Sex, Drugs & Altersweisheit.
Unverhofft kommt oft… Da laufe ich aus dem Fotograben beim
diesjährigen «Bang Your Head»-Festival raus und wer zupft mich am
Ärmel? Genau, Bernhard Weiss, Sänger der deutschen Rock/Metal-Truppe
Axxis. Kurzes Begrüssen und direkt sich verabredet für ein Interview
nach der W.A.S.P.-Show. Man kennt Berny. Er ist einer der
angenehmsten Interviewpartner, denn sein Redeschwall beinhaltet viel
Ehrlichkeit, Enthusiasmus und Herzblut. So auch bei diesem Gespräch,
das völlig unvorbereitet, sich zu einem erneut Tränen reichen (vom
Lachen) Gespräch entwickelte. Die Themen waren vielfältig, von den
letzten beiden, genialen Alben «Kingdom Of The Night II», und dem
Ausstieg von Marco Wriedt (Gitarre), über die bevorstehende
Live-DVD/CD zum 25 jährigen Bühnenjubiläum von Axxis, bis zur
Vergangenheit mit «Matters Of Survival» und dem Klischee «Sex, Drugs
And Rock'n Roll». Und hey… Bernhard muss man erlebt haben, seine Art
kann nicht widergegeben werden, auch nicht mit den
Klammerbemerkungen, dazu ist seine Gestik und Mimik, welche den
Aussagen noch mehr Kraft verleihen, zu umwerfend.
MF: Was ist
seit den letzten beiden Alben (schwarz/weiss Edition von «Kingdom Of
The Night II») alles bei Axxis passiert?
Bernhard:
Da ist sehr viel passiert. Wir spielten eine Tournee, die
erfolgreicher war, als wir uns dies erhofften. Fast 60 % der
Konzerte waren ausverkauft. Damit rechneten wir überhaupt nicht. Das
war eine richtig tolle Geschichte für uns! Nicht so toll war, dass
uns Marco Wriedt (Gitarre) nach der Tour mitteilte, dass er
aussteigen will. Der hat schön die Platte eingespielt, die Tour
mitgemacht, Kohle verdient und sich dann mit seiner neuen Truppe 21
Octayne verflüchtigt. Das fanden wir sehr doof, konnten ihn dann
aber noch für ein Jahr an uns binden. Es gibt ein stilles Gesetzt
bei Axxis, dass besagt, wenn du auf den Bandfotos der jeweiligen
Platte zu sehen bist, du die Saison mitspielen musst und nicht
einfach gehen kannst. Mitten im Produkt sich aus dem Staub zu
machen, geht bei uns nicht. Deswegen haben wir mit Marco aber keinen
Stress, der als Typ eher ein Narzisst und kein Bandplayer ist.
Keiner der für eine Truppe, sondern für sich selber arbeitet. Einer,
der alles tut, dass seine und nicht die Band-Karriere vorangetrieben
wird. So handelt niemand bei Axxis! Selbst Dirk Brand (Trommler)
nicht, der allen Grund hätte sich so zu verhalten! Dirk, der mit
Seal Konzerte spielt oder mit Christina Bach unterwegs ist.
Christina, die den Song «Atemlos» schrieb oder bei der
Abschiedsfeier der Olympiade in London auftrat. Dirk hat richtig
fette Dinger am Start. Er denkt aber nie nur an sich, sondern sieht
Axxis als Band und verhält sich als Teamplayer. Einfach, weil bei
ihm noch Herzblut vorhanden ist. Das ist eine echte Hausnummer! Ich
tu alles für die Band, dass ich dabei immer im Mittelpunkt stehe,
tut mir leid. Dat will ich gar nicht, aber ich bin nun mal der
Sänger (grinst). Da sitz ich lieber im Studio und fuchtle an meinen
Songs herum und versuche die Produktion zu verbessern. Stefan Weber,
der Gitarrist von Lion Twin ist der Ersatz von Marco. Den haben wir
auf der letzten gemeinsamen Tour (Axxis, Lion Twin) total
unterschätzt. Stefan stand im Schatten von Jan, dem
Hauptgitarristen. Jan wurde auf Tour krank. Stefan trat aus dem
Schatten heraus und konnte endlich zeigen, was seine Fähigkeiten
sind. Wir waren echt überrascht, was dies für ein geiler Gitarrist
ist.
