Kein Fast-Food Album.
Nach sieben Alben und drei Tourneen ist Tobias
Sammets Projekt Avantasia erfolgreicher denn je. Nach
dem weltweiten Erfolg der «Ghostlights» World Tour
2016/2017, mit ausverkauften Konzerten in Asien, Amerika
und Europa, erscheint in diesen Tagen das neue
Avantasia-Werk «Moonglow». Noch vor der offiziellen
Veröffentlichung erzählt mir Mastermind Tobias Sammet
vom Entstehungsprozess der Platte und erklärt, warum es
einfach wichtig ist, sich für ein Album mal richtig Zeit
zu nehmen. Im Zuge der mittlerweile vierten Welttournee
macht er Ende April 2019 auch wieder in seiner „Heimat“
Pratteln Halt.
MF: Moonglow ist ja wieder ein
sehr prägnanter Titel und auch das Coverartwork ist
extrem gelungen und lädt zum Spekulieren ein. Was kann
man musikalisch vom neuen Avantasia-Album eigentlich
erwarten?
Tobias: Es ist sehr echt! Es
passt nicht wirklich in die Unterhaltungsindustrie des
21. Jahrhunderts, weil man sich mit der Platte
beschäftigen muss. Es ist absolut kein Fast-Food und es
kommt sehr verspielt daher. Es ist mit sehr viel Liebe
zum Detail entstanden, es sind tolle Gäste drauf und die
Songs erzählen… (überlegt), es ist ein Konzeptalbum aber
es ist diesmal keine Rock-Opera im ursprünglichen Sinn.
Ich würde es eher bezeichnen als ein Konzeptalbum, das
aus zehn zusammengehörigen kleinen Kapiteln oder
Gedichten besteht. Ein Coversong ist auch noch dabei und
ich kann einfach nur sagen, dass ich wahnsinnig
glücklich bin mit diesem Album. Es ist ein sehr intimes
Album und trotzdem ist es introvertiert auf die eine
Weise und extrovertiert auf eine andere Weise (lacht).
Es klingt verrückt aber es ist so.
MF:
Bereits beim kurzen Reinhören sprudeln die Melodien, so
als ob die Instrumente eine Geschichte erzählen. Worum
handelt es sich bei den Geschichten?
Tobias: Das komplette Album basiert auf einem Konzept.
Ich habe eine Welt geschaffen… ähm… die sehr beeinflusst
wurde von der schwarzen Romantik, vom viktorianischen
Revival der schwarzen Romantik. Das hat mich extrem
beeinflusst, und ich habe im Prinzip eine zehn Song-Welt
geschaffen, die auf den Weg und auf die Gefühle einer
Kreatur basieren, die in eine Welt hineingeschaffen
wird, in der sie keinen Platz für sich erkennen kann.
Sie ist angewidert und überfordert von den Erwartungen
der Schönen und Starken, und sie kommt nicht klar mit dem
grellen Licht ihrer Umgebung und deshalb flüchtet sich
diese Kreatur in die Dunkelheit, um einfach unsichtbar
zu sein und einfach Frieden zu finden. In dieser
Dunkelheit findet sie schliesslich den Schlüssel zu
einer eigenen Realität. Das war so ganz grob der
Leitfaden, und ich wollte einfach in jedem Song einen
anderen Aspekt, einen anderen Auszug aus der
Gedankenwelt dieser Kreatur schaffen. Ich wollte mit
diesen zehn Songs keine Geschichte von A-Z erzählen,
sondern ich wollte individuelle Gedichte, poetische
Stücke, Gedanken fassen, die auf die Geschichte dieser
Kreatur basieren. Aber ich wollte eben keinen Roman
erzählen, weil dafür halte ich, das ist zumindest jetzt
meine Meinung, die Kunstform „Musikalbum“ nur bedingt
geeignet. Du musst mit Spannungsbögen arbeiten, denn ich
finde du kannst keinen Roman, keine Geschichte oder
einen Film mit allen Details in einem Album erzählen,
das zehn Songs mit wiederkehrenden Refrains hat. Das ist
sehr sehr schwierig, und deshalb musste ich es etwas
lockerer sehen und etwas herauslösen aus diesem steifen
Konzept „Rock-Oper“. Ich glaube aber, dass mir das sehr
gut gelungen ist, denn dadurch konnte ich in jedem Song
persönliche Gedanken verarbeiten und konnte etwas
Freieres schaffen.
