Livereview: Zatokrev - Daïgoro - Cideraid
17.05.2008 , Nouveau Monde, Fribourg
By El Muerte
Endlich stehen die Zeichen auch im fribourgischen Nouveau Monde auf Sturm – Während in den ersten sechs Monaten seit der Neueröffnung Metal praktisch keinen Platz im Programm hatte, kommt nun mit «Full Metal» die erste Eventserie ins Rollen: Sybreed & Co legten Ende März ordentlich vor, Zatokrev und Genossen konnten an diesem Abend ordentlich drauflegen, und internationale Grössen wie etwa Eminence, Killing Joke oder Darkane werden im Herbst ihren Status unter dem gleichen Banner verteidigen müssen. Frohlocket! Bezüglich der Zuschauerzahlen war dabei der Abend vom 17. Mai klar der riskanteste - Zwar konnte mit Zatokrev eine der vielleicht mächtigsten Schweizer Bands an Land gezogen werden, aber entgegen der Reputation verleitet solch extreme Mucke erfahrungsgemäss eher selten zu ausufernden Völkerwanderungen. Eine Grindcore- und eine Old School Trashmetal-Band im Vorprogramm können an einer solchen Prognose eher selten etwas ändern, aber der Schreiberling dieser Zeilen (Wie auch die Organisatoren des Events) wurde dabei eines besseren belehrt: Während ein grosser Teil des Publikums einfach aus reiner Neugier mal einen Blick reinwarf, konnten vor allem die Jungspunde von Cideraid eine beachtliche Menge an Fans ins Nouveau Monde locken - und so kam es, dass der Saal mit unter'm Strich gut 190 Besuchern doch angenehm gefüllt war, und einer ordentlichen Party nix mehr im Weg stand…

Cideraid
Die fünf Freiburger um Bassist und Sänger Thomas Schweizer betraten mehr oder weniger pünktlich um 21h45 die Bühne. Die Band gab sich trotz einiger spieltechnischer Schnitzer übermotiviert, und überzeugte mit ihrem an alte Metallica und Nevermore erinnernden melodischen Thrash auch überraschend viele Romands - was nicht zuletzt auch an der frischen Attitüde liegen dürfte. Die beiden Klampfer wirkten zwar etwas blockiert, aber dafür quasselte Fronter Thomas für drei. Höhepunkt des Gigs war dabei klar die Taufe der neuen EP «Ghost Within», deren Entstehungsprozess laut Aussage der Band den Rahmen des Tolerierbaren bei Weitem gesprengt hatte. Die Band liess dazu einige Flaschen Cidre im Publikum rumreichen und verteilte auch eine Handvoll CDs - löblich! Der 40–Minütige Gig endete in einer lautstark geforderten Zugabe, worauf Cideraid auf eine uralte Komposition zurückgreifen mussten. Die Aktivitäten des Publikums beschränkten sich übers ganze Set auf etwas arg limitiertes Headbangen, hier hätte durchaus noch mehr gehen können - Mit etwas mehr Feuer unter'm Hintern könnte die Band durchaus selber für den Funken Anstoss sorgen, die Mucke dazu liefern sie auf jeden Fall.

Daïgoro
Daïgoro aus dem Welschland waren den meisten anwesenden Metalheads des Abends noch nie vor die Nase gekommen - Die Band besteht erst seit knapp zwei Jahren, und kann nebst einer EP und zwei Handvoll Gigs auch noch nicht all zu viel vorweisen. Die Band bezeichnet ihren Stil liebevoll als «Shushi Metal», gemeint ist damit ihre textliche und inhaltliche Verwurzelung zu japanischen Manga-Comics und alten Samurai-Filmen. Interessanterweise passt die Stilbezeichnung auch noch auf einer weiteren Ebene: Daïgoro fetzen im Blutrausch quer durch sämtliche Stilrichtungen und Vermischen ihren technischen Grindcore mit ordentlich queren Versatzstücken - Kulturverschleiss Galore! Das Publikum reagiert zwar leicht verstört aber durchaus sympatisch auf den Themenwechsel: Moshpits gab's zwar weiterhin nicht, aber immerhin versuchten sich einige wackere Helden am Headbangen - Bei diesen Tempiwechsel ein echtes Kunststück. Leider blieb die Musik trotz der technisch sauberen Performance des Quartetts eher weniger in den Gehörgängen hängen, und so verzogen sich schon bald einmal die ersten Besucher in Richtung Vorraum, um sich dort das eine oder andere Lungenbrötchen zu genehmigen. Auch hier dauerte das Set knapp 45 Minuten, nur für den bleibenden Eindruck hat's diesmal leider nicht ganz gereicht.

Zatokrev
Zatokrev aus Basel kämpfen schon seit geraumer Zeit mit ähnlichen Sorgen - Zwar fährt die Band nicht zuletzt mit ihrer aktuellen Veröffentlichung «Bury The Ashes» rund um den Globus entzückte Kritiken ein, und reist dementsprechend auch ordentlich den Gigs hinterher, aber die grosse Begeisterung bleibt nach wie vor aus. Dies sollte sich jedoch beim Konzert im Nouveau Monde als überraschenderweise falsch prognostiziert herausstellen: Zwar kühlen die physikalischen Reaktionen in Sachen Headbanging bereits während der ersten zwei Songs auf ein Minimum herab, aber der grösste Teil des Publikums scheint zuerst einfach nur Gefallen am schweren Doom zu finden, und wächst im Laufe des Konzerts immer näher an die Band heran. Dargeboten wird dafür ganz grosses Tennis: Das Quartett um Gitarrist und Sänger Frederyk Rotter lässt nichts anbrennen und entschwindet bereits mit dem ersten Takt in ihre Welt aus waberndem Schmerz, trägem Riffing und bissigen Shouts - Meshuggah-mässiges Langsam-Bangen inklusive. Spätestens beim Titeltrack «Bury The Ashes» mutieren Zatokrev zum kollektiven Doom-Leviathan und reissen Nouveau Monde & Publikum mit sich in den Abgrund - Beats und Riffs, Feedback und Gesang, Band und Musik werden eins, nächster Ausgang: Purgatorium. Weltklasse! Klare Sache, dass das Publikum dies nicht einfach so auf sich sitzen lassen will, und so müssen Zatokrev gegen 0:30 Uhr nochmal für eine Zugabe ran. Doch irgendwann ist Schluss, Augen werden gerieben, Gehörschütze aus Gehörgängen gepult… bloss glauben will es noch niemand so richtig: Zatokrev waren und sind live eine Naturgewalt, ob man die Musik mag oder nicht.

Pluspunkte gehen an dieser Stelle übrigens auch an den Kurzfilm, der nach dem Cideraid-Auftritt auf Leindwand gezeigt wurde: Es handelte sich dabei um einen Trailer zum kommenden Underground-Splatter-Movie «Zömbel Squad», in dem drei Viertel der Band als Zombies auf guter alter Schlachter-Maniere das zweite Mal das Zeitliche segnen. Das Publikum reagierte zu meinem Erstaunen äusserst amüsiert auf die Präsentation, nach den viel zu knappen 1.5 Minuten gab's ordentlich Applaus. Hoffen wir mal, dass aus dem Projekt wirklich der versprochene 1.5 Stunden Blockbuster wird…