MF: Und jetzt ein neues Album?
Bernhard: Neue Scheibe kann man nicht sagen. Aber eine neue
Doppel-CD bei der die DVD zum 25 jährigen Jubiläum von Axxis im
Vordergrund steht. Am 28. Dezember 2014 haben wir die Show in der
Bochumer Zeche aufgenommen. Das hat sehr viel Zeit beansprucht, so
dass wir sagen können, es kommt eine geile DVD in den Handel. Darauf
sind sehr viele schöne Momente, mit Doro oder Victor Smolski, zu
sehen. Leider hat der dichte Nebel auf der Bühne nicht zum Vorteil
der Bildqualität beigetragen. Trotzdem ist es eine geile DVD
geworden, die sicher nicht schlechter rüberkommt als diejenige zur
20 Jahr-Feier.
MF: Gab es eine spezielle Setliste für diese
Jubiläumsfeier?
Bernhard: Klar, wir wollten natürlich auch neue Lieder einbauen, wie
«Venom», «Hall Of Fame», «The War» oder «Living In A Dream». Aber
auch alte Tracks, die wir ab und zu ein bisschen anders in Szene
setzten. Auch bedingt durch die Gastsänger. So konnten wir mit den
Frauenstimmen «Take My Hand» oder «Dance With The Dead» spielen.
«Trash In Tibet» mit Victor Smolski ist sensationell geworden.
Zusammen mit Marco wurde aus diesem Instrumental ein
Zehn-Minuten-Song. Faszinierend was die Beiden da aus ihren
Instrumenten rausholen. Und!!! Wir haben alle Fehler so gelassen,
wie sie sind. André Hilgers (ehemaliger Trommler von Axxis und Rage)
verspielte sich kurz. Das finde ich total sympathisch. Selber wird
er dies sicher scheisse finden (lacht). Bei «Tales Of Glory Island»
verpasste er seinen Einsatz. Alle schauen sich an und haben keinen
Plan was gerade los ist. Ein kleiner, peinlicher Moment, der gut
gemeistert wurde (lacht). So ist eine total interessante DVD
entstanden, die am 9. Oktober 2015 erscheinen wird.
MF: Unter welchem Banner steht die nächste Tour?
Bernhard: «Living The Dream»! Weil die Arie einfach
immer weitergeht. Dabei nehmen wir das Grundkonzept der Tour 2014
nochmals auf, mischen aber andere Songs dazu. Auch wenn Pratteln nie
ausverkauft ist, es macht immer wieder Spass im Z7 aufzutreten.
Letztes Wochenende spielten wir auf dem Waka Waka-Festival. Da wurde
leider vergessen auf den Plakaten zu vermerken, welche Truppen auf
die Bühne gehen. Mit dem Titel verbinde ich eher Sounds von Shakira
(lacht). Leider kamen nur sehr wenige Besucher. Wir gaben aber
Vollgas und spielten, als wären wir am «Rock Am Ring» (grinst). Das
Schöne dabei war, dass die Besucher sich wohl wie am «Rock Am Ring»
fühlten (grinst), da war richtig cool!
MF: Das letzte Album erschien in einer weisse und
einer schwarzen Ausgabe. Hat sich dies für euch ausbezahlt, oder
werdet ihr ein solches Unterfangen nie mehr machen?
Bernhard: Nie mehr kann ich nicht sagen, da das Ganze nicht anders
lösbar war. Wie sollten wir sonst, mit nur einer Platte, das
musikalische Spektrum von Axxis zum Bandjubiläum abdecken? Wir
wollten alles ausleben und nichts komprimieren. Darum sind auf dem
schwarzen Album eher die härteren, teils Doublebass lastigeren
Tracks und auf dem weissen eher die melodischeren Parts zu hören.
Wirtschaftlich war dies ein totaler Blödsinn. Doppelte Presskosten,
doppeltes Booklet und Druckkosten, ein absoluter Irrsinn. Zum 25
Jährigen haben wir uns dies aber gegönnt (grinst).
MF: Plant ihr wieder irgendwann mit einer Sängerin
zusammen zu arbeiten, oder ist dieses Thema durch?
Bernhard: Persönlich finde ich solche Dinge immer sehr erfrischend.
Auch beim Songwriting fliessen dadurch neue und andere Impulse ein.