MF: Diese Kreatur die du ansprichst, die
nicht in der realen Welt zurecht kommt, hat die auch
Parallelen zur realen Welt im Hier und Jetzt?
Tobias: Natürlich! Natürlich, es hat etwas mit
Nonkonformität, mit Anpassungsschwierigkeiten und
Erwartungen zu tun, die man nicht erfüllen kann. Es hat
mit der Ellbogengesellschaft zu tun und dass man sich
unverstanden fühlt, weil man Dinge vielleicht für
bewundernswert hält, die andere für hässlich befinden
oder vielleicht auch umgekehrt. Also im Prinzip ist es
eine Ode an den Individualismus und an den Eigensinn,
aber es behandelt auch die Leidensfähigkeit, die man an
den Tag legen muss, wenn man wirklich bei sich selbst
sein möchte. Damit habe ich mich notgedrungen ein Stück
weit auseinandergesetzt, während ich auf eine extreme
Überlastungsphase zuzusteuern drohte. Das habe ich
irgendwann nach der «Ghostlights-Tour» bemerkt, obwohl
ich die Tour selbst als gar nicht anstrengend empfunden
habe, denn es war alles relativ entspannt. Es war mehr,
dass mir von überall die Frage gestellt wurde: „Was
kommt als nächstes?“. Geht man wieder ins Studio?
Entweder mit Avantasia oder mit Edguy? Ich habe gemerkt,
dass dieser Rhythmus, den ich als junger Musiker
vorgegeben, ja sogar vorgelebt habe und der sich damals
auch richtig angefühlt hatte, zur Voraussetzung geworden
ist. Ich spürte, dass mein Umfeld, zumindest mein
Arbeitsumfeld voraussetzte, ohne mir irgendetwas Böses
zu wollen, dass ich jetzt immer so weiterarbeite.
MF: Hat dieser Umstand bei dir Druck
erzeugt?
Tobias: Genau! Und diesem Druck
fühlte ich mich nicht mehr gewachsen, habe auch
gesundheitlich etwas abgebaut, und deshalb habe ich mich
entschieden, nach 25 Jahren Arbeit wie ein Besessener,
ab jetzt selber die Geschwindigkeit vorzugeben. Was ich
mache, wann ich es mache und wie ich es mache. Ich liebe
es ja wirklich Musik zu machen. Trotzdem habe ich mich
dazu entschlossen, einmal gar nichts mehr zu machen, und
als ich diesen Entschluss gefasst hatte, habe ich die
Ärmel hochgekrempelt und mir kamen Ideen ohne Ende. Dies
einfach, weil ich die Situation für mich verarbeitet
hatte und völlig ohne Druck an die Sache rangehen
konnte. Dabei ist «Moonglow» entstanden, und ich habe mir
gedacht, dass ich künftig nur noch so arbeiten werde.
Ich weiss noch nicht wann die nächste Platte kommt,
obwohl ich «Moonglow Part II» schon fast fertig
geschrieben habe. Das ist einfach mit „Part I“ zusammen
passiert, aber ich weiss nicht, ob die nun in fünf oder
in drei Jahren kommt. Ich habe überhaupt keine Ahnung,
denn ich habe mein Leben lang immer einem Zeitplan
gedient, immer in der Zukunft gelebt, aber das möchte ich
ab sofort nicht mehr machen. Ich weiss wirklich nicht,
was ich in zwei Jahren mache, und das ist auch gut so.
