauf überraschend schnell ein, der Applaus und die Zurufe schienen sich mit jedem Song zu steigern. Sänger Greg entledigte sich bereits nach dem dritten Song seines Oberteils (Was für einige spitze Kommentare aus dem Publikum sorgte), und gab sich desweiteren als klarer Mittelpunkt des Geschehens - Obwohl die Band (David/Gitarre, Romain/Bass & Backing-Vocals, Yvan/Drums & Backing-Vocals) in sämtlichen Sparten ihrer Darbietung alle Register zogen (Mörder-Groove, ultra fette Basslinien, und präzise Gitarrenriffe), konnte Greg durch seine offensichtliche Dankbarkeit gegenüber dem Publikum beinahe sämtliche Sympathiepunkte im Alleingang einfahren. Nach «El Dragón Negro» verabschiedete sich die Band kurz, um Sekunden darauf eine echte Überraschung aus dem Ärmel zu schütteln: Die Jungs setzten sich mit akkustischen Gitarren und Perkussions-Instrumenten zum kleinen Halbkreis zusammen, und präsentierten zum Abschluss drei Songs unplugged, «Tango», «Autour & Partout» und «Jamais à l'abris» - Beim Intro zum ersten Stück hatte das Publikum offensichtlich noch Mühe, mit dem Stimmungswechsel klar zu kommen, doch bereits im Zwischenteil lauschte es beinahe andächtig der mehrstimmig und mit Inbrunst gesungenen Zeilen. Als sich Greg nach dem letzten Song erneut beim Publikum bedankte, wurde offensichtlich, dass Underschool Element dank ihres starken Auftritts viele anwesende positiv überraschen konnten, und nicht wenige als Fans dazugewonnen hatten - Auch von meiner Seite zwei fette Daumen nach oben – Hoffentlich kapiert auch bald die Deutschschweiz (Und der Rest der Welt gleich mit), dass Underschool Element mittlerweile internationales Niveau erreicht haben…

Setlist: Funambule, Acariâtre, Sirènes, Les Tournesols, Real Stinky, Ego, El Dragón Negro / Tango, Autour & Partout, Jamais à l'Abris

The Young Gods indes müssen sich längst nicht mehr um solche Probleme kümmern - Die Band hat seit über zwanzig Jahren Kultstatus, und wird rund um den Globus fanatisch verehrt. Musiker wie Al Jourgenson (Ministry), Trent Reznor (Nine Inch Nails), und sein Schützling Marilyn Manson zählen The Young Gods zu ihren Einflüssen, und die Band überrascht seit Jahren immer wieder mit neuen Konzepten & Überraschungsgigs. Optimale Voraussetzungen also für einen Auftritt auf dem Francomanias-Festival, zumal die Band erst vor kurzem ein Akkustik-Album veröffentlicht hat. Im Vorfeld sickerte bereits durch, dass sich die drei Masterminds hinter der Band für den Event mit einem Streicher-Quartett zusammen getan hatten, das Publikum trat deswegen dem länger als geplant andauernden Umbau zwar etwas missmutig, aber mit entsprechend Respekt entgegen - Gut Ding will Weile haben. Als gegen 21.30 Uhr die Lichter erneut erloschen und sämtliche Musiker miteinander die Bühne betraten, brach im Saal bereits tosender Applaus los - Mittlerweile war das Ratshaus mehr als gefüllt, zum Prädikat «Ausverkauft» fehlten nur noch etwa eine Handvoll Nasen. Ein simpel reduziertes Intro eröffnete den zweistündigen Gig, und die Band führte mit «Gardez Les Esprits» in die lange Setlist ein. Der Song setzte zugleich die Marschrichtung des Abends fest, auf dem Programm standen nebst diversen Klassikern auch einige aktuellere Nummern, aber immer gekonnt reduziert, und mit simplen Perkussions-, Gitarren- und Elektro-Sounds versetzt - Über allem thronte letztlich nur noch die Stimme von Franz Treichler. Auch das Streicherquartett wurde dem Thema unterworfen: Wo andere Bands normalerweise vor allem auf klassische Melodieführung setzen, agierten hier die Streicher ebenfalls rudimentär mit ihren Instrumenten, und fügten dem dichten Klangteppich etliche geräuschvolle Details hinzu (Arrangiert wurde das ganze übrigens von einem freien Mitarbeiter des Festivals!). Mittlerweile waren gut 40 Minuten des Konzertes verstrichen, und The Young Gods waren noch nicht mal beim vierten Song angekommen - Mir begann aber langsam der Rücken zu Schmerzen, und die Abfahrt des letzten Nachtbusses richtung Fribourg rückte auch immer näher. Obwohl die Band sichtlich ein überzeugendes und nicht minder intensives Konzert ablieferte, begann spätestens an diesem Zeitpunkt meine Aufmerksamkeit abzuschweifen… die Krux der ruhigen Musik schlechthin, bei einem hyperaktiven Sesselpupser wie mir brennen ohne dynamischen Input schnell mal die Sicherungen durch. So verliess ich dann knapp eine Stunde nach dem Showbeginn mit nicht ganz so schwerem Herzen den Schauplatz, und machte mich auf die Reise zurück nach Fribourg…

Wie sich später herausstellte, hatte aber nicht nur ich Mühe mit der dargebotenen Schwere des Geschehens: Obwohl viele Besucher über «Eines der besten Konzerte» ihres Lebens schwärmten, wurden nicht wenige Stimmen in die andere Richtung laut. Generell kann aber ganz sicher gesagt werden, dass The Young Gods mit ihrem Auftritt am Francomanias für einen thematischen und stilistischen Höhepunkt sorgen, und damit auch ihren Geist als kreative Köpfe und Wegbereiter bewahren konnten. Aber glücklicherweise tun wir hier bei der Metal Factory für Live-Shows keine Punkte verteilen, ansonsten würde ich mir von einigen unbeirrbaren Fans wohl nicht so freundliche Mails einfangen. The Young Gods hatten übrigens mobiles Recording-Equipment dabei, es bleibt abzuwarten, was mit dem Material geschehen wird…