Alleine durch Stefan Weber hat sich das Schreiben schon wieder
verändert und es sind Dinge möglich, an die wir vorher gar nie
dachten. Stefan ist ein sehr aktiver Typ, das hilft uns enorm. Eine
Sängerin ist für mich gesangsmässig auch immer wieder eine
Herausforderung. Ich finde das geil und liebe es, dieses
«Frage-Antwort»-Spielchen auf der Bühne. Unser Ziel ist es nicht,
wieder mit einer Frau zusammen zu arbeiten, das müsste sich
organisch ergeben.
MF: Wo siehst du denn die Unterschiede zwischen
Marco und Stefan?
Bernhard: Stefan ist kein
Narzisst und arbeitet für die Band. Er stellt die Truppe und nicht
sich in den Vordergrund. Mit Stefan kann ich anders reden als mit
Marco. Bei Marco wusste ich nie, macht er dies, weil er uns mag,
oder nur damit er bei Engl ein Deal kriegt. So war's dann
schlussendlich auch, damit er seinen Vertrag bekommt und seine neue
Truppe pushen kann. Damit hat er unseren Bandnamen ge- und
missbraucht. Das alles hinter unseren Rücken. Das macht er noch
heute! Bei mir stand nie «Bernhard Weiss von Black Sabbath» (lacht).
Das gab's nicht, ich schaffte alles aus eigener Kraft (lacht).
MF: Immerhin warst du im Vorprogramm von Black Sabbath!
Bernhard: Genau! Somit haben wir die auch ausgebeutet
(lacht). Das war damals eine geile Erfahrung. Einer Truppe, die man
selber liebt, das Leben auf der Bühne dermassen schwer zu machen.
MF: Sind schon neue Lieder komponiert worden?
Bernhard: Ja, wir schreiben und haben glücklicherweise keinen
Zeitdruck. Durch unser eigenes Label Phonotraxx und dadurch dass wir
alles selber machen, verliert man aber sehr viel Zeit für diesen
ganzen administrativen Kram. Alleine für die DVD gingen sechs Monate
für all die Qualitätskontrollen drauf. Zum Beispiel: Falsche
englische Untertitel, oder vorhandene Rechtschreibfehler, die sehr
wahrscheinlich noch immer vorhanden sind (lächelt). Wir sprechen
hier von einem drei Stunden Programm, da können immer wieder Fehler
auftreten. Beim Menü war zu Beginn die Musik zu dünn. Keiner wusste
warum. Als die Band zu spielen begann war der Sound total fett.
Oder, wieso wurde beim Abspann die Musik doppelt so laut, wie beim
ganzen Konzert? Das konnten wir selber nicht klären. Zudem war ein
Kameramann dabei, der das Material nicht rausrücken wollte. Total
bescheuert. Die ganze Produktion war «low budget». Am Abend
vergassen wir nach seinen Aufnahmen zu fragen und später wollte er
sie nicht mehr rausrücken. Das Interview mit Victor Smolski und auch
jenes mit Hannes Braun (Kissing Dynamite) bekamen wir nicht. Das
dauerte fast zwei Monate, bis wir an diese Gespräche rangekommen
sind. So zog sich diese ganze Scheissproduktion immer mehr in die
Länge. Leider!
MF: Welche Gäste sind auf der DVD zu
sehen und zu hören?
Bernhard: Doro, Victor Smolski, Hannes Braun, André Hilgers, der
schon ein Axxis-Bandmitglied war, Jeanette Scherff von Dawn Of
Destiny, oder Werner Kleinhans unser alter Bassist. Das war echt
toll und geil! Dann hatte Toto, der Polizisten aus dem Fernsehen
seinen Auftritt, der Percussionist von den Scorpions… Das war schon
keine Axxis-Show mehr, sondern eine Axxis-Revue und noch besser als
vor 5 Jahren! Das war schön, dass alle gratis mitgemacht haben!
MF: Hast du denn jemals gedacht, so lange im
Business zu sein?
Bernhard: Gerade vorhin habe ich
mit einem Kumpel gesprochen. Hätte mir 1989 jemand erzählt, dass ich
meine eigene Plattenfirma überlebe, hätte ich ihm den Vogel gezeigt.