MF: Von dieser Haltung könnte sich die Gesellschaft
eine ordentliche Scheibe abschneiden. Kann man denn
sagen, dass diese Erfahrung dein persönliches, das
namensgebende „Mondglühen“ ist?
Tobias:
Nein, nicht wirklich. Ich fand einfach, dass dieses
Mondglühen eine schöne Metapher für die Magie der
Dunkelheit und der Ruhe darstellt. Ein alternatives
Licht zum Tageslicht. Nicht das Licht das uns
beleuchtet, wie wir irgendwie mit den Ellbogen arbeiten.
Ich habe schon ganz früh gemerkt, dass ich nachts viel
ruhiger arbeiten kann, weil ich das Gefühl hatte, dass
alle Leute die etwas von mir wollen, die Druck auf mich
ausüben, jetzt schlafen. Das ist so meine Bonuszeit, in
der ich im stillen Kämmerlein an meiner Musik arbeiten
kann, während der Rest der Welt in einer komplett
anderen Welt ruht. Es klingelt kein Telefon während ich
arbeite, und die Nacht übt eine ganz besondere Magie auf
mich aus. Das klingt jetzt alles ganz klischeehaft, aber
ich liebe auch Bilder mit Mondlicht. In der Limited
Edition von «Moonglow» werden ganz viele Illustrationen
von diesem viktorianischen Maler John Atkinson Grimshaw
drin sein. Seine Spezialität waren Nachtszenen, also
Landschaftsbilder unter Mondschein. Davon habe
ich auch einige in meinem Büro hängen, leider
keine Originale, sondern nur gerahmte Kunstdrucke (lacht).
MF: Er hat auch irgendwie etwas
Mystisches an sich…
Tobias: Ja, etwas
Mystisches und für mich steht der Mond symbolisch für
eine Alternative zum Mainstream, eine Alternative zum
Tageslicht und zur Ellbogengesellschaft. Ich weiss
nicht, wie ich es besser ausdrücken kann, aber er
beruhigt mich.
MF: Ich habe im Vorfeld zum Interview
vernommen, dass «Moonglow» dein bisher aufwändigstes
Album ist. Worin äussert sich das?
Tobias: Vielleicht fühlt es sich einfach für mich so an,
da ich diesmal wirklich viele Details so gemacht habe,
wie ich es machen wollte und persönlich bei allem
involviert war. Ich habe mir zum Beispiel selbst ein
Studio gebaut, nicht nur für dieses Album, sondern ich
werde es auch für weitere Aufnahmen nutzen, egal ob für
Edguy oder Avantasia. Das war schon mal relativ
aufwändig. Die Erstellung der Platte hat keinen Stress
auf mich ausgeübt, aber es war insofern aufwändig, dass
jeder Arbeitsschritt exakt so vorgenommen wurde, wie mir
das vorschwebte. Eine Passage zum Beispiel, bei der man
mittels Keyboard keltische Harfen einspielen könnte,
haben wir uns aber gedacht, dass es noch eine Nummer
geiler wäre, eine echte keltische Harfe zu haben. Für
das Resultat ist der Unterschied vielleicht nur minimal.
Ich glaube sogar, dass niemand «The Raven Child»
verurteilt hätte, wenn die Passage von der Software
statt der keltischen Harfe gekommen wäre, aber wir haben
dann einfach eine keltische Harfinistin gesucht,
gefunden und angeheuert. Wir brauchten auch Gospelchöre.
So haben wir uns in Hamburg vom Musical einen Gospelchor
genommen und dort gleich während ein paar Tagen
die Backing Vocals aufgenommen. Für einen Song schwebte
mir so ein gregorianisches Soundbild vor, also machte
ich den Sänger, der auch für die Band „Gregorian“,
dieses Weltmusikprojekt singt ausfindig und habe ihn
singen lassen.
MF: Da steckt ja wirklich
enorm viel Aufwand dahinter, wenn man dies jetzt so
hört.