Never ever! Meine Plattenfirma, die EMI Elektrola! «His masters
voice»! Über Generationen haben die Platten und CDs gepresst und
verkauft. Jetzt sind sie weg und mich gibt’s noch! Persönlich finde
ich das gut, zugleich ist es auch schade und zeigt genau, wie sich
der Markt entwickelte. Da geht alles den Bach runter. Es überleben
nur ganz wenige Firmen bei denen sich die Musiker wohlfühlen, und
überhaupt noch eine Vertrag unterschrieben können. Viele Mucker
wollen alles im Alleingang machen, aber es fehlt ihnen am Know-how
oder den finanziellen Mitteln. Axxis haben das Glück, dass wir über
unsere EMI-Connection, Vertriebe kennen und Beziehungen ins Business
haben. Willst du überleben, musst du dich viel mehr mit dem
Geschäftskram auseinandersetzen. Hey, wir können seit 25 Jahren von
der Musik leben, was auch etwas heissen und bedeuten will! Seit 2014
sogar sehr gut! Läuft eine Tour gut, macht sich dies sofort
bemerkbar. Wir sind interessanterweise noch nie so hoch in den
Charts eingestiegen und verkauften zugleich aber auch noch nie so
wenige Platten. Das ist ein Witz! Ganz ehrlich, die nächste
Studio-Scheibe veröffentlichen wir nach dem gleichen Muster wie
Powerwolf und releasen in den Sommerferien. Da habe ich echt die
Möglichkeit die Charts auf Platz 1 zu knacken. Keiner veröffentlicht
in diesem Zeitpunkt eine Album, die Verkaufszahlen sind dermassen
gering, dass selbst eine Truppe mit einer kleinen, aber loyalen
Fanbasis die Möglichkeit hat auf Platz 1 einzusteigen. Das war eine
geile Strategie von Powerwolf. Direkt auf Platz 1, dann kannst du
gleich wieder rausfallen, aber das spielt keine Rolle (lautes
Lachen).
MF: Was macht Berny wenn er nicht Musik macht?
Bernhard: Wäre das nicht eine alte Schulfreundin
gewesen, hätte ich diesen Job nie angenommen. Aber, weil ich gerne
mit Kindern arbeite, habe ich zugesagt. In Nordrheinwestfalen gibt
es ein Programm namens JeKi. Das finde ich total geil! «Jedem Kind
ein Instrument». In Nordrheinwestfalen wird das so finanziert, dass
vom ersten bis ins vierte Schuljahr die Kinder umsonst eine
Instrument spielen können. Dafür suchen sie händeringend Lehrer, die
den Schülern Notenlesen beibringen. So stehe ich zweimal in der
Woche von 11 bis 15 Uhr, Dienstag und Mittwoch bereit. Mein Opa war
Lehrer und ich glaube, ich hätte dies auch werden sollen (grinst).
Ich bin da voll der Entertainer (lacht). Der Supercoole, der mit
seiner E-Gitarre kurz mal alle wegbläst (grinst). So stehe ich ab
und zu in der Zeitung und alle Mütter werden schwach (lacht). Das
ist geil! Total der Hammer (lachend).
MF: Und die Omas auch!
Bernhard
(brüllendes Gelächter): Ja, die Omas auch! Ja, leider die auch
(lacht noch immer)! Nebenbei erstelle ich noch kleine Homepages für
mittelständische Unternehmen. Da kommen pro Jahr zwei bis drei
Aufträge zusammen. Das mache ich aber nebenbei, eher so Hobby
mässig. Die grafischen Dinge für Axxis rauben auch sehr viel Zeit.
Urlaub… Dieses Jahr ist es das «Bang Your Head»-Festival geworden.
Eigentlich wollte ich in die Ferien fahren, aber das hat nicht
geklappt. Neben dem Abi meiner Tochter kamen noch viele andere Dinge
dazwischen. In meiner Freizeit… Ich bin da so ein Freak und muss
immer was lernen. Zudem tauche ich sehr gerne. Leider habe ich nicht
allzu oft die Möglichkeit dazu. Ich hasse Fernsehen wegen diesen
scheiss Werbepausen. So habe ich mir Watch Ever-TV und Amazon Prime
gekauft. Da gibt's keine Werbepause und du kannst dich richtig auf
eine Serie einlassen (grinst vergnügt). Jetzt habe ich mir Dexter
reingezogen, das ist der Hammer und ich stehe voll auf einen solchen
Scheiss (grinst). So lange dieses Abo läuft bin ich mitten in diesen
Serien drin. Man entwickelt und identifiziert sich mit den
Hauptfiguren. Das macht einen Riesenspass, entspannt und macht die
Birne frei (lacht)!
MF: Da fehlt aber die Zeit, in
der Pause das Bier zu holen!
Bernhard: Das schöne
ist, du kannst auf Pause drücken (lacht), holst dir das Bier und es
geht gleich weiter! Werbepausen sind der blanke Horrer! Ich bin ja
mittlerweile auch schon 50 Jahre…
MF: …komm schon,
höchstens 35…
Bernhard: …jaja (lacht). Das Alter
macht alles viel einfacher. Früher hatte ich immer Angst auf der
Bühne zu versagen. Trotz meinem noch immer vorhandenen Lampenfieber,
liegt eine Routine drin, die mich beruhigt. Ich weiss, was ich kann
und was nicht und schätze mich so besser ein. Selbst wenn mit der
Stimme etwas schief geht, komme ich heute locker aus dieser Nummer
raus. Die Erfahrung macht relaxter. Wir kennen uns ja nun auch schon
Hundert Jahre und dadurch, dass dieses Netzwerk noch immer vorhanden
ist, kann ich wie hier auf diesem Festival, tausend Leute treffen.
Die kannten wir in unseren Anfangstagen nicht. Aus diesem Grund
macht es viel mehr Spass, je älter man wird.
MF: Bist du mit 35 auch genügsamer geworden?
Bernhard: Also mit 35 bin ich total genügsam geworden (lacht). Keine
Ahnung wie das mit 50 sein wird (ganz breites Grinsen). Was heisst
genügsamer… Gerade vorhin sprach ich noch mit jemandem über die
ganzen Drogenpartys damals im Luxor bei der Pop Komm. Das Ganze lief
auf dem Klodeckel, den wir abschraubten ab. Zu guter Letzt lag das
Pulver auf der Klobrille, was immer riskanter und ekliger wurde
(grinst). Ganz ehrlich, ich bin da nicht sicher, ob ich nicht doch
froh bin, dass diese Zeiten vorbei sind (lacht). Tja, passiert so
etwas, verliert es an seinem Reitz. Früher war ich immer auf der
Suche nach einer Party. Auf der Tour war dies immer Scheisse, da ich
nur am Tourende als Sänger richtig Gas geben konnte. Dieser Druck,
dass eine Party hermusste und es keine gab… Den Druck habe ich heute
nicht mehr und seitdem sind die Partys da (lacht)! Somit ist 35 ein
Hammeralter (schallendes Gelächter)!
MF: Wie war das denn damals bei euch mit «Sex, Drugs
And Rock'n Roll»?
Bernhard: Das alles hatten wir
und war kein Klischee. Ich meine, hey, wer will keinen Sex haben?
Gerade im Rock-Geschäft. Bist du auf Tour und siehst deine Freundin
lange nicht, ist dies ein Bedürfnis. Drugs waren auch ein Thema bei
uns. Sitzt du jeden Abend im Tourbus, trinkst und rauchst etwas...
Mein Glück war, dass ich auf diese Drogen-Geschichte nie gestanden
bin. Vom Gras rauchen wurde ich immer müde. Penne ich immer ein,
kriege ich die Krise!!! Aber! Alkohol ist auch eine Droge, wenn du
dich jeden Abend besäufst... Klar haben wir auch mal härtere Drogen
probiert. Es war gut haben wir das probiert, so wussten wir, wie es
ist. Wir konnten eine ganze Nacht durchfeiern, aber irgendwann kommt
dein Körper und setzt Zeichen. Feierst du drei Nächte durch, weil du
Koks intus hast und brichst bei der vierten Nacht zusammen, merkst
du schnell, dass das Ganze quatsch ist. Zudem ist das auch ganz
schön teuer! Rock'n Roll! Klar, den hatten wir sowieso!!! Gemeinsam
mit tollen Menschen auf der Bühne zu stehen ist einfach schön! Oder
im Studio zu sein und daraus entwickeln sich neue Lieder. Wie der
Song für die Todesopfer der Love Parade («21 Crosses»). Plötzlich
spielst du dieses Lied für die Hinterbliebenen und merkst was du
damit erschaffen hast. Das ist der Hammer! Diesen Effekt, den du bei
den Hörern erzielen kannst... Als Metal- oder Rockband waren wir die
Ersten, welche einen Song für die Opfer dieser Tragödie schrieben.