Tobias: Absolut! Wir haben ganz
viele Dinge im Detail gemacht. Ich habe zum Beispiel
Geoff Tate nach Deutschland einfliegen lassen, obwohl er
natürlich auch in den USA ein Studio hätte buchen können.
Aber ich dachte mir, dass wir zusammen in einem Raum
vielleicht noch mehr rausholen könnten und noch mehr
Magie spürbar wäre. Ich bin ein paarmal nach London,
nach Birmingham geflogen, einfach um kreativ zu sein.
Viele Aufnahmen sind mit ganz viel Liebe zum Detail
entstanden. Manche Sachen habe ich sogar im Urlaub
aufgenommen.
MF: Das ist schon spürbar. Spürst du
denn auch, welcher Gastmusiker zu welchem Song passt und
wen darf man diesbezüglich auf «Moonglow&» erwarten?
Tobias: Auf dem Album ist drauf Michael
Kiske natürlich, denn der gehört zur Familie, Bob
Catley, Jorn Lande, Ronnie Atkins, Eric Martin von Mr.
Big. Es ist diesmal erstmals Hansi Kürsch von Blind
Guardian dabei. Candice Night von Blackmore's Night,
sowie Mille Petrozza von Kreator sind ebenfalls das
erste Mal bei Avantasia dabei. Es gab wirklich keine
Berührungsängste, auch nicht zu Elementen, die
stilistisch irgendwo anders zu verorten sind. Ich habe
einfach alles so gemacht, wie ich das haben wollte. Auch
weil ich so einen grossen Zeitraum hatte, denn ich hatte
ja keine Deadline und damals ja nicht einmal
mehr einen Plattenvertrag. So konnte ich es einfach für
mich machen.
MF: Dann ist «Moonglow» ein
richtig persönliches Projekt?
Tobias:
Genau! Ich konnte mir auch einige Songs zur Seite legen
und schaue mal in einem Jahr was daraus wird. Ich konnte
auch bei einzelnen Elementen die Langzeitwirkung testen,
und deshalb empfinde ich es vermutlich als das
aufwändigste Album, das ich je gemacht habe. Wirklich
nicht weil ich dafür so viel Schweiss vergossen habe,
sondern weil ich echt detailverliebt, wie so ein
verrückter Professor in meinem Kämmerlein an allem
basteln konnte.
MF: Dieses Album trägt
also durch und durch deinen Stempel?
Tobias: Absolut! Absolut! Ich kann mich mit der Platte
100% identifizieren und die Kirsche auf der Torte ist
natürlich das Coverartwork. Ich finde das Coverartwork
sehr wichtig, denn es gibt dem Album ein Gesicht und es
wird das Album auch prägen. Für mich ist «Seventh Son Of
A Seventh Son» von Iron immer ein hellblaues Album und
wenn ich «Can I Play With Madness» höre, ist das für
mich immer ein hellblauer Song. Ich assoziiere das ganz
extrem, und es ist mir extrem wichtig, ein gutes Artwork
zu haben. Nun, einige Edguy-Fans werden sich jetzt wohl
denken, dass man das nicht immer gemerkt hat (lacht),
aber ich stehe hinter jedem Cover, das wir gemacht haben
und selbst die etwas humorvolleren hatten etwas Bissiges
oder zumindest noch einen grossen Mittelfinger. Aber bei
diesem neuen Avantasia-Album ist das Coverartwork so
wunderschön und so Tim Burton-mässig…
MF:
…auf den Punkt! Das habe ich mir auch gedacht. Ich liebe
Tim Burton…
Tobias: Ich auch! Und auch
deshalb kann ich «Moonglow» nur empfehlen (Gelächter).
MF: Das glaube ich dir gerne (Gelächter). Du hast ja
bekanntlich so viele Gastmusiker bei deinen Shows. Wie
probt man mit so vielen engagierten Spitzenmusikern?
Tobias: Ja, wir haben schon relativ lange
Proben angesetzt. Wir werden Anfang März anfangen zu
proben und vorher wird sich jeder Einzelne individuell
vorbereiten. Dadurch, dass wir erneut um die drei Stunden
spielen werden, ist es besonders für die
Instrumentalisten eine enorme Aufgabe. Dann ab Mitte
März werden wir uns alle zusammen auf einer Probebühne
einfinden, auf der auch die komplette Bühnenproduktion
dann aufgebaut ist, und wir werden mit allen die gesamte
Show durchproben. Avantasia ist ja immer ein Stück weit
choreografiert, aber nie so… nie so auf Hochglanz poliert
wie… (überlegt)
MF: …wie DJ Bobo…
Tobias: (Lautes Gelächter) Ja genau, wie DJ Bobo. Ja,
aber das ist ganz lustig, denn wir hatten mit Edguy
wirklich einmal eine Bühne, die von einer Firma gebaut
wurde, die vorher auch die DJ Bobo-Bühne gebaut hat.
Aber keine Angst, diese Bühne wird diesmal von jemand
anderem gebaut (Erneutes Gelächter). Es gibt keine
Tänzer… und äh „This is the party song that makes the
party going on“… das ist meine Lieblingszeile von DJ
Bobo. Ich muss aber dazu sagen, ich finde diesen Typen
echt lustig. Aber wie auch immer… wir werden das alles
proben und es wird wieder ziemlich gross und aufwändig
werden. Wir haben eine grosse Bühnenproduktion… in der
Schweiz, da haben wir die kleinste Halle (Z7, Pratteln)
zur Verfügung während der ganzen Tour, und deshalb
spielen wir auch gleich zweimal dort. Aber dieser Laden
ist einfach grandios, ich bin sozusagen dort
aufgewachsen, und ich kann also bis heute nicht mehr
sagen, wie oft ich schon dort gespielt habe. Irgendwie
ist es immer geil dort im Z7. Es ist eine schöne Show,
die wir dort nur bedingt aufbauen können, dafür sind wir
nahe beim Publikum dran und es ist immer wie ein „nach
Hause kommen“. Das Z7 ist aber immer der einzige Punkt,
der seit damals auf meiner ersten Edguy-Tour im
Vorprogramm von Iron Saviour im April 1998, also vor 21
Jahren habe ich das erste Mal im Z7 gespielt und mache
seitdem auf jeder Tour immer wieder im Z7 Halt.
MF: Ich wollte dich eben gerade fragen,
was dich denn eigentlich immer wieder nach Pratteln
bringt, denn du füllst ja locker Stadien und grössere
Hallen. Jetzt hast du mir aber die passende Antwort
bereits geliefert.
Tobias: Klar ist es
nicht so, dass wenn man mir sagen würde, dass ich
unbedingt in Zürich im Stadion spielen müsste, dass ich
dies ablehnen würde um nach Pratteln zu gehen, aber dann
würde ich die vom Z7 alle einladen und mit ihnen einen
draufmachen (lacht). Ich weiss auch nicht, es ist dort
einfach irgendwie geil.
MF: Ich werde auf
jeden Fall dort sein…
Tobias: Klasse,
ich auch. Dann sehen wir uns ja dann…
MF:
Du hast mir ja vorhin gesagt, dass du vor 21 Jahren das
erste Mal im Z7 warst. Gerade in den letzten 20 Jahren
ist in der deutschen Metalszene viel passiert. Was
denkst du, was macht Avantasia heute so erfolgreich?
Tobias: Ich weiss es, ehrlich gesagt, nicht.