Das zeichnet den Rock'n Roll aus. Er bewegt was, lenkt die Gedanken
und das finde ich sehr schön.
MF: Gibt es ein Album, das du heute so nicht mehr
machen würdest?
Bernhard: Ja, «Matters Of Survival»
würde ich heute nicht mehr in der Form veröffentlichen. Die Demos
klangen hammergeil, aber was Keith Olsen daraus produzierte war
Kacke. Damals habe ich dies der Band gesagt und bekam tierischen
Stress mit den anderen. Ausserdem startete gerade die ganze
Grunge-Phase durch. Ansagen wie: «Nicht alles was du machst ist
richtig! Der Olsen kostet viel Geld, der wird schon wissen was gut
ist», verhärteten diese ganzen Umstände. Du erahnst als Künstler,
dass es Scheisse wird, aber es musste erst fertig sein, damit du
sagen kannst: «Seht ihr!?» Die Songs sind geil, aber es ist leider
nur ein gutes Album geworden. Marco ist mit diesem Album
aufgewachsen und findet die Scheibe geil! Klar darf es auch andere
Meinung geben, aber die Produktion ist nicht nach meinem Geschmack.
Da bevorzuge ich die der beiden letzten Alben. Fetter Sound, Dinge
die in die Fresse hauen, Gas geben und Spass machen. Alle denken,
dass sie locker die Lieder von Axxis nachspielen können. Die
Gitarristen kacken alle ab, wenn sie bei uns vorspielen. Das sind
Kleinigkeiten und du kriegst die Krise.
MF: Hat «Matters Of Survival» Axxis aus den Schienen
gehoben?
Bernhard: Die EMI dachte eh schon an
«Voodoo Vibes» (Nachfolgealbum): «Das ist eh das letzte Werk. Wir
haben keinen Bock mehr darauf.» Mit «Matters Of Survival» erhoffte
man sich weg vom alten Move zu kommen und einen neuen Schwung
reinzubringen. «Schuster bleib bei deinen Leisten», war immer mein
Credo. Wenn alle ihren Sound ändern, ist das doch Kacke! Kaufe ich
mir einen Mercedes kannst du da keinen VW-Motor einbauen. Oder
umgekehrt. Axxis sind Axxis und sollen auch wie Axxis klingen. Ich
konnte mich bis zum dritten Album gegen die ganzen grossen
Produzenten-Namen wehren. Hey, wir haben mit unserem Debüt «Kingdom
Of The Night» 150'000 Einheiten verkauft, ohne eine berühmten
Produzenten, welcher den Studiosessel flachdrückte. «Never change a
winning team». Bis zu «The Big Thrill», da stand dann Joey Balin auf
der Matte. Da fand ich die Produktion aber noch gut. So habe ich dem
Ganzen zugestimmt, was sich dann mit dem Nachfolger «Matters Of
Survival» als Fehler entpuppte. Das war Scheisse und der falsche
Weg. Wir sind nicht Pearl Jam!
MF: Kommen wir zum Schluss, was sind die Pläne für
die Zukunft?
Bernhard: Erstmals diese Scheiss DVD
auf den Markt zu bringen (grinst) und dass das Thema endlich
abgehackt ist (grinst). Da freue ich mich und bin gespannt auf die
Reaktionen der Fans. Dann steht eine neue Studio-Scheibe an. Die
soll was Besonderes werden. Die genaue Richtung kann ich dir noch
nicht sagen, aber die beiden letzten Scheiben haben den Kurs schon
mal vorgegeben. Dabei soll's auch bleiben. Will man Extreme
ausloten, kann man nicht alles auf einer CD veröffentlichen. Mit
zwei Scheiben ist dies viel einfacher. Aber (grinst), wir werden nur
eine neue CD veröffentlichen. Da bin ich selber gespannt, wohin sich
das entwickeln wird. Wie gesagt, der Love Parade Song war zu Beginn
nur ein Lied, den ich okay fand, bis der Text dazukam. Mit dieser
Idee dahinter wurde es ein grossen Song! Wer weiss was kommt?
MF: Ganz herzlichen Dank für dieses spontane Interview!
Bernhard: Danke dir! Wir sehen uns in Pratteln (Z7, 10. September
2015), da freue ich mich darauf! Pass auf dich auf!
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