Ich kann es überhaupt nicht sagen. Ich glaube oder ich
hoffe, dass es etwas damit zu tun hat, dass ich meiner
Intuition gefolgt bin. Ich hoffe es. Es hat sicher auch
mit Glück zu tun und es könnte auch das Resultat der
Summe an richtigen Entscheidungen sein, die man immer
wieder getroffen hat. Allerdings könnte die Band auch
„grösser“ sein, wenn ich manches anders entschieden
hätte. Aber unter dem Strich glaube ich ganz fest, dass
es einfacher ist etwas zu erreichen, wenn man
authentisch ist. Gerade in der Kunst ist es wichtig, das
zu tun worauf man Bock hat, ohne immer die Kohle der
Leute im Kopf zu haben und deshalb das macht, was gerade
angesagt ist. Ich habe so viele Trends kommen und gehen
sehen. Als ich mit Edguy angefangen habe, war es schon
fast illegal, traditionellen Heavy Metal oder Hard Rock
zu spielen. Das war die Blütezeit von Nirvana und Pearl
Jam, aber wir haben es trotzdem gemacht und plötzlich war
der Grunge wieder auf dem absteigenden Ast und wir haben
mit Musik, wie wir sie gemacht haben, Charterfolge
gefeiert. Dann, nach vier Edguy Alben habe ich Avantasia
gegründet, weil es Zeit war für einen Tapetenwechsel.
Ich wollte nicht in so eine Routine verfallen, und ich
hatte einfach Bock das zu machen, obwohl mir jeder, aber
wirklich jeder davon abgeraten hat. Alle haben die Hände
über dem Kopf zusammengeschlagen und mir gesagt, dass
das echt keiner braucht. Es war mir aber egal, wer das
braucht. Ich wollte das machen!
MF: …und
der Erfolg hat dir Recht gegeben…
Tobias: …ja und jetzt ohne überheblich klingen zu
wollen, denn es geht ja nicht darum zu sagen, dass ich
es allen gezeigt habe. Vielleicht zieht ja der eine oder
andere daraus für sein Leben auch die richtigen
Schlüsse. Ich glaube es beweist, dass du im Stande bist
viel zu leisten, wenn du mit Herzblut dabei bist und
eine gewisse Dickköpfigkeit hast, was dir oft als
Egoismus ausgelegt wird. Ich glaube, dass du eine
gewisse Dickköpfigkeit an den Tag legen musst, denn
unter dem Strich gibst du den Leuten das
Allerwertvollste von dir, nämlich Ehrlichkeit. Du musst
für deine Überzeugung geradestehen, und wenn du das tust,
dann hast du eine gute Chance Erfolg zu haben. Wenn du
damit dann keinen Erfolg hast, dann kannst du zumindest
sagen, dass du immer das gemacht hast, worauf du
wirklich Bock hattest. Ich habe mir keine Magengeschwüre
dabei geholt und dann bist du auch mit dir im Reinen,
auch wenn die Rechnung einmal nicht ganz aufgeht. Ich
habe das nie gemacht, um erfolgreich zu sein, sondern
einfach weil ich darauf Bock hatte, in der Hoffnung,
zumindest die Kosten dafür decken zu können und… die
habe ich wieder reingekriegt (Gelächter).
MF: Gibt es jetzt noch etwas zu
«Moonglow», das dir persönlich wichtig wäre zu erwähnen,
das noch nicht angesprochen wurde?
Tobias: Ähm… nein. Man kann ja eigentlich sowieso nichts
zum Album beantworten, denn die Fans müssen sich das
anhören, weil Musik zu beschreiben, das ist eine
undankbare Aufgabe, denn es ist fast nicht möglich. Die
Leute müssen sich das erst erarbeiten, und ich habe das
Gefühl, dass es die Platte wert ist. Ich habe mir echt
viel Mühe gegeben, und wer es scheisse findet, der hat
meinen Segen das auch scheisse zu finden. Ich glaube
aber, dass es sehr sehr gut geworden ist, und ich bin
sehr glücklich damit!
MF: Deine Freude
hat man im Gespräch sehr gut gespürt, und ich bin
überzeugt, dass diese Freude auch noch auf ganz viele
Fans überspringen wird. Wir sind somit am Schluss des
Interviews angelangt, und ich möchte dir herzlich für
deine Offenheit und ausführliche Art deiner
Schilderungen danken.
Tobias: Danke dir
für dein Interesse, und wir sehen uns in Pratteln